Nachdem ich heute zum ersten Male Muzio Clementis Klavierkonzert C-Dur gehört habe – eine gelungene Mischung aus frühem Beethoven und etabliertem Salieri – habe ich mich gefragt, warum eigentlich niemals Muzio Clementi als Mörder Mozarts in Frage kam? Immerhin wurde er von Mozart ziemlich zerrissen und sein Klavierkonzert hätte auf Mozart sicherlich ziemlichen Eindruck gemacht.
Woher kennt man den Namen Clementi? Als fortgeschrittener Klavierschüler vielleicht aus Heller’s Sonatinenalben [2 Bände], als Mozartliebhaber kommt man an ihm namentlich – wie an Antonio Salieri – nicht vorbei. Mozart lieh sich bei Clementi 2 Takte einer Melodie aus, um sie für die Ouvertüre der Zauberflöte zu verwenden; sie entstammt der Klaviersonate B-Dur op.24 Nr.2, Allegro con brio:
Zufall oder Absicht? Dass Mozart einige von Clementis Klaviersonaten kannte, ist aus seinen Briefen zu erfahren:
Als Mozart seinen Entschluss umgesetzt hatte, sich in Wien niederzulassen, schreibt er an seinen Vater:
…es ist noch ein clavier spieller hier angekommen, ein Welcher – er heißt: Clementi.
Wenige Tage später berichtet er anschaulicher über den Konkurrenten:
…der Clementi spielt gut, wenn es auf die execution der rechten Hand ankömmt. – seine force sind die terzen Passagen – übrigens hat er um keinen kreutzer gefühl oder geschmack. mit einem Wort ein blosser Mechanicus.
Und – um das glaubhaft zu machen – wiederholt Mozart diese Aussage eine Woche später:
Nun vom Clementi. – dieser ist ein braver Cembalist. – dann ist auch alles gesagt. – er hat sehr viele fertigkeit in der rechten hand. – seine haupt Pasagen sind die Terzen. – übrigens hat er um keinen kreutzer geschmack noch empfindung. – ein blosser Mechanicus.
Alles gesagt ist damit noch lange nicht – aber nun wird Mozart konkret und richtet einige Empfehlungen an seine Schwester:
Nun muß ich meiner schwester wegen den clementischen Sonaten ein paar worte sagen; - dass die komposizion davon nichts heisst, wird Jeder der sie spiellt, oder hört, selbst empfinden; - Merkwürdige oder auffallende Pasagen sind keine darin ausgenommen die Sexten und Oktaven – und mit diesen bitte ich meine schwester sich nicht gar zu viel abzugeben, damit sie sich dadurch ihre ruhige, statte hand nicht verdirbt, und die hand ihre natürliche keichtigkeit, gelengigkeit, und fliessende geschwindigkeit dadurch nicht verliert. – denn was hat man am Ende davon? – sie soll die Sexten und Oktaven in der grösten geschwindigkeit machen, /: welches kein Mensch wird zuwegen bringen, selbst clementi nicht so wird sie ein entsetzliches Hackwerk hervorbringen, aber sonst weiter in der Welt nichts! – Clementi ist ein Ciarlattano wie alle Wälsche.
Als Hackwerk oder nichts sagende Komposizionen würde ich die Werke, die ich von Clementi jetzt kennen lernte, nicht bezeichnen. Ganz im Gegenteil sind sie sehr einfallsreich, geschmackvoll und empfindsam!
[Muzio Clementi ]
Muzio Clementi wurde am 23. Januar 1752 in Rom geboren. Als Kind lernte Clementi bei einem Verwandten, Antonio Boroni [1738-1792], der seit 1778 Kapellmeister am Vatikan war. Zudem gehörten der Organist Cordicelli [+1774], und Giuseppe Saltarelli [1740-1790], später dann Gaetano Carpani [1692-1785] zu seinen musikalischen Ausbildern. Mit 9 Jahren bereits war Clementi als Organist angestellt, mit 14 wurde er von Sir Peter Beckford, einem reichen 26jährigen Engländer, mit nach England genommen. Dort hatte Clementi Gelegenheit, täglich 8 Stunden Klavier zu üben – er studierte die Werke aus der Fabrication Joh. Seb. Bach & Sons, Händels, Domenico Scarlattis, Corellis, Paradies. 1773 zog Clementi vom Landsitz des Kaufmannes in Fonthill Abbey nach London um und wirkte dort in den Grands Concerts des King’s Theatre am Haymarket mit. Von London aus – mittlerweile als Pianist und Komponist bekannt - startete Clementi einige Reisen, so 1780 nach Paris, Straßburg, München, Wien [wo er auf Mozart trifft, mit dem er im Dezember 1781 gemeinsam vor Kaiser Joseph II. vorspielt].
Die Reise ging weiter über Zürich und Lyon [1782-1784, eine kleine Liebelei?] zurück nach London. Dort brachte er in Kürze fünf Sinfonien heraus, trat in den Konzerten Peter Salomons auf, lernte Joseph Haydn kennen. Clementi nahm Schüler, darunter J. B. Cramer und John Field. 1786 entdeckte Clementi für sich die Tätigkeit des Musikalienhändlers, trat letztmals öffentlich auf, um sich dann als Verleger und Instrumentenbauer sehr erfolgreich zu betätigen. Clementi stank vor Geld und kaufte 1799 Teile der Firma Longman & Broderip, die fortan Clementi & Co. hieß. Während weiterer Reisen mit seinen Schülern und als Verleger in eigener Sache, besuchte er u.a. den Verlag Breitkopf & Haertel in Leipzig, ließ es nicht aus, auch Joseph Haydn in Wien zu besuchen und in Berlin lernte er die 18jährige Caroline Lehmann kennen, die er 1804 als 52jähriger ehelichte. Das Eheglück war kurz, denn Caroline Clementi musste nach der Geburt eines Sohnes schon 1805 ihr Leben lassen.
Von dem Schock erholt, trat er 1807 mit Ludwig van Beethoven in geschäftliche Bande, verlegte dessen Rasumowsky-Quartette, die 4. Sinfonie und die Coriolan-Ouvertüre. 1809 weilte Clementi erneut in Wien, und machte mit Ignaz Moscheles Bekanntschaft und pflegte guten Umgang mit allen damals bedeutsamen Musikern Wiens. Zurück im London, fungierte er als Mitbegründer der Philharmonic Society. 1811 nahm er eine zweite Dame zur Frau: Emma Gisborne. Er siedelte mit ihr nach Worcestershire um. Neben dem aus erster Ehe vorhandenen Sohn John, erweiterte sich die Nachkommenschaft um einen weiteren Sohn [1811] und zwei Töchter. 1814 trat Clementi als Nachfolger Grétrys als Mitglied in die Schwedische Akademie ein. Als berühmter Komponist und Pianist bereiste er 1818 Frankfurt und 1822 erneut Leipzig, wo er seine Sinfonien aufführte. Als Verleger brachte er viele bedeutende Werke Beethovens, Moscheles, Kalkbrenner, Ries heraus. Nicht zu seinem Repertoire gehörten die Werke Joseph Haydns und W. A. Mozarts. Damit ihm nicht langweilig wurde, begann er 1823 mit dem Verlegen einer Enzyclopädie der Musik. Seine Tasten-Instrumente wurden stets weiterentwickelt und erfreuten sich großer Beliebtheit. Im Jahre 1824 hörte Clementi sogar Franz Liszt.
Muzio Clementi starb am 10. März 1832 im Alter von 80 Jahren auf seinem Landsitz in Worcestershire.