Wie sollte man Opern kennenlernen?

  • Zitat

    Original von Knusperhexe


    Lieber Peter,


    ich denke auch, dass das der Knackpunkt ist und man jedem das Recht auf die persönliche Ästhetik zugestehen darf, soll und muss. ...
    Aber damit sind wir schon wieder in der Regietheater versus traditionelles-Theater-Diskussion. Jener brachliegende Thread, an den sich keiner mehr rantraut.


    Ich denke, genau so wird ein gutes Paar Schuhe daraus:


    Links: jeder hat das Recht auf seinen persönlichen Geschmack - jedenfalls dann, wenn er überhaupt einen hat.


    Rechts: jedem anderem wird das gleiche Recht zugestanden, ohne dass man über dessen Geschmack gleich die Nase rümpft, weil er einem nicht gefällt - vor allem dann, wenn dieser auch gute Gründe dafür angeben kann.


    Nach diesem Fazit, dass ja auch schon in dem angesprochenen Thread wiederholt durchschien, muss es nicht unbedingt eine Frage des fehlenden Wagemutes sein, dass dort niemand mehr postet (jedenfalls, bis irgendwer die nächste Runde einläutet). Vielleicht ist dort auch einfach schon mehrfach alles gesagt und variiert wurde, was es zu diesem Thema zu sagen gibt.


    Auch die fundamentalistischsten Kreuzritter mussten irgendwann einsehen, dass mehr nicht zu erreichen war. Dass die beiden Lager über mehr als das oben Gesagte hinaus zusammen finden, hat ja wohl niemand ernsthaft erwarten können.


    :hello: Rideamus

  • Hallo,


    ein Beispiel zum librettogetreuen Inszenieren:


    Wagner, Tristan und Isolde, zweiter Akt, dritte Szene.


    Da gibt es eine Regieanweisung Marke Melot, und Hofleute kommen aus dem Baumgange lebhaft nach dem Vordergrunde und halten entsetzt an..., danach kommt 13 Seiten im Klavierauszug bzw. über eine Viertelstunde lang nichts. Das ist immerhin der lange König Marke-Monolog (Tatest dus wirklich). Wenn man jetzt also Marke singen lässt und alle anderen stehen herum, ist das dann librettogetreu? Kommt das den Intensionen Wagners nahe?
    Jede Bewegung eines Akteurs ist ja bewusst oder unbewusst schon wieder eine Interpretation, oder nicht?


    Nun ja, wollte ich nur mal so in die Diskussion werfen...


    Ich selbst komme als provinzieller Bürger nur recht selten in ein Opernhaus; bei Opern interessiert mich zunächst mal nur die Musik, und dazu hilft mir immer die Kombination gute Aufnahme und Klavierauszug/ PArtitur


    Inszenierungen kenne ich dann meist nur von DVD, kann jetzt keine klare Präferenz angeben, es gibt für mich enttäuschende konservative und faszinierende neue Interpretationen sowie genau umgekehrt, folge da keinem Dogma.


    Gruß, Flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Mich hat eine frühere Bekannte einmal zu ihrem (mehr oder weniger zufälligen) ersten Opernbesuch begleitet - und dann immer wieder gefragt, ob wir denn nicht wieder einmal gehen können. Offenbar ist sie mit dem Virus Oper zumindest etwas infiziert worden, denn ab und zu geht sie immer noch (in die Oper - nicht als meine Begleitung ;) )


    Michael 2

  • Große Zustimmung zur Stellungnahme von Rosenkavalier!


    Oper sollte man primär nur unter zwei Aspekten kennenlernen:
    1. freiwillig
    2. offen (undressiert)


    Menschen mit Oper zwangsbeglücken - das hat nie funktioniert und wird nie funktionieren. Das bedeutet freilich nicht, dass man sie nicht zur Oper verführen sollte (mit Schilderungen und Kostproben, die Interesse auf "das Ganze" machen). Wichtig ist hier auch ein wenig Intuition, welche Opern zu welchen Personen als "Einstieg" passen - thematisch wie musikalisch.


    Weiters sollte die Beeinflussung des Neulings so gering wie möglich sein. Geschmäcker sind (sehr) verschieden - wissen wir hier wohl alle - und ich persönlich bevorzuge die Begleitung denkender Individuen in der Oper gegenüber jener gut abgerichteter Nachplapperer. Ganz grundsätzlich empfiehlt es sich freilich, Neueinsteigern kurz den Inhalt (evtl. in Kombination mit dem Entstehungszusammenhang bzw. einem Subtext - etwa bei Traviata oder Billy Budd) nahe zu bringen. Bei interpretativen Inszenierungen können auch gröbere Zeit- und Ortverschiebungen erwähnt werden. Aus reichhaltiger Erfahrung mit Operneinsteigern (Alter ca. 20 - 30 Jahre) kann ich allerdings betonen, dass Abweichungen zum Libretto wenig Problem bereiten, wenn die Inszenierung in sich schlüssig und stimmig ist.


    Kinder haben in einer Oper (und einem Konzert) tendenziell nichts verloren - außer sie wollen es ausdrücklich selbst. Aber man muss ihnen bewusst machen, was 60 - 110 Minuten echtes Stillsitzen bedeutet. Selbst dann sollte das Werk sehr gut ausgewählt werden - Tristan etwa ist reine Folter, Zauberflöte für ältere Kinder/Teenager eher fad. Kriterien sollten die sonstigen Interessen des Kindes sein. Teenies können wohl am ehesten Opern wie Otello, Carmen oder Pagliacci etwas abgewinnen (und der Gewaltfaktor ist im Vergleich zum Fernsehprogramm vernachlässigbar).

  • Hallo Forianer !


    Als junger (26 Jahre alt) und amateurhafter Opernfan (ein wenig mehr als 1 Jahr Opernerfahrung) habe ich die Traumwelten der Oper so kennengelernt:


    Zuerst stand bei mir das große Interesse, überhaupt in eine Oper zu gehen. Zuerst bin ich also in alle möglichen Aufführungen in die WSO spaziert, ohne mich großartig aufs Werk vorzubereiten: Zauberflöte, Carmen, Tosca, Tristan, Don Giovanni, Parsifal, Lohengrin, Ariadne auf Naxos u.v.m....Ein Opern-Querschnitt ohne Hintergrundkenntnisse, einfach aus Lust an der Musik und den Handlungen. Meine ersten Eindrücke haben mein Opern-Interesse bestätigt, habe die Staatsoper abends glücklich, zufrieden und bewegt verlassen. Kurzurlaub in der Musikwelt.

    Dann wollte ich bald nach diesen ersten Eindrücken mehr dazulernen: Ein Opernlexikon und die ersten Opern-CDs kamen ins Haus. Wichtig: Meine Opern-CDs mussten immer ein Libretto enthalten, denn gerade zum Kennenlernen kommt man um den Text nicht herum. Also immer schön während dem Hören mitlesen und mitleiden ;(
    Libretto-lose CD-Angebote kamen mir nicht in den Warenkorb.
    (Mittlerweile mache ich es so, daß ich zuerst das Libretto ohne Musik lese und darauf dann die Musik höre, das lenkt nicht so ab und man kann sich jeweils auf das Eine konzentrieren)

    Nach den unterschiedlichen Live-Aufführungen und CD-Hörabenden kristallisierten sich so langsam Favoriten heraus, mit denen ich mich noch intensiver beschäftigen wollte: Beispiel "Tristan und Isolde": Tief ergriffen von Musik und Handlung schneit bald meine vierte Aufnahme ins Haus, auch bald ein Buch über die Aufführungsgeschichte des Tristan. Auch Toscas besitze ich bald vier an der Zahl und habe schon einige Toscas live erlebt. Dadurch kann ich mittlerweile zumindest bei diesen zwei Opern einen sowohl gesanglichen Unterschied erkennen als auch ein Unterschied im Dirigat. (zugegeben, ob das "Tremolo" besser als das "Vibrato" oder die "Koloratur" mit den "Trillern" nun genial war...das bleibt mir noch verborgen).


    And last but not least lese ich fleissig hier im Opern-Forum mit, um von Euch Opern-Profis Hintergrund-Infos zu erhalten und offene Fragen beantwortet zu bekommen.
    Und in der Opern-Welt sind gerade als Anfänger offene Fragen reiiiiichlich vorhanden :wacky:


    Naja, und dann sollte man als Anfänger nicht so schnell aufgeben: Mit den Libretti von Wagner kann ich nun schon weit mehr anfangen als bei meinem ersten "Parsifal". Und ich schmiede gerade sogar begeistert meinen ersten "Ring" und ich fange an, dieses Mammutwerk zu verstehen.
    Am 09.12. auch live in der WSO und ich zerplatze vor Spannung.


    Und dann gibt es noch als Lektüre den "prolog" der WSO; die Interviews mit Sängern und Dirigenten finde ich zum besseren Opern-Verständnis auch sehr geeignet und interessant.


    Na dann schmiede ich sowohl mal den Ring weiter als auch mein sonstiges Opern-Wissen und begeisterte "unbewusst-höchste Lust-Operngrüße" aus Wien,


    Louis