DEBUSSY: Douze Études

  • Im Jahre 1915 redigierte der 53-Jährige DEBUSSY für den Verleger Durand eine Ausgabe der (Klavier-)Etüden von CHOPIN. Diese Beschäftigung mit den Werken von CHOPIN wird als Ausgangspunkt für die Komposition seiner eigenen Etüden gesehen. Mit den Etüden beschloss DEBUSSY nicht nur sein einzigartiges Klavier(gesamt)werk mit einem Höhepunkt, sondern schuf auch -meiner Meinung- einen der schönsten Klavierzyklen des 20. Jahrhunderts. Die Komposition erfolgte äußerst rasch, der Zyklus wurde am 27. September 1915 beendet.


    Das Werk gliedert sich in zwei Hefte:
    Heft I
    1. Pour les "cinq doigts" d'aprÞs Monsieur Czerny
    2. Pour les Tierces
    3. Pour les Quartes
    4. Pour les Sixtes
    5. Pour les Octaves
    6. Pour les huit doigts


    Heft II
    7. Pour les degrés chromatique
    8. Pour les agréments
    9. Pour les notes répétées
    10. Pour les sonorités opposées
    11. Pour les arpÞges composés
    12. Pour les accords


    Im ersten Heft bilden eher pianistische Probleme den Ausgangspunkt der Kompositionen, während es im zweiten dann rein musikalische Probleme (Chromatik, Klanggegensätze, etc.) sind.
    K. Billing sieht als Ziele bei DEBUSSY im Unterschied zu CHOPIN und LISZT: „nicht Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit, sondern höchste Gewandtheit und Akrobatik“ (Reclam Klaviermusikführer Band2 S.636)
    Im Gegensatz zu den früheren Werken, die eher durch Klangpracht und schillernde Farbigkeit gekennzeichnet waren, sind die Spätwerke durch mehr Askese und Reduktion auf das Wesentliche charakterisiert. Darin liegt vielleicht auch der Grund, dass diese Stücke beim Publikum (und zu Beginn auch bei den Interpreten) nicht so beliiebt waren wie die früheren Werke, (etwa die Images oder die Suiten)
    Doch so wie diese Menschen (zuerst?) ihre Schierigkeiten mirt den Werken hatte, wurde diie Etüden von Anderen wegen ihrer Modernität (Struktur, etc.) besonders verehrt.


    Ich schätze an DEBUSSYs Klaviermusik besonders die große Vielfalt der schönen Einfälle, welche in seinem Spätwerk noch durch die Reife und Meisterschaft durch die Reduktion verstärkt wird. Formal scheint er völlig frei zu arbeiten, was mit überzeugendem Resultat nur den ganz großen Meistern gelingen kann.



    Zu verschiedenen Interpretationen:


    Bekannt geworden bin ich mit den Etüden durch die Einspielung mit M. Pollini (und damit ebenfalls mit der hörenswerten Klaviersonate von BERG). Eine schöne Interpretation, die aber –ähnlich wie seine Einspielung der Etüden von CHOPIN- durch weitere Versionen für mich etwas an Glanz verloren hat.


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    (rec.1992)


    Später kaufte ich mir die Einspielung von M. Uchida, die ja allgemein sehr gelobt wird, konnte mich aber (bisher?) mit dieser Interpretation noch nicht anfreunden.


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    (rec. 1989)


    Mit dem erscheinen der Einspielung von P.-L. Aimard im Jahr 2005 habe ich dann meine Referenzeinspielung der Etüden gefunden. Pianistisch wie musikalisch tadellos erscheint mir Aimard durch seine besondere Erfahrung mit zeitgenössische Klaviermusik die Modernität (aber auch die Poesie!) der Etüden Idealerweise zu verwirklichen.


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    (rec. 2005)


    Kürzlich lernte ich die Einspielung (aus der Gesamt-Box) mit M. Jones kennen. Dieser britische Pianist war mir bisher nur dem Namen nach bekannt. Er konnte mich aber sofort überzeugen, und ich möchte diese Einspielung auf eine Stufe mit Aimard stellen.


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    (rec. 1988 )


    Die klassische Referenz bei Debussy: W. Gieseking, ist auch bei den Etüden hervorragend, allerdings wird er doch insgesamt von Aimard oder Jones übertroffen, liefert aber immer noch bei einige Etüden meine Referenz (z.B. Nr.2)


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    (rec. 1955?)


    Die Gesamt-Box des DEBUSSYschen Klavierwerkes von J. Boguet liefert eine gelungene Version, die aber im Vergleich mit den oben genannten Pianisten etwas blass ausfällt.


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    (rec. 1970)


    Die begonnene Gesamteinspielung der Klavierwerke durch S. Francois blieb leider unvollendet. Von den Etuden wurde nur das zweite Heft aufgenommen. Wie eigentlich immer spielt Francois mit großer Sensibilität und fernab jeglicher Routine. Sein Klavierspiel scheint immer eine persönliche Entdeckung zu sein, das macht auch die Faszination dieser Aufnahmen aus.



    (rec. ca.1969 )


    Fazit: meine Emfehlungen lauten Aimard, Jones und Gieseking.


    Ich hoffe es folgen jetzt hier weitere Meinungen zu diesen oder anderen Interpretationen und dem Werk selber. Besonders würden mich selber noch folgende Aufnahmen :
    A. Planes und G. Pludermacher.


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    Auch ich werde jetzt wieder verstärkt diese CDs hören, um meine mEinung zu überrpüfen.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Bist Du mir also mit diesem Meilenstein der abendländischen Klavierliteratur zuvorgekommen! :wacky:


    Soll mir aber recht sein, schließlich kennst Du mehr Einspielungen. :yes:


    Die Études gehören meiner Ansicht nach zu den schönsten Klavierzyklen nicht nur des 20. Jhd. sondern aller Zeiten.


    Sie stellen das Opus summum des Debussyschen Klavierouevres dar und sind, wie pt_concours bereits hinwies durch Reduktion, Konzentration und Askese gekennzeichnet.


    Vor allem der 2. Band zeichnet sich durch die von Debussy verwandten Gestaltungsmittel aus, die weit in das 20. Jhd. weisen.
    Die Stücke sind hier noch kühner und gewagter als im ersten Band.


    Debussy verbindet eine satztechnische Schreibweise mit einer Instrumentaltechnik und baut seine Etüden auf Klangverläufen und Entwicklungen auf, die sich weit entfernt jeglicher Tonalität und Modalität bewegen und die den satztechnischen Beschränkungen entspringen, die er sich selbst auferlegt.


    In Pour les agréments und dem erstaunlich forschen Pour les accords werden Akkorde (horizontale und vertikale) rein um des Klanges wegen verwendet, der aus ihrer Nebeneinadersetzung resultiert.


    In Pour les sonorités opposées gipfelt die Enstehung kontrapunktischer Strukturen aus Klangabstufungen, aus Klangfarben Tonstärkestufen oder Zeitmaßen. Dadurch nimmt Debussy bereits einiges der seriellen als auch der spektralen Kompostiontechnik vorweg.


    In den Etüden erreicht Debussy eine Tiefe, die wohl keines seiner Werke zuvor auszeichnete. Wahrscheinlich sind sie auch seine persönlichsten Werke - der Abschluss einer intensiven Liebe: die zwischen Komponisten und seinem Instrument.


    :hello:
    Wulf

  • Hallo pt_concours und Wulf,


    Eure Einführungen haben mir Lust gemacht, meine eigenen Einspielungen dieses in der Tat faszinierenden Werks hervorzuholen. Ich habe sie gerade beide angehört und mir ein paar Notizen gemacht.


    Soviel vorweg: Beide Interpretationen könnten kaum gegensätzlicher sein.


    Alain Planès (aufgenommen: März 1996):



    Mein Eindruck: Planès zerlegt die Klangfolgen in klar gegliederte, äußerst durchhörbare Strukturen, mit scharfen Kontrasten, glasklar, ohne jeden "impressionistischen" Klangnebel, insgesamt etwas kühl, trocken, "analytisch".


    Walter Gieseking (aufgenommen: Dezember 1954):



    Giesekings Spiel wirkt durchwegs wie elektrisch aufgeladen, teilweise hochdramatisch, expressiv, poetisch, manchmal geheimnisvoll, bizarr, auch (zu?) nervös, sprechend, "emotional".


    Gieseking ist insgesamt schneller als Planès:


    Gieseking Planès


    I. 2:53 3:25
    II. 3:24 4:00
    III. 4:08 4:55
    IV. 3:21 4:07
    V. 2:16 2:43
    VI. 1:34 1:41
    VII. 2:05 2:22
    VIII. 4:09 5:14
    IX. 3:10 3:26
    X. 4:38 5:14
    XI. 3:09 4:34
    XII. 4:52 4:21 (Ausnahme!)


    Da ich nur diese beiden Aufnahmen kenne und auch sonst mit dem Werk nicht so sehr vertraut bin, sind meine Beobachtungen vielleicht etwas zu plakativ, subjektiv sind sie sowieso; ich weiß nicht so recht, welcher der beiden Einspielungen ich den Vorzug geben sollte. An Planès gefällt mir das klare, pedalarme Spiel, das mir die Komposition gleichsam nackt vor die Augen stellt; an Gieseking beeindruckt mich seine Gabe, die Klangphantasien sensibel und ausdrucksstark zu gestalten, wenn auch Details manchmal zu undeutlich werden und es mir etwas zu hektisch und zu nervös vorkommt.


    In Debussys Musik generell, gerade in seinen späteren Werken (auch das Orchesterstück "Jeux") höre ich gewaltige Innenspannungen, sie scheint oft, wie ich angedeutet habe, unter Strom zu stehen - das bringt Gieseking schön heraus. Doch die Schönheit der Musik - die ihre Kraft auch aus ihrer Klarheit und Transparenz gewinnt, ohne forciert zu wirken - das höre ich mit Gewinn eher bei Planès.


    [zitat]Original von Wulf
    Ich kann mich (bisher) mit der Planés-Einspielung nicht anfreunden. Ich empfinde manche Tempoabstufungen als zu drastisch, zu manieriert.[/zitat]
    Habe ich nicht so empfunden, aber wahrscheinlich hast Du andere Vergleichseinspielungen im Ohr?


    pt_concours: Magst Du Dich über die von Dir lobend erwähnten P.-L. Aimard und M. Jones noch etwas näher auslassen? Worin unterscheiden sie sich? Würde mich interessieren.


    Übrigens: Berücksichtigen muß man natürlich auch die große zeitliche Differenz beider Einspielungen: Gieseking 1954, ein etwas dunkler, aber reizvoller Mono-Klang - Planès 1996 mit allen Finessen moderner Technik.

  • Hallo Gurnemanz,


    vielen Dank für Deine anschaulichen und nachvollziehbaren Eindrücke.


    In der Tat muß ich allein aufgrund der Hörschnipsel bei jpc mein negatives Gieseking-Bild in Bezug auf Debussy etwas gerade rücken.
    Tatsächlich wirkt sein Spiel wie elektrisch aufgeladen, an anderen Einspielungen zu messen fällt immer schwer, wenn man nur Hörschnipsel zur Vefügung hat - ich weiß nicht, inwiefern Giesekings Spiel den neuartigen Gestaltungsmitteln in Debussys Etüden gerecht wird.


    Ich bin im Besitz folgender Afnahmen:



    Thibaudets Spiel liegt für mein Empfinden zwischen diesen beiden Extremen, vielleicht an manch einer Stelle zu gezähmt und zu sonor.
    Da es jedoch die Einspielung ist, die mich mit dem Werk überhaupt erst bekannt gemacht hat und das Tor zu diesem Faszinosum aufgestoßen hat, greife ich immer wieder gerne zu Thibaudets Einspielung zurück.




    Uchidas Interpretation ist in jeder Hinsicht außerordentlich. Zum einen höre ich bei Uchida wie bei kaum einem anderen ein diffiziles Spektrum an Anschlagsdynamik, bis in einzelne Akkorde hinein.
    Zum anderen ist Uchidas Spiel bar jegliches Impressionismus-Klischees mit einer Neuartigkeit des Ausdrucks und einer Binnenspannung ausgezeichnet, die ihresgleichen sucht.


    Wie desöfteren gibt es für meinen Geschmack nicht DIE ideale Einspielung. Uchida kommt dem schon sehr nahe, Aimard (die ich auch kenne, aber leider noch nicht in meinem Besitz ist) ebenfalls. aber Pour les Quartes würde ich bei Uchida durch die Thibaudet-Int. ersetzen wollen, Thibaudet gestaltet rhytmisch kontrastreicher, beinahe mit Bick in Richtung Jazz (so mein Eindruck). Bei Pour les accords ist für mich wieder Uchida unerreicht - v.a. im A-Teil. Der tiefenschürfende B-Teil der Etüde gelingt dagegen Thibaudet ebenfalls außerordentlich.


    :hello:
    Wulf

  • Hallo Wulf,


    eine schöne, differenzierte Erläuterung, die meine Neugier steigert!


    Frage: Was wären die Kriterien für eine "Idealeinspielung"? Ein Versuch: Das Ideal müßte einerseits das, was ich als "Unter-Strom-Stehen" bezeichnen würde (in Deinen Worten: "rhythmisch kontrastreich" bzw. "Richtung Jazz"), in sich fassen, andererseits so etwas wie eine ebenmäßige, durchsichtige Schönheit: Die Franzosen nennen es wohl "clarté", auf jeden Fall etwas, wie Du schreibst, jenseits von "Impressionismus-Klischees".


    Was Debussys Orchestermusik angeht, so kommt für mich Pierre Boulez (oder, auf andere Weise, D. E. Inghelbrecht) diesem Ideal ziemlich nahe - aber das wäre eine andere Baustelle.

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  • Hallo Wulf und Gurnemanz,


    Vielen Dank für Eure ersten Antworten!
    Ich hatte auch schon über meine persönliche Favoriten-Liste für jede einzelne Etüde nachgedacht. (Glaubt ihr, es gäbe einen- wenn auch fikitven- richitgen Ansatz zur Interpreatation der Etüden oder benötigen die verscheidenen Etüden verscheidnen Interpreataionsansätze)?


    Gurnemanz Gerne möchte ich versuchen, einen differenzierten Vergleich zwischen Aimard und Jones zu erstellen. Allerdings benötige ich dafür etwas Zeit, da ich für das Hören von bestimmter Musik gerne in besonderer Stimmung ("Appetit") sein möchte.
    Vielleicht hast Du ja zwei oder drei Lieblingsstücke, die ich gezielt nochmal vergleichen könnte? Ansosnten waren mir die Interpretationen von Aimard und Jones bisher immer vom Ansatz sehr ähnlich erschienen.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Zitat

    Original von pt_concours
    Gerne möchte ich versuchen, einen differenzierten Vergleich zwischen Aimard und Jones zu erstellen. Allerdings benötige ich dafür etwas Zeit, da ich für das Hören von bestimmter Musik gerne in besonderer Stimmung ("Appetit") sein möchte.


    Absolut verständlich; es hat ja auch keine Eile.


    Zitat

    Vielleicht hast Du ja zwei oder drei Lieblingsstücke, die ich gezielt nochmal vergleichen könnte?


    Spontan: nein, so vertraut bin ich mit den Études nicht. Lieben Dank fürs Angebot. Ich werde es prüfen und melde mich dann wieder.

  • Debussy war sich der Bedeutung seines eigenen Werkes durchaus bewußt.
    Er glaubte gar ein interpretations"unabhängiges" Werk geschaffen zu haben, also eines, das eigtl. keiner großen Interpretation bedarf.
    Genauen Wortlaut müßte ich allerdings noch einmal recherchieren.


    Faktisch gibt es in den Interpretationen, wie bereits festgestellt wurde, deutlich zu Tage tretende Unteschiede.


    Nach meinem Darfürhalten gibt es schon Interpretationen, die wenn auch nicht in einem absoluten Sinne ideal, so doch optimal in der Ausschöpfung der den Etüden innewohnenden Parameter sind.


    Die erste Etüde kommt als liebevolle Persiflage auf die für viele Kavierschüler lästigen Fingerübungen des Herrn Czerny daher.
    Ironie ist nicht primär an Tempo gebunden, auch wenn ich eine zu langsame Lesart als eher hinderlich empfinde.
    Deutlich muß der ironsiche Charakter durch die störenden Zwischenrufe werden, die der bis zur Quinte des Grundtons auf und absteigende C-Dur-Leiter das Spiel verderben wollen. Aus meiner Sicht sollte diese auf -und absteigende Figur so mechanisch, so teilnahmslos aber auch so unschuldig und leidenschaftslos gespielt werden wie möglich - die störenden Noten der rechten Hand deutlich akzentuiert, forciert. Nach dieser anfänglichen sarkastischen Persifage transformiert das Stück ja in eine Gigue, die im Charakter humorvoll. auch ironisch, jedoch nach meinem Verständnis nicht mehr in dem Grad sarkastisch ist, wie sich das Stück zu Beginn gebährt.


    Sicher, eine recht grobe Vorstellung und keine Anleitung zru "idealen" Interpretation.


    In der Eütde pour les Degrés chromatiques sollten IMO die chromatischen Läufe rhythmisch forciert und außerordentlich präzise daherkommen - quasi vorweggenommener Antheil, über dessen Werk sich Satie bei einer Aufführung als einiziger mit den Worten "quel précision, quel précision!" erfreuen konnte.


    Nur ein paar flüchtige Gedanken......


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von pt_concours
    Gerne möchte ich versuchen, einen differenzierten Vergleich zwischen Aimard und Jones zu erstellen. Allerdings benötige ich dafür etwas Zeit, da ich für das Hören von bestimmter Musik gerne in besonderer Stimmung ("Appetit") sein möchte.
    Vielleicht hast Du ja zwei oder drei Lieblingsstücke, die ich gezielt nochmal vergleichen könnte?


    Gerade habe ich - mit Alain Planès - zwei Ètudes angehört, verspielt-jazzartig das eine, das andere lyrisch-versonnener, raffinierte Klanphantasien, ohne jeden Virtuosenehrgeiz (gerade dieses Stück fasziniert mich ganz besonders) - vielleicht bieten diese beiden gegensätzlichen Stücke für einen Vergleich zwischen P.-L. Aimard und M. Jones an?


    Damit, lieber pt_concours, komme ich gern auf Dein Angebot zurück: Wenn es für Dich paßt und Du Lust hast: Höre und berichte über:


    IX. Pour les notes répétées. Scherzando
    X. Pour les sonorités opposées. Modéré, sans lenteur


    Planès spielt beide Stücke sehr durchsichtig, vielleicht etwas zu nüchtern, aber auch mit Ruhe und einer, ich würde sagen, unaufdringlichen Kühle - so mein Eindruck. (Die Ironie im I. Stück, der Czerny-Parodie, wie Wulf es beschreibt, höre ich bei Planès weniger heraus. Möglich aber, daß er im VII. Stück hinreichend rhythmisch forciert und präzise herangeht - kann ich ohne Vergleich und ohne Kenntnis der Partitur schwerlich beurteilen.)


    Jetzt hoffe ich nur noch, daß sich bei Dir irgendwann einmal die "besondere Stimmung" einfindet, die Dich zu Debussy führt...

  • Zitat

    Original von Gurnemanz
    Damit, lieber pt_concours, komme ich gern auf Dein Angebot zurück: Wenn es für Dich paßt und Du Lust hast: Höre und berichte über:


    IX. Pour les notes répétées. Scherzando
    X. Pour les sonorités opposées. Modéré, sans lenteur


    Hallo Gurnemanz!


    Als ich nach einem (sehr langen) Arbeitstag nach Hause kam, habe ich mich sehr über diese Nachricht gefreut (endlich eine Aufgabe, der ich gewachsen bin ... :D :D :D) Und dann auch gleich spontan Lust verspürt ein wenig zu hören. Zumal es einfach einladender für mich ist, (nur) zwei Etüden von (nur) zwei Interpreten zu hören (als zwöf Etüden von sieben Interpreten -dafür hatte ich mir auch ca. einen Monat Zeit gelassen, da ich immer etwas in Sorge war, diese Stücke durch übermäßiges Hören etwas zu "überhören".


    jetzt zu beiden Interpretationen:


    M. Jones: bei iihm liebe ich die starke Charakterisierung der Werke sehr! Dabei spielt er trotzdem erstaunlich entspannt und sehr natürlich (das schätze ich auch immer bei Gieseking!), insgesamt kann er viele Details hervorheben, alles wirkt fast improvisiert.


    P.-L. Aimrd hebt dagegen eher die Struktur der Werke hervor. Bei ihm beeindruckt mich besonders die Geschlossenheit der Darstellung, ich habe bei den Stücken immer das Gefühl, wie sich alles logisch und organisch vom ersten bis zum letzen Ton entwickelt.


    Also, bei Jones wirkt es abwechslungreicher, das Stück zerfällt aber etwas in kleine Teile, bei Aimard überwiegt dagegen der große Spannungsbogen über das ganze Werk. Allerdiings könnte ich jetzt nicht sagen, was ich bevorzugen würde.


    Spontan hätte ich auch Lust, demnächst (vielleicht morgen?) noch Gieseking und Francois gegenüberzustellen. Und einen Wunsch für den nächsten Vergleich gibt es auch schon:


    7. Pour les degrés chromatique
    11. Pour les arpÞges composés



    Also, ich hoffe, man liest sich!
    Gruß pt_concours


    Vergleicht man nur einzelne Etüden, kommt auch noch ein weiterer Aspekt mit ins Spiel: Interpretationen von Pianisten/innen, die nur einige Etüden gespielt haben, z.B. auf dieser CD


    [jpc]3830257451020.jpg[/jpc]


    Etüde Nr. 7 & 10 mit C. Haskil (rec. 1953)

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
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    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

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  • Hallo pt_concours,


    vielen Dank fürs Vergleichshören - wirklich aufschlußreich! Aufgrund Deiner Bemerkungen wüßte auch ich nicht auf Anhieb zu entscheiden, welche der beiden Einspielungen mich näher anziehen könnte. Gestern habe ich selbst mal in ein paar jpc-Schnipsel hineingehört (Aimard), und schon aufgrund des flüchtigen Eindrucks scheint mir, daß Aimard und "mein" Planès recht gegensätzlich herangehen (A. klingt organischer, weicher und klanglich feiner abgestimmt als der klare und kühle P.). Immerhin bin ich neugierig genug geworden und erwarte nun hoffnungsfroh den Aimard.


    [zitat]Und einen Wunsch für den nächsten Vergleich gibt es auch schon:


    7. Pour les degrés chromatique
    11. Pour les arpÞges composés
    [/zitat]
    Ist notiert. (Gibt es noch weitere Vergleichswillige?)


    Spannend finde ich bei dieser Art des Vergleichs weniger den (unerfüllbaren?) Wunsch nach der idealen Aufnahme (kenne ich allerdings auch gut) als vielmehr einen gut geeigneten Weg, mir bislang noch nicht allzu vertraute Werke näher zu erschließen.

  • Die Sonne lacht, die Natur lockt - und das auch wohl die nächsten Tage: Ungünstige Zeiten für ausgiebiges Vergleichshören im stillen Kämmerlein. Monsieur Debussy wird es verschmerzen und, wo auch immer er gerade weilt, geduldig darauf warten, wie sein Werk in Tamino und anderswo weiter aufgenommen wird.


    Stattdessen hier ein Zitat aus einem Buch, in dem ich immer wieder gern lese, auch wenn ich einiges nicht verstehe: Pierre Boulez, Anhaltspunkte. Essays (dtv 1979). Debussy liegt Boulez bekanntlich sehr am Herzen, auch wenn er dessen Werk gelegentlich recht kritisch beleuchtet. Nicht so das 1913 uraufgeführte Orchesterwerk Jeux, "eine der bemerkenswertesten Kompositionen" Debussys:


    [zitat]"Jeux bezeichnet das Heraufkommen einer musikalischen Form, die sich von Augenblick zu Augenblick erneuert und darum eine genauso auf den Augenblick bezogene Hörweise fordert." [Es bedeutet] "einen Markstein in der Geschichte der zeitgenössischen Ästhetik.
    Ohne die traditionelle Morphologie von Grund auf in Frage zu stellen, setzt sich diese ästhetische Erneuerung in den Spätwerken fort, die zwischen 1913 und 1917 entstanden: den Trois Poèmes de Mallarmé (1913), den Zwölf Etüden für Klavier (1915), in En blanc et noir für zwei Klaviere (1915), schließlich in den Sonaten für Violincello und Klavier (1915), für Flöte, Bratsche und Harfe (1915), für Violine und Klavier (1917). An dieser letzten ausschließlich kammermusikalischen Werkgruppe - Debussy hatte die Gattung der Kammermusik seit dem Streichquartett nicht mehr gepflegt - läßt sich ablesen, wie der Komponist sich um eine Kunst von schärferer Spannung, asketischerer Haltung bemüht, die auf unmittelbare Verzauberung verzichtet, aber von einem Reichtum der Inspiration ohnegleichen ist: in der Vertiefung einer ästhetischen Wahrheit ohne ersichtlichen Vorläufer bildet sie die Fortsetzung von Jeux. Diese letzten Kompositionen Debussys enthalten Seiten, die zu den bemerkenswertesten zählen, die er je erfand; der Abstand ist groß zwischen dem Nachmittag eines Fauns und den Etüden für Klavier, ebenso groß wie zwischen dem Faun und aller ihm vorhergegangenen Musik." (S. 55ff. - alle Kursivsetzungen vom Autor)[/zitat]
    Dies finde ich interessant, weil es die Etüden in einen größeren Zusammenhang des Debussyschen Schaffens in seinen letzten Jahren stellt. Und es macht mich neugierig, die genannten Werke - und damit eine "Kunst von schärferer Spannung, asketischerer Haltung [...], die auf unmittelbare Verzauberung verzichtet" - näher kennenzulernen.


    Doch, wie gesagt: Alles zu seiner Zeit.

  • Hallo zusammen,


    die wirklich sehr lesenswerten Ausführungen von Boulez über Debussy, insbesondere über die Zeitstruktur von >Jeux<, erinnern an das, was Stockhausen eine >Momentform< nennt!


    Als Gesamteinspielung bevorzuge ich die Aufnahme von Pollini, die natürlich auch sehr gute von Aimard (habe ich ebenfalls!) ist eine >modernisierte< Variante von Giesekings klassischer, nach wie vor beeindruckender Aufnahme! Pollini finde ich dann doch noch einen Tick klangsinnlicher und im ganzen interpretatorisch (noch) schlüssiger! Eine seiner besten Aufnahmen.


    Auch Horowitz (>Privat Collection<, RCA) hat einzelne der Debussy-Etüden aufgenommen! Sehr hörenswert! Die Platte von Clara Haskil besorge ich mir direkt, bin schon sehr gespannt!


    Beste Grüße
    Holger

  • Hallo Holger Kaletha,
    Vielen Dank für den Beitrag.



    Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha


    Auch Horowitz (>Privat Collection<, RCA) hat einzelne der Debussy-Etüden aufgenommen! Sehr hörenswert! Die Platte von Clara Haskil besorge ich mir direkt, bin schon sehr gespannt!


    Beste Grüße
    Holger


    Horowitz mit DEBUSSY-Etüden?
    Ich kenne nur die Aufnahme der Etüde Nr. 11 (rec.1943)- mehr dürfte es als Einspielung auch nicht geben


    Die für mich interessanteste CD mit EInzelaufnahmen der Etüden ist folgende, die ich leider noch nicht kenne:



    MOZART: Klaviersonate B-Durr K. 570
    PROKOFIEV: Klaviersonate Nr.4 c-moll, op.29
    DEBUSSY: Etudes Nr. 1, 2, 3, 4, 8, 10, 12; Preludes Buchk II: Nr. 11 & 12
    "Richter's only released recordings ever of Mozart's sonata K.570 and of the Debussy etudes." !!!


    Gruß pt_concours


    ps Ich freue mich ja, wenn ich mit der CD von C: Haskil einen interessanten Tipp geben konnte, und denke dass man auch von den anderen Stücken nicht enttäuscht wird (da ich die CD erst seit kurzem besitzte, habe ich sie auch noch nicht ausreichend gehört)

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    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

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  • Hallo pt concours,


    habe gerade geschaut: Auf der Horowitz-CD sind die Debussy-Etüden 4,1 und 6! Der Richter ist ein ebenso >heißer< Tip. Das muß auch angeschafft werden...


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    Hallo pt concours,


    habe gerade geschaut: Auf der Horowitz-CD sind die Debussy-Etüden 4,1 und 6!


    Beste Grüße
    Holger


    Hallo Kolger Kaletha,


    Vielen Dank für die Antwort. Nachdem ich den oberen Beitrag nocheinmal gelesen habe, habe ich die CD auch gefunden. Es müsste diese sein:



    DAs klingt wirklich sehr spannend, und damit meine ich nicht nur die Stücke von DEBUSSY, sondern auch z.B die Werke von KABALEVSKY! Meine Quelle zur Diskographie von Horowitz ist schon etwas älter, und müsste wohl an eineigen Stellen ergänzt werden. Eigentlich sit es ja schön, dass so immer wieder einmal völlig unverhofft Neues zu entdecken ist!


    Mich würde also auch eine kurze Information über die gesamte CD interessieren. Vielleicht im Thread zu Horowitz?


    Horowitz


    Gruß pt_concouirs

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  • Kennt eigentlich jemand von Euch die Einspielung von Monique Haas? Eine Bekannte von mir, selbst Pianistin, schwört, das sei das beste,was ihr jemals untergekommen ist. Ich selbst habe die Aufnahmen nie gehört.
    :hello:

    ...

  • Leider nicht. Ich kenne Haas nur von der Einspielung der Toccata aus "Pour le piano" - ein fabelhafter Anschlag und eine bezaubernde Interpretation.

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  • Hallo Gurnemanz, pt_concours und andere Etudes-Begeisterte!


    Die Etüden sind wieder in mein Blickfeld gerückt - wirklich außerhalb waren sie allerdings auch nicht - und momentan bin ich ganz verzaubert von den beiden mittleren Etüden des ersten Buches:


    Pour les Quartes
    Pour les Sixtes


    Gerne würde ich entgegen der "vorgesehenen" Reihenfolge einige Aufahmen der Pour les Sixtes-Etüde vergleichen.
    Zum Tinteschmieren komme ich allerdings frühestens heute abend, insofern würde es mich sehr freuen, wenn ihr bei Lust uns Laune schon einige Eindrücke schildern könntet, die euch beim Hören auffallen.


    :hello:
    Wulf

  • Den Ball nehme ich gern auf. Vorhin habe ich beide Stücke in den drei mir vorliegenden Aufnahmen in Ruhe angehört, eben noch einmal Pour les Sixtes: Planès, Aimard und Gieseking.


    Zunächst mein Eindruck: Das ist ja eine merkwürdige Musik, kaum emotional einzuordnen, als hätte ich durchscheinende und schöne Edelsteine vor mir, die ich ja auch bewundern kann, ohne zu fragen, was sie mir erzählen wollen. Erst nach mehrmaligem Hören glaubte ich, mehr und mehr, eine zarte und verborgene Melancholie herauszuhören, gerade aus Pour les Sixtes.


    Zu den Interpretationen: Gieseking scheint den Gehalt der Stücke vor allem aus Tempo und vor allem scharfe Herausarbeitung der Gegensätze abzuleiten (besonders in Pour les Quartes), wobei die schnellen Passagen teilweise verwischen und es gelegentlich zu holpern scheint, etwa in den Triolenläufen von Pour les Sixtes.


    Aimard und Planès scheinen mir nicht allzuweit auseinander zu liegen, Pour les Quartes nimmt Planès etwas schneller als Aimard (4'55 gegen 5'13), bei Pour les Sixtes ist es etwas deutlicher (4'07 gegen 4'38), ich hab's nicht als gravierend empfunden. Bei Planès habe ich den Eindruck, mich mitten in der Maschinerie bzw. im Gewebe zu befinden; sparsam mit dem Pedal betont er glasklare Transparenz. Aimard spürt dem Nachhall der Klänge mehr nach, spielt etwas organischer, flüssiger, etwa im Beginn der Triolenläufe in Pour les Sixtes. Weniger transparent als bei Aimard klingt das allerdings nicht, nur feiner.


    Ich gebe zu, daß ich mit allen drei Interpretationen etwas Probleme habe: Während ich bei Gieseking die feinen Klangschattierungen vermisse (sicher auch ein Ergebnis der historischen Aufnahmequalität, daher ist der Vergleich ohnehin problematisch), habe ich sowohl bei Aimard als auch bei Planès den Eindruck des allzusehr Analytischen und Kühlen: Vielleicht wollen sie die Modernität der Études betonen, ist ja auch legitim. Aber mir fehlt etwas, entweder an der Interpretation oder am Werk selbst, ich nenne es mal das "Romantische", den Bezug zur Tradition: Im Mittelteil von Pour les Sixtes (den besagten Triolen, die sich von den fallenden Eingangsakkorden absetzen und sich doch motivisch mit ihnen allmählich verweben) meine ich so etwas wie entfernte Reminiszenzen an Chopin oder, besser noch, Schumann herauszuhören, an dessen erzählerischem Duktus (der Dichter spricht...).


    Interessant wäre es jetzt für mich, die Stücke auf einem historischen Flügel zu hören: Welche Klangschattierungen da wohl zu hören wären?


    Soweit meine reinen Höreindrücke (eine Partitur liegt mir nicht vor).


    Wulf: Was findest Du denn an beiden Stücken bemerkenswert? Jetzt fände ich es spannend, etwas mehr über die Komposition zu erfahren.


    @Edwin: Wie ist denn nun Monique Haas? Nach deren Gesamtaufnahme (Debussy und Ravel) äuge ich schon seit einiger Zeit. Lohnt sich's?


  • Hallo Wulf,


    Interesse ist auf jeden Fall da, aber im Moment leider keine Zeit!
    Vielleicht am WE...
    Auf jeden Fall würde ich dann die Versionen mit S. Richter hören, die ich mittlerweile besitze, etvl. noch (aus aktuellem Anlass) J. Boguet, ...und dann wahrscheinlich noch M. Jones oder P.-L. Aimard.


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Zitat

    Original von Gurnemanz
    Wulf: Was findest Du denn an beiden Stücken bemerkenswert? Jetzt fände ich es spannend, etwas mehr über die Komposition zu erfahren.


    Hallo Gurnemanz,


    Deine Beschreibung der Pour les Sixtes-Etude ist einfach fabelhaft - trefflicher hätte ichs nicht beschreiben können.
    Warum bin ich so angetan? Nun, die Pour les Quartes-Etüde, wohl eine der ersten Werke, wenn nicht das erste Werk, das gänzlich auf der Verwendung von Quarten basiert, entfaltet eine ganz eigenartige Wirkung, der sich Debussy durchaus bewusst war. So versprach er seinem Verleger Durand, daß diesem trotz gewachsenem Gehörs die Etüde "kurios" vorkommen dürfte. (Schönberg wies in seiner "Harmonielehre" auf die einzigartige Qualität der Quarten bei Debussy hin).


    Nun zunächst zur Pour les Sixtes-Etüde, von der Debussy gesagt haben soll:
    "Für eine lange Zeit hatte der kontinuierliche Gebrauch von Sexten den Einfluss auf mich, den prätenziöse junge Damen, die in einem Salon sitzend müde Handarbeit verrichten, während sie das anstössige Gelächter der Nonen beneiden, haben." (Übersetzung aus dem Englischen).


    Die Etüde enthält eine nicht unerhebliche Menge an Vortragsbezeichnungen, v.a. solcher, die nicht häufig zu finden sind. So ist unter dem ersten Takt bereits die Anweisung mezza voce, dolce sostenuto (mit halber Stimme, durchgehend süßlich) zu finden. Im sechsten Takt befindet sich die Anweisung calando ("nachlassend", schwächer und langsamer werdend) (nicht calmando!). Desweiteren häufige Crescendi und Diminuendi zwischen p und pp, aber auch plötzlicher Wechsel von mf zu pp.
    Die Etüde ist deutlich von Triolenbewegungen durchsetzt, das eröffnende Thema taucht in variierter bzw. in ergänzter Form so auch im agitato-Teil wieder auf.
    Ein Eindruck von melancholischer Noblesse, der mich tief beeindruckt, ist die Schzehntel-Figur im 10. Takt (nachdem das eröffnende Thema durch eine Bassfigur ergänzt wurde), bei der im dritten und vierten Akkord das b-Vorzeichen aufgelöst wird und somit ein für meine Ohren Eindruck von fremder und doch naher Harmonik entsteht. Dieses Motiv taucht desweiteren auch immer wieder auf.


    Näheres zur Partitur würde ich gerne in Beziehung zu den verschiedenen Interpretationen zu setzen versuchen.


    Zur Vefügung stehen mir:


    Jean-Yves Thibaudet
    Mitsuko Uchida
    Maurizio Pollini
    Georges Pludermacher
    Pierre-Laurent Aimard


    Alles weitere in Kürze.


    :hello:
    Wulf

  • Hallo Wulf,


    vielen Dank! Ja, der "Eindruck melancholischer Noblesse" (schön gesagt!) hat sich nach mehrfachem Anhören von Pour les Sixtes bei mir ebenfalls eingestellt - mußte mich allerdings erst durch die Interpretationen hindurchhören (die machen es mir nicht leicht!), bis ich es nun in der Komposition selbst wahrzunehmen meine - am ehesten noch bei Aimard, der den Weg zu Debussy immerhin ermöglicht, indem er es dem Hörer überläßt, zum Empfinden der Stimmungen zu gelangen; in seinem Spiel höre ich das so nicht (spielt er wirklich "durchgehend süßlich"?). Und mit dem modernen Klavierklang habe ich hier Schwierigkeiten, ich wünschte es mir wärmer, "empfundener". Doch das ist bei Planès nicht anders.


    Wobei mich interessiert: Wie genau hält sich Aimard an die ausgefeilten und präzisen Spielanweisungen?


    Und pt_concour wünsche ich die nötige Zeit und Ruhe, sich auf diese faszinierende Musik näher einzulassen!


    Für mich gehören die Douze Études zu der Art Musik, die, zunächst spröde, fast abweisend, bei wiederholtem Hören immer mehr gewinnt und nahegeht - auch das spricht für ihre Qualität.

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  • Zitat

    Original von Gurnemanz
    Wobei mich interessiert: Wie genau hält sich Aimard an die ausgefeilten und präzisen Spielanweisungen?


    Hallo Gurnemanz,


    gute Frage. Genau dem will ich im Vergleich der Interpretationen die kommenden Tage näher auf den Grund gehen.
    Auf einem ersten Blick scheint mir Aimard sich recht präzise an die Vortragsbezeichnungen zu halten. Inwiefern er dolce sostenuto spielt, obliegt natürlich der Auffassung des Hörers.


    Zitat


    Und pt_concour wünsche ich die nötige Zeit und Ruhe, sich auf diese faszinierende Musik näher einzulassen!


    Den Wünschen schließe ich mich an! :yes:


    :hello:
    Wulf

  • An dieser Stelle darf der Hinweis auf Monique Haas nicht fehlen.
    Im Oktober 1951 nahm sie die Etüden für die Deutsche Grammophon Gesellschaft auf - die Platte erhielt damals den Grand Prix du Disque. Auch heute noch ist diese Aufnahme unbedingt hörenswert. Das ist ein Debussy ohne Nuancen im Geiste von Jean Cocteau: Musik ohne >sauce<! Sehr aufrüttelnd modern, Debussy als Bruder von Strawinsky. M. Haas bleibt dieser Musik wirklich nichts schuldig bei einem ungemein konsequenten interpretatrorischen Konzept! Sie hat die Etüden Ende der 60iger noch einmal bei Erato eingespielt - es ist ein Trauerspiel, das diese Aufnahmen in Deutschland nicht erhältlich sind! Die DGG-Aufnahme ist enthalten in der DGG-Box >Monique Haas< (ihre kompletten Einspielungen bei der DGG) aus der Serie >Original Masters< (8 CDs).


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    [Monique Haas] hat die Etüden Ende der 60iger noch einmal bei Erato eingespielt - es ist ein Trauerspiel, das diese Aufnahmen in Deutschland nicht erhältlich sind!


    Die Aufnahmen müßten hier enthalten sein:



    Wobei ein Vergleich zwischen der frühreren DGG-Aufnahme und der späteren Erato-Einspielung aufschlußreich sein könnte. Was Du, lieber Holger, über die 1951er-Aufnahme schreibst ("Musik ohne 'sauce'"), weckt meine Neugier - deshalb allerdings gleich eine 8-CD-Box erwerben? Jedenfalls vielen Dank für den Hinweis.

  • Zitat

    Original von Gurnemanz


    Wobei ein Vergleich zwischen der frühreren DGG-Aufnahme und der späteren Erato-Einspielung aufschlußreich sein könnte. Was Du, lieber Holger, über die 1951er-Aufnahme schreibst ("Musik ohne 'sauce'"), weckt meine Neugier - deshalb allerdings gleich eine 8-CD-Box erwerben? Jedenfalls vielen Dank für den Hinweis.


    Hallo Gurnemanz,


    das ist die Box - erhältlich momentan wohl nur via USA für 42 Dollar. Wenn ich mich recht erinnere, spielt sie in der Erato-Aufnahme keinen üblichen Steinway, sondern einen anderen Flügel. Allein schon deshalb lohnt sich die Anschaffung.


    Die DGG-Box kann ich Dir nur wärmstens empfehlen. Da sind wirkliche Schätze drin! Sie spielt Haydn, Mozart, Schumann glasklar, ohne alle Romantizismen mit einer an Clara Haskil erinnernden musikalischen Lauterkeit. Dazu gibt singuläre Aufnahmen mit F. Friscay (Strawinsky und Bartok.) Die Aufnahme des 3. Konzerts von Bartok ziehe ich der berühmten Paarung Friscay/Anda vor! Hindemiths Konzertmusik op. 49 spielt sie mit Hindemith selbst am Dirigentenpult. "Vom Stuhl geworfen" wie man so schön sagt hat mich ihre Aufnahme der Toccata von Debussy aus >Pour le Piano< von 1949. Endlich einmal wird die Verbindung von Debussy und Bach wirklich hörbar!


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    [...] das ist die Box - erhältlich momentan wohl nur via USA für 42 Dollar. Wenn ich mich recht erinnere, spielt sie in der Erato-Aufnahme keinen üblichen Steinway, sondern einen anderen Flügel. Allein schon deshalb lohnt sich die Anschaffung.


    Bei amazon.fr geht's grad noch etwas günstiger. Wie der Flügel klingt, würde mich auch interessieren. À propos: Es würde mich freuen, wenn Edwin seine Ankündigung von oben mal wahrmacht und ein oder zwei Sätze über Monique Haas' Debussy schreibt... ;):hello:


    Und wenn Du, lieber Holger, mir weiter den Mund wäßrig machst, muß ich am Ende noch die DGG-Box kaufen - ach, ist das Leben schwer!

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