Beethoven - leidenschaftlich: Klaviersonate Nr 23 in f-moll-op. 57 "Appassionata" - CD-Rezensionen und Vergleiche (2014)


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 „Appassionata“
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 1970 Bonn, live DVD
    Spielzeiten: 10:26-6:37-8:04 – 25:07 in.;


    Claudio Arrau ist in diesem Konzert 1970 beim Beethovenfest in Bonn förmlich in seinem Element, und das Publikum strömt derart zu ihm, dass sogar auf der Bühne ganz nahe bei ihm noch eine vollkommen gefüllte Zuschauertribüne aufgebaut ist, was den Maestro aber nicht im Geringsten stört.
    Auch in diesem Konzert geht er wieder temporal nach dem Motto „So schnell wie nötig“ (Allegro assai) und „so dynamisch wie möglich“ zu Werke. Dabei fallen nicht nur seine dynamischen Spitzen, die in den Takten 17, 20 und 22 durchaus mal bis ff/fff gehen, auf, sondern sein insgesamt dynamisch sehr sorgfältiges Spiel, d. h. hier sehr kontrastreiches Spiel. Auch ist Arrau ein Meister der Tonfärbung, so dass in den ersten 34 Takten, bis zum Dolce, die Subito forte Piani in den Takten 26 und 30 sowie die Triller in der hohen Oktave durchaus mal einen grellen Anstrich bekommen, womit er das Drama schon in der Exposition zusätzlich anfacht.
    Den wenigen Dolce-Takten von 35 bis 41 ringt er ein Höchstmaß an lyrischer Tongebung ab, bis die beiden Forteakkorde in Takt 42 dem wieder abrupt Einhalt gebieten. Und so klingt dann auch die absteigende Piano-Figur in Takt 43 schon tieftraurig, und die drei Trillertakte bringen zusätzlich Schmerzhaftes ins Spiel.
    Nach der daran anschließenden absteigenden Achtelkette, sehr schön legato gespielt, kommen die unerbittlichen Sechzehntel bis zur Durchführung, auch wieder sehr kontrastreich gespielt. Diese spielt er zunächst sehr schön zögerlich mit den dynamisch akzentuierten Trillern, bevor sich die Sechzehntel wieder Bahn brechen. In diesem zweiten, längeren Teil der Durchführung zerpflückt er beinahe „brutal“ das Dolce-Thema, bevor er die „verlangsamende“ Achtelpassage wieder mit einem lyrischen Anstrich versieht, der in Takt 109 bis 11 in 2 ½ „quasi“-Dolce-Takte hineinführt, aber in Wirklichkeit die nächst höhere dramatische Stufe erreicht, wo er sich wirklich zu einem Höchstmaß an Expressivität und Dynamik hinreißen lässt, vor allem in den Takten 123 bis 129- hinreißend!!
    Dann spielt er ebenso hinreißend die Reprise, bis das ritartando-adagio zur Coda führt, jenem wundersamen pyramidenförmigen Gebilde, das er zunächst in dynamisch-rhythmisch-temporaler Raserei ansteigen lässt, um danach den genau umgekehrten Weg in ein „morendo“-artiges Ende zu gehen- faszinierend!!


    Das „Andante con variazioni“, wie ich es einmal mozartinisch nennen möchte, ist ebenso grandios wie seine beiden Vorgänger, vielleicht hier live noch eine Spur spontaner und auch mehr als eine halbe Minute schneller- vielleicht, dass Arrau live eher etwas schneller spielt als im Studio- wer weiß:
    Ganz große Pianokunst!!


    Gleiches gilt für das Finale, wo Arrau volles Risiko geht, temporal zwar noch zurückhaltend, getreu der Satzüberschrift „Allegro ma non troppo“, aber dynamisch die äußersten Kontraste suchend, kein ff/fff scheuend: der umgekehrte Zauberlehrling: hier hat der Meister die Besen gerufen und treibt sie zum Teufelstanz! Besonders faszinierend ist die Stelle mit dem ff-Gewitter bis 182 und dem anschließenden p-dim-sempre pp- bis Takt 210!!
    Dann folgt die genauso großartige Reprise, wo wieder das Drama pur herrscht und das Arrau anschließend als zweitem Teil der „seconda parte“ selbstverständlich wiederholt. Ich hatte ja schon einmal in einer anderen Besprechung gesagt, dass Arrau keinen von Beethoven komponierten Takt unterschlägt.
    Krönung ist natürlich das Wahnsinnspresto, auch in Arraus denkwürdiger 1970er-Aufführung, was auch dem Publikum wohl bewusst war.
    Die sicherlich bis dahin beeindruckendste von Arraus sämtlich referenzwürdigen Aufnahmen!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    es gibt noch einen älteren Arrau-Konzertmitschnitt - 9.9.1959, Rundfunk der italienischen Schweiz (Lugano). Veröffentlichung (s.u.) erst vom Label Eremitage, dann Aura (Programm ist identisch). Beide sind nur noch über amazon.com zu haben (30 bzw. 40 Dollar):




    :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    schönen Dank für den Tipp, jetzt habe ich erst mal Arrau 5 mal mit der Appassionata, für den Moment reicht mir das, schließlich ahbe ich ja auch noch 4 mal Rubinstein und noch vierzig andere. Vielleicht komme ich ja später darauf zurück, wenn ich mal nichts mehr zu tun habe. :D


    Liebe Grüße


    Willi ^^

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • schönen Dank für den Tipp, jetzt habe ich erst mal Arrau 5 mal mit der Appassionata, für den Moment reicht mir das, schließlich ahbe ich ja auch noch 4 mal Rubinstein und noch vierzig andere. Vielleicht komme ich ja später darauf zurück, wenn ich mal nichts mehr zu tun habe. :D


    Lieber Willi,


    das verstehe ich natürlich und Arrau 1959 wird sich wahrscheinlich von Arrau 1960 auch nicht so viel unterscheiden. Alphabetisch kommt bei "B" Lazar Berman - die Konzertmitschnitte von ihm sind wirklich überwältigend, die solltest Du auf keinen Fall auslassen :D :




    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Claudio Arrau, Klavier,
    AD: Februar 1983, live New York
    Spielzeiten: 11:42-6:36-9:04 -- 27:22 min.;


    Auf einem Recital in der Avery Fisher Hall in New York am 6. Februar 1983 beweist Claudio Arrau, dass er von seinem können noch nichts eingebüßt hat und nach wie vor über den vollen dynamischen Umfang verfügt, den die Partitur erfordert. Er beginnt in wunderbarem dunklen Pianissimo und reagiert nach wie vor auf alle dynamischen Kontraste. Die Fortissimi ab Takt 17 bringt er mit der gewohnten Kraft, und die Pianissimi zeichnet er wunderbar fein in den Hörraum.
    Das Dolce ab Takt 35 kommt berückend, so kurz, wie es ist und mit dem gnadenlosen f in Takt 42 schon wieder abrupt beendet wird und nach der Überleitung mit den stufigen Trillern und der langen absteigenden Achtelkette stimmt Arrau bedachtsam den Schlusssatz der Exposition im Forte an, steigert dann nach ff, lässt die Sechzehntel schön fließen und zelebriert die Dreier-Sechzehntelfiguren ab Takt 61 in berückender Manier und versenkt sich am Schluss in ein herrliches Diminuendo zur Durchführung hin.
    Diese beginnt er in dem gleichen atemberaubenden Pianissimo, bevor er die deutlichen Akzente ab Takt 71 setzt und das Thema ab Takt 79 im Bass in f weiter durchgeführt und in der hohen Oktave von den permanenten Sechzehnteln begleitet wird, dann die Seiten wechselt und ab Takt 109 schließlich das Dolce-Thema durchführt, das er nach einer dramatischen Steigerung im ff beginnend und dann abschwächend bis zum pp zur Reprise überleitet.
    Diese gestaltet er genau so dramatisch und kontrastreich wie die Exposition, leitet dann in den kühnen ab- und aufsteigenden Läufen von Takt 227 bis 234 im nachfolgenden Ritartando zur mitreißenden Coda über, die er unnachahmlich "ersterben" lässt.


    Das Variationen-Andante ist abermals grandios, sicherlich an musikalischen Tiefe, Gelassenheit und philosophischer Einsicht, gegenüber dem Bonner Konzert von 1970 noch etwas höher anzusiedeln.
    Das ist einfach Himmelsmusik.


    Im Allegro ma non troppo ist Arrau dynamisch etwas moderater im Expositionsteil als noch dreizehn Jahre zuvor, lässt aber die treibenden Sechzehntel auch so konstant laufen und beachtet die dynamischen Kontraste genau so aufmerksam wie zuvor. Im "seconda parte", also dem Abschnitt, der hier Durchführung und Reprise umfasst, legt er dynamisch natürlich zu, hier auch wieder das ff erreichend, z. B. in Takt 164 und 176 und 180. Diese ganze Passage lässt er dann ab Takt 186 in faszinierender Weise über das Diminuenod und sempre ff tief in den dynamischen Keller abgleiten, bevor in Takt 215 wieder das erste Sforzando zu vernehmen ist. Danach steigert er dynamisch kontinuierlich weiter, lässt die Sechzehntel weiter den Takt angeben und wiederholt selbstverständlich den ganzen zweiten Teil mit der gleichen Intensität. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die herrlichen Sechzehntelläufe in der hohen Oktave in den Takten 256 bis 277 hervorheben- grandios!!
    Im Presto holt er noch einmal alles aus sicher heraus. Der große alte Mann hat noch einmal eine phantastische Leistung geboten und dies wird vom Publikum, das, wie dreizehn Jahre zuvor in Bonn auch hier der ausverkauften Avery Fisher Hall zusätzlich auf der Bühne Platz genommen hat, mit spontanem Jubel honoriert.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: Dezember 1984
    Spielzeiten: 11:31-7:32-8:53 -- 27:56 min.;


    Claudio Arrau spielt zu Beginn dieser letzten Appassionaten-Aufnahme wieder ein atemberaubendes Pianissimo, zeitigt einen warmen Klang, ist technisch noch immer auf der Höhe und steigert schon in den Takten 9 und 11 moderat, dann in Takt13, am Ende des poco ritartando aber richtig und bringt auch in den Takten 17, 20 und 22 ein veritables Fortissimo, wie ich meine, kräftiger als in seinem Geburtstageskonzert Anfang 1983. Er spürt wieder jeder dynamischen Regung genauestens nach.
    Die erste Dolcestelle ist traumhaft mit wunderbar dunklen Bässen und dem Übergang ins triste Moll, wunderbar auch die drei terrassenförmigen Triller und die absteigende lange Achtelbewegung.
    Sehr konzentriert nimmt er auch die Sechzehntelbewegung im Forte auf, in Takt 53 und 57 leicht gesteigert und am Ende der Exposition berückend im diminuendo.
    Zu Beginn der Durchführung spielt er sehr schön das Thema, hier in E-dur, mit den Trillerakzenten und das zögernde Ungewisse in den Pausen- wo geht die Reise hin? Das ist spätestens am Ende von Takt 78 mit dem Forte geklärt. Wunderbar lässt er hier die Sechzehntel fließen, wobei das Thema ständig zwischen der hohen und tiefen Oktave hin- und her springt. Sehr warm spielt er auch ab Takt 93 die Überleitung zum Dolcethema, das ab Takt 109 durchgeführt wird. Auch hier spielt er wunderbar fließend die kaum merklichen Veränderung, bis in Takt 119 bis 122 in höchst dramatischer Weise nur noch die letzten beiden Töne des Themas gesteigert werden und in die ebenfalls großartig gespielten Sechzehntelfiguren ab Takt 123 führen bis hin zur Überleitung, in der das Klopfmotiv, leicht verändert, wieder auftaucht und oktaviert wird.
    Die Reprise spielt Arrau ebenfalls mit der ganzen dynamischen und tonalen Bandbreite der Partitur.
    Wieder treibt er das Geschehen nach den absteigenden Achteln in den Forte-Sechzehnteln energisch vor sich her, bis nach dem langen sempre ff-Abschnitt ab Takt 220 das Ritartando ab Takt 235 erreicht ist und die Coda mit dem Sforzando-Gewitter und dem anschließenden Abschwung folgt, dessen quasi Morendo-Schluss auch in dieser fünften Arrau-Einspielung atemberaubend ist und uns bis an die Hörgrenze führt- fantastisch!!


    Das Andante, vielleicht das grandioseste aller fünf Einspielungen, als wenn er die Summe aller seiner lebenslangen lyrischen Erfahrungen noch einmal in diesen Satz gelegt hätte, der sich für mich auf immer mit diesen Worten verbindet:


    "Heil'ge Nacht, o gieße du Himmelsfrieden in dies Herz,
    Bring' dem armen Pilger ruh, holde Labung seinem Schmerz!
    Hell schon erglühn die Sterne, grüßen aus blauer Ferne:
    Möchte zu euch so gerne flieh'n himmelwärts".


    Zumindest diesen Text durfte ich in der vierstimmigen Männerchorversion schon einmal mit aufführen.


    Nach den einleitenden Fortissimo-Takten des Finales , die dann gleich in die Sechzehntel übergehen, entspinnt Arrau auch hier zunächst ein beeindruckendes pp-Gebilde, bevor in Takt 35 und 40 die ersten Steigerungen kommen und die ersten Sforzandi wie Posaunentöne. Dann ist es im weiteren Verlauf ein hier von Arrau sehr schön gestaltetes dynamisches Auf und Ab , bis die dynamische Bewegung gegen Ende des Expositionsteils zunimmt und über einen vom ff ausgehenden Diminuendobogen zum seconda parte geht, dem Teil, der das zusammenfass, was sonst als Durchführung und Reprise bezeichnet wird, hier aber nicht so eindeutig festzulegen ist. Auch la seconda parte beginnt im geheimnisvollen Pianissimo, einer absoluten Domäne von Claudio Arrau, bis er die dynamische Schlagzahl wieder erhöht und ganz natürlich ab Takt 142 die Staccati mit einbindet.
    Auch der dynamische Abstieg vom ff in Takt 180 über das p in Takt 184 zum dim. in Takt 186 und schließlich sempre pp ab Takt 192 ist von Arrau ganz natürlich und höchst eindrucksvoll gestaltet, bis er ab Takt 212, wenn man so will, dem Beginn des Reprisenteils wieder im pp beginnt. Herausragend ist auch hier wieder der Abschnitt in der hohen Oktave, etwa ab Takt 260 bis hin zu den absteigenden Dreier-Sechzehnteln bis Takt 277. Selbstverständlich wiederholt Arrau auch hier "la seconda parte". Ich würde sehr gerne, wenn es sie denn gäbe, eine Erklärung Arraus lesen, warum er jeder einzelnen Note Beethovens ein Leben lang treu geblieben ist.
    Das Presto spielt er genau so grandios wie das ganze Stück.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Vladimir Ashkenazy, Klavier
    AD: 1978
    Spielzeiten: 9:32-6:26-7:25 -- 23:23 min.;


    Vladimir Ashkenazy beginnt den Hauptsatz der Exposition ebenfalls mit einem tiefen pp, aber temporal doch um Einiges schneller als Arrau. Auch dehnt er die dynamische Spannweite bis zum satten Fortissimo aus. In der Überleitung spielt er auch ein schönes Diminuendo und anschließendes Dolce. Das das Dolce abschließende Forte auf der Eins in Takt 42 spielt er bei weitem nicht so strikt wie Arrau, weniger als Bruch denn als Übergang. Die terrassenförmigen Triller und die anschließende absteigende Achtelbewegung spielt er hauchzart und erzeugt so einen gehörigen Kontrast zum anschließenden deftigen Sechzehntelabschnitt im Forte. Auch dessen Überleitung zur Durchführung von Takt 59 bis 64 gestaltet er mit einer enormen dynamischen Spannweite vom ff über das Diminuendo zum pp. Den zögerlichen Beginn der Durchführung mit den ersten Takten des Hauptthemas, hier in E-dur, spielt er wieder sehr sorgfältig im pp, bevor der neuerliche dynamische Kontrast das Thema dann forte in den Bass führt (ab Takt 79). und dann wieder in die hohe Oktave wechselt usw. Sehr schön spielt er die neuerliche Überleitung mit den leise pochenden Achteln hin zum Dolce-Thema in Takt 109, das bald in die hohe Oktave drängt und über die kühnen ff-Sechzehntelfiguren und die anschließenden unisono-Sechzehntel in der hohen Oktave ab Takt 130, vom Klopfmotiv im Bass kontrastiert, zu Reprise führt.
    Auch sie spielt Ashkenazy dynamisch wieder sehr bewegt und vom steten Vorwärtsdrang geprägt und mit einem wiederum bemerkenswerten Übergang zum neuerlichen Dolcethema. Hier kommt das abschließende Forte stärker und nach den absteigenden Achteln wieder der machtvolle Einsatz der Forte-Sechzehntel.
    Nach den vortrefflich gespielten Figuren Takt 227 bis 234 und dem anschließenden Ritartando spielt Ashkenazy eine mitreißende Coda mit einem atemberaubenden Diminuendo-Schluss, Bewegung und Dynamik aushauchend.


    Vladimir Ashkenazy legt das Andante con moto noch eine dynamische Stufe tiefer and, was dem Satz m. E. einen zusätzlich nocturnen Charakter verleiht und die neben den virtuosen sicherlich ebenso ausgeprägten lyrischen Ausdrucksfähigkeiten Ashkenazys deutlich aufzeigt. Besondere Höhepunkte sind m. E. die zweite, die Legato-Variation und die dritte in den Zweiunddreißigsteln. Durch die dynamische Verlegung am Anfang in den pp-Bereich stellt sich der dynamische Bereich insgesamt noch größer dar.- Ein großer Satz!!


    Ashkenazy beginnt das Finale in einem weitaus höheren Tempo als Arrau, dynamisch sehr bewegt, nach dem ff-Auftakt sehr kontrastreich im p, dann wieder f und pp. Die kurzen dynamischen Anstiege beachtet er sehr genau, und in den Takten 64 bis 73 erreicht er durch das permanente An- und Abschwellen eine sehr schöne dynamisch wogende Bewegung, was diesen in den Sechzehnteln manifestierten ungestümen Vorwärtsdrang noch unterstützt.
    In "la seconda parte" steigert Ashkenazy die dynamischen Ausschläge und erreicht damit ein noch größeres Drängen nach vorne, eine größere Unerbittlichkeit. Nach der ff-Passage, beginnend in Takt 164 und erst in Takt 184 zurückgehend, gestaltet er diesen Übergang zum reprisenartigen Teil sehr sorgfältig, und die Reprise spielt er ebenfalls dynamisch sehr stark. Auch Ashkenazy wiederholt la seconda parte.
    Die Presto-Coda ist sicherlich temporal der Höhepunkt dieser Interpretation, wo er, zumindest in dieser Hinsicht, in die Nähe Swjatoslaw Richters rückt.
    Diese Aufnahme ist auch eine großartige, wenngleich sie m. E. in punkto musikalischer Tiefe nicht ganz an die diversen Aufnahme Arraus heranreicht.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    AD: Februar 1970
    Spielzeiten: 9:02-6:06-8:03 -- 23:11 min.;


    Paul Badura-Skoda ist im Kopfsatz noch geringfügig schneller als Vladimir Ashkenazy. Auch er schöpft den dynamischen Spielraum voll aus, vom ersten pp in Takt 1 bis zum veritablen ff ab Takt 17. Auch das Ritartando in Takt 12/13 beachtet er sehr genau.
    Seine Interpretation des Dolce-Themas ist dank seiner schönen dunklen Klangfärbung sehr anheimelnd, bis es in Takt 42 durch den Forteschlag beendet wird. Die Überleitung in Richtung des Schlusssatzes ist auch bei ihm sehr eindrucksvoll, und im Schlusssatz, ab Takt 51, greift Badura-Skoda, vor allem in den ff-Takten, noch deutlicher zu als Ashkenazy, schön auch sein Diminuendo zur Durchführung hin und deutlich seine Trillerakzente in Takt 71 und 73 am Beginn der Durchführung, bevor das Thema im Forte ab Takt 79 zuerst im Bass und dann in der hohen Oktave durchgeführt wird. Diesen Abschnitt spielt Badura-Skoda sehr intensiv und spannungsvoll und lässt eine sehr schöne Überleitung folgen hin zum neuerlichen Dolce-Thema. Hier lässt er die Musik in den Legatobögen, obzwar rasch, so doch schön fließen. In den leicht veränderten Wiederholungen des Themas steigt die dynamische Kurve wieder kontinuierlich nach oben. und gipfelt in der dramatischen Überleitung ab Takt 130, von Badura-Skoda besonders eindrucksvoll gespielt und über das subito diminuendo zur Reprise geführt, die er genauso kontrastreich spielt wie die Exposition.
    Aus der mehrmals gesteigerte Dolce-Melodie entwickelt er eine veritable dynamische Steigerung, die über die Arpeggien ab Takt 227 und das Klopfmotiv im Ritartando hin zur Coda führt, in der er dynamisch und temporal noch einmal zulegt und hier schon einen Vorgeschmack auf die Final-Coda abliefert.


    Badura-Skodas Andante con moto ist von allen bisher gehörten das Schnellste, aber das ist keineswegs negativ zu verstehen, denn die Satzbezeichnung lautet ja Andante con moto, und das ist so, wie es ist, exzellent gespielt. Im zweiten Teil des Themas (Takt 9 bis 16) stuft er auch dynamisch schön ab, so ist von Takt 10 über 12 hin zu 13/14 ein feinstufiger dynamischer Anstieg zu verzeichnen, also "con moto" auch dynamisch gemeint.
    Im zweiten Teil der ersten Variation (Takt 25 bis 32) lässt er diese dynamische Bewegung noch zunehmen. Die zweite Variation "sempre ligato" ist einfach traumhaft gespielt. Das Gleiche gilt für die dritte, die Zweiunddreißigstel-Variation, die, wie der ganze Satz zeigt, welche große Generation von lyrischen Pianisten in Österreich um 1930 herum geboren wurde, wie eben hier auch Badura-Skoda, der diesen Satz grandios gespielt hat.


    Den Finalsatz nimmt er etwas langsamer als Ashkenazy, aber deutlich schneller als Arrau und nach dem ff-Auftakt ab Takt 18 stark reduziert und ab Takt 20 im Pianissimo, das erst in Takt 36 wieder gesteigert wird. Von da lässt Badura-Skoda es auf dynamisch hohem Level voran eilen und gegen Ende des Expositionsteils noch einmal anschwellen, bevor das Diminuendo ab Takt 116 zu "la seconda parte" führt bis Takt 211 durchführend und dann bis Takt 307 als Reprise. Im durchführenden Teil führt Badura-Skoda die Dynamik wellenförmig nach oben, wobei das Geschehen ab Takt 164 im fortissimo ist, bevor es sich erst in Takt 186 wieder senkt und er hier eine grandiose Überleitung spielt und dann die Reprise folgen lässt, sehr beeindruckend hier vor allem die Sechzehntelläufe in der hohen Oktave. Badura-Skoda wiederholt selbstverständlich "la seconda parte".
    Den absoluten virtuosen Höhepunkt setzt Badura-Skoda dann mit der Presto-Coda!! -Großartig!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: März 1962
    Spielzeiten: 9:38-6:09-8:02 -- 23:49 min.;


    Alfred Brendel spielt den Kopfsatz in seiner ersten Stereo-Aufnahme etwa im gleichen Tempo wie Vladimir Ashkenazy, beginnt auch vorschriftsmäßig im pp und geht bis zum Fortissimo. Auch haben seine beiden sfp-Akkorde in Takt 26 und 30 die nötige Portion Schärfe, welche wenig später zu einem gehörigen Kontrast zu der weichen Ausdrucksweise des Dolce-Themas führt. Seine Triller-Treppe ist auch sehr schön ausgeführt, desgleichen im pp der abwärts führende Achtel-Legatobogen, der subito in das Forte-Gewitter der Sechzehntelfiguren stürzt. Diese treibt er voran im Wechsel zwischen Forte und Fortissimo, sehr ausdrucksvoll in der hohen Oktave und mit einem eindrucksvollen Diminuendo zur Durchführung überleitend, deren ersten, tastenden Teil er ebenfalls dynamisch sehr aufmerksam ausführt. Auch der dynamisch hochstehende zweite Teil ab Takt 79 gefällt mir sehr gut, den er sehr schön fließen lässt und in die lyrisch ausgeprägte Überleitung übergeht, die erneut zum Seitenthema führt, das von Takt 109 bis 122 durchgeführt wird, das Ganze von Takt 93 an m. E. der längste zusammenhängende Abschnitt lyrischer Ausprägung, von Brendel adäquat wiedergegeben. Nach dem virtuosen Zwischenstück Takt 123 bis 129 verdunkelt sich die Stimmung wieder, das Klopfmotiv kündigt schon die Reprise an, die Brendel genauso engagiert spielt wie die Exposition.
    Hervorzuheben sei nochmals die aus dem Seitenthema hervorgehende sempre ff-Passage mit den sich anschließenden Arpeggien, von Brendel ebenso grandios gespielt wie das diminuendo-ritartando in Takt 235 bis 238, vor der Coda, die er nochmals ebenso expressiv wie virtuos spielt und in atemberaubender Weise im ppp aushauchen lässt.


    Auch Brendel spielt ein traumhaftes Andante con moto. Wenn man den Chorsatz nicht kennte, wäre eine solche nocturne Stimmung sehr gut vorstellbar. Brendel versteht m. E. die jeweils beiden Hälften des Themas und der Variationen zusammenhängend, und so sind die Akzente in Takt 9 bis 16 fein abgestuft, um im Rinforzando ihren Höhepunkt zu erreichen. Die erste Hälfte der ersten Variation, (der Achtel-Variation), hält er im pp, m. E., um den dynamischen Kontrast zum Forte in Takt 29 zu vergrößern. Ähnlich behandelt er die zweite Variation, (die Sechzehntel-Variation), die im sempre ligato steht, grandios! Die dritte Variation schließlich (die Zweiunddreißigstel-Variation), ist nicht nur im Binnentempo, sondern auch dynamisch die am meisten gesteigerte, aus der am Ende aus einem Fortissimo decrescendiert wird zum Thema und der Kreis sich schließt.
    Brendel hat es m. E. durch seinen Ansatz meisterhaft verstanden, diese permanente dynamische und scheinbar temporale Steigerung hörbar zu machen.


    Brendel nimmt das Finale temporal wie sein Zeitgenosse Badura-Skoda. Auch er versteht es, in der Mitte der Exposition die dynamischen Wellenbewegungen zu erzeugen (Takt 64 bis 73). Ansonsten beachtet er die dynamischen Vorgaben m. E. sehr genau. Gegen Ende der ersten Hälfte von "la seconda parte", also dem durchführenden Teil, könnte es streng genommen noch mehr ff sein, doch wirklich stört es mich nicht. In der zweiten Hälfte dem Reprisenteil, legt er dynamisch wieder zu, was man im Großen so betrachten könnte wie im Kleinen im dynamischen Konzept des Andante. Auch hier meine ich ein satzteilübergreifendes Konzept zu erkennen. Es sei an dieser Stelle noch einmal auf den exzellenten Übergang (Takt 186 bis 211) zum Reprisenteil hingewiesen. sowie auf die grandiose Gestaltung der hohen Oktave in den Takten 260 bis 272. Auch das an die Wiederholung von "la seconda parte" anschließende Presto-Coda ist mitreißend musiziert.
    Da ist Brendel gleich in seiner ersten Stereo-Aufnahme ein großer Wurf gelungen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Bitte!


    Vielleicht sieht man sich ja am 14. Januar 2015 in der Kölner Philharrmonie. Da spielt Ronald Brautigam die Pathétique, die Waldstein-Sonate und die Sonate Nr. 32, leider nicht die Appassionata.


    Willi 8-)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: September 1970
    Spielzeiten: 9:50-6:37-8:06 -- 24:33 min.;


    Mir scheint, als wenn der Klang der zweiten Brendelschen Aufnahme in der Bassoktave etwas dunkler ist. Dynamisch ist im Hauptsatz der Exposition kein unterschied festzustellen. Auch hier werden die dynamischen Verläufe genau beachtet, ebenso wie das poco ritartando im Klopfmotiv Takt 12 und 13 auf der Eins.
    Das Dolce-Thema ist wiederum sehr ausdrucksvoll gespielt, welches auch er mit einem kräftigen Fortschlag in Takt 42 auf der Eins beendet und über die Trillertreppe und den absteigenden Achtelbogen sehr schön fließende zur kontrastierenden Forte-Schlusssatz überleitet. Diesen trägt er sehr energisch vor, sehr schön in der hohen Oktave ab Takt 57 und dann überleitende zur Durchführung. Auch hier beeindruckt der erste tastende Teil dynamisch außerordentlich, ebenso wie der zweite hochdynamische Teil, in dem das Thema ständig die Seiten wechselt und Brendel nach der steten dynamischen Steigerung die Überleitung zum Dolcethema lyrisch sehr überzeugend gestaltet.
    Auch dieser Abschnitt, in dem das Dolcethema in einer dramatischen Steigerung durchgeführt wird und in einem hochvirtuosen Abschluss ab Takt 123 zur dunklen Überleitung führt, ist hervorragend musiziert. Die dunkle Überleitung spielt Brendel durchgehend im Fortissimo, die Sechzehntel der Bassoktave vom Klopfmotiv in der hohen Oktave kräftig kontrastiert.
    Auch die Reprise spielt Brendel weiter auf dem hohen dynamischen Niveau, wobei ich meine, dass die hohen Akkorde in Takt 165 und 169 noch schärfer ausgedrückt sind als in der Exposition. Ganz souverän steigert Brendel weiter durch den Triolenabschnitt im sempre ff bis hin zu den großartigen Arpeggien hin zu dem Ritartando subito piano wieder mit dem Klopfmotiv dann fortissimo in die mitreißende Coda hinein, deren virtuose Figuren er äußerst kontrastreich spielt und sich meisterhaft in den "morendo"-Schluss versenkt.


    Das Andante con moto ist abermals grandios. Alles, was über die erste Aufnahme gesagt wurde, kann ich auch dieser zumessen. Darüber hinaus führt vielleicht die Tatsache, dass er in dieser Aufnahme mit noch etwas mehr Ruhe zu Werke geht, dazu, dass die musikalische Tiefe noch etwas zunimmt.


    Auch das Finale spielt Alfred Brendel mit größtmöglichem dynamischem Kontrast, bemerkenswert gleich in Takt 5 das Umschalten von ff auf p. Im weiteren Verlauf ist dann auch wieder das dynamische Gewoge in Takt 64 bis 73 zu bemerken.
    Auch in "la seconda parte" lässt er die Musik permanent fließen, vorwärtsdrängen, von Takt 138 bis 185 eigentlich durchgehend im forte oder Fortissimo, wobei vor allem wieder die große ff-Passage ab Takt 164 mit den unisono hämmernden dreifach oktavierten Sechzehnteln hervorzuheben ist- großartig!! Sie führt zum Übergang, der von dem großen, hier auch von Brendel kongenial gespielten Diminuendo hin zum pp beginnenden Reprisenteil reicht, dessen Höhepunkt ich auch hier wieder im Abschnitt ab Takt 260 in der hohen Oktave sehe. Brendel wiederholt natürlich auch in dieser Einspielung "la seconda parte" und schließt eine begeisternde Presto-Coda an!


    Eine große Aufnahme!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: Februar 1994
    Spielzeiten: 9:56-6:09-8:26 -- 24:31 min.;


    Alfred Brendel beginnt diese nochmals auf einem höheren klanglichen Niveau stehende dritte Stereo-Aufnahme etwa im gleichen Tempo wie seine zweite Aufnahme, aber merklich langsamer als Badura-Skoda. Der Klang ist etwas heller als in der zweiten Aufnahme, und dynamisch wie temporal höchst aufmerksam und konzentriert gespielt. Auch hier nutzt er gleich den ganzen dynamischen Spielraum aus.
    Auch das Dolce ist sehr transparent gespielt und auch das abschließende Forte kräftig genug, die stufigen Triller sehr behende und die absteigende Achtelbewegung sehr schön legato. Den aschließenden Schlusssatz spielt Brendel mit großartigem dramatischen Impetus und dynamisch hochstehend mit einem wunderbar diminuierenden Übergang zur Durchführung.
    Auch im ersten Teil der Durchführung verhalten zögernd mit schönen Trillerakzenten tut Brendel einen gehörigen Kontrast auf zum zweiten Teil, den forte vorwärtstreibenden Sechzehnteln, die ständig mit dem durchgeführten Themenbeginn die Plätze wechseln und sich gegenseitig hochschaukeln bis zu dem lyrischen Zwischenspiel zum dann durchgeführten Seitenthema. Den Übergang sowie das kühn durchgeführte Dolce-Thema gestaltet Brendel mit aller ihm zu Gebote stehenden Ausdrucksfähigkeit, und das ist wahrlich nicht wenig, wobei er insbesondere die dynamische Steigerung in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts ab Takt 117 ganz großartig spielt, ebenso wie die Überleitung zur Reprise.
    Diese spielt er ebenso intensiv wie die Exposition. Auch in den Tiefbässen des Dolcethemas fällt wieder auf, wie transparent er die Strukturen der Musik mit seinem Spiel macht. Und wer meint, dass Brendel kein Virtuose sei, der soll sah getrost alle drei seiner Einspielungen anhören, um sich eines Besseren belehren zu lassen. Er kehrt nur nie den Virtuosen nach außen. So fabelhafte virtuose Abschnitte wie die Steigerung des Dolcethemas ab Takt 212 mit den anschließenden rasanten Triolen und den großartigen Glissandi werden in das Ganze integriert, und so ist ihm beispielsweise das Ritartando Takt 235 bis 238 genauso wichtig.
    Auch die Coda mit ihren vielen synkopischen Figuren und dem höchst kontrastierenden "morendo"-Ende spielt er grandios.


    Vorab sei zum Andante eine Bemerkung gestattet zu den Satzzeiten, die mir auch hier aufgefallen ist. Ähnlich wie bei anderen Sonaten kehrt Brendel gerne in seiner dritten Einspielung zu Satzzeiten zurück, die er schon in seiner ersten Einspielung gewählt hatte, so hier im Andante. Dabei hat mir im Andante seine zweite Version, die etwas langsamer war, über die Maßen gut gefallen.
    Ansonsten lässt sich über diese dritte Aufnahme des Andante wenig Neues sagen sondern nur Altbekanntes: auch sie ist grandios.


    Auch das Finale beginnt wie seine zwei Vorgänger mit kräftigen Fortissimoakkorden und auch hier lässt er die Sechzehntel vorbildlich fließen., beachtet die dynamischen Anstiege und lässt insbesondere in der zweiten Hälfte der Exposition ab Takt 64 das dynamische Geschehen schön wogen und lässt im letzten Teil die Dynamik kräftig ansteigen und bis zum Schlussdiminuendo, das in "la seconda parte" führt, hochstehen.
    In la seconda parte beginnt das Thema wie in Takt 20 zunächst im pp, wird dann aber bis zu Takt 182 dynamisch und rhythmisch permanent gesteigert, was Brendel hier adäquat gestaltet, bevor nach der Generalpause in Takt 183 eine vorübergehende Ruhepause der Aktion einkehrt, die Sechzehntel werden eingestellt, dann die Achtel, und zum Schluss, ab Takt 200, bleiben in der ganz tiefen Bassoktave nur die Halben im pp übrig, bevor im Reprisenteil ab Takt 211 die alte Hatz wieder aufgenommen wird- typisch Beethoven, kann man da wieder nur sagen. Auch in dieser Interpretation ist wieder die traumhafte hohe Oktave ab Takt 260 hervorzuheben. Auch hier wiederholt Brendel natürlich la seconda parte. ich kann nur alle Pianisten bedauern, die dies nicht getan haben, und es sind Gottseidank viel weniger als in der Sonate Nr. 1. Ich werde auch diese Pianisten erst vorstellen, wenn ich alle besprochen habe, die sich an Beethovens hier doch strikte Vorschrift gehalten haben.
    An la seconda parte fügt Brendel ein grandioses Presto nahtlos an.


    Wiederum eine große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 20. 02. 2011, live
    Klavier: Steinway
    Spielzeiten: 8:54-6:44-7:56 -- 23:24 min.;


    Rudolf Buchbinder nimmt den Kopfsatz wesentlich schneller als Brendel, rund eine Minute und auch er nutzt die volle Bandbreite der Dynamik aus. Die Fortissimo-Passagen sind kernig und sehr gut gefallen mir auch die scharf angerissenen Achtel in Takt 28 und 29. Das Forte am Ende des Dolce-Themas hätte ich mir ein wenig kräftiger gewünscht, aber seine Triller Takt 44 bis 46 sind betörend und führen über einen perlenden Achtel-Abwärtsgang in den kräftigen forte-Fortissimo-Strom der Sechzehntel ab Takt 51, den Schlusssatz der Exposition, den er glänzend spielt mit einem sehr beeindruckenden Diminuendo.
    Auch den ersten, noch zögerlichen Teil der Durchführung spielt er dynamisch sehr kontrastreich und geht dann in den temporal kontrastierenden zweiten Teil über, in dem das Thema in Bass und Sopran abwechselnd gespielt und dynamisch hochstehend durch die permanenten Sechzehntel vorwärts getrieben wird.
    Sehr schön in hellem, transparentem Klang spielt er den lyrischen Übergang zum neuerlichen Dolce-Thema, das er in der Durchführung partiturgetreu sehr schön steigert, zuerst jeweils in der zweiten Themenhälfte, dann im dritten Anlauf in der hohen Oktave ab Takt 118 mit Auftakt von Anfang an.
    Sehr schön spielt er auch die virtuose unentschiedene Sequenz im ff ab Takt 123 zur dunklen Überleitung mit dem Klopfmotiv, die in Takt 130 einsetzt und an deren Ende ab Takt 137 die ebenfalls dynamisch sehr kontrastreiche Reprise steht.
    Auch hier nutzt Buchbinder wieder dynamisch alles aus, was ihm zu Gebote steht und behält den temporalen Vorwärtsdrang auch in der zum Dolcethema hinführenden Diminuendobewegung ab Takt 170 bei.
    In der Wiederholung kommt auch der Forteschlag (Takt 181 auf der Eins), der mir in der Exposition noch etwas kräftiger hätte sein können, mit der nötigen Energie. Und den dynamisch hochstehenden Fortgang befeuert Buchbinder ebenfalls mit fortlaufender Energie und die Sechzehntelbewegung mit nie versiegendem temporalen Vorwärtsdrang. Auch die Arpeggien im Übergang zur Coda spielt er grandios in das Ritartando-Diminuendo hinein das nochmal einen großen Kontrast auftut, temporal und dynamisch zur Coda, deren virtuosen Klippen er mühelos umschifft.
    Ein großartig gespielter Satz, ganz nach meinem Geschmack!


    Das Andante con moto ist m. E. überragend, weil er, auch durch sein etwas langsameres Tempo, noch um wenige Sekunden langsamer als der mittlere Brendel, und die noch etwas weiter gefasste Dynamik, auch im Forte eine sehr, sehr große Ausdruckstiefe erreicht sowie eine große Klarheit der musikalischen Struktur- grandios!!


    Im Allegro ma non troppo erleben wir nochmals eine dynamische Steigerung, wobei aber Buchbinder bei aller Verve, die die Partitur zulässt, in den Takten 64 bis 73 nicht das strukturierende dynamische An- und Abschwellen erreicht, das bei Brendel, Ashkenazy und Arrau so schön zu bewundern war. Buchbinder bleibt hier mehr auf dem höheren dynamischen Level. Ansonsten setzt er aber die Sforzandi, die ab Takt 98 vermehrt auftauchen, sehr genau und spielt auch die große dynamische Steigerung ab dem sempre f ab Takt 154 sehr überzeugend, ebenso wie das subito p nach der Generalpause in Takt 183 und das anschließende Diminuendo und sempre pp hin zum Reprisenteil ab Takt 211. Diese spielt er wieder dynamisch sehr hochstehend und leider auch wieder in den Takten 256 und 257 zu wenig differenziert, in der Folge aber die Crescendi und Diminuendi aber wieder partiturgemäß. Ich kann mir das nur so erklären, dass das in seiner Partitur anders geschrieben steht, aber ich weiß es nicht. Buchbinder wiederholt selbstverständlich auch la seconda parte, sonst wäre er hier noch nicht an der Reihe.
    Die Coda ist furios in temporaler wie in dynamischer und expressiver Hinsicht.
    Bis auf die Irritationen in den Takten 64 bis 73 und 256 bis 259 ist die Aufnahme grandios. Man muss bei alledem ja auch das Risiko der Live-Aufnahme bedenken.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Aldo Ciccolini, Klavier
    AD: 1997
    Spielzeiten: 10:26-6:30-8:24 -- 25:20 min.;


    Aldo Ciccolini beginnt schon den Hauptsatz der Exposition mit einer enormen dynamischen Spannweite, die sich aus dem tiefen pp-Keller erst in Takt 13 zu einem markanten Forte und dann in Takt 17/18 zu einem veritablen Fortissimo emporschwingt. Sein Klavierton ist in den Bässen dunkel und geht in den Höhen bis zum hellen Diskant (Takt 26, 30). Auch seine Abschwünge sind sehr aufmerksam uns sehr tief, bis in das Dolce-Thema hinein.
    Temporal geht Ciccolini mit der ihm eigenen Ruhe zu Werke und legt sehr viel Wert auf musikalische Tiefe und feinste dynamische Abstufungen, was ihm hier ausgezeichnet gelingt. Auch sein Legatospiel ist vorbildlich.
    Im Schlusssatz der Exposition legt er gleichwohl temporal zu und schiebt die dynamische Grenze wieder weit nach oben. Dabei gerät ihm in Takt 61 ein wunderbarer dynamischer Kontrast, und aus dem tiefen pp beginnt er auch die Durchführung, deren zögerlichen Beginn mit den Trillerakzenten er wunderbar rüber bringt.
    Den zweiten Teil der Durchführung mit den drängenden Sechzehnteln und dem durchführend die Seiten wechselnden Themenbeginn gestaltet er in "gemä0igtem" Forte, mehr Wert wiederum auf die Struktur legend und sehr lyrisch die Überleitung zum dritten Teil gestaltend, der Durchführung des Dolcethemas. Deren fortlaufende dynamische Steigerung und Verlagerung in die hohe Oktave spielt er mit sehr viel Ausdruck und im letzten Teil mit natürlicher Virtuosität (als Weg, nicht als Ziel). Die düstere Überleitung ab Takt 130 spielt er wieder dynamisch sehr hochstehend und sehr dramatisch, ebenso wie die sich anschließende Reprise, die er aus tiefem pp heraus wieder bis in hohe ff-Regionen treibt, bevor es wieder subito piano in den letztmaligen Übergang zum Dolcethema geht. All das gelingt Ciccolini wie aus einem Guss. Vor allem das Dolcethema in der hohen Oktave (ab Takt 210) ist nochmal ein Ausdrucks-Höhepunkt im Spiel Ciccolinis., dem sich der hochvirtuose Schlussteil vor der Coda anschließt, von Ciccolini meisterhaft gespielt. Auch in der Coda behält er sein gemäßigtes Tempo bei, spielt sie aber dynamisch wieder äußerst hochstehend bis auf den rätselhaft langsamer und leiser werdenden Schluss Takt 257 bis 262- ganz großartig!!


    Auch Ciccolinis Andante ist Grandios, wobei er geringfügig schneller ist als Buchbinder, aber mit kleinerer dynamischer Spannweite als Buchbinder ebenso zu einer enormen musikalischen Ausdruckstiefe gelangt. Man sieht also gerade auch in diesem Satz, der aus relativ wenigen musikalischen Elementen zusammengesetzt ist, was Beethoven daraus gemacht hat und wie großartig entsprechende Pianisten das vermitteln können, wenn sie denn diesen Satz so ernst nehmen, wie Buchbinder und Ciccolini zuletzt, aber auch andere dies getan haben oder noch tun werden, sie wir noch sehen werden.


    Auch Ciccolini beginnt das Finale mit großer Aufmerksamkeit gegenüber den vielfältigen dynamischen Kontrasten, bis eben auch er, wie Buchbinder, bei den Takten 64 bis 73 dieses An- und Abschwellen ähnlich spielt wie Buchbinder, aber ähnlich wie bei ihm fällt dies angesichts der sonst durchweg großartigen Interpretation nicht so ins Gewicht.
    In "la seconda parte" setzt Ciccolini m. E. ausdrucksmäßig noch eins drauf, wiederum herausragend in den dynamisch tiefen Regionen wie zu Beginn in Takt 118ff. oder auch in den hohen Regionen wie in den terrassenförmig steigenden hämmernden Unisono-Sechzehnteln in Takt 168 bis 175 oder wieder in der umgekehrten Richtung ab Takt 184. Da spürt er jeder kleinsten dynamischen Regung nach. Noch nie habe ich die Takte 206 bis 211 so fesselnd gehört wie bei Ciccolini- Wahnsinn!!
    Auch der Reprisenteil ist grandios mit einer satten Steigerung ins Fortissimo, die zunächst in die selbstverständlich von Ciccolini wiederholte seconda parte mündet.
    Die Wiederholung der seconda parte ist genauso überzeugend wie das erste Spiel, aber der größte Kontrast in der ganzen Sonate folgt am Schluss. Das Presto gleicht einer alles hinwegfegenden Eruption, sozusagen einem "pyroplastisch-musikalischem" Strom, der auf dem Weg zum Ende alles mit sich reißt- Wahnsinn!!


    Eine grandiose Aufnahme!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr.23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Claude Frank, Klavier
    AD: 1971
    Spielzeiten: 9:17-7:08-7:26 -- 23:51 min.;


    Claude Frank beginnt mit dem ihm eigenen natürlich Klang, in der tiefen abgedunkelt, temporal etwas langsamer als Buchbinder, aber erheblich schneller als Ciccolini, doch mit großer Ausdruckstiefe und eminentem dynamischem Umfang und exaktem und transparentem Spiel.
    Im Diskant gewinnt sein Ton an Schärfe, so in den sfp-Akkorden Takt 26 und 30 sowie in den stufigen Trillern in Takt 44 bis 46. Nach dem klaren Achtel-Abstieg trägt er den Schlusssatz Takt 51 bis 58 wieder sehr hochstehend vor und schwingt dann ab Takt 61 wunderbar ab in den tiefen pp-Keller, hin zur Durchführung.
    Den ersten Teil spielt er sehr schön abwartend mit deutlichen Akzenten auf den Trillern (wie zuvor schon im Hauptsatz der Exposition) und spielt dann den zweiten Teil mit den treibenden Sechzehnteln und dem Themenwechsel zwischen hoher und tiefer Oktave im durchgehenden Forte mit größtmöglicher Klarheit. Im anschließenden Übergang zum Dolcethema gestaltet er sehr lyrisch und gleichzeitig dynamisch akzentuiert und geht mit einem deutlichen Crescendo ab Takt 105 in dieses dynamisch sehr bewegt und gesteigert durchgeführte Thema über mit seinem hochvirtuosen Ende, das er meisterhaft spielt und in die dunkle Überleitung zur Reprise führt. Diese Überleitung klingt bei ihm in der Tat hochdramatisch und bedrohlich.
    Es sei noch einmal gesagt, wie vorbildlich Claude Frank jeder dynamische Regung nachspürt und damit die Struktur der Musik so gut, wie es ihm nur irgend möglich ist, aufzeigt und damit zu der beeindruckenden musikalischen Ausdruckstiefe gelangt. Auch die an Bewegung noch einmal etwas zunehmende Reprise gibt er so wieder. Er spielt ab dem Crescendo Takt 208 den ganzen Schluss der Reprise wie eine einzige furiose Steigerung, die in einem temporal und dynamisch extrem kontrastreichen Ritartando-Diminuendo ausläuft, wobei er auch in Takt 238 das letzte Crescendo von pp nach p deutlichst spielt.
    Die Coda spielt er dann mit einem begeisternden Schlussschwung, der höchst kontrastreich in dem quasi "morendo" ausrollt. - Fantastisch!!


    Das Andante con moto ist ebenfalls überragend, wobei Frank noch etwas über Buchbinder hinausgeht. Er ist noch etwas langsamer und packt dynamisch noch etwas mehr zu, vor allem in der dritten (Zweiunddreißigstel-) Variation, wo er in den Spitzen ein sattes Fortissimo erreicht, aber das ist alles ganz organisch und zeigt, wie expressiv auch dieser Satz ist und welch eine Tiefe Frank hier wieder erreicht- Grandios!!


    Im Finale drückt Frank von Anfang an aufs Tempo. Das ist furioses Klavierspiel, trotz des Tempos jedoch bleibt keine dynamische Regung vergessen, in Takt 64 bis 73 höre ich wieder das dynamische Wogen, und am Schluss der Exposition geht es dynamisch gnadenlos zur Sache. Das ist Drama pur.
    Auch im Durchführungsteil von "la seconda parte" gibt es zunächst kein Verschnaufen. Auch hier geht es bei hohem temporalen Impetus dynamisch auf und ab und ab dem sempre f in Takt 146 dynamisch höchststehend weiter mit dem Höhepunkt in den Unisono-Hammerakkorden Takt 170 bis 175. Erst in Takt 184, nach der Generalpause, gibt es eine (trügerische) Atempause, denn in Takt 211 geht im Reprisenteil die Hatz, in den ersten Takten noch pp, weiter, bevor es dann wieder dynamisch kontrastreicher wird.
    Frank spielt auch diesen Abschnitt mit immerwährendem Vorwärtsdrang, der gegen Ende der Reprise und damit der "seconda parte" in eine mitreißende Steigerung mündet, bevor er la seconda parte wiederholt.
    Das Presto findet dann bei dem Grundtempo schon vollends in "Richters Regionen" statt. Ich werde mal in diesem Fall von meinem bisherigen Vorgehen abweichen und als Nächsten Swjatoslaw Richter besprechen. ich weiß allerdings nicht genau, ob die Aufnahmen, die ich habe, unterschiedlich sind.


    Diese ist jedenfalls m. E. überragend, und zwar in allen drei Sätzen!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Swjatoslaw Richter, Klavier
    AD. 1. November 1959, Prag, Rudolfinum, live
    Spielzeiten: 10:11-5:52-6:54- 22:57 min.;


    Swjatoslaw Richter beginnt die Exposition extrem tief im pp-Keller, stellt die beiden Triller-Takte 9 und 11 allerdings nicht so klar heraus wie Claude Frank, greift aber ansonsten beherzt zu, geht durchaus zu einem satten Fortissimo in den Takten 17, 20 und 23 und sieht den Takt 26 in der Überleitung zum Dolcethema als dramatischen Höhepunkt an. Das kommt bei ihm wie ein Schrei.
    Das Dolce-Thema spielt er temporal sehr moderat, wird dann noch langsamer und der das Dolce beendende Forte-Akkord kommt wie ein Hammer. Auch die stufigen Triller sind grandios gespielt, und der anschließende Achtel-Abwärtsgang kommt wie aus dem nichts, senkt sich betörend herab und wird subito von dem massiven Sechzehntelschub des Schlusssatzes abgelöst- welch ein Kontrast, und welch eine ätherische Überleitung zur Durchführung. Hier und am Beginn der Durchführung bewegt sich Richter wie traumverloren im pp/ppp- großartig! Nach dieser zögerlichen Eröffnung geht es dann in der Themenwechselpassage ab Takt 79 richtig zur Sache. Nach dieser dynamisch hochstehenden Sequenz taucht er in den lyrischen Übergang, den er mit einer kaum je gehörten delikaten Zartheit spielt, die mich schaudern macht.
    Die Durchführung des Dolcethemas selbst steigert er dann aus dem Piano kleinschrittig bis zum Fortissimo in die virtuosen Sechzehntelfiguren hinein, die dann in den dunklen, harschen Übergang zur Reprise einmünden.
    Diese spielt er vieleicht noch ein Quäntchen mehr auf der schmalsten Kante, die denkbar ist. Wenn dann auch mal ein Ton danebengeht, das ist das Risiko, und die soghafte Wirkung dieses Richterschen Spiels ist derart intensiv, dass das nicht im Geringsten ins Gewicht fällt. Auch seine Tempomodulationen sind derart, dass, z. B. in den drei Takten vor der Trillertreppe (Takt 180 bis 182) die Spannung ungeheuer ansteigt. In der zweiten Hälfte nimmt die Reprise dann mehr als bei manch anderem an dramatischem Impetus zu und überbordet ab dem Crescendo Takt 213 regelrecht. Die Arpeggien ab Takt 227 sind schlichtweg überragend, desgleichen habe ich das Ritartando-Diminuendo noch nicht so insistierend gehört wie hier bei Richter, desgleichen die Coda- unglaublich, was Richter aus diesem an sich schon äußerst kontrastreichen 24-taktigen Schluss macht- einen Zielpunkt!!


    Das Andante con moto ist das krasse Gegenteil zur Lesart Claude Franks. Richter schraubt die Dynamik stark zurück. Bei ihm ist das Stück, zumindest im Thema und in den ersten beiden Variationen ein berückendes Notturno. Speziell die zweite Variation (Sechzehntel) streichelt die Seele. Bis hierhin ist das Andante als Ganzes der größtmögliche dynamische und inhaltliche Kontrast zum Kopfsatz. Durch diese extrem introvertierte Interpretation fällt gar nicht auf, dass dieses Andante schneller gespielt ist als die meisten anderen.
    Dieser Satz zeigt die große Kunst Richters auf, scheinbare Gegensätze in einem Stück zu vereinen und sie zu sich optimal ergänzenden Teilen eines Ganzen zu formen.


    Das Finale ist ja nun ein Stück, für das Richter zu Recht berühmt ist, und ich habe gelesen, was sich allerdings nicht nur auf das Finale bezieht, dass es schwierig sei, zu beurteilen, welche von den zahlreichen Aufnahmen der Appassionata nun Richters beste sei. Ich weiß es auch nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass es eine gibt, die noch besser ist als diese.
    "La prima parte", die Exposition ist schon in eminent hohem Tempo gespielt. Das ist der "Ritt auf der Rasierklinge", aber das war ja seit jeher Richters Metier. In diesem hohen Tempo fällt dennoch auf, dass er die dynamische Bewegung dieses Satzes eisern durchhält. Und Richter spielt nicht nur das Presto auf hohem temporalen Niveau, nein den ganzen Satz.
    Unter diesem Aspekt gewinnt die "Ruhepause", Takt 184 bis 210 eine ganz neue Bedeutung. hier wird wieder die andere Seite der Medaille deutlich, Richters Fähigkeit, an der Hörgrenze musikalische Struktur noch sehr hörbar zu machen und dadurch die dynamische Spannweite noch zu vergrößern, aber nach unten.
    Auch im Reprisenteil bleibt Richter bei seinem riskanten Spiel, findet aber traumhaft dur den dynamischen Dschungel dieses fantastischen Finalsatzes, der nicht zuletzt auch durch solche Interpretationen seine Daseinsberechtigung bezieht, indem die besten Pianisten eben zeigen, dass dieser Satz eben doch Note für Note richtig ist. Auch Richter wiederholt natürlich la seconda parte.


    Das Presto will ich zum ersten Mal wie einen eigenen Satz behandeln, obwohl es unter den Händen Swjatoslaw Richters naturgemäß sehr kurz geraten ist, aber es beweist, was unter den Händen eines wirklichen Großmeisters der Klavierkunst möglich ist.


    Ich glaube nicht dass man die Appassionata besser spielen kann, es sei denn, man heißt Swjatoslaw Richter.
    Der Herausgeber dieser CD fügt am Ende des Textes im Booklet folgenden Ausspruch an:
    "Abschließend lasst sich vielleicht ein Ausspruch Beethovens paraphrasieren: Es gibt viele hervorragende Pianisten auf der Welt, aber nur einen Swjatoslaw Richter".


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich bin mal gespannt, welche Richter-Aufnahmen Du uns vorstellst. Die frühen Aufnahmen sind von der Anlage ja alle ähnlich, wobei die lange nicht greifbare aus der Carnegie Hall ihn im Westen auf einem Schlag berühmt gemacht hat - trotz oder vielleicht auch gerade wegen der vielen Fehler im Presto, wo er ein unglaubliches Risiko ging. Richter wollte diese Aufführung nicht gelten lassen und hat sie meines Wissens nicht freigegeben (so nachzulesen in dem von Monsaingeon herausgegebenen Buch). Und dann gibt es noch die berühmte frühe Aufnahme aus dem Moskauer Konservatorium, die ich habe am zwingendsten in Erinnerung. Später hat er die Sonate dann noch einmal für Philips aufgenommen.


    In dieser Box findet sich Aufnahme aus NY:



    Die Moskauer-Einspielung habe ich in dieser Edition:



    Viele Grüße,


    Christian

  • Lieber Christian,


    wie du siehst, habe ich als erste die Aufnahme aus Prag vorgestellt, die ja auch live war. Sie war einfach unglaublich. Dann habe ich noch die Aufnahme aus der Carnegie Hall, die am 29. und 30. November 1960 aufgenommen wurde. Hier spielt er den Kopfsatz noch breiter (etwa um eine halbe Minute), während das Andante und das Finale in etwa übereinstimmen. In der Prager Aufnahme habe ich auch den einen oder anderen Verspieler wahrgenommen, aber für mich fallen sie bei einem derartigen "Ritt auf der Rasierklinge" überhaupt nicht ins Gewicht. Es wäre für jeden Menschen auf der Welt müßig, die Aufnahme deshalb herabzuwürdigen, weil es keiner beser machen könnte.
    Etwas anderes ist es natürlich, wenn ein Pianist sich überhaupt nicht um die Partitur schert (wie in diesem Fall Gould). Dann darf man das schon, meine ich, auch als Laie anmerken und kritisieren.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven: Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Swjatoslaw Richter, Klavier
    AD: 29./30. November 1960, Carnegie Hall, New York
    Spielzeiten: 10:43-5:56-7:01 -- 23:40 min.;


    Wie im Jahr zuvor in Prag beginnt Swjatoslaw Richter auch diese Aufnahme sehr leise, spielt aber in den Takten 9 und 11 die Trillerakzente deutlicher als im Jahr zuvor und holt im Taktwechsel 16/17 erneut zum großen dynamischen Kontrast aus.
    Klanglich ist diese Aufnahme natürlich um Klassen besser, da sie erstmals in Stereo aufgenommen wurde, und die RCA mit ihrem Living Stereo zum Zeitpunkt der Aufnahme schon einige Jahre Erfahrung mit dieser Aufnahmeart hatte. Wie unverbrüchlich Richter an seiner Deutung festhält, wird zum Beispiel an so einer Kleinigkeit wie dem Subito fortepiano in Takt 26 deutlich, dass er genauso heftig und schrill spielt wie in Prag. die Achtel in der Begleitung kommen gestochen scharf, auch der Übergang zum Dolce ist wieder großartig.
    Auch das Dolce ist genauso faszinierend wie in Prag, sogar die Verzögerung in Takt 42 und 43 beinahe deckungsgleich. Nach den tollen Trillern und dem klaren Achtelabwärtsgang spielt er einen hochdynamischen mitreißenden Schlusssatz, der wiederum in einen luziden Übergang und ein in sich selbst versinkenden Diminuendo-Abstieg einfließt.
    Der aus dem pp entstehende erste Teil mit seinen moderaten dynamischen Akzenten ist abermals atemberaubend und geht in einen wiederum mitreißenden, dynamisch hochstehenden zweiten Teil über (Themenwechsel zwischen linker und rechter Hand), der in den lyrischen Übergang zum Dolce-Thema, den er abermals berückend spielt, einmündet.
    Diesen Dolce-Durchführungsabschnitt mit seinem dynamischen Anstieg spielt er wiederum grandios, ebenso den hochvirtuosen Schlussabschnitt vor der dunklen Überleitung zur Reprise. Diese Überleitung spielt er höchst kontrastreich vom hämmernden Fortissimo subito ins sanft pochende p-diminuendo-pp hinein und so die Reprise eröffnend.
    Diese ist genauso überzeugend wie die Exposition, fantastisch auch wieder in der hohen Oktave mit dem Seitenthema und dem anschließend brachial losbrechenden ff und dann sempre ff in den Sechzehnteltriolen, die er ansatzlos in die souverän gespielten Arpeggien fließen lässt- wiederum auch hier der riesige Kontrast im besonders langsam gespielten Ritartando-diminuendo- eine wahrhafte Schlüsselstelle, wenigstens hier bei Richter und der hammerharten Coda, die er in den letzten sechs Takten so zart in die Auflösung fließen lässt.


    Auch dieses Andante ist grandios, und ich meine hier in den größeren dynamischen Steigerungen Takt 25ff. und 45/46 ein etwas stärkeres Ansteigen zu merken als in der Prager Aufnahme, aber noch immer nicht so ausschweifend wie bei Frank. Dennoch bleibt hier m. E. der Notturno-Charakter erhalten.
    Die Zweiunddreißigstel-Variation ist schlichtweg atemberaubend. Das erinnert schon stark an vorbeihuschende Mendelssohnsche Kobolde, und nochmals tut Richter einen großen Kontrast auf, als er in Takt 81 in das Thema zurückführt.


    Auch in diesem Finale beginnt Richter wie in Prag mit einem ungestümen Vorwärtsdrang, dem Alles oder Nichts, und es wird Alles. Auch hier ist wieder sein Gespür für die kleinsten dynamischen Ausschläge zu loben.
    Nach der schon sehr dramatischen Exposition (Takt 1 bis 117) beginnt er "la seconda parte" wieder tief im pp-Keller, aber dieser Durchführungsteil ist ja schon nach wenigen Takten wieder im oberen dynamischen Segment angelangt, und spätestens ab dem sempre f in Takt 146 fliegen wieder die "dynamischen" Fetzen, da bei wieder höchst beeindruckend und mitreißend der Abschnitt ab Takt 164. Auch in dieser Aufnahme gelingt es Richter wieder, im Übergang zum Reprisenteil, in den Takten 184 bis 210 das dynamische und temporale Spektrum ganz natürlich umzudrehen.
    Wiederum ist aber nach wenigen Takten der Reprise alles Makulatur. Das Drama schreitet fort, der Teufelskreis dreht sich wieder und zwar mit größerer Wucht als vorher. Daraus gibt es kein entrinnen, wie das Ende der Reprise ab Takt 288 zeigt. Richter spielt das auch hier so mitreißend wie nur irgend möglich. Auch wiederholt er natürlich la seconda parte.
    Das Schlusspresto ist naturgemäß wieder die Krönung des Ganzen. Es ist unglaublich.
    Ich will an dieser Stelle einmal auf die Schlussfrage zu den Ausführungen unseres lieben Taminos Sagitt im Januar 2011 eingehen, der fragte, ob man diese Aufnahme habe müsse und darauf antwortete: "Bestimmt nicht".
    Ich antworte auf diese Frage: "Wenn man ein Anhänger der Beethoven-Klaviersonaten und Swjatoslaw Richters ist, ist diese Aufnahme unverzichtbar, ebenso wie allerdings die aus Prag 1959".
    Die aus Moskau 1953 werde ich mir allerdings auch noch besorgen müssen, denn wer weiß? Geht es noch besser?


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Swjatoslaw Richter, Klavier
    AD: 1953 Moskau, live
    Spielzeiten: 10:14-6:06-6:53 -- 23:13 min.;


    Swjatoslaw Richter beginnt auch schon in dieser frühen Live-Aufnahme aus Moskau 1953 mit einer ungeheuren dynamischen Spannweite. Aus tiefstem Pianissimo erhebt sich sein Vortrag in gemessenem Tempo, die ersten dynamischen Akzente kaum betonend, alles ausgerichtet auf das erste Forte am Ende des poco ritartando in Takt 13, in Takt 14 hinein. Schon in diesem kurzen Abschnitt tut er kräftige Kontraste auf, die sich ab Takt 15/16 bis Takt 30 hinziehen und erst ab dem diminuendo wieder in den tiefen dynamischen Bereich wechseln.
    Nach der heftigen Dynamik des Hauptsatzes spielt Richter auch die kontrastierenden Achtel in der Begleitung berückend und sinkt so langsam in das Dolcethema ab. Dieses spielt er in tief dunkler Färbung und in dem gleichen bedachtsamen Tempo, in dem er den Satz begonnen hat.
    Der Forteschlag am Anfang von Takt 42 kommt allerdings noch nicht so hammermäßig wie in seinem Konzert in Prag 6 Jahre später.
    Dafür prasselt nach dem federleichten Abwärtsgang der Achtel der Schlusssatz in den Sechzehnteln ab Takt 51 wie ein heftiges Gewittergrollen los und lotet bis in die Überleitung hin die Grenzen des dynamisch Machbaren bis Takt 60 aus, bevor wieder ein gewaltiger Kontrast in der hohen, hellen Oktave zur Durchführung leitet. Da läuft einem ein Schauer über den Rücken.
    Den Beginn der Durchführung spielt er sehr zögerlich, zaudernde, mit jetzt allerdings etwas deutlicheren Trillerakzenten, bevor er neuerlich einen Forte-Sturm entfacht, wenn ab Takt 79 das Thema abwechselnd in die untere und obere Oktave geht. Nach den wilden Sforzandi in Takt 91/92 gleitet Richter organisch in den lyrischen Zwischengesang zur Durchführung des Dolcethemas, das nur kurz in der Originalform angespielt und dann sofort dynamisch gesteigert wird, wobei Richter lange, bevor es die Partitur erfordert, spätestens ab Takt 117 das Fortissimo erreicht und es in dieser kühnen Passage gelegentlich auch überschreitet. Diese Passage ist, speziell in dieser Richterschen Aufnahme, sicherlich ein dramatisch/dynamischer Höhepunkt der ganzen Sonate. Da brodelt und pocht es, dass es einen schaudert. und nach dieser düsteren Überleitung in die Reprise führt.
    Auch diese spielt er auf dem gleich hohen Niveau wie schon Exposition und Durchführung mit den gleichen enormen Kontrasten.
    Ebenfalls noch mal herauszuheben ist m. E. das neuerliche Dolcethema, diesmal in der hohen Oktave, kühn gesteigert, gefolgt von dem höchstvirtuosen Triolengewitter und den atemberaubenden Arpeggien, die in dem höchst kontrastreichen Ritartando-Diminuendo enden, der quasi-Atempause vor der unglaublichen Coda, die Richter hier spielt, als wenn es kein Morgen gäbe. Man fragt sich einen Moment, ob man schon im Finale ist. Diese Coda ist ein mindestens ebenso großer, wenn nicht noch größerer Höhepunkt als der zuvor genannte am Ende der Durchführung, in dem das Dolcethema durchgeführt wird.


    Dieses Andante ist nun doch ganz anders als das 6 Jahre später. Hier ist er dynamisch viel dichter bei Frank oder dieser bei Richter, wie man in der zeitlichen Abfolge der Entstehung besser sagen müsste.
    Die Grundlautstärke ist schon etwas höher und die dynamischen Akzente parallel dazu. Ganz deutlich jedoch wird es bei der dritten Variation (Zweiunddreißigstel), die hier in ihrem dramatisch-dynamischen Impetus wunderbar zum Kopfsatz passt und auch am Schluss wieder mit einem gewaltigen dynamisch-temporalen Kontrast endet- genial!!


    Das Finale habe ich in einem Rutsch gehört. Ich wollte es ganz auf mich wirken lassen. Eigentlich ist ja der ganze Satz presto und das Presto in Wirklichkeit presto prestissimo. Obwohl es praktisch auf die Sekunde genau so lang ist wie das in der Prager Aufnahme, ist es m. E. doch noch über diese zu stellen, die schon für sich unglaublich war, aber hier kommt außerdem noch hinzu, dass die dynamische Gestaltung aller drei Sätze noch strikter ist, das Konzept über alle drei Sätze noch ein wenig perfekter zusammenpasst. Vielleicht war er mit 38 Jahren in Moskau noch ein wenig risikofreudiger als mit 44 Jahren in Prag.
    Man kann also, wie ich das am Ende der Prag-Besprechung sagte, das nur noch besser spielen, wenn man Swjatoslaw Richter heißt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, deine Begeisterung für Swjatoslaw Richter teile ich hier voll.
    Die CD in Beitrag 80 hatte ich mir zunächst wegen des Brahms - KK 2 gekauft. Eine gute hochkarätige Aufnahme, aber vom Orchester her sage ich - Leinsdorf ist nun mal nicht Szell !


    :angel: Inzwischen ist das Hauptwerk dieser RCA-CD für mich klar die Appassionata, keine Frage. Es ist der Hammer und der Wahnsinn zugleich, wie Richter dort spielt - besser und mitreissender kann man sich das nicht mehr vorstellen.
    Da ich nicht so "Beethoven-Sonaten-Wahnsinnig" wie Du bin, werde ich mir die Richter-Mono-Aufnahme von 1953 locker verkneifen ... so fetzig sie auch sein mag; denn da hast Du noch ein " :thumbsup: " mehr vergeben.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Richtig, lieber Wolfgang,


    da habe ich noch ein :thumbsup: mehr vergeben. Die Aufnahme ist sieben Jahre jünger, und ich war der Meinung, dass er da noch etwas mehr Risiko gegangen ist als in der Carnegie Hall, und zwar über alle drei Sätze. M. E. ist unser beider Lieblingsdirigent in der Art, Beethoven zu spielen, gar nicht so weit entfernt von der Art, wie Richter hier die Appassionata gespielt hat, und man beachte die Opuszahl 57, das ist gar nicht so weit von der Opuszahl 55 (Eroica) entfernt (für Uneingeweihte: das ist die Sinfnonie, in der in einem Berliner Konzert mit dem besagten Dirigenten und seinem Orchester "die Klarinetten ihre Hälse in die Höhe rissen", wie ein gewisser Berliner Kritiker hinterher in der Berliner Presse sich auszudrücken beliebte).
    Übrigens, lieber Wolfgang, hast du schon eine Karte für den 25. November (Beethoven Nr. 1, Strauss, Duettconcertino, Brahms Nr. 4)? ?(


    Liebe Grüße


    Willi :D

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  • Lieber Willi,


    Richters Moskauer Aufnahme der Appassionata ist vom 9 Juni 1960.
    Aus dem Jahr 1953 ist keine Aufnahme überliefert, laut trovar.com sind die frühesten Einspielung von 1959 (Kiev und Prag).


    Viele Grüße,
    Christian

  • Irgendwie hatte ich die Jahreszahl 1953 im Kopf, weiß der Henker, woher. Ich hatte mir die Dateien ja im MP3-Format heruntergeladen, und da war kein Booklet dabei, jedenfalls liegen die beiden Konzerte dann ja nur fünf Monate auseinander, und dann ist es schon sehr auffällig, dass er den Kopfsatz in New York eine halbe Minute länger gespielt hat als in Moskau, bei den anderen beiden Sätzen sind es ja nur Sekunden, und im Prager Konzert ist er im Kopfsatz ja auch praktisch deckungsgleich mit dem Moskauer Konzert. Liegt es vielleicht daran, dass die New Yorker Aufnahme möglicherweise nicht live ist? Denn es existieren zwei Aufnahmedaten, und beide aus der Carnegie-Hall; der 19. Oktober und die von mir vorgestellte Aufnahme am 29./30. November. Das Doppeldatum deutet mir fast darauf hin.
    Ich werde ab jetzt jedenfalls nur noch Daten herausgeben, wenn sie mir schriftlich vorliegen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Willi,


    ja, die RCA-Aufnahme der Appassionata (gekopplet mit dem Brahms-Konzert) ist eine Studio-Einspielung. Es gibt aus NY allerdings auch eine Live-Einspielung, ich habe das Cover der Doremi-Aufnahmen aus der Carnegioe Hall (insgesamt 6 CDs) oben abgebildet. Diese Aufnahme ließ Richter später wie gesagt nicht gelten, ich muss das noch einmal nachlesen und stelle es dann hier ein. Er greift live in NY am Schluss auch ein paarmal richtig daneben. Dennoch hat gerade dieses Konzert seinen Ruhm im Westen begründet.


    Viele Grüße,
    Christian


  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Justus Frantz, Klavier
    AD: 1987?
    Spielzeiten: 10:02-6:53-


    Justus Frantz beginnt im Kopfsatz tief im Pianissimo, beachtet von Anfang an die dynamischen Akzente, geht im ersten ff-Takt 17 auch voll in das Fortissimo hinein, schraubt aber in den Takten 20 und 22, wie ich meine, etwas zurück, das sfp in Takt 26 sticht dagegen wieder sehr schöngeschärft heraus, ist ähnlich angelegt wie bei Richter.
    Auch sein Dolce ist sehr schön gespielt, das Forte in Takt 42 aber nicht so hammerhart wie in Richters erster Aufnahme aus Prag.
    Dagegen spielt er den Schlusssatz ab Takt 51 zwar auch kräftig, aber nicht so gnadenlos wie Richter, den Übergang zur Durchführung aber in der hohen Oktave sehr schön licht.
    Auch den ersten Teil der Durchführung, zögerlich in E-dur das Hauptthema durchführend, was Frantz hier sehr gut macht, ebenfalls den zweiten Teil mit den Wechseln des Themas von der unteren in die obere Oktave und zurück und den lyrischen Übergang zum neuerlichen Dolcethema. Er beachte auch dort weiterhin die Dynamik, wird aber auch in diesem Teil hin zur dunklen Überleitung zur Reprise nicht so dramatisch wie Richter. Ich möchte fast sagen, dass ihm der "Ritt auf der Rasierklinge" nicht so liegt.
    Im dunklen Übergang packt er wieder etwas beherzter zu. Auch in der Reprise spielt er nur den erster Fortissimoabschnitt ab Takt 152 kräftig und schraubt die nächsten wieder etwas zurück. ich verstehe den Sinn nicht. Wie anders, bedingungslos klingt das doch bei Richter.
    Das Dolcethema ist wieder schön lyrisch gespielt aber nur bis zum Schlusssatz (aus der Exposition), wo er wieder "mit angezogener Handbremse" spielt, sehr schön wieder der Teil aus der Durchführung, wo das Dolcethema durchgeführt wird, bis zur dramatischen Steigerung, wo der letzte Biss fehlt. Sehr schön auch die Arpeggien und das Ritartando-Diminuendo.
    Auch die Coda spielt er sehr schwungvoll und dynamisch hochstehend, aber über allem steht Richter, und auch Frank spielt das strikter. Am besten gelingt ihm hier naturgemäß der Schluss, diese sechs letzten Takte.


    Das Andante con moto gefällt mir dagegen ausnehmend . Das spielt er mit sehr viel Ausdruck und im Thema und in der ersten Variation mit eher pp-Grundton. Aber das passt schon allein deswegen, weil er im zweiten Teil des Themas die Akzente originalgetreu spielt. Das Forte in Takt 29 hätte ich mir ein wenig stärker gewünscht.
    Die zweite Variation spielt er mit einem wunderbar intimen Ton, sehr nocturne, und die dritte Variation stellt er unter das gleiche dynamische Konzept, die natürlich am höchsten stehende Variation, aber es wäre falsch gewesen, wenn er hier fortissimo gespielt hätte. Er macht es halt hier dynamisch alles eine Nummer kleiner, aber in sich stimmig, und deshalb mag ich diesen Satz durchaus großartig nennen.


    Das Finale spielt Frantz mit durchaus hochstehender Dynamik, mit Vorwärtsdrang in den Sechzehnteln, geht allerdings auch über gewisse feingezeichnete dynamische Strukturen (Takt 64 bis 73) hinweg, und manche Sforzandi scheinen mir nicht genügend hervorgehoben. Auch ist er weit von Richters Tempo entfernt, was ja für sich genommen noch kein Fehler ist, aber Richters Tempo in Verbindung mit seinem hemmungslosen dynamischen Impetus ist etwas, was für Frantz unerreichbar ist. Insofern versuche ich Justus Frantz in der Folge mit jemandem zu vergleichen, der in etwa ein ähnliches temporal-dynamisches Konzept hat.
    Im ersten Teil von "la seconda parte", dem durchführungsartigen Teil, den Frantz dynamisch besonders gut trifft, ist auch gleich das interpretatorische Niveau m. E. um Einiges höher als in der Exposition, natürlich ist auch der Übergang, die sog. "Atempause", Takt 184 bis 210, etwas, das Justus Frantz mehr liegt, als diese überbordenden eruptiven Passagen.
    In der Reprise sind mir auch etliche Sforzandi wieder zu schwach, der Schluss ab Takt 288 wieder stärker. Franz wiederholt selbstverständlich auch la seconda Parte.
    In der natürlich temporal nicht auf Richter- und Frank-Niveau befindlichen Presto-Coda schlägt sich Justus Frantz wacker.
    Alles in allem eine Interpretation, die sicherlich pianistisch gut ist, aber vielleicht den Anforderungen der Partitur, bis auf das Andante, nicht in dem Maße gerecht wird, wie man es sich wünschen möchte. Immerhin bleibt er uns keine Note schuldig, jedenfalls, was mein ungeschultes Gehör betrifft.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • Ich hatte bei dem obigen Beitrag über Justus Frantz vergessen, die Spielzeit des Finalsatzes und damit die Gesamtzeit hinzuzufügen. Die Spielzeiten müssen lauten:
    10:02-6:53-8:08 -- 25:03 min.;
    Ich bitte die Moderation, falls dies möglich ist, die Ergänzungen vorzunehmen und dann diesen Beitrag wieder zu löschen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Ich hatte mir Walter Gieseking, der als Nächster an der Reihe ist, schon zurecht gelegt und konnte aber meine Neugierde nicht zügeln und habe schon vorab die Sonate einmal gehört:


    Das Ergebnis war unglaublich und deswegen muss ich es einfach vorab schon einmal mitteilen, weil ich so erleichtert und begeistert über das Gehörte bin, erleichtert auch, weil ich mich relativ spontan entschlossen hatte die GA Giesekings doch noch anzuschaffen und von den ersten beiden Aufnahmen der Sonate Nr. 1 f-moll op. 2 Nr. 1 und der Sonate Nr. 4 Es-dur op. 7 nicht so begeistert war.
    Die Fragen über die beiden ersten Sonaten werden mir vielleicht erhellt, wenn ich die dazwischen liegenden Sonaten Nr. 8, 13, 14 und 21 gehört habe. Vielleicht ist darin ja eine Entwicklung zu erkennen. Möglicherweise aber hat es ja ganz andere Ursachen, denn die geplante Aufnahme aller Sonaten in der zweiten Jahreshälfte 1956 hat ja wohl einen ähnlichen tragischen Verlauf genommen wie die gleichzeitig laufende GA mit Solomon Cutner, nur dass Cutner noch 22 Jahre gelebt hat und nicht mehr spielen konnte und Gieseking gestorben ist.
    Wie dem auch sei, wie Gieseking diese Appassionata gespielt hat, zeigt, dass er eben doch ein großer Beethovenpianist war. Ein ausführlicher Bericht folgt morgen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata"
    Walter Gieseking, Klavier
    AD: 1956
    Spielzeiten: 8:48-6:30-7:18 -- 22:36 min.;


    Walter Gieseking hat mich mit dieser Interpretation vollkommen überrascht. Er lässt von Anfang an nicht den geringsten Zweifel, dass ihm diese Sonate liegt. Er wählt auch gegenüber Swjatoslaw Richterein wesentlich schnelleres Tempo, ist gegenüber dessen Moskauer Aufnahme fast 1 1/2 Minuten schneller. Auch dynamisch nutzt er die Möglichkeiten der Partitur voll aus, hält sich hier wirklich an den Notentext. Z. B. in der ersten Triller-Passage bleibt er in Takt 7 beim pp, akzentuiert dann in Takt 9 zum ersten Mal, in Takt 11 etwas stärker und ist am Ende von Takt 13 am vollen Forte angelangt. Auch die dynamischen Kontraste in Takt 15/16, 16/17, 18/19 usw. kommen ungeheuer drastisch und ergeben im Verein mit seinem schnellen Tempo einen ungeheuer dramatischen Impetus. Mit 1:20 min. bis zum Beginn des Dolce liegt er an der Spitze.
    Das Dolce ist dann temporal und stimmungsmäßig sehr kontrastreich zum Hauptsatz der Exposition und wird auch von ihm durch ein kräftiges Forte in Takt 42 beendet.
    Nach dem betörenden Achtel-Abstieg explodiert die Forte/Fortissimo-Passage im Schlusssatz Takt 51 bis 58 geradezu und geht dynamisch mit großer Wucht in die Überleitung, bevor er in Takt 61 einen ätherischen Abschwung beginnt und ihn wunderbar im pp ausklingen lässt.
    Nach dem wunderbar gespielten, dynamisch sehr gut betonten ersten Teil der Durchführung, spielt er den zweiten Teil mit dem permanenten Oktavenwechsel des Themas mit dem gleichen hochdramatischen Vorwärtsdrang wie den Schlusssatz der Exposition und geht immer noch mit diesem Tempo in die lyrische Überleitung zur Durchführung des Dolce-Themas hinein und hindurch. Er gönnt sich und uns keine Ruhe, im Gegenteil, nach zwei Takten des Dolce im Originalgewand geht die Hatz weiter, wird das dramatische Geschehen in die hohe Oktav gepeitscht auch durch den hochvirtuosen Abschluss, den er bravourös vorantreibt in die fast brutale Überleitung hinein, die er mit einem atemberaubenden Subito Pianissimo abrupt in die leise pochenden Achtel überführt, um dann sofort in die dynamisch keineswegs nachlassende Reprise zu gehen.
    Ein besonderer Höhepunkt in diesem weiterhin unnachgiebig von ihm vorwärts gepeitschten musikalischen Geschehen ist die Kombination fünfter Fortissimo-Takt-fünfte Triller-Stelle, die hier auch erstmalig im Forte beginnt und sich zu einem satten Forte-Sforzando auf dem Triller steigert und die er sehr eindringlich spielt. Nach dem ersten repetierten kurzen Dolcethema, das sofort vom Forte-Fortissimo-Abschnitt kontrastiert wird, folgt die zweite in der hohen Oktave, die auch sofort dramatisch gesteigert wird und von Gieseking dann beinahe unnachahmlich durch das Triolengewitter und die herrlichen Arpeggien geleitet wird hin zum meisterlich kontrastierten Ritartando-Diminuendo.
    Dem lässt Gieseking eine feurige Coda, eigentlich schon im Presto, folgen, aber das war nach dem Grundtempo auch nicht anders zu erwarten.- Ein grandioser Satz, mit dem er sich nicht vor Swjatoslaw Richter zu verstecken braucht.


    Auch das Andante ist grandios, obwohl es nicht im intimen, nocturnen Tongewand steckt, sondern durchaus körperhaft daher kommt, mit kernigen Steigerungen, schon im zweiten Teil des Themas und dann nochmals gesteigert im zweiten Teil der ersten Variation. In der zweiten Variation schafft er dann durch, wie ich meine, willkürlich herbeigeführte Tempomodifikationen innerhalb der Takte eine wogende und aufregende Wirkung. Das Grundtempo dieser Variation bleibt ja m. E. erhalten. Die dritte Variation treibt er dann munter voran mit markanten Sforzandi und bis zum ff gesteigert, bevor es dann am Schluss noch mal den Kontrast mit dem abschließenden Thema gibt.


    Das Finale ist dann ein weiterer dramatisch-dynamischer Höhepunkt dieser großartigen Sonate, auch in der Interpretation Walter Giesekings. Dieses Allegro brennt ähnlich wie das Richters. Da ist kein Halten und kein Ausruhen, es sei denn, der Komponist will es so. Jedenfalls rauscht die Exposition auch bei Gieseking unaufhaltsam durch, und "la seconda parte" treibt er im durchführenden Teil genauso harsch voran mit einem ersten besonderen Höhepunkt in den unisono oktavisch gesteigerten ff-Takten 168 bis 176- grandios!! Dann folgen noch zweimal drei ungestüme ff-Takte mit den aufsteigenden Figuren, jeweils durch eine ganze Pause getrennt, bevor endlich die kurze Ruhepause kommt, die Gieseking ebenfalls großartig spielt.
    Schon geht das Geschehen im reprisenartigen Teil weiter, aus dem pp rasch dynamisch aufsteigend, temporal unerbittlich voraneilend und sich dynamisch unentwegt aufschaukelnd bis hin zu den wilden unisono-Akkorden und dem diminuendo-Übergang zur Wiederholung von la seconda parte.
    Die Presto-Coda ist vielleicht nicht ganz so schnell wie die Richters aber mit Sicherheit nicht weniger intensiv.
    Mit dieser grandiosen Aufnahme, entstanden ohne einen möglicherweise noch weiter stimulierenden Einfluss des Publikums ist Walter Gieseking m. E. Swjatoslaw Richter sehr, sehr nahe gekommen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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