Ich habe Marianne Crebassa erstmals beim Schleswig-Holstein-Festival 2016 in einem Konzert von Thomas Hengelbrock gehört. Sie sang Joseph Haydns Scena „Berenice, che fai?“, diesen großen Monolog, der fast eine Oper en miniature ist. Da werden unterschiedlichste Seelenzustände und die ganze Daseinsnot einer jungen Frau auf engstem Raum vorgeführt. Wie die junge Sängerin das sang, war schlicht staunenswert:
https://www.youtube.com/watch?v=LM15tIhFvPU
Das zweite Mal bin ich Marianne Crébassa dann in Berlin in "Le Nozze di Figaro" begegnet. Sie sang den Cherubino und riß das Publikum zu Ovationen hin. Dass der Cherubino groß 'absahnt', ist ja nicht selten. Aber sie wurde nicht allein wegen ihrer feinen Darstellung des pubertierenden Pagen bejubelt. Der Beifall galt vielmehr der Stimme und der famosen Gasangskunst.
Inzwischen habe ich sie verschiedentlich gehört und war stets fasziniert von dieser jungen Sängerin, die wirklich viele Seiten hat, für mich aber eine durch und durch französische Mezzosopranistin ist.
Als ich sie im Thread NEUE STIMMEN vorgestellt habe schrieb ich über die Stimme der Crébassa:
.....sie ist klar, gradlinig und prägnant, sonor und samtig in den tieferen Lagen, leuchtend und obertonreich in den mittleren und hohen Lagen. Sie verfügt über ein rasches, enges Vibrato mit dem sie trefflich zu spielen versteht. Das Timbre ist eher samtig-weich, aber wenn sie dramatisch zupackend artikuliert, überzeugt sie durch eine fabelhafte Projektion. Die Koloraturen sind ungemein flüssig, die Ausführung weiter Intervalle ist frappierend sicher und die Formung schwieriger Verzierungen ausgesprochen plastisch.
Nach meinem Eindrück ist Marianne Crébassa keine Sängerin der heftigen oder zugespitzten dramatischen Gesten. Vielmehr geht es ihr um sublime klangliche Schattierungen und durch sie erschließt sie gleichsam den dramatischen Sinngehalt der Musik.
Über ihre Biografie gibt es schon erstaunlich viel zu berichten. Zumingest einige wichtige Stationen ihre Karriere seien zur Eröffnung des Threads genannt:
Noch während sie in ihrer Heimatstadt Montpellier Musikwissenschaften, Gesang und Klavier studierte, wurde die 21-jährige Marianne Crebassa als Solistin in Schumanns Manfred an das dortige Opernhaus engagiert. Nach ihrem Erfolg als Isabella in Bernard Herrmanns Wuthering Heights beim Festival de Radio France 2010 wurde sie in die Akademie der Pariser Opéra aufgenommen und war in diesem Rahmen als Glucks Orphée und Mozarts Ramiro (La finta giardiniera) sowie auf der Hauptbühne in Lulu, Rigoletto und Madama Butterfly zu erleben.
2012 gab Marianne Crebassa ihr Salzburger Festspieldebüt als Irene (Tamerlano) in konzertanten Aufführungen an der Seite von Plácido Domingo. 2013 stand sie in Salzburg als Cecilo (Lucio Silla) und 2014 in der Titelrolle in Marc-André Dalbavies neuer Oper Charlotte Salomon auf der Bühne. 2017 gibt sie hier Rollendebüt als Mozarts Sesto.
Ihre Karriere führte sie rasch an bedeutende Opernhäuser in Europa und Amerika. In jüngerer Zeit gastierte sie u.a. als Cherubino in Berlin, Wien und Amsterdam. Im Februar 2015 gab sie als Cecilio ihr Debüt an der Scala und sang dort in der folgenden Saison das Kind in L’Enfant et les sortilèges. Ihr USA-Bühnendebüt gab sie als Stéphano (Roméo et Juliette) in Chicago.
Auf dem Konzertpodium sang Marianne Crebassa u.a. beim Festival de Saint-Denis, der Salzburger Mozartwoche, der Stiftung Gulbenkian in Lissabon und beim Mostly Mozart Festival in New York und trat mit Orchestern wie dem Orchestre National del France, dem Orchestre de Paris, den Wiener Symphonikern, dem Chicago Symphony Orchestra und der Staatskapelle Berlin auf.
Sie kehrt regelmäßig zum Festival de Radio France in Montpellier zurück und war dort zuletzt als Offenbachs Fantasio zu Gast.
Im Februar 2017 wurde sie bei den französischen Victoires de la musique classique ausgezeichnet - als Opernsängerin des Jahres. Im Juli wurde sie für ihr Album "Oh, boy!" mit dem ECHO-KLASSIK in der Kategorie Solistische Einspielung/Gesang ausgezeichnet. Sie wirkt unter anderem in der Einspielung von "Les Troyens" unter der Leitung von John Nelson mit, die im Novemver erschienen ist. Im Sommer sang sie bei den Salzburger Festspielen mit sensationellem Erfolg den Sextus in Mozarts "Titus".
Im Frühjahr 2018 wird Marianne Crebassa auf Einladung von Daniel Barenboim zur 100-jährigen Wiederkehr von Debussys Todestag in Konzerten mit der Staatskapelle Berlin, mit einem Liederabend im Pierre Boulez Saal und erstmals in der großartig rätselhaften Inszenierung von Ruth Berghaus als Melisande zu hören sein.
Außerdem wird sie als Irene an die Scala und als Dorabella nach Chicago zurückkehren.
Man kann Marianne Crebassa auf verschiedenen CDs und DVDs hören
Ihr erstes Soloalbum hat sie bei WarnerClassics veröffentlicht. Das singt sie durchweg Ausschnitte aus Hosenrollen: Cherubino und Cecilio, Stéphano und Siebel, Prince Charme und so weiter. Dabei würde man sich diese Sängerin als Melisande oder Charlotte wünschen.
Dieses Album ist von der Kritik und den Melomanen landauf und landab begeistert aufgenommen worden.
Inzwischen wurde bei Erato jetzt ein zweites Soloalbum mit ihr veröffentlich, das ich besonders empfehlen möchte. Begleitet von dem Pianisten und Komponisten Fazıl Say singt sie Lieder von Debussy, Ravel, Fauré, Duparc und eine Komposition von Fazıl Say. Das sind alles Lieder, die voll sind von Sehnsucht und erotischem Verlangen. Geheimnisvoll, bezaubernd und verlockend! Eine so sinnliche CD hat es lange nicht gegeben! Wer eine Antenne für französische Verführungskunst hat, sollte sie sich nicht entgehen lassen!
Zudem kann man Marianne Crebassa auf folgenden Veröffentlichungen hören:
Ich bin gespannt auf weitere Informationen, Hörberichte und Urteile über Marianne Crebassa!
Caruso41