Ralf Benatzky: IM WEISSEN RÖSSL

  • Zitat

    Pressemitteilung in BR Klassik
    Nicht im Stammhaus am Münchner Gärtnerplatz sondern im großen Zeltbau in Fröttmaning, einem seiner Ausweichquartiere während der Sanierungsphase, fand die aktuelle Premiere statt. Auf dem Programm: die Operette "Im weißen Rössl", eine Persiflage auf deutsch-österreichische Urlaubsfreuden. Besonderes Highlight ist wohl auch die Besetzung von Schauspiellegende Maximilian Schell als Kaiser Franz Joseph. Peter Jungblut hat die Premiere gesehen


    Auf der Website des BR Klassik ist eine Aufführungskritik zu hören. Obwohl der Kommentator den Rückgriff auf die Originalfassung von 1930 ausdrücklich lobt, meint er u. a., dass die Aufführung gewöhnungbedürftig sei, denn diese Fassung enthalte wesentlich mehr Satire als den gewohnten Operettenschmelz. Ich finde, wer so urteilt, verkennt oder läßt zumindest außer acht, dass Operette ursprünglich aus der Satire entstanden ist.


    :) Uwe

  • Ich verstehe nicht ganz, was Du uns sagen willst, lieber Uwe. Viele Operetten, die - wie Du bemerkst - aus der Satire entstanden sind, wurden mit den Jahren in oft unerträglicher Weise verharmlost, so dass vom ursprünglichen Sinn nichts übrig blieb. Das RÖSSL ist auch so ein Beispiel. Die Uraufführung 1930 im Großen Berliner Schauspielhaus unter Leitung von Erik Charell war ein so wahnsinniges und grelles Ereignis, von dem sich das, was später über die Bühnen ging, meilenweit unterschied. Alles Beißende, alles Satirische, alles knisternd Erotische war verschwunden. Es gibt darüber übrigens sehr gute Forschungen und Dokumentationen, die ich Dir nur wärmstens empfehlen kann. Insofern kann ich mit Deinem Zeitungsausschnitt durchaus etwas anfangen.


    Herzlich grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich wollte damit sagen, dass es mich etwas gestört hat, dass der "gewohnte" Operettenschmelz schon als gegebene Tatsache dargestellt wird und die ursprünglich beabsichtigte Satire als "gewöhnungsbedürftig" - ohne darauf hinzuweisen, dass es eigenlicht umgekehrt sein sollte.


    Du kannst mir gerne einige der von Dir gemeinten Dokumentationen einmal hier auflisten.


    :) Uwe

  • Kennt eigentlich jemand eine Gesamtaufnahme vom Weißen Rössl in der Originalfassung? Ich selbst besitze keine einzige Gesamtaufnahme von dieser Operette, weil ich mir bewusst bin, dass das Rössl vielfach bearbeitet wurde und ich ein Fan vor Originalen bin. Die Originalinstrumentation wurde ja von Eric Charel sehr zum Leidwesen von Benatzky an Eduard Künneke vergeben. Nun habe ich mir gerade ein Duett mit Helga Papuscheck und Peter Minich angehört und kann mir nicht vorstellen, dass dieses Rumgegeige im Hintergrund von Künneke stammen soll. Klingt eher nach Robert Stolz, dessen Instrumenation ich nun mal gar nicht mag oder gar nach Beabeitung fürs Fernsehen aus den 60er Jahren.


    Also nochmals konkret: Gibt es eine Gesamtaufnahme, welcher die originale Instrumatation Künnekes zugrunde liegt?


    ?( Uwe

  • Mein lieber Uwe!


    Ob es eine Originalfassung des "Weißen Rößl" gibt, die der originalen Instrumentierung Künnekes zugrunde liegt, weiß ich auch nicht. Aber diese Aufnahme kommt meiner Meinung nach dem Ideal am Nächsten. Es ist von vielen Aufnahmen meine Beste:


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    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Kennt eigentlich jemand eine Gesamtaufnahme vom Weißen Rössl in der Originalfassung?


    Lieber Uwe, diese Gesamtaufnahme gibt es nicht. Die UA fand ja bekanntlich im Großen Berliner Schauspielhaus statt. Der Saal fasste so um die 5000 Zuschauer, die Bühne war ein riesiges Podium mit vielen Spielflächen. Ich bin noch selbst drin gewesen, denn es wurde erst 1980 abgerissen, nachdem schon die Nationalsozialisten die Innenausstattung als "entartet" hatten zerstören lassen. Das große Haus verlangte auch ein ungewöhnlich großes Orchester, das um viele Effekten wie Glocken und andere Geräusche erweitert wurde. In dieser Form könnte das Stück heute gar nicht mehr aufgeführt werden in einem Theater mit normalen Ausmaßen. Es muss sehr zeitgenössisch geklungen haben, vergleichbar vielleicht mit der "Dreigroschenoper". Es war ja eigentlich gar keine klassische Operette sondern mehr eine Ausstattungsrevue. Ich würde sonst etwas geben, um es mal zu hören wie beim ersten Mal 1930. Es gibt übrigens ein sehr gutes Buch "Im weißen Rössl - Auf den Spuren eines Welterfolges", das leider vergriffen ist, bei Amazon aber noch bestellt werden kann. Darin finden sich alle Details. Die gängigen Nachkriegsplattenproduktionen haben mit dem Original nicht mehr viel zu tun. Sie sind geschönt, geglättet, anständig zurecht gebürstet, so dass niemand mehr Anstoß nahm. Damit teilt das "Rössl" das Schicksal vieler Operetten.


    Dir herzliche Grüße von Rüdiger

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo, Rüdiger!


    Du hast ja Recht! Wenn ich aber die Umgebung und dieses Flair um den Wolfgangsee erlebe (ich war erst dieses Jahr wieder in "meinem St. Wolfgang"), kann ich mich sehr gut in die Zeit der Entstehung dieser Operette versetzen. Viel verändert hat sich dort nicht (bis auf die Campingplätze), und die Touristen gab es früher auch schon in Scharen. Der Dampfer fährt immer noch und das Bier schmeckt noch genauso gut. Also bleibe ich bei der eingestellten Aufnahme, die meiner Empfindung nach dem Ideal am Nächsten kommt.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Wolfgang, gewiss spielt die eigene Erfahrung, das eigene Erleben immer eine Rolle in unserer Betrachtung von Kunstwerken. Da stimmen wir überein. Deshalb gefällt ja nicht jedem Jedes. Ich höre auch die späteren Aufnahmen des "Rössl" gern und habe selbst sehr viele Aufnahmen. Ein Ideal sind sie für mich aber nicht.


    Dir herzliche Grüße von Rüdiger

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die Originalfassung wurde im Jahr 2008 wiederentdeckt. Die Dresdner Staatsoperette war das erste Theater, das eine Neuinszenierung anhand dieser Fassung gewagt hat. Auch die (von den meisten von uns wenig geliebte) komische Oper Berlin hat eine Neuinszenierung aufgrund der Originalfassung herausgebracht.


    Näher Infos hierzu gib es hier und hier.


    Die von Harald angeführte Düsseldorfer Aufführung scheint mit indessen gerade das Gegenteil zu sein, nämlich eine Fassung mit verknapptem Orchester, etwa nach Art der Inszenierung in der "Bar der Vernunft". Ich vermute das aufgrund der personellen Aufzählung von acht Bandmitgliedern und den Hinweisen auf musikalische Einrichtungen bzw. Arrangements.


    Da es jetzt also Aufführungen mit der Orignalfassung gibt, werden hoffentlich auch bald entsprechende CD's auf den Markt kommen.


    :) Uwe

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  • Hallo, Uwe!


    Dein Wort in Gottes Ohr! Leider stelle ich immer wieder fest, daß die Operettem-Liebhaber schwinden und mit Ihnen auch die Aufführungen immer weniger werden. Sollte es bei der Musikindustrie anders sein?



    Liebe Grüße


    Wolfgang

    W.S.

  • Leider stelle ich immer wieder fest, daß die Operettem-Liebhaber schwinden und mit Ihnen auch die Aufführungen immer weniger werden. Sollte es bei der Musikindustrie anders sein?


    Sag das nicht, lieber Wolfgang. In den letzten Jahren hat es eine Unmenge Operettenaufnahmen gegeben, darunter sehr interessante Entdeckungen. Studiere mal den cpo-Katalog, Du wirst vieles finden. Bei anderen Labels auch. Nachauflagen der alten Aufnahmen gibt es zu Hauf. Bei Membran sind riesige Editionen herausgekommen. Auch EMI hat die Querschnitte neu aufgelegt. Nicht zu zählen sind die DVDs.


    Gruß Rheingold



    P.S. für Uwe. Nach meinen Informationen ist die Originalfassung auch an den genannten Häusern nicht so aufgeführt worden wie seinerzeit in Berlin. Dresden hat gar nicht die Räumlichkeiten dafür. Es sind deutlich abgespeckte Fassungen gewesen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent