Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 81 G-Dur

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 81 G-Dur


    Dieses Werk wurde in einer Reihe mit 79 und 80 1783 oder 1784 komponiert und verschiedenen Verlegern als Paket angeboten. Ähnlich war Haydn auch schon mit 76-78 verfahren, die ursprünglich für eine Englandreise gedacht gewesen waren, die dann aber nicht zustande gekommen war. Damit sind die Sinfonien 76-81 die ersten, die für ein "unbekanntes Publikum" komponiert wurden, nicht für die Hofgesellschaft bzw. Gäste an einem Fürstenhof, ein Publikum, dessen Geschmack Haydn kannte und auf den er reagieren konnte.
    Überdies sind es die ersten Sinfonien, die nach der oft als Zäsur gesehenen Streichquartettsammlung op.33 (1781) komponiert wurden. Angesichts des Rangs der wenig später folgenden "Pariser" Sinfonien kann man kaum vermeiden, sie in mancher Hinsicht als Werke einer Übergangsphase zu sehen. Das träfe allerdings viel eher auf die ziemlich heterogenen Sinfonien der 10 vorhergehenden Jahre zu.



    Besetzung Fl, 2 Ob., 2 Hr., 2 Fg., Streicher


    1. Vivace 4/4


    Der Satz beginnt mit einem knappen Tutti-Akkord in der Grundtonart G-Dur, darauf folgt zu dem in Achteln pochenden Grundton zunächst ein dissonierender fremder Ton f in der 2. Vl. (man scheint sich in C-Dur zu befinden), ein zaghaftes Probieren der 1. Geigen, bis nach einigen Takten die Tonart stabilisiert ist und auch die Motive etwas greifbarer werden. Nach einer bewegten Überleitung beginnt die zweite Gruppe mit einem rhythmisch prägnanten, punktierten Motiv, es folgt dann das wohl eigentliche Seitenthema, eine komisch-entzückende Melodie mit Fagottbegleitung, erinnert ein wenig an Mozart, jedenfalls Komische Oper!
    Die Durchführung fängt mit einem Doppelschlagmotiv aus einer Überleitungspassage an, es klingt ganz kurz der Beginn des Hauptthemas durch, dann dominiert das punktierte Motiv.
    Als Überleitung zur Reprise wird das "Suchen" mit harmonisch irritierenden Tönen über den pochenden Achteln auf mehrere Anläufe gedehnt und durch Einsatz der Holzbläser intensiviert.
    In der Reprise wird das Seitenthema etwas länger ausgesponnen; abschließend folgt noch einmal die endgültige Auflösung des Spannungsmoments vom Satzbeginn und ein ungewöhnlich ruhiger, verhaltener Schluß.


    2. Andante D-Dur 6/8


    Ein Siciliano-artiges Thema mit prominenter Flöte und vier Variationen, die, wenn auch das Thema vielleicht nicht sehr persönlich ist, doch klanglich sehr reizvolle Abwechslung bieten:
    Var. 1: Figurationen, immer noch angeführt von der Flöte
    Var. 2: Überraschend ernsthafte Moll-Variation; Gegenüberstellung von Tutti und Holzbläsern
    Var. 3 Triolen der Streicher (Fischer läßt das teils von einer Solo-Violine spielen), die Bläser scheinen hier ganz zu schweigen.
    Var. 4 Holzbläser treten in den Vordergrund, dazu gibt es eine pizzicato-Begleitung der Streicher, das Ganze wirkt fast ein wenig mandolinen/serenadenhaft.


    3. Menuett
    Kommt wie häufig etwas derber daher. Ein kräftiges Aufspielen der Streicher und Hörnern wird von den Holzbläsern fortgeführt, im Verlauf wird es regelrecht widerborstig, die einzelnen Instrumentengruppen scheinen sich nicht ganz einig zu sein.
    Das Trio ist noch volkstümlicher: im Vordergrund stehen Streicher und Fagott, später wird es mehrmals sogar ein wenig melancholisch; ungewöhnlicherweise schließt das Trio sogar in g-moll.


    4. Finale: Allegro ma non troppo 2/4(?)


    Es handelt sich um einen Sonatensatz mit einem etwas "plaudernden" Thema. Obwohl es einige prägnante Überleitungsmotive und eine lange Triolenpassage, die in der Durchführung nochmal auftaucht, gibt, scheint mir eine Variante des Hauptthemas als Seitensatz zu fungieren. Der Satz ist trotz der "ma non troppo" Bezeichnung recht lebhaft und schlägt in der ziemlich langen Durchführung durchaus auch dramatische Töne an, schließt dann aber recht entspannt.



    Walter bewertet sie im Vergleich mit den beiden vorhergehenden Werken eher kritisch (S. 84), er hält sie für die schwächste dieser Gruppe ab Nr. 76; die "Verbindung von Unkompliziertem, Populärem und Artifiziellen" gelänge Haydn hier weniger erfolgreich als in den Schwesterwerken. Der Kopfsatz löse "das Versprechen einer unkonventionellen Entwicklung" nicht ein und auch vom Rest hält er nicht viel. So bezeichnet er den Variationensatz als langatmig und kontrastarm.
    Rosen nennt sie dagegen "unterschätzt", er ist fasziniert von dem "mysteriösen Beginn" und besonders der entsprechenden Überleitung zu Reprise (Der Klassische Stil, S. 175-177). Auch Lessing legt die Eigenheiten dieser Passagen ausführlich dar (und zieht das Werk immerhin der Nummer 79 vor).


    Mir selbst gefällt die Sinfonie, wenngleich sie, besonders in der Thematik, vielleicht ein wenig unpersönlich sein mag, ziemlich gut.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Rosen nennt sie dagegen "unterschätzt", er ist fasziniert von dem "mysteriösen Beginn"


    Ich habe die Sinfonie seit ewigen Zeiten jetzt mal wieder gehört - und der Beginn hat mich auch von den Socken gerissen, der kann sogar mit "heutigen" Hörerfahrungen noch irritieren. Den merkwürdigen Schluss finde ich auch recht originell. Der Satz ist schon mit Ausnahme des Seitenthemas in einem sehr neutralen Tonfall gehalten, aber das hat auch einen gewissen Reiz.



    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    4. Finale: Allegro ma non troppo 2/4(?)


    Es handelt sich um einen Sonatensatz mit einem etwas "plaudernden" Thema. Obwohl es einige prägnante Überleitungsmotive und eine lange Triolenpassage, die in der Durchführung nochmal auftaucht, gibt, scheint mir eine Variante des Hauptthemas als Seitensatz zu fungieren.


    Das sieht Finscher auch so, der von einem monothematischen Sonatensatz spricht und auf das ungewöhnlich langsame Tempo für einen Haydn'schen Finalsatz hinweist: nicht nur das Tempo, auch der Tonfall würde einem Kopfsatz gut anstehen.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo!


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Ich habe die Sinfonie seit ewigen Zeiten jetzt mal wieder gehört - und der Beginn hat mich auch von den Socken gerissen, der kann sogar mit "heutigen" Hörerfahrungen noch irritieren.


    Ja, mich zum Beispiel. Das ist allerdings dann schon für mich die interessanteste Stelle der Symphonie. Den ersten Satz finde ich durchaus interessant, aber Variationssatz, Menuett mit Trio und Finale bleiben IMO klar hinter dem "Pariser"-Niveau zurück. Es klingt ja alles recht nett und eingänglich, aber im Vergleich zu umliegenden Symphonien eher "naiv" (mir fällt kein besseres Wort ein).


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Walter bewertet sie im Vergleich mit den beiden vorhergehenden Werken eher kritisch (S. 84), er hält sie für die schwächste dieser Gruppe ab Nr. 76; die "Verbindung von Unkompliziertem, Populärem und Artifiziellen" gelänge Haydn hier weniger erfolgreich als in den Schwesterwerken.


    Tja, dann schließe ich mich da mal einfach mal an, wobei die 70er für mich weitgehend unentdecktes Land sind, das da in den nächsten Wochen auf mich wartet.


    Ansonsten muß ich jetzt mal zusehen, daß ich einen Beitrag zur 80. fertigstelle, die mir deutlich mehr gefällt als die 81.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ein sehr eigenwilliger aber wirkungsvoller Beginn, der dann ins "eingängige" mündet, mit zahlreichen kleineren Effekten und einer Mischform zwischen temperamentvoll und leisen unterschwellig pochenden Passagen. Die Verfasser der diversen Konzertführer und Booklettexte weichen der Breschreibung dieser Sinfonie konsequent aus - vermutlich weil sie schwierig mit Worten zu erfassen ist. Der zweite Satz ist vom Thema imo ziemlich indifferent, nicht unschön, aber ein wenig farblos und wird dadurch, daß er variiert wird nur stellenweise interessanter und eingängiger. Der 3. Satz begint - wie sche Johannes Röhl bemwrkte - eher wiederborstig, was Zwischenrufe der Hörner allerdings erfolgreich abzumindern versuchen. Das anschliessende Trio versöhnt dann wieder: IMO der schönste Teil dieser eigenartigen Sinfonie. Der Finalsatz hat einen gewissen Schwung, den Beigeschmack des "ungefälligen" der Sinfonie vermag er indes kaum mehr zu verwischen oder vergessen zu machen.

    Walter bewertet sie im Vergleich mit den beiden vorhergehenden Werken eher kritisch (S. 84), er hält sie für die schwächste dieser Gruppe ab Nr. 76; die "Verbindung von Unkompliziertem, Populärem und Artifiziellen" gelänge Haydn hier weniger erfolgreich als in den Schwesterwerken

    dem würde ich mich anschliessen.


    Auch Lessing legt die Eigenheiten dieser Passagen ausführlich dar (und zieht das Werk immerhin der Nummer 79 vor).

    Hier steht er in krassem Gegensatz zu meiner Meinung.Ich schrieb im entsprechenden Thread zur Sinfonie Nr 79

    denn es ist ein klangschöne betörende Sinfonie. Das äussert sich schon nach den ersten Tönen, meine Liebe zu diesem Werk war sofort erwacht. Haydn setzt hier seine neu Linie fort, sich etwas mehr am allgemeinen Publikumsgeschmack zu orientiern- auf Kosten der Dramatik und Experimente. Das hat einigen Musikwissenschaftlern nicht geschmeckt. Zu viele Ohrwurmthemen - zu wenig Überraschungen.

    Letztlich eine Frage der Erwartungshaltung.

    Die Nr 81 landet nicht auf der Liste meiner "Haydn-Lieblingssinfonien" - Macht ja nichts - er hat genügend andere geschrieben.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....




  • Accademia Bizantina

    Ottavio Dantone


    Der Kopfsatz ist sowas von faszinierend, besonders natürlich die DF - die übrigen Sätze gefallen mir von hörmal zu hörmal auch immer mehr :).


    Der Kopfsatz bietet vor allem Gelegenheit, die richtige Ausführung der Vorschläge nachzuhören; Haydn notiert aber stellenweise auch bewusst angebundene Achtel - und genauso wird das hier ausgeführt.


    Aber: warum Dantone dann im 2. Satz plötzlich inkonsequent ist, mag mir nicht einleuchten... ;(



    Kammerorchester Basel

    Giovanni Antonini


    Dantone gefiel mir, was ich befürchte habe, deutlich besser: die Schweizer scheinen mir bei aller Perfektion und Musikalität doch ein wenig zu distanziert (auch im Vergleich zu den Volumia 1-4 mit dem „harmonischen Garten" (Giardino armonico)).


    Die Aufnahme ist sehr gut hörbar, für mich aber (leider) zu akademisch. Ich hatte dies bei der Ankündigung, daß der „Giardino" mit den „Fondues" (Kammerorchester Basel) konkurrieren würde, bereits befürchtet und höre dies zu meinem Bedauern nun leider bestätigt. Aber auch Antonini beherzigt weitestgehend die korrekten Vorschläge (zumindest in den Takten 24ff. des Kopfsatzes, nicht hingegen bei 65/66, wiewohl gleichlautend notiert); 71/72 hat er der vorhergehenden abweichend angebundenen Notationsweise in 68-70 aus mir unerklärlichen Gründen angeglichen - Dantone unterscheidet hier zu Recht deutlich.


    Hier sind die Vorschläge endlich richtig ausgeführt:



    Le Concert d'Anvers

    Bart van Reyn


    WAS für ein ohrales Fest! :love:


    Und - falls noch nicht erwähnt - gehört die 81 inzwischen zu meinen absoluten Lieblingen.

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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