Die moderne Malerei scheint es einfacher zu haben als die moderne Musik. Ihre Ausstellungen werden von Massen besucht, die Bilder gehen weg zu Höchstpreisen, und jeder versteht ihre Botschaft, gerade auch da, wo sie über die Grenze des Natürlichen hinausgehen. In Düsseldorf ist noch bis Anfang Januar 2007 Francis Bacon zu sehen. Seine Bilder sind deutlich das Gegenteil von Klassik. Welche Musik würde dazu passen? Und warum wirken die Bilder besser, eindringlicher und treffender als die Musik seit 1945? Also lassen wir erstmal einfach die Bilder wirken. Ich versuche zusammenzufassen, was bei einer Führung in Düsseldorf gesagt wurde.
Francis Bacon lebte 1909 - 1992. Geboren in Dublin. Schon mit 15 Jahren von den Eltern verstoßen, als seine homosexuellen Neigungen deutlich wurden. Bereits vorher ein schwieriges Kind. Doch die Kunsthistorikerin, die eine sehr interssante Führung unternahm, wies weitere Fragen in diese Richtung zurück und wollte nicht von der Biographie aus das Werk verstanden wissen. Auch die Bildtitel führen eher in die Irre. Bacon arbeitete in einem völlig chaotischen Atelier in London. Boden und Wände übersät mit Zeitungsausschnitten, dort sicher auch einige Fotos, die ihn anregten, etwa von Wrestling- und Box-Wettkämpfen. Seine Freunde standen bisweilen Modell in der Pose antiker Helden.
Francis Bacon in seinem Atelier
Bacon wollte Bilder schaffen an der Grenze des Figürlichen und Abstrakten. Er wollte Bilder schaffen, die das zeigen, was normalerweise nicht ausgedrückt werden kann, das "Faktische". Da ist natürlich ein Risiko, ob die Kommunikation gelingt.
Gehörte mit Lucian Freud und anderen einer eigenen englischen Strömung nach 1945 an. Er gilt als ein Phänomen, kaum einzuordnen in die bekannten Kunstströmungen. Anders als die Surrealisten will er keine Traumwelt oder alternative sinnliche Welten entwerfen.
Francis Bacon: Study for the human body, 1948
Am Beginn der Führung ein frühes Gemälde, auf dem ein männlicher Akt von hinten zu sehen ist, der durch eine Art Vorhang in etwas Unbekanntes hinausgeht. Der Körper ist noch klar zu erkennen, jedoch sind das Gesicht nicht zu sehen und auch nicht, wo er hingeht. Der Vorhang könnte auch ein Farbschauer sein und versetzt die Szenerie in etwas Unwirkliches, ein bloßes Produkt der Malerei.
Gestischer Malstil. Offensichtlich mit großen, kräftigen Bewegungen ausgeführt. Der erste Entwurf wurde sicher sehr schnell hingeworfen, dann jedoch immer wieder überarbeitet. Bestimmte Themen fesselten Bacon für viele Jahre und wurden ständig variiert. Alle Figuren sind vor großflächigen, abstrakten Räumen gezeichnet. Bisweilen ist die nackte Leinwand zu sehen, noch nicht einmal grundiert.
Dann entstanden in den frühen 1950er Jahren zahlreiche Bilder mit schreienden Gesichtern. Die Gesichter scheinen in ein Grauen zu schauen. Aber möglicherweise kommt das Grauen auch von innen.
Oft ist die Figur in einer Art Käfig oder Podest oder Glasrahmen eingezeichnet. Der scheint dem Bild eine Zentralperspektive zu geben, die sich jedoch bei näherem Hinsehen als täuschend erweist. So entsteht ein unbestimmter Raum. Der hat etwas Mythisches, ohne jedoch irgendwie an bestimmten Mythen zu erinnern. Bacon hat als Möbeldesigner begonnen und alle seine frühen Bilder vernichtet. So scheint das Design von Stahlrohr-Möbeln anzuklingen. - Ähnlich greift Bacon bisweilen theologische Vorstellungen auf und hat zum Beispiel zahlreiche Tryptichen gemalt, teilweise direkt mit dem Thema Kreuzigung. Aber er war Atheist. Die Kirche gab ihm natürlich keine Aufträge.
Die Körper verwandeln sich immer stärker in schwer erkennbare Fleischmasssen. Oft ist nicht zu erkennen, ob dort zwei kämpfende oder kopulierende Figuren ineinander liegen, oder nur eine Figur mit merkwürdigen Schatten- und Spiegelbildern.
Francis Bacon: Papst und Schimpanse, 1962
Oft wird im Bild nach vorn ein Schatten geworfen, der jedoch zugleich wie ein Ausfluss, eine Auflösung aussieht. Und trotz dieser Desintegration strahlen die Figuren eine ungewöhnliche Kraft, ja geradezu Ballung von berstenden Verdichtungen aus. Die Körperenden verschwimmen in der Umgebung. Die Bewegung und Haltung ist nie klar zu erkennen. Meist handelt es sich um gedrückte Stellungen, wobei unklar ist, wie die Körper da hineingeraten sind.
Die Tryptichen zeigen keine erkennbaren Erzählungen. Sie sind innerlich zusammengehalten durch abstrakte Raumelemente, übergreifende großformatig gemalte Flächen und Farben. Nur die "Kreuzigung" zeigt eine in sich verschränkte Figur, die in offene Wunden übergeht, und ein NS-Hakenkreuz am Arm trägt. Daneben ein Schreibtisch mit zwei Personen, die ein Verhör zu führen scheinen oder alles beobachten.
Francis Bacon: Kreuzigung, 1965, Teil eines Tryptichon
Verblüffende Bilder eines Schimpansen und eines streunenden Hundes. Ein Papst wird vor aufgehängten Fleischhälften dargestellten. Velazquez war immer großes Vorbild. Bacon starb, als er im hohen Altern zu einer Velazquez-Ausstellung nach Spanien gereist war. Beim Schimpansen am deutlichsten das angsteinflößende Zähnefletschen zu sehen, das ständig wieder kehrt, bisweilen sogar in andere Fleischmassen gleichsam eingepflanzt. Auf einem Bild blickt eine isolierte Pupille.
In der Raumaufteilung ist der Goldene Schnitt bewusst verletzt. Grelle Rosa- Orange- oder Violett-Töne werden großflächig gegeneinander gesetzt. Der Zuschauer fühlt sich unbehaglich. Die Bilder sind immer so gestaltet, dass sie jeder Dekorationswirkung widersprechen.
Zahlreiche Selbstporträts und noch mehr Porträts seiner festen Partner. Einer hatte Selbstmord begangen. Kaum Auftragswerke, aber schon zu Lebzeiten sehr erfolgreich. Picasso und Lehmbruck als Vorbilder.
Viele Grüße,
Walter