Ich kenne die Inszenierung mit Jonas Kaufmann und Nina Stemme aus der Wiener Staatsoper, die mir (bis auf den Schluss) recht gut gefallen hat, aber die gestrige Übertragung aus der MET überragte diese in meinen Augen bei weitem.
Jonas Kaufmann erschien mir in dieser Inszenierung sowohl im Gesang als auch in der Darstellung noch um Nuancen besser als in Wien. Zur Seite hatte er Eva-Maria Westbroek, die die Rolle der Minnie eindrucksvoll ausfüllte. Passend besetzt war auch die dritte tragende Rolle des Rance mit Zeljko Lucic.
Insgesamt fand ich alle Sänger, vor allem auch den Chor, gesanglich wie darstellerisch prächtig.
Das Kino war schon seit Buchungsbeginn schnell voll besetzt, ich hatte das Glück, gerade noch gute Karten zu erwischen. Einige, denen ich bei der Übertragung der wundervollen „Aida“ zu Beginn des Monats auch diese Vorstellung empfohlen hatte, konnten schon keine Karten mehr bekommen. Auch bei den Pausengesprächen während der „Fanciulla“ stellte ich fest, dass einigen diese Oper bisher noch kein Begriff war. Man findet sie auch seltener in den Opernführern.
Allgemein wurde festgestellt – was ich auch nicht recht verstehe – dass diese Oper zu Unrecht gegenüber den geläufigen Puccini-Oper unterbewertet, da sie musikalisch ebenso hervorragend sei. Leider sind die Melodien auch seltener als die der standardmäßig immer wieder gespielten Opern zu hören, obwohl einige davon genauso „ins Ohr gehen“ wie die aus La Bohème, Madame Butterfly, Tosca oder Turandot.
Die Kulissen entsprachen dem Inhalt der Oper, in ersten Akt gab es eine „Polka“, wie man sich diese Kneipen im Westen durchaus vorstellen darf, im zweiten Minnies Hütte vor einer Waldkulisse (kein winziges Transformatorenhäuschen, wie man es sich in Bayreuth wohl nicht besser leisten kann) und es gab sogar (auch wenn das einigen Fortschrittlichen kitschig erscheinen mag) den Schnee, von dem mehrfach in der Oper die Rede ist. Der dritte Akt spielte in einer dunklen Gasse aus Holzhütten, teilweise verfallen.
Vor allen aber gefiel mir auch der Schluss: Während in sich Wien ein kitschiger bunter Luftballon herabsenkte, in den das Paar einstieg und in den Himmel schwebte, gehen hier die Goldminenarbeiter nach dem Abschied von ihrer Minnie, leise und ein wenig enttäuscht, und zuletzt das Paar ab, während Rance allein verbittert zurückbleibt.
Das New Yorker Publikum raste vor Begeisterung und auch die Besucher im Kino waren so begeistert, dass Einige sogar (was natürlich keinen Sinn ergibt) zu klatschen begannen.
So muss Oper sein und inzwischen gefällt mir auch die Übertragung im Kino mehr und mehr. Vor allem, nachdem hier jetzt auch die Inszenierungen aus den Royal Opera House gezeigt werden, dass man hier noch genügend Auswahl hat und sich die entstellten Werke, die jetzt weitgehend in deutschen Opernhäusern grassieren, nicht ansehen muss. Das Erlebnis für den Zuschauer ist noch unmittelbarer, da man in den Großaufnahmen die schauspielerischen Leistungen noch weit besser verfolgen kann als im Opernhaus. Ich freue mich jetzt schon auf die „Traviata“ am 15.12.
Liebe Grüße
Gerhard