Zwanzig Komponisten - eine Beurteilung aus dem 18. Jahrhundert.

  • Durch einen Eintrag ein einem anderen Thread hat Ulli auf Carl Ludwig Junker (1748-1797) hingewiesen, einen Pfarrer, Schriftsteller und Komponisten, der sich - sogen wir es mal freundlich - kritisch über Joseph Haydn und seinen Stil geäussert habe. Das interessierte mich - ich habe gestöbert und einen Schatz gehoben. Der liegt in der Bayrischen Staatsbibliothek, ist aber öffentlich lesbar:


    Junker hat ein Buch verfasst, indem er 20 Komponisten des 18. Jahrhunderts charaktisiert, kritisiert und -teilweise - abkanzelt, wobei er sich in seinen Wertungen oft auf Philosophen und deren Aussagen beruft, oder es bedauert, wenn sie oft gar keine gemacht haben.Das Buch ist insofer aufschlußreich als hier teilweise Komponisten aufgeführt werden die heute weniger bekannt sind. Andrerseits fehlt Mozart, er war bei Erscheinen des Buch erst 18 Jahre alt.....


    https://www.digitale-sammlunge…/view/bsb10598781?page=,1


    Das Werk hat132 Seiten, die alle durchgeblättert werden können


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Zwanzig Komponisten - ein ein Beurteilung aus dem 18. Jahrhundert.“ zu „Zwanzig Komponisten - eine Beurteilung aus dem 18. Jahrhundert.“ geändert.
  • Schöne Literatur zum Schmökern .... Vielleicht kann jemand meine Vermutungen bestätigen


    E. Bach = CPE Bach ?

    J. Bach = Johann Christian Bach ?

  • Ja. Im Text steht später einmal "Emanuel" explizit und J. wird als "Londner" bezeichnet, also Joh. Christian, nicht Joh. Sebastian.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • J. wird als "Londner" bezeichnet, also Joh. Christian, nicht Joh. Sebastian.

    Besten Dank für die Info. Das Büchlein gibt viel Aufschluss über die Zeit - auch wenn der Autor vielleicht ein gebildeter, aber verschrobener Querulant sein sollte. (Man kann an passender Stelle jederzeit zitieren, da es hier kein Copyright mehr gibt) Ein Beispiel mag sein, daß Johann Sebastian gar keinen Eitrag mehr hat, obwohl im 18. Jahrhundert aktiv. Er ist 1776 weitgehen (vorübergehend) vergessen, bzw ist C.P.E Bach zu diesem Zeitpunkt berühmter als es je sein Vater zu Lebzeiten war... (heute kaum vorstellbar)


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • ich habe gestöbert und einen Schatz gehoben.

    In der Tat. Man könnte diesen Thread nutzen, um Junkers Aussagen aus heutigem Blickwinkel (neu) zu interpretieren; auch aber, um seine Ansichten verstehen zu wollen. Der folgende Überblick (Inhaltsverzeihnis; Seitenzahlen = Seiten des Scans wie angezeigt) zeigt bereits eine Gewichtung:


    002-016 Vorbericht

    017-021 Carl Friedrich ABEL (1723-1787)

    022-029 Carl Philipp Emanuel BACH (1714-1788)

    030-031 Johann Christian BACH (1735-1782)

    032-037 Luigi BOCCHERINI (1743-1805)

    038-041 Johann Christian CANNABICH (1731-1798)

    042-043 Wilhelm CRAMER (1746-1799)1

    044-052 Carl Ditter von DITTERSDORF (1739-1799)

    053-059 Ernst EICHNER (1740-1777)

    060-061 Ignaz FRÄNZ(E)L (1736-1811)2

    062-070 André-Ernst Modeste GRÉTRY (1741-1813)

    071-083 Franz Joseph HAYDN (1732-1809)

    084-086 Tommaso GIORDANI (1730-1806)3

    087-087 Antonín KAMMEL (1730-1784)

    088-090 François-André Danican PHILIDOR (1726-1795)

    091-096 Gaetano PUGNANI (1731-1798)

    097-098 Carl STAMITZ (1745-1801)4

    099-104 Joseph Aloys SCHMITTBAUER (1718-1809)

    105-110 Johann SCHOBERT (c1730-1767)

    111-116 Carlo Giuseppe TOESCHI (1731-1788)

    117-125 Johann Baptist VANHAL (1739-1813)


    1 vermutlich dieser als „bedeutendster ausübender Künstler der Mannheimer Schule“ (Wiki) und Vater des Pianisten Johann Baptist Cramer (1771-1858) und Komponisten Franz Cramer (1772-1848)

    2 in Junkers Schreibweise FRENZEL war nur der Franz Xaver zu finden, der allerdings nicht, wie sein Kollege P.D.Q. Bach, rückwärts lebte; so konnte ich diesen ausschließen.

    3 in Junkers Schreibweise JORDANI nicht aufzufinden; Leopold Mozart erwähnt aber in seinem Londoner Reisetagebuch den hier ebenfalls aufgeführten „Mr. Kammel Violinist“, somit konnte der gleichermaßen erwähnte „Mr: Giordani“ nebst Frau und 2 Töchtern identifiziert werden; Tommaso Giordani übersiedelte 1753 nach London, Giuseppe Giordani (1751-1798), der jüngere Bruder, kann daher m. E. nicht gemeint sein

    4 vermutlich der erwähnten Bratsche wegen

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Man könnte diesen Thread nutzen, um Junkers Aussagen aus heutigem Blickwinkel (neu) zu interpretieren

    Genau - Ursprünglich hatte ich vor - klammheimlichzwar daraus zu zitieren - mit Quellenangabe natürlich, da der Autor auch oft Unsinn verzapft hat., aber man hätte die Seite kaum gesucht oder aufgefunden. Ich entschlossich aber dann, sie algemein zugänglich zu machen, weil oft ein anderes Mitglied etwas entdeckt, das ich übersehen habe, oder - aus Zeitgründen -übersehen musste.

    So haben wir alle was davon: Die Mitglieder und Mitlesr bekommen interessante Hintergrund informationen - und ich bin entlastet....


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Zu vielen der genannten Komponisten gibt es ja Aufnahmen; andere werden zumindest in der Wikipedia nur als Instrumentalsolisten geführt - offenbar sind deren Werke nicht überliefert oder noch nicht wieder aufgefunden worden. Wenig zu finden sein dürften Aufnahmen der Werke von Wilhelm Cramer, der bei der Wiki lediglich als Dirigent und Sologeiger geführt wird. Ignaz Fränzel ist immerhin mit einer Sinfonie (Nr. 5) bei Concerto Köln vertreten. Giordani und Kammel wird man wohl vergeblich suchen ... alles andere ist einigermaßen brauchbar dokumentiert.


    Sogar Junker selbst mit einem Clavierkonzert:



    und seinem Melodram „Die Nacht von Zachariae“:



    Ich mag das Stück; Meldodramen im allgemeinen sehr - bloß diese Vorführung lässt mich ein wenig schaudern ...

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  • Ja. Im Text steht später einmal "Emanuel" explizit und J. wird als "Londner" bezeichnet, also Joh. Christian, nicht Joh. Sebastian.

    JSB wird in Texten dieser Zeit meistens als (nur) Sebastian bezeichnet, um nicht verwechselt zu werden. Die Bachs wurden stets (Ausnahme offenbar: Junker) mit dem letzten Vornamen genannt:


    Carl Philipp Emanuel Bach

    Johann Christian Bach

    Johann Sebastian Bach

    Wilhelm Friedemann Bach


    Die Patennamen wurden selten erwähnt:


    Zitat von Forkel

    „Er hatte deren drey: Christian Bach, Carl Philipp Emanuel Bach, und Friedemann Bach; (den vierten in Bückeburg rechne ich nicht mit dazu; weil der nicht eigentlich zu den ... Bachen gehört).“

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  • Gluck?

    Ja, schon seltsam, sind doch seine Lebensdaten mit jenen von CPE nahezu identisch. Es sollte mich wundern, wenn Gluck nicht doch zumindest irgendwo Erwähnung findet.

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  • Oder mag der Typ einfach keine Opern? Traetta, Anfossi u.a. fehlen ja auch.

    Oh doch ... er schwelgt imo von Christian Bachs Endimione. Ich persönlich finde seinen Scipione besser. Endymion ist mir auf Dauer zu lyrisch.

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  • Wenn ZWANZIG vorgegeben ist - dann fehlen natürlich welche. Der Autor war ja in Bezug auf Quellenmaterial eingeschränt, entweder ermusst ei (teuren ´) Noten kaufen ider einem Konzert beiwohnen.

    Schallplatte, CD und Internet-Streaming waren ja um 1769 noch ziemlich in den Kindeschuhen (oder in den Windeln...oder....??;) )


    Hier nun etwas von Wilhelm Cramer, dem Sohn von Johann Baptist Cramer...



    zumindest mit gefällts sehr gut.


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Hier nun etwas von Wilhelm Cramer

    Nunja, das ist eine Simulation (Sibelius); die ersten Takte sind gleich Händel ...



    Mist, jetzt bin ich voll in Weihnachtsstimmung ... frohes Fest allerseits.

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  • Kommt nicht ganz hin; umgekehrt wird ein Schuh daraus ;)

    Chevalier Ulli !!


    Theoretisch würde ich nun ausrufen:

    "Welch ein Lapsus !!" Schande über mich!!

    "Bisserl denken beim Schreiben Herr von Schmidt"*) - S' schadet auch ihnen nicht !"

    Aber beim Stöbern und Recherchieren die letzten Wochen hab ich derartig viele Falschinformationen auf den sogenannten seriösen Seiten gefunden,

    daß ich mir ausnahmesweise Verzeihung gewähren werde. :yes:


    mfg aus Wien

    Alfred


    *) der zu erwartende Adelstitel wurde in diesem Beitrag bereits vorweggenommen....

    Falsche Bescheidenheit ist hier nicht angebracht

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  • Der Chevalier hätte das vermutlich aus dem Bauch heraus auch nicht gewusst; es sprang im förmlich ins Auge, da er justament ein paar Minuten zuvor diesbezüglche Recherchen (für das Inhaltsverzeichnis) gemachte hatte. 8-)

    Wenn ZWANZIG vorgegeben ist - dann fehlen natürlich welche. Der Autor war ja in Bezug auf Quellenmaterial eingeschränkt

    Naja, die Vorgabe stammt wohl von ihm selbst und ist auch eher seltsam: eine halbe Seite „verschwenden“ an einen gewissen Kammel, um die Vorgabe schnell zu erfüllen; dabei aber Gluck, der nicht weniger bekannt gewesen sein drüfte als Haydn, aussparen?


    :/


    Aber vielleicht war Haydn gerade erst der Öffentlichkeit zugänglich geworden und wurde deshalb fokussiert. Ich muß das Pamphlet zu gegebener Zeit mal ausgiebig studieren ...


    In den Kontext passt übrigens auch Joseph Martin Kraus' Verdikt über Pergolesis Stabat mater:

    Zitat

    Pergolesi. Mir ist er kein Nierenprüfer. Sein Stabat Mater ist fehlerhaft und durch und durch der Text zum Ausdrucke genotzüchtigt.

    Joseph Martin Kraus: Etwas von und über Musik fürs Jahr 1777, Frankfurt am Mayn, bey den Eichenbergschen Erben, 1778

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  • Wir sollten Kritiken und Beurteilungen - auch solche von Zeitgen9ssen (und vielleicht besonders jene !!!) immer kritisch lesen. IMO dienen sie allenfalls um gewisse historische Strömungen aufzuzeigen, verfälscht durch persönliche Freundschaften und Feindschaften....

    Aber natürlich sind sie interessant, lehrreich und oft auch - unterhaltsam.


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Aye, Sir!


    Es sind oftmals die „vermaledeiten“ Werke (oder Komponisten), welche die Verdikte überdauerten. Vide Pergolesis Stabat, Beethovens Eroica, die ihrerzeit gegen Eberls Es-Dur-Sinfonie den kürzeren gezogen hatte ... eben auch, wie erwähnt: Mozarts Figaro vs. Ditters Doktor und Apotheker ... die Liste könnte lang und Thema für einen separaten Thread werden.

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