„ungiltig, verworfen, ganz nichtig, Ø“
Mit diesen Zusätzen versah Bruckner die Partitur , als er seine d-moll Symphonie (spätestens 1872 nach Vollendung der II. Symphonie) annullierte.
Diese Bezeichnungen haben nicht gerade einer gesteigerten Wertschätzung dieses Werkes gedient, und so fand und findet die d-moll Symphonie nur selten Einzug in die Konzertsäle.
Ich habe manchmal den Eindruck, diese Symphonie wird immer nur dann eingespielt, wenn ein Zyklus komplettiert werden soll oder muss.
In den Gesamtaufnahmen der Herren Asahina, Chailly (Concertgebouw und DSO), Barenboim (Chicago SO), Bruckner Orchester Linz / Eichhorn/Guschlbauer/Sieghart, Haitink (Concertgebouw), Maazel (Bayerisches RSO) , Solti (Chicago SO) findet man die „Nullte“, insgesamt ist das Werk 26 mal auf Tonträger erschienen (Vergleich Vierte: mehr als 200).
Über die Entstehungszeit gab und gibt es unterschiedliche Auffassungen der Forschung, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll, durchgesetzt hat sich wohl, dass das Werk zwischen dem 24. Januar und dem 12. September 1869 in Wien und Linz entstanden ist.
Es liegt nur eine Fassung vor, Widmung gibt es keine.
Die Uraufführung fand am 17. Mai 1924 (nur Scherzo und Finale), und am 12. Oktober 1924 (komplett) unter Franz Moißl in Klosterneuburg statt.
---------------------------------------------------------
Satzbezeichnungen:
1. Allegro
2. Andante
3. Scherzo. Presto – Trio. Langsamer und ruhiger
4. Finale. Moderato – Allegro vivace
Der Beginn des ersten Satzes erinnert sehr stark an den Beginn von Beethovens IX. Wie bei vielen anderen Bruckner-Werken auch, entsteht das Thema „aus dem Nichts“, aus einem Urnebel heraus.
Der Wiener Hofkapellmeister Otto Dessoff soll nach der Begutachtung der Symphonie gefragt haben: „Ja, wo ist das Thema?“
Neben das Haupt- und das Gesangsthema gesellt sich im Kopfsatz auch noch ein Choralthema hinzu, das dem Satz (wie dem ganzen Werk) einen sakralen, ja transzendenten Charakter vermittelt, ein guter Aufhänger, um die Brücke zum zweiten Satz zu schlagen.
Hier hören wir kirchenliedartige Passagen, einen Choral, und die Erkenntnis, dass Bruckner das Orchester wie eine Orgel registriert wird in diesem Andante überdeutlich .
Beim Scherzo wird der Hörer geradezu ins musikalische Geschehen hineinkatapultiert. Das in späteren Symphonien benutze Stilmittel „Energie-Stau / Entladung“ kann hier schon verfolgt werden.
Das Finale zeigt einmal mehr, dass Bruckner ein geübter Kontrapunktiker war.
Die Symphonie endet in einem strahlenden d-Dur.
---------------------------------------------
Ich selbst beschäftige mich erst seit kurzem mit diesem Werk, deshalb ist der beschreibende Teil oben etwas „dünn“, aber dazu gibt es ja jetzt diesen Thread, in den jeder seine Eindrücke dieses Werkes und seine Lieblingeinspielungen nennen soll.
Meine Favoriten sind:
Maazel SO des bayerischen Rundfunks (nicht ganz einfach, dranzukommen)
... viel mehr habe ich bisher auch nicht gehört, ich wollte mir jetzt mal Asahina (Tokyo Metr. SO, 1979) und Marriner (Stuttgart RSO 1993) vornehmen und werde dann weiterberichten.
Ich habe ausserdem die Aufnahme aus der Barenboim/Chicago Box, einen Asahina mit dem Osaka PO, und Chailly mit dem Berlin RSO.
Eine hochgelobte Einspielung, die ich aber nicht mein Eigen nennen kann, ist Skrowaczewski, Saarbruecken RSO 22-25/3/99.
------------------------------------------------
PS: Special thanks an den Unzeitgemässen, der mir dieses Werk näher gebracht hat.