Nachdem schon einige "Musik verstehen"-Threads hier gute Resonanz gefunden haben, möchte ich hiermit einen weiteren hinzufügen und Robert Schumann widmen. Dieser Komponist ist nicht nur meiner Meinung nach der originellste Komponist der romantischen Periode und in einer Weise vielschichtig, die vielleicht überhaupt einzigartig ist. Ich möchte gleich voranschicken, dass ich diesen Text nicht als blinder Schumannverehrer schreibe, sondern eher als jemand, der sich diesen Komponisten "mühsam" earbeitet hat - und mit seinen Bemühungen noch keineswegs am Ende ist. Sehr auffällig ist, dass Schumann unter Musikwissenschaftlern und Musikern zu den allerbeliebtesten Komponisten überhaupt zählt, und zwar in deutlich größerem Ausmaße als unter der "breiten Masse" der Musikliebhaber. Ohne Zweifel ist das der komplexen Verwobenheit Schumanns Werk mit der Literatur seiner Zeit und seinem eigenen Leben und Charakter geschuldet, welche eine viel größere Zahl an Deutungen zulässt als das Werk seiner zeitgenössischen Komponistenkollegen. Eine zentrale Stellung in Schumanns Welt nimmt der damals sehr berühmte, heute eher als antiquiert eingestufte, Romanschriftsteller Jean Paul ein. Ebenfalls von größter Bedeutung für Schumann war ETA Hoffmann. Vor allem Schumanns revolutionäres Frühwerk für Klavier ("Davidsbündlertänze", "Carnaval", "Kreisleriana") integriert Topoi aus den Werken dieser Schrifsteller und kombiniert sie mit Erfahrungen aus Schumanns Leben, u.a. in der Form von Personenportraits. Diese Personen sind seine "Verbündeten im Geiste", "Davidsbündler" genannt, und wurden von Schumann auch beim Verfassen seiner musikkritischen Texte herangezogen. (An diesem Punkt möchte ich erwähnen, dass "Felix Meritis" der Davidsbündlername für Felix Mendelssohn ist). Aufgrund dieser hochsubjektivisischen Herangehensweise an sein Werk, muten seine Komposiionen oft zerrissen oder unverständlich an. Auch ich möchte mich hier nicht ausnehmen und muss zugeben, dass ich Schumann, vor allem dem frühen, oft nicht folgen kann.
Vorausgehend zu diesem Thread habe ich eine Umfrage nach den "5 beliebtesten Schumann-Werken" der Taminos gestartet (Die Schumann-Lieblingswerke der Taminos), um herauszufiltern, welcher Teil Schumanns Schaffens den meisten Zuspruch erhält. Das Ergebnis war kaum überraschend in dem Sinne, dass jene Werke, die den Stempel des Klassizismus tragen, ganz vorne rangieren: seine Symphonien, sein Klavierkonzert, das Klavierquintett. Natürlich sehr weit vorne, auch aufgrund ihrer unmittelbaren Wirkung, lagen die Liederzyklen Op. 39 und 48.
Allerdings habe ich das Gefühl, dass die meisten von uns Schumann eben nicht verstanden haben und daher die leicht zugänglichen, objektiven und klassizistischen Werke zu ihren Lieblingen erklärt haben. Aus diesem Grund möchte ich diesen Thread als Forum verstanden wissen, in dem Schumannenthusiasten ihre Eindrücke, Erfahrungen und Erkenntnisse mit anderen teilen.
Einige konkrete Fragen:
1. Kann man Schumann verstehen, ohne in der Literatur des frühen 19.ten Jahrhunderts zuhause zu sein?
2. Erlangt man durch eigenes Spielen der Werke den Zugang zu Schumann? Es ist sehr auffällig, dass Schumann unter Pianisten beliebter ist als unter anderen Musikern.
3. Hat Schumanns Musik Schwächen, die einem Verständnis entgegenwirken?