ZitatAlles anzeigenOriginal von Kontrapunkt
Hallo Holger,
Meine Antwort mit Descartes, der in einer seiner Meditationen ein Stück Wachs in drei Modifikationen betrachtet (fest vor dem Schmelzen, flüssig und dann wieder fest nach dem Abkühlen) war keineswegs nur flapsig. Denn daran kann dann Spinoza anknüpfen, der nicht mehr von 2 Substanzen (Ausdehnung & Denken) redet, sondern nur noch von einer (Gott oder die Natur), von der dann Ausdehnung & Denken die einzigen Modi sind, die wir erkennen können.
Schon an diesem Punkt ist die idealistische Philosophie der Descartes-Nachfolge über ein stumpfes Entweder-Oder hinaus. Und was ist das Argument? Sobald man einen Gegensatz im Kopf hat, ist er eben in ein- und demselben Kopf.
Damit quält sich Descartes doch 'rum, wenn er in seinen Meditationen methodisch zweifelt: Alles Mögliche ist in einem Bewusstsein, aber was davon ist wahr und was nicht? Kann man die Immanenz des Bewusstseins sprengen, in der alles Mögliche anscheinend gleichgültig nebeneinander steht, aber sich natürlich auch kontradiktorisch beißt?
Fichte und Hegel akzeptieren keinen Gegensatz von Idealismus und Materialismus, schon gar nicht in der Weise, dass sie sich auf eine der beiden Seiten schlagen. Sie würden sich immer bemühen zu zeigen, dass auch die Materie, die man sich als Inbegriff der dreckigen Empirie und als gerades Gegenteil zu einer jeden Idee vorstellt, selbst eine Vorstellung, wenn nicht eine oder sogar die Idee ist.
Welches Argument haben sie auf ihrer Seite? Es fällt doch wieder alles nur in ein Bewusstsein.
Das Selbstbewusstsein, von dem die Idealisten seit Descartes sprechen ist natürlich nicht meins oder Deins, sondern ein transzendentales. Wenn Fichte also schreibt: "Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist", dann handelt es sich bloß um eine gemütvolle Aussage über empirische Bewusstseine, die ich so ernst nehme wie Kants Ausführungen über den stolzen Spanier an und für sich.
Kierkegaard hat also unrecht und ist entweder gar kein Philosoph oder leistet mit seiner Hegel-Kritik lediglich Mitarbeit an dem einen großen Gebäude der Philosophie.
Ach, habe ich übrigens schon erzählt, dass ich bei Hegelianern studiere?
Wie bereits gesagt finde ich Ausführungen über den Anti-Psychologismus bei Frege und Husserl in einem Klassik-Forum zu speziell. Selbst in einem Philosophie-Forum sollte man nicht allzu schnell darauf verfallen, wenn man noch nicht so Beschlagene bei der Diskussion dabei haben will.
Und wenn man interessierte Laien wie es sie hier gibt für dieses Thema begeistern wollte, dann müsste man der Erläuterung des Psychologismus und seiner Fragwürdigkeiten, aber auch seiner erstmal plausiblen Seiten mehr Raum geben.
Hallo Kontrapunkt,
daß Deine Descartes-Interpretation höchst anfechtbar ist, darauf weist Du selbst hin: Bei Descartes gibt es zwei Substanzen, Materie und Geist (res cogitans und res extensa) - man kann die res extensa nicht aus der res cogitans ableiten, Materie ist also keine Form von Geist! Der Deutsche Idealismus knüpft ausdrücklich an Spinoza an - das >Hen kai pan< (>Eines und Alles<) war das Motto der Freunde Schelling, Hölderlin und Hegel. Daraus resultiert dann das Programm einer spekulativen Naturphilosophie, die sich freilich im 19. Jahrhundert diskreditiert hat. (Über die Thematik habe ich beim letzten Herder-Kongreß in Allenstein (heute: Olztyn, Polen) vorgetragen.)
Bei Fichte sollte man nicht den ethischen Aspekt seiner Philosophie außer acht lassen - den Primat der praktischen vor der theoretischen Vernunft, wie er in der Wissenschaftslehre begründet ist. Deswegen ist dieser von mir zitierte Entweder-Oder-Satz nicht bloß individuell, sondern systematisch fundiert.
Grundsätzlich ist dei Frage, wozu wir eine solche Debatte Naturalismus-Idealismus heute noch brauchen. Wärmen wir da nicht längst geschlagene Schlachten wieder auf - wie eben das, was die Psychologismuskritik der Logischen Untersuchungen eigentlich längst philosophisch erledigt hat? Das ist für mich die entscheidende Frage! In einem Seminar behandele ich dieses Semester den Natur-Geist-Dualismus und seine verschiedenen Begründungen und diskutierte dabei die Renaissance von naturalistischen Begründungsansätzen, u.a. durch die Bio-Culture-Debatte.
Sich mit dem großen Hegel zu beschäftigen, ist immer ein Gewinn, wenn nicht gar eine Pflicht! Das war die goldene Zeit der deutschen Philosophie! Also nur zu!
Beste Grüße
Holger