Haydns op 20 ist einer der bedeutendsten Werkgruppen in der Geschichte des Streichquartetts. Mich würde Eure Einschätzung von den Quartetten interessieren. Welche Werke dieser Gruppe gefallen Euch besonders gut, welche weniger. Meine persönliche Reihung sieht so aus:
Der Sieger: Nr.3. Haydns G-Moll Quartett ist vielleicht sein radikalstes. Der turbulente Kopfsatz wird von einem irregulären (7 Takte plus 7 Takte) und harmonisch instabilen Thema geprägt. Es scheint von selber nach B-Dur zu modulieren und am Anfang ist Haydn nur wenige Sekunden in G-Moll. Dadurch bedingt, ist die Reprise gänzlich anders gestaltet und wirkt fast wie eine zweite Durchführung. Das Menuett ist ein langsamer und melancholischer Tanz und basiert auch auf ein irregulärem Thema. Das wunderschöne Adagio bildet das stabile Zentrum des Werks, während das Finale die Tonwelt des ersten Satzes wieder aufgreift.
Knapp dahinter: Nr.2. Das C-Dur Quartett ist eines der faszinierendsten Werke der Quartett Literatur. Der Kopfsatz zelebriert die neugefundene Gleichberechtigung der vier Instrumente. Besonders das Cello darf in diesem Satz brillieren und gleich am Anfang die Führung übernehmen. Das Capriccio ist einer der ungewöhnlichsten Sätze überhaupt. Er beginnt als eine Art Opern-Rezitativ, geht in eine Arie über und mündet schließlich im Menuett. Das ist von einem irregulären Thema geprägt, während das C-Moll Trio an das Capriccio erinnert. Das Fugen-Finale wirkt hier nicht wie ein Fremdkörper, sondern stellt einen logischen Abschluss zu diesem Quartett dar, weil das erste Thema des Kopfsatzes schon wie ein Fuge anfängt.
Bronze geht an: Nr.4. Das D-Dur Quartett blickt vielleicht am weitesten in die Zukunft und ist Haydns späteren Quartetten näher als die anderen Werke des Opus. Der ernste Kopfsatz basiert auf ein klopfendes Thema, das aber auch eine gewisse Ruhe ausstrahlt, die im G-Moll Quartett fehlt. Der anschließende Variationssatz in D-Moll ist ohne Zweifel der beste seiner Zeit. Gefolgt wird er von einem ultra-kurzem Menuett das manchmal klingt als wäre es in 2/4 Takt. Das Trio verläuft hingegen sehr regulär. Das Finale ist wahrscheinlich Haydns erste Auseinandersetzung mit dem ungarischen Stil und einer seiner erfolgreichsten.
Leider nur Blech: Nr.1. Das Es-Dur Quartett besticht mit seinem dialogreichen Kopfsatz. Hier wird Gleichberechtigung jedoch weniger durch Soli erreicht, sonder durch verschiedene Kombinationen der Instrumente. Das Menuett ist nicht weiter auffallend. Der langsame Satz ist einer Haydns schönsten. Es fällt schwer hier ein eindeutiges Thema auszumachen, vielmehr ist die Musik hier eine hymnenartige Progression in allen Instrumenten, die gelegentlich von einem Solo der ersten Geige unterbrochen wird. Das Finale ist ein munterer Kehraus. Dieser Satz und das Menuett sind der Grund, dass dieses Quartett nich ganz an die oberen herankommt.
An fünfter Stelle: Nr.5. Das F-Moll Quartett ist melancholischer, aber auch stabiler und eingängiger, als das G-Moll. Der erste Satz ist besonders schön, mit seinem windenden Thema mit pulsierender Begleitung. Das Menuett ist vielleicht der leidenschaftlichste Satz des Werks. Er ist ein frühes Beispiel für die Aufwertung des Menuetts, das Mozart dann später in seinem G-Dur Quartett KV 387 an die Spitze treiben wird. Der langsame Satz ist ein sehr schönes Siziliano, das aber nicht mit den anderen langsamen Sätzen des Opus ganz mithalten kann. Die Fuge die das Quartett abschließt basiert auf ein Thema das wir von Mozarts Requiem kennen, aber schon auch von Händel verwendet wurde. Sie passt meiner Meinung nach nicht so gut als Finale als die im C-Dur Quartett.
An letzter Stelle, aber dennoch geliebt: Nr.6. Die Schlussfuge in diesem Quartett gelingt ganz gut, ich finde sie sogar besser als die vom F-Moll Quartett. Die ersten drei Sätze erinnern mich eher an op 9 und op 17 (die ich aber mag). Ich vermute, dass es Haydn damals wichtig war ein leichteres Werk in der Gruppe zu inkludieren. Und, ehrlich gesagt, nach einem Quartett wie dem G-Moll, tut es auch gut ein Werk wie das A-Dur Quartett zu hören.
Meine bevorzugte Aufnahme des Opus 20 ist übrigens die mit dem Quartuor Mosaiques.
LG aus Wien.