BWV 187: Es wartet alles auf dich
Kantate zum 7. Sonntag nach Trinitatis (Leipzig, 4. August 1726)
Lesungen:
Epistel: Röm. 6,19-23 (Der Tod ist der Sünde Sold; Gottes Gabe aber ist das ewige Leben)
Evangelium: Mark. 8,1-9 (Die Speisung der Viertausend)
Sieben Sätze, Aufführungsdauer: ca. 25 Minuten
Textdichter: unbekannt
Choral: Hans Vogel (1563)
Besetzung:
Soli: Sopran, Alt, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Chor SATB, Oboe I + II, Streicher, Continuo
Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
Wenn du ihnen gibest, so sammlen sie; wenn du deine Hand auftust,
so werden sie mit Güte gesättiget.
2. Recitativo Bass, Continuo
Was Kreaturen hält das große Rund der Welt!
Schau doch die Berge an, da sie bei tausend gehen;
Was zeuget nicht die Flut? Es wimmeln Ström’ und Seen.
Der Vögel großes Heer zieht durch die Luft zu Feld’.
Wer nähret solche Zahl,
Und wer vermag ihr wohl die Notdurft abzugeben?
Kann irgendein Monarch nach solcher Ehre streben?
Zahlt aller Erden Gold ihr wohl ein einig’ Mahl?
3. Aria Alt, Oboe I, Streicher, Continuo
Du Herr, du krönst allein das Jahr mit deinem Gut’.
Es träufet Fett und Segen
Auf deines Fußes Wegen,
Und deine Gnade ist’s, die allen Gutes tut.
Parte 2
4. Basso solo Bass, Violino I/II, Continuo
Darum sollt ihr nicht sorgen noch sagen:
Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden?
Nach solchem allen trachten die Heiden.
Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr dies alles bedürfet.
5. Aria Sopran, Oboe I, Continuo
Gott versorget alles Leben,
Was hienieden Odem hegt.
Sollt’ er mir allein nicht geben,
Was er allen zugesagt?
Weicht, ihr Sorgen! Seine Treue
Ist auch meiner eingedenk
Und wird ob mir täglich neue
Durch manch’ Vaterliebs-Geschenk.
6. Recitativo Sopran, Streicher, Continuo
Halt’ ich nur fest an ihm mit kindlichem Vertrauen
Und nehm’ mit Dankbarkeit, was er mir zugedacht,
So werd’ ich mich nie ohne Hülfe schauen,
Und wie er auch vor mich die Rechnung hab’ gemacht.
Das Grämen nützet nicht, die Mühe ist verloren,
Die das verzagte Herz um seine Notdurft nimmt;
Der ewig reiche Gott hat sich die Sorge auserkoren;
So weiß ich, dass er mir auch meinen Teil bestimmt.
7. Choral SATB, Oboe I + II, Streicher, Continuo
Gott hat die Erde zugericht’,
Lässt’s an Nahrung mangeln nicht;
Berg und Tal, die macht er nass,
Dass dem Vieh auch wächst sein Gras;
Aus der Erden Wein und Brot
Schaffet Gott und gibt’s uns satt,
Dass der Mensch sein Leben hat.
Wir danken sehr und bitten ihn,
Dass er uns geb’ des Geistes Sinn,
Dass wir solches recht versteh’n,
Stets in sein’ Geboten geh’n,
Seinen Namen machen groß
In Christo ohn’ Unterlass:
So sing’n wir recht das Gratias.
Auch in dieser Kantate wird (wie in den Kantaten der Vorjahre BWV 186 und BWV 107) Bezug auf das Evangelium des heutigen Sonntags genommen: Die Speisung der Viertausend durch Jesu’ wundersame Vermehrung von Brot und Fisch.
In dieser Kantate nun wird besonders Wert auf das Lob der globalen Fürsorge Gottes - nicht nur für den Menschen, sondern für alle Kreaturen der Erde - gelegt. Die Textdichtung dieser Kantate hat bei mir an einigen Stellen für spontane Erinnerung an Stellen aus Haydns Schöpfung und Jahreszeiten gesorgt...
Die Kantate beginnt wieder einmal mit einem Bibelwort-Chor (die thematisch gut passenden Verse 27 und 28 aus Psalm 104).
Der grandiose Chorsatz deutet den Bibeltext sehr sorgfältig aus (in einzelnen Abschnitten nach Art einer Motette inklusive einer Chorfuge in der Satzmitte), wirkt aber überhaupt nicht „zerfasert“ oder episodenhaft, sondern ausgesprochen „rund“ und wie aus einem musikalischen Guss, was ja durchaus eine große Kunst ist, bei einem doch eher sperrigen Text, wie dem hier vertonten.
Wie in dem 14 Tage vor dieser Kantate hier aufgeführten Werk (BWV 88) betitelt Bach auch diesmal wieder einen Satz mit Basso solo – wiederum handelt es sich musikalisch gesehen um eine schwer zu definierende freie Mischform zwischen Arioso und Arie, die erneut vom Bass als traditioneller „Vox Christi“ vorgetragen wird. Es handelt sich hierbei um ein weiteres Bibelwort, diesmal aus der Bergpredigt (Matthäus Kapitel 6, Vers 31-32).
Zur Abwechslung bietet Bach in dieser Kantate gleich zwei aufeinanderfolgende Strophen des Schlusschorals an.