Wilde Raserei - Tanz auf dem Vulkan

Es gibt Stücke oder Teile von Werken, in denen es zu einer wilden Raserei kommt. Ein Tanz auf dem Vulkan. Die Musik geht an die Grenze des technisch möglichen. Fortissimo, aber auch Pianissimo Stellen, hohes Tempo, die Extreme im Ausdruck bestimmen das musikalische Geschehen.

In Dmitri Schostakowitsch 2. Satz Allegro Molto des 8. Streichquartettes in c-Moll Op. 110 findet sich ein solcher Moment.

Ein Beispiel aus dem Barock:

In Antonio Vivaldis Vier Jahreszeiten Op. 8, Nr. 2, RV 315 im Sommer bricht im Presto der Sturm los, Blitze zucken, der Regen prasselt.

Der Komponist fügte den Noten Sonette bei. Die betreffende Stelle hat er so beschrieben.

Toglie alle membra lasse il suo riposo:

Il timore de’ Lampi, e tuoni fieri

E de mosche, e mosconi il stuol furioso!

Ah che pur troppo i suoi timor son veri

Tuona e fulmina il Ciel e grandinoso

Tronca il capo alle spiche e a’ grani alteri.

* * * * *

Den müden Gliedern nimmt ihre Ruhe:

Furcht vor Blitzen und wilden Donnern

und der Fliegen und Mücken wildes Schwirren.

Ach, wie wahr sind seine (*) Befürchtungen,

es donnert und blitzt der Himmel, und Hagel

bricht das Haupt der Ähren und des hohen Getreides.

(*) des Hirten

Die Mitglieder des Dover Quartett spielen in einem irren Tempo.

Joshua Bell und die Mitglieder der Academy of St. Martin in the Fields gehen zeitgleich zur Sache.

In Bela Bartoks 4. Satz Allegro molto des 4. Streichquartettes ist ein wilder Tanz einkomponiert.

Das Zora Streichquartett legt sich ins Zeug.

Die Pianisten-Fraktion hat Ähnliches zu bieten. Alexander Scriabins Etüde Nr. 12 in dis-Moll aus Op. 12 erfährt gegen Schluss eine Steigerung im fff Bereich. Vladimir Horowitz meistert seinen Part meisterhaft.

Sergei Prokofieff hat in seiner Toccata Op. 11 eine motorische Obsession ausgelebt.

Es spielt Rahman el Bacha.

Zum Vergleich

Martha Argerich, Elena Rozanova, Vladimir Horowitz

Igor Strawinsky hat die Musik zu Le Sacre du Printemps in einem kleinen Zimmer an einem Klavier komponiert. Daran muss ich denken wenn ich die Bearbeitung für zwei Pianisten höre.

Es spielen Lucas und Arthur Jussen die Fassung für Klavier zu vier Händen. Ich habe die Brüder vor kurzem an zwei Flügeln mit diesem Werk erlebt.

Bei

04 min 00 s,

12 min 07 s,

23 min 40 s

29 min 30 s wird die Musik wild und ungestüm.

Das Allegro Barbaro (Sz 49) von Bela Bartok hat das Wilde bereits im Titel.

Die zwei rumänische Tänze op. 8a haben obsessiven Charakter.

Franz Schubert hat mit seinem Lied Erlkönig ein Werk komponiert, das von der Dramatik der Szenerie des Goethe Gedichtes bestimmt wird.

Franz Liszt hat seinen Komponistenkollegen bewundert und viele seiner Werke für Klavier transkribiert.

Franz Schuberts 4. Satz des Streichquintett in C-dur D. 956 beginnt und endet mit einem einem wahren Tanz auf dem Vulkan.

Franz Schuberts 2. Satz Andantino der A-Dur Sonate D. 959 hat einen Mittelteil, der mit ein Rätsel ist, eine subtile Raserei, wenn ich ihn höre. Der Satz beginnt mit einer unendlich traurigen Melodie im 3er Takt. Dann geschieht etwas, das ich von keinem Werk der Musikgeschichte in dieser Weise kenne -und mündet nach einer Überleitung wieder in den Anfangsteil, diesmal mit leichten Modifikationen.

Der vierte Satz von Franz Schuberts Wanderer Fantasie Op. 15 D. 760 hat eine Energie, der man sich schwerlich entziehen kann.

Svajatoslaw Richters Interpretation des 4. Satzes beginnt im zweifachen Forte bei 17 min 07 s und endet, was bei Schubert selten vorkommt, im dreifachen Forte.

Franz Liszt hat die Wanderer Fantasie für Klavier und Orchester bearbeitet.

Der vierte Satz setzt bei 18 min 29 s ein. Es spielt Jeno Jandö den Solopart, das Budapest Symphony Orchestra unter der Leitung von András Ligeti begleitet ihn.

Im Ballett der Wunderbare Mandarin Op. 19 Bela Bartoks flieht das Mädchen vor ihrem Verfolger, der sie unerbittlich jagt.

Wolfang Rihms Orchesterwerk Jagden und Formen (Zustand 2008) hat 16 Teile. Ein kurzes Beispiel einer Raserei, von denen es einige im Werk hat, ist der kurze 2. Satz.

Dmitri Schostakowitsch hat in der achten Sinfonie im 3. Satz  Allegro non troppo eine unerbittlich motorische Musik komponiert.

Yevgeny Mravinsky dirigiert das Leningrader philharmonische Orchester.

Wenn Ludwig van Beethoven wütend wird, und sei es nur über den Verlust eines Geldstückes, tönt es so:

Die Wut über den verlorenen Groschen, Rondo alla ingharese quasi un capriccio G-Dur op. 129

Evgeny Kissin spielt eine Zugabe.

Einen Zeichentrickfilm gibts es dazu:

Franz Schubert lässt sein Streichquartett d-Moll Der Tod und das Mädchen D. 810 im 4. Satz mit einem Presto enden.

Peter Tschaikowsky gibt im Schlusssatz Allegro con fuoco seiner 4. Sinfonie f-Moll Op. 36 gehörig Pfeffer.

Lieber La Roche

Der rumänische Dirigent Vlad Vizireanu beherrscht sein Metier. Eine Freude ihm bei der Arbeit zuzusehen. Die Musiker folgen ihm in jedem Moment.

moderato

Nicolo Paganini (1782-1840)

Presto g-Moll, aus Capricen, Opus 1, Nr. 16

Peter Tschaikowsky (1840-1893) hat im 3. Satz Allegro vivacissimo seines Violinkonzertes D-Dur Op 35 eine Herausforderung für Geiger und Geigerinnen komponiert.

Janine Jansen

Jascha Heifetz

bei 21 min 23 s

Dmitri Schostakowitsch hat im 3. Streichquartett Op. 73 im 3. Satz Allegro non troppo eine ungestüme Musik geschrieben.

Das sag jemand Barock-Musik sei langweilig.

Samuel Barber hat im vierten Satz seiner Klaviersonate Op. 26 eine Fuge-Allegro con spirito mit wilden Läufen geschrieben.

Johann Sebastian Bach hat in seinem Präludium in a-Moll BWV 543 einen Klangrausch auf der Orgel hingelegt, der es in sich hat.

Und in der anschliessenden Fuge a-Moll BWV 543 geht's weiter. Das rockt, wie Matthias Havinga spielt.

Wer käme darauf, dass Frederik Chopin (1810-1849) dies komponiert hat?

Er lässt seine 2. Sonate b-Moll Op. 35 mit einem kurzen pausenlosen Presto ausklingen. nach 1 min 24 s ist der Spuk vorbei. 1839 komponiert.

Maurizio Pollini spielt.