Tristan und Isolde (Wagner), eine mustergültige Aufführung (Berlin: Schillertheater 26.10.2014)

  • Das lag vor allem an der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim. Selten habe
    ich in einem Opernhaus eine so durchsichtige, klangschöne Tristanaufführung mit
    wunderbarer Pianokultur gehört. Das Sängerensemble stand dem, gemessen an
    den Anforderungen der Partien, nicht nach. Waltraud Meyer sang eine großartige
    Isolde, mit warmer Mittellage und blühender Höhe. Und doch, ihr Gesang ergriff
    mich nicht wirklich, ihr fehlte etwas stimmspezifisches, gebrochenes, zum Leiden
    fähiges in der Stimme. Ihre intensive Darstellungskunst überdeckte das. Peter
    Seiffert
    schlug sich als Tristan achtbar und mit viel Kraft im dritten Aufzug, nur
    ganz selten klangen seine Töne wie angekratzt. Rene Pape überzeugte als König
    Marke, Roman Trekel (Kurwenal) gelang es noch am ehesten, mit seiner Stimme
    Gefühle, hier für Tristan, auszudrücken. Ekaterina Gubanova war eine sehr gute
    Brangäne, musste ihr „Habet Acht“ aber aus dem Off singen, so dass ihre Stimme
    dabei kaum über dem Orchester lag. Die kleineren Rollen waren mit Stephen
    Chambers
    (Melot), Florian Hoffmann (Hirt, Seemann) und Maximilian Krummen
    (Steuermann) ebenfalls gut besetzt.


    Der Beifall war gewaltig, überwältigende Ovationen gab es für Waltraud Meyer. Soweit
    ich in der Pause hörte, gefiel dem Publikum auch das Bühnenbild (Hans Schavernoch).
    Auf der Drehbühne lag ein gefallener, zum Teil im Boden versunkener Bronzeengel, dessen
    Flügel fast über die Breite der Bühne reichten. Die Regie (Harry Kupfer) ließ die Sänger
    über die Flügel klettern, sich unter ihnen verbergen oder von oben aus das Meer
    beobachten. Das war anfangs reizvoll, änderte sich jedoch nicht während der drei
    Aufzüge und nutzte sich damit ab. Am Schluss wurden die Engelsflügel rot angeleuchtet,
    bei Isoldens Schlussgesang, wechselte die Farbe ins Fahlgrüne. Es als Kitsch zu bezeichnen
    wäre aber ungerecht angesichts einer insgesamt doch hervorragenden Aufführung.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Zitat

    Zitat von Ralf Beck: Das war anfangs reizvoll, änderte sich jedoch nicht während der drei Aufzüge und nutzte sich damit ab.

    Die Orte der Handlung sind im ersten Akt das Schiff, im zweiten der Garten der Burg König Markes in Cornwall und im dritten Tristans Burg in der Bretagne. Das Bühnenbild mag dem ersten Akt ja noch genügen, wenn man sich den Engel als abgefallene Galionsfigur vorstellt. Aber alle drei Akte in dieses Einheitsbühnenbild zu packen ist mehr als einfallslos. Von Harry Kupfer hatte ich indes mehr erwartet.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Waltraud Meyer

    Die Frau heißt Meier mt "ei"! Kein Sänger hat das Recht, dass der Rezensent ihn mag und lobt, aber er hat das Recht, dass man seinen Namen richtig schreibt.
    Ich habe übrigens von Bekannten, die drin waren, gehört, dass sie die C's im 2. Akt nicht mal mehr versucht hat zu singen - soviel zur "blühenden Höhe"...


    Aber alle drei Akte in dieses Einheitsbühnenbild zu packen ist mehr als einfallslos. Von Harry Kupfer hatte ich indes mehr erwartet.

    Damals, 2000, bei der Premiere, war ich auch enttäuscht, weil die Vorgänger-Inszenierung von Erhard Fischer (1988 - 1995) viel eher packendes Musiktheater war. Dann kam 2006 eine ganz furchtbare Neuinszenierung, die ganz schnell wieder abgesetzt und durch die Kupfer-Inszenierung ersetzt wurde. Inzwischen denke ich, dass das die (relativ) "werktreuste" Inszenierung dieser Oper ist, die du an deutschen Bühnen sehen kannst. Ich glaube, dass du insgesamt angetan wärest, wenn du sie sehen würdest, da eine "Verunstaltung" nicht wirklich stattfindet...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Zitat von Stimmenliebhaber: Inzwischen denke ich, dass das die (relativ) "werktreuste" Inszenierung dieser Oper ist, die du an deutschen Bühnen sehen kannst. Ich glaube, dass du insgesamt angetan wärest, wenn du sie sehen würdest, da eine "Verunstaltung" nicht wirklich stattfindet...

    Lieber Stimmenliebhaber,


    ich glaube dir gerne, dass die Handlung im Großen und Ganzen nicht verunstaltet wurde und auch, dass man an deutschen Bühnen zur Zeit etwas Besseres wohl vergeblich sucht. Aber dennoch bleibe ich dabei, das ein leider immer häufiger für völlig grundverschiedene Handlungsorte verwendete Einheitsbild ein Zeugnis für Einfallslosigkeit ist.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Aber dennoch bleibe ich dabei, das ein leider immer häufiger für völlig grundverschiedene Handlungsorte verwendete Einheitsbild ein Zeugnis für Einfallslosigkeit ist.

    Das würde ich so pauschal nicht unterschreiben wollen: Ich habe schon einige sehr überzeugende, einfallsreiche, fantasievolle, beeindruckende Einheitsbühnenbilder gesehen - und zugegebenermaßen noch viel mehr andere...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber, da bitte ich doch sehr um Entschuldigung, wenn mir statt des i ein y durchgerutscht ist, das soll nicht wieder vorkommen. Es ist natürlich schwierig, vom Hörensagen her eine Leistung wirklich zu beurteilen. Das Publikum jedenfalls war insgesamt berauscht und begeistert von Frau Meiers Isolde. Gibt es da auch eine persönliche Kritik, vielleicht von einer anderen Aufführung her?

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Gibt es da auch eine persönliche Kritik, vielleicht von einer anderen Aufführung her?

    Ich war nicht in dieser Aufführung, du warst drin und er war drin. Für mich ist insofern seine Meinung von ähnlichem Gewicht wie deine, nur dass ich ihn weit besser kenne und weiß, dass ich seinem Urteil in der Regel vertrauen kann. Es kann ja auch sein, dass die restlichen Höhen, die gesungen wurden, "geblüht" haben. Der Jubel des Publikums beweist diesbezüglich erst einmal gar nichts, außerd, dass es vielen Leuten gefallen hat - ob die hohen "C's" gesungen wurden oder nicht, beweist das nicht.


    Ich habe sie zuletzt in gleicher Inszenierung im Frühjahr 2010 erlebt - da ließ sie sich wegen der Indisposition ansagen, was sie irgendwie befreite und beflügelte, sie war da jedenfalls ganz großartig.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich bin kein Fachmann, der Stimmen analysieren kann, und ich glaube, dass es den meisten Zuschauern ähnlich geht. Außerdem kenne ich sehr viele Opern der verschiedensten Gattungen, dadurch geht mein Wissen über manche Einzelheiten aber nicht so in die Tiefe wie bei Spezialisten, die sich auf ein kleineres Gebiet beschränken und die Partituren studieren. Ich könnte also als einfacher Musikliebhaber bei vielen Opern überhaupt nicht sagen, wann an welcher Stelle ein hohes C kommen sollte. Deshalb glaube ich, dass der Jubel der Zuschauer sich weniger auf das Erreichen eines bestimmten Tones, sondern allgemein auf die als gut empfundene Stimme und sicherlich auf die Darstellung der Opernfigur bezieht. Ich kenne Frau Meier als Isolde von der DVD in der Tristan-Inszenierung von Chereau aus der Mailänder Scala, in der sie mir ausnehmend gut gefällt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da muss ich dir leider aus vielen eigenen Erfahrungen widersprechen lieber Gerhard. Ich habe ja schon häufiger geschrieben das ich an der Rheinoper viele Aufführungsserien einer Oper besuche. Und da ist dann natürlich nicht jeden Abend die gleiche Besetzung. Das beste Beispiel ist die Alfredos Stretta aus La travaiata im zweiten Akt. Ein Tenor hat diese mit einem langanhaltenden hohen C abgeschlossen und das Publikum ist in Jubelstürme ausgebrochen die größer waren als bei der eigentlichen Arie die vorher kam. Und ein anderer Tenor hat die Stretta ohne das hohe C abgeschlossen und es kam überhaupt kein Applaus. Bei Frau Meier kommt noch hinzu das sie einen Starbonus hat und wohl viele im Publikum sie für ihre Gesamt Leistungen bewundern wie ich auch.

  • Lieber Stimmenliebhaber, da bitte ich doch sehr um Entschuldigung, wenn mir statt des i ein y durchgerutscht ist, das soll nicht wieder vorkommen. Es ist natürlich schwierig, vom Hörensagen her eine Leistung wirklich zu beurteilen. Das Publikum jedenfalls war insgesamt berauscht und begeistert von Frau Meiers Isolde. Gibt es da auch eine persönliche Kritik, vielleicht von einer anderen Aufführung her?


    Lieber Ralf,


    ich habe recht kompetente Beiträge von Dir gelesen. Wer schreibt und viel schreibt macht auch Fehler, kaum einer mehr als ich, weil ich auch mit der ganzen Technik nicht so richtig umgehen kann. Also entschuldige Dich bitte nicht zu viel. Du bist ein vollwertiges Mitglied in unseren Reihe. Ich freue mich, wenn ich Deine Meinung lese.
    Bleib bei ihr, steh zu ihr und verteidige sie falls notwendig. :hello:


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Hallo Ralf, liebe Forianer,


    ich hatte auch das Glück, am Sonntag den Tristan mitzuerleben.


    Vokal beeindruckend und bewegend, auch wenn Peter Seifert und Waltraud Meier nicht ganz in Höchstform waren.


    Aber das wirklich überragende Ereingnis war das Spiel der Staatskapelle unter Barenboim: ich kann mich der hervorgehobenen Einschätzung der Piano-Kultur nur anschließen; kraftvoll und doch außerordentlich transparent; ein in den Klangfarben und in der Dynamik unerhört fein nuanciertes Orchesterspiel, dass mich sprachlos gemacht hat.


    Wirklich denkwürdige Aufführung.


    Liebe Grüße


    Ottavio

  • Zitat

    Zitat von Rodolfo: Da muss ich dir leider aus vielen eigenen Erfahrungen widersprechen lieber Gerhard. Ich habe ja schon häufiger geschrieben das ich an der Rheinoper viele Aufführungsserien einer Oper besuche.

    Lieber Rodolfo,


    das ist eben der Unterschied. Ich sehe und habe viele Opern gesehen, aber keine in Serie. Ich habe manche Opern in mehreren Inszenierungen gesehen, aber das im Abstand von mehreren Jahren. Aber ich glaube, dass eine große Anzahl der Zuschauer ebenso wenig tiefere Kenntnis der einzelnen Partien und das entsprechend ausgebildete Gehör dafür hat, dass sie genau weiß, dass jetzt ein hohes C kommen müsste. Auch ich kann Stimmen nicht so genau beurteilen, wie es Fachleute können, ich kann nur - und das subjektiv - sagen, sie hat mir gefallen oder sie war nicht besonders ausdrucksvoll. Ich bin eben nur ein einfacher Musikliebhaber ohne musikalische Ausbildung, mehr nicht. Eines muss ich dir jedoch zugestehen: Bei vielen (bei mir allerdings weniger) bringt der Name einen erheblichen Bonus, so dass der Sänger/die Sängerin auch bejubelt wird, wenn er einen schlechten Tag hat. Ich kann in den vielen Themen, in denen es hier um Sänger geht, kaum mitreden, geschweige denn ihren Auftritt analysieren und ein Urteil abgeben, wie es hier manche können. Ich kann nur sagen, er/sie hat mir in dieser Rolle gefallen oder weniger gefallen.
    Aber wenn ich die Urteile in den Sänger- und Dirigententhemen lese, muss ich sagen, dass da auch die Urteile häufig sehr gegensätzlich ausfallen, also sehr subjektiv sind. Deshalb gebe ich um die Urteile auch sehr wenig, freue mich lediglich mit, wenn es dem Besucher gefallen hat.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Vielen Dank für den Kommentar von operus. In der Tat kommen immer wieder Schreibfehler vor. Man sieht diese häufig erst beim Neulesen am nächsten Tag. Interessant ist, dass doch einige Leser dieselbe Aufführung gesehen haben, wie Ottavio, der auch den Klang des Orchesters hervorhob. Zu Stimmenliebhaber, wenn ich mich recht entsinne, hatte Frau Meier die "hohen Höhen" im ersten Aufzug. Wobei ich Höhe jetzt nicht am c festmachen will. In der Regel fällt dieser Ton ja auf, weil er so glänzend über dem Orchester liegt. Im Tristan sind Musik und Text aber so verwoben, dass es mir zumindest schwerfällt ohne beiliegenden Klavierauszug zu wissen, wann welcher Ton kommt (Platten etc. höre ich nicht mehr, dabei kann man ja im Klavierauszug mitlesen, ist fürs Selbststudium ja eine wertvolle Erfahrung), zum Beispiel im genannten zweiten Aufzug. Bei der Brünnhilde ist das schon einfacher und beim Manrico merkt im Publikum wohl jeder, wann und wie das hohe C kommt. Interessant ist übrigens, dass das Manrico-c bei nur etwa 500 Hz liegt und das Aida-c bei gut 1000 Hz. Das liegt deutlich unterhalb unseres Sprachbereichs, der wegen der Zischlaute bis 2.500 Hz reicht. Deswegen haben wir nicht mehr so gut hörenden Älteren auch in der Oper keine Hörprobleme, beim Fernsehen manchmal dagegen schon.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv