Opern unter der Lupe -005- Giuseppe Verdi: Rigoletto

  • Rigoletto ist vom Libretto her in vieler Hinsicht eine bemerkenswerte Oper. Zum einen ist die Handlung sehr klar überschaubar ohne deswegen langweilig oder durchschaubar zu sein. (Wir müssen das immer aus der Sicht desjenigen betrachten, der die Oper das erste mal sieht.)Zum andern weist sie eine ganze Reihe teils widersprüchlicher Charaktäre auf. Das Libretto von Francesco Maria Piave basiert auf Victor Hugos "Le Roi s´amuse" (Der König amüsiert sich) musste aber auf Wunsch der österreichischen Zensur umgeschrieben werden. Die Escapaden von Franz I von Frankreich durften nicht auf die Bühne gebracht werden. So wurde aus Franz I, der Herzug von Mantua - eine Figur die noch näher besprochen werden sollte, damit meine ich Vorbild, Figur des Librettos und tatsächliche Besetzungen., welche in der Praxis doch sehr divergieren.
    Die Handlung wurde von Paris nach Mantua verlegt weswegen die Titelfigur von "Tribonlet" in "Rigoletto" umgetauft wurde. Uber die schillernde, zwiespältige Figur des Rigoletto wird man etliches sagen, bzw schreiben können, ebenso über die Rolle des Herzogs, der zumindest im Libretto völlig andes beschrieben wird, als Franz I von Frankreich...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe den Rigoletto mehrmals auf der Bühne gesehen, in Berlin und in Hannover. So richtig verstanden habe ich den Inhalt erst durch die Aufführung in Mantua mit Domingo in der Baritonrolle als Rigoletto, die er leider nicht vollends beherrschte, aber seine Spiellaune, wie die der anderen Mitwirkenden hat mich fasziniert und nun habe ich auch den Inhalt richtig verstanden. Für mich eine Lehrstunde in Sachen Opernverständnis, trotz über 30 CD-GA und mehreren Rigoletto-DVD im Schrank.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Domingo war für die Rolle aus verschiedenen Gründen nicht geeignet. Natürlich war da die Stimmlage - aber das allein war es nicht. Er war auch "zu alt" - und ich meine hier vom Rollenprofil her. Er hätte Gildas Großvater sein können, nicht ihr Vater. In der vergangenheit hat man solchen Dingen keine Aufmerksamkeit geschenkt, aber gerade bei einer Aufführung am sogenannten "Originalschauplatz" ist man halt etwas pingeliger - oder man sollte es zumindest sein. An sich bin ich überhaupt der Auffassung, daß Oper auf eine Bühne gehört ....
    Zurück zur Person des Rigoletto. Eigentlich eine fast unverkörperbare Rolle, weil unlogisch.
    Ein zynischer verwachsener Hofnarr in mittleren Jahren, der jedoch seine Tochter abgöttisch liebt und sie vor der Unbill des Lebens bewahren will. Die (bereits verstorbene) Mutter des Mädchens soll "engelsgleich" schön gewesen sein. Und mir stellt sich die Frage, wie kommt eine solche Frau zu einem Kind - ausgerechnet von Rigoletto? Schon schlimm genug - Wenn ich die Rolle nun aber zudem noch mit einem alten Mann (mit ungeeigneter Stimmlage !!) besetze, dann wird das Ganze schon ein wenig problematisch.
    Aber letztlich reden wir hier nicht über die Übertragung aus Mantua - das ist an anderer Stelle bereits geschehen - sondern über die Charaktäre der Figuren an sich......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Handlung wurde von Paris nach Mantua verlegt weswegen die Titelfigur von "Tribonlet" in "Rigoletto" umgetauft wurde.


    Skandalös!! Wie kann man nur ... das war doch bestimmt wieder so ein profilierungssüchtiger Regietheaterregisseur, nicht wahr? Unglaublich. So etwas hätte es früher nicht gegeben.

  • Nun ja - Verdi hat deswegen sowieso getobt. Es war die österreichische Zensur (geradezu vorbildlich ;) ) welche ihm da ins Handwerk pfuschte. Aber wenn wir es genau nehmen, dann ist generell vom Vorbild nicht allzuviel übergeblieben. - Oder etwa doch ???
    Francois I von Frankreich, der ja das Vorbild des Herzog war, war alles andere als ein schöner Mensch - euphemistisch gesagt.
    Verdis korrigiertes Buch, wo die Hauptfigur nun der Herzog von Mantua war, beschrieb eine schönen jungen Mann mit überaus ausgeprägtem Bedürfnis nach "Abwechslung", was seine Liebesbeziehungen betraf. Auf der Bühne wurde der Herzog jedoch meist von dicklichen Männern mittleren Alters verkörpert, ein Kompromiss der aus stimmlichen Gründen zumeist notwendig war....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Skandalös!! Wie kann man nur ... das war doch bestimmt wieder so ein profilierungssüchtiger Regietheaterregisseur, nicht wahr? Unglaublich. So etwas hätte es früher nicht gegeben.


    Hallo, lieber Wolfram
    Gratulation zu diesem Beitrag. Ich konnte mich eines wohlwollenden Schmunzelns nicht enthalten. Zwar bin ich mir noch nicht ganz sicher unter was ich es einordne, ist es noch Ironie oder schon Sarkasmus. Wie auch immer, ich fand es gut und habe mich amüsiert. Ich mag solche Geistesblitze...
    Dir noch eine schönen Sonntagabend und herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo lieber Chrissy,


    danke, danke. So "blitzig" fand ich das gar nicht mal. - Spannender finde ich nämlich folgende Frage: Wenn nun ein Regisseur die Handlung zurückverlegte in den originalen, von Victor Hugo - immer nicht gerade ein Kleinmeister - gewünschten Kontext: Wäre das legitim? Was meinst Du?


    Auch Dir einen schönen Sonntagabend und viele Grüße
    Wolfram

  • Hat man eine solche "Re-Konstruktion" beim Maskenball nicht auch vorgenommen? Also schwedischer König statt amerikanischer Gouverneur.
    Egal, auch wenn derzeit eher ältere Herren öffentlich durch priapische Unersättlichkeit auffallen, der Duca scheint eine durchaus zeitlose Figur... für mich, wie ich in dem entsprechenden Bösewichter-Thread mal schrieb, ein großer Widerling. Anders als beim Don Giovanni erliege ich jedenfalls seinem Charme nicht, obwohl er sich ambivalent gedacht ist...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wenn nun ein Regisseur die Handlung zurückverlegte in den originalen gewünschten Kontext: Wäre das legitim? Was meinst Du?

    Eine interessante Frage, über die es sich lohnt nachzudenken, bzw. zu diskutieren. Schnell geantwortet, würde ich sagen, ja, das wäre unter bestimmten Bedingungen vorstellbar und somit legitim. Es würde sich der Ort der Handlung ändern, die handelnden Personen wären nicht mehr nur fiktiv, sondern wären genau wie die Zeit der Handlung, konkret und nachvollziehbar. Ähnlich wie bei der Tosca. Unter Beachtung und Beibehaltung der Partitur und des Librettos wäre das schon evtl. vorstellbar. Aber um sich endgültig zu äußern, müßte man natürlich das Buch von Victor Hugo genau kennen.
    Nochmal Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Wenn man die Umstände in Betracht zieht, dann wäre es legitim.
    Allerdings wäre es dann auch nicht mehr die Oper "Rigoletto" und somit würde es vermutlich ein Flop. Als einmaliges Experiment vielleicht für einige ganz interessant. Aber was wäre wirklich anders ?
    Ein paar namen, und wir würden von Italien nach Frankreich wandern, zeitlich würde sich wenig bis nichts ändern.
    Man müsste die Texte der Musik anpassen ("Povero Rigoletto " wird ja dann wohl nicht mehr passen.) Und aus Gilda würde Blanche....
    Die Anspielungen die V. Hugo 1830 machte, der politische Sprengstoff ist ohnedies entschärft - niemand interessiert sich heute dafür, ja ich wage sogar zu behaupten, (Wolfram !! Bitte nicht schlagen !!!) daß die Mehrheit des Opernpublikums die Oper lediglich ansieht um "La Donna emobile" und "Questo Quello" zu hören......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die Anspielungen die V. Hugo 1830 machte, der politische Sprengstoff ist ohnedies entschärft - niemand interessiert sich heute dafür,


    Ich bin nicht ganz sicher - "Le Nozze di Figaro" wird ja auch noch gespielt, obwohl das jus primae noctis (außer in variierter Form in Hochfinanzkreisen) nicht mehr in Kraft ist.


    ich wage sogar zu behaupten, (Wolfram !! Bitte nicht schlagen !!!) daß die Mehrheit des Opernpublikums die Oper lediglich ansieht um "La Donna emobile" und "Questo Quello" zu hören......


    Lieber Alfred, ich habe gar nichts dagegen, wenn jemand in Rigoletto geht, um die Schlager daraus zu hören. Wenn die Schlagerfans im Gegenzug akzeptieren, dass ich nicht zufrieden bin, wenn den Regisseur einfach nur die Regieanweisungen in der Partitur brav referiert, ist das völlig in Ordnung und alle sind glücklich! :hello: Aber wir sind längst off topic, und worauf ich mit meinen Fragen hinauswill, ist wohl auch klar ...

  • Allerdings wäre es dann auch nicht mehr die Oper "Rigoletto"


    ...Und genau das ist die Gefahr dabei.

    . Es würde sich der Ort der Handlung ändern, die handelnden Personen wären nicht mehr nur fiktiv, sondern wären genau wie die Zeit der Handlung, konkret und nachvollziehbar


    Bis hierhin wäre es durchaus machbar. Aber wahrscheinlich wäre das zu einfach. Und deshalb wird obiger Satz und Aussage von Alfred wohl stimmen.
    Gruß aus Görlitz
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich finde es immer lustig, wenn im Rigoletto bei " La donna emobile " ein allgemeines Flüstern ansetzt, und man dann immer hören kann: Jetzt kommt die bekannte Arie ", als wenn alle dann aus ihrem Tiefschlaf aufgewacht wären. Der beste Rigoletto den ich in letzter Zeit gehört habe war eine konzertante Aufführung in Duisburg. Besser geht es wirklich nicht mehr. Und alle Sänger sangen wie befreit, weil sie sich nicht einer blödsinnigen Regie unterwerfen mussten.

  • Ich dachte, es hieße "Questa o quella"? Aber so hätte es Franz I. vielleicht auch gefallen, wer weiß?


    Und wie wäre es mit "La donna t-mobile"?


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!