AMY MARCY BEACH (1867 - 1944)
Geboren am 5. September 1867 in West Henniker, New Hampshire
Gestorben am 27. Dezember 1944 in New York City.
Alles, was leicht fällt, galt als verdächtig. Alles, was Gefallen bereitet, war schon fast „des Teufels“. Bestraft wurde mit Klavierverbot, gezüchtigt wurde mit Entzug der Aufmerksamkeit, wenn das hochbegabte Mädchen mit dem absoluten Gehör begeistert seine Kompositionen präsentieren wollte
Düster lauten die Schilderungen des puritanisch geprägten Umfeldes an der Ostküste der USA, in welchem Amy Cheney aufwächst, eine exeptionelle musikalische Hochbegabung, die sich nichtsdestotrotz ihre Kompositionsfertigkeit autodidaktisch aneignet.
Ihr Talent wird zwar nicht unterdrückt, aber doch nur sehr restriktiv gefördert, halt einfach im Rahmen des (für höhere Töchter) damals „Schicklichen“...
Aber an eine Musikerinnen-Laufbahn ist in diesem Umfeld nicht zu denken.
Mit 18 Jahren heiratet sie den Arzt Mr. Beach aus Boston, einen Herrn, der älter ist als ihr eigener Vater.
Doch er scheint recht tolerant zu sein (ach, wie gnädig...) und unterstützt seine Frau im Rahmen des (für das weibliche Angehängsel eines Honorablen der Gesellschaft) „Schicklichen“...
So lässt er etwa ihre Kompositionen (damals v.a. Lieder und Klavierwerke) drucken und erlaubt ihr einige Klavierauftritte an Wohltätigkeitsanlässen.
Nach dem Tod des Gatten (1910) beginnt Amy Beach mit einer regen Konzerttätigkeit als erfolgreiche Pianistin. Die Reputation als versierte Konzertpianistin und die Publikation einer Fülle von (spätromantisch geprägten) Kompositionen machen sie (in der Zeit zwischen den Kriegen) zur damals berühmtesten Musikerin der USA. Sie hinterlässt über 300 Werke, welche alle im Druck erschienen: Das ist sensationell in der damaligen Zeit.
Wie klingt Beach`s Musik?
Nun ja, von Begeisterungsstürmen werde ich nicht hinweggefegt, wie ich es etwa beim imo vernachlässigten Werk von Franz Schmidt nicht verhindern kann.
Die Musik ist durchwegs gut gemacht, geht angenehm ins Ohr und tut der Seele gut. Belanglos möchte ich sie nicht nennen. Ich zögere zu sagen, es fehle ihr an Biss, wenn sich Eruptionen musikalischer Art auch eher rar verteilen. (Das war wohl auch nicht „schicklich“ für eine Dame von damaliger Welt...)
Kurz: Die Musik von Amy Beach haut mich nicht gerade vom Hocker, aber – und das ist ebenso wertvoll: sie berührt mich!
Sie will nichts. Sie ereignet sich einfach. Das ist äusserst sympathisch.
Es war in Musikerkreisen eine Sensation, als Mrs Beach im Jahr 1896 eine Sinfonie für grosses Orchester vorstellte, galt doch das Komponieren von Sinfonien bis anhin als wohl-gehütete Männerdomäne.
Ich kenne zwei Aufnahmen ihrer SINFONIE e-moll op.32 "Die Gaelische":
Neeme Järvi:
Kenneth Schermerhorn:
Die Naxos-Produktion mit Schermerhorn und dem Nashville Symphony Orchestra verbreitet gepflegte Langeweile bei scharfem Klang.
Einmal mehr ist es Neeme Järvi (Chandos), der die Partitur ausdrucksgetreu mit Schwung und grosser Geste realisiert. (by the way ist auch die beigekoppelte Barber-Sinfonie imo phänomenal realisiert). Bewundernswert ist es, wie es der estnische Dirigent immer wieder schafft, accelerierende Crescendi des vollen Orchesters zu einem kulminierenden Rush aufzubauen, um das exaltierte Geschehen dann schliesslich wieder organisch in ruhigere Gefilde zurückfedern zu lassen.
Die Gestaltung solcher „Wellen“ ist eine grosse Qualität von Järvi (vorzüglich realisiert durch das Orchester aus Detroit), die vor allem im Vierten Satz mehrmals zum Tragen kommt und diesen immer wieder aus einem potentiell dicklichen Gewusel herausrettet.
Hier ist Schermerhorn (Naxos) einfach zu lahmarschig, zu exakt, und zu wenig grosszügig: Eine Teflon-Interpretation!
Einmal mehr bestätigt sich mir die Überzeugung, dass die Art und Weise der Interpretation für die Rezeption einer Erstbegegnung entscheidend ist: Ich hörte diesen vierten Satz zuerst mit Schermerhorn und war überzeugt, dass ich diese Musik nie mehr über mich ergehen lassen werde: Erst mit Järvi wurde sie mir (mehr als) erträglich!
Den Musikstil dieser Sinfonie vermag ich kaum zu beschreiben: Mein Bauch empfindet eine Mischung aus Elgar und Alfvén, gewürzt mit etwas Franck-Aroma.
Die raschen Sätze finde ich originell und inspiriert und in jederzeit angenehm anzuhören.
Der langsame Satz der Sinfonie allerdings langweilt mich nachhaltig (in jeder Interpretation), ich empfinde ihn als ziemlich betulich, holprig und zähflüssig komponiert.
Ganz nebenbei: Ich habe bisweilen die ketzerische Gewohnheit, in meinem i-Tunes-Verzichnis verschiedene Sätze unterschiedlicher Komponisten zu einem „neuen“ Werk zu vereinen (gab`s da nicht einmal einen entsprechenden Thread?):
Im Falle der Sinfonie von Amy Beach begehe ich gerne ein solches Sakrileg: ich schmeisse ihren 3. Sinfoniesatz raus und lasse (als „edlen langsamen Satz“) den an dieser Stelle ausgezeichnet passenden Ebensolchen aus der Sinfonie von Hermann Goetz (1840-1876) erklingen:
Der Goetz`sche Sinfoniesatz ist imo ein wertvolles, weil hochemotionales Klangemälde, das sich durchaus auf der Höhe der besten Bilder von Wetz/Draeseke u ä. bewegt, wobei es allerdings den Rest seiner Sinfonie hell überstrahlt, (welchen ich deshalb, ebenso schnöde, in den virtuellen Papier-Hörschmalz-Korb verwarf...).
Der geschätzte Mit-Eidgenosse „Goetz“ lässt sich offen(hör)bar liebend gerne von der „Ami-Amy“ umarmen: Deshalb figuriert das neugenerierte symphonische Konglomerat in meinem i-Tunes-Musikverzeichnis als:
Beachgoetz: Gaelische Sinfonie: „Die Strandgöttin“
...und wenn ich schon aus meinem virtuellen Musikkonserven(Näh-)körbchen plaudere:
Nach dem 4. Satz von Amy`s Sinfonie lasse ich (alphabetisch konform) Alban Berg`s Orchesterstück Nr. 2 aus op.6 folgen, quasi als Ohrenputzer, imo überaus passend und erhellend, und deshalb sehr erträglich! ...quasi die „Berg-Göttin am Strand“, oder (evolutionär/esoterisch): „Der Berg strandet göttlich...“
Das Label Chandos publizierte 1999 eine CD mit Kammermusik von Amy Beach:
Das KLAVIERQUINTETT fis-moll op. 67 (1908 ) ereignet sich in ähnlicher Klangaura wie die Quintette von Brahms, Franck und Fauré. Nur scheint mir die Dynamik etwas gar eingeebnet: Es rauscht und rauscht, aber donnert wenig. Vom ersten Satz kann ich mir noch kein gültiges Bild machen: Das ist schon ein gar arg romantizierendes Gewühl mit wenig markanter Thematik, aber es kann sein, dass ich bei wiederholtem Hören die Qualitäten des Satzes erkennen werde.
Der 2. Satz, ein Adagio, erschliesst sich unmittelbar: Das ist einfach schöne Musik! Vielleicht hätte Liszt so komponiert, wenn er sich denn vermehrt an Kammermusik herangewagt hätte.
Der 3. Satz beginnt sehr klangvoll mit dvorakesken Gebärden, verheddert sich aber dann doch etwas in selbstgefälligen Klanggirlanden.
Die Musik ist sehr ausschweifend und wenig strukturiert. Beim Erstkontakt hat sie mich noch gelangweilt. Erst das wiederholte Hören lässt ihre Meriten offenbar werden.
Das eher knapp gehaltene KLAVIERTRIO a-moll op.150 (1939) beginnt verheissungsvoll mit rauschend- impressionistischen Kaskaden, die den Gabriel Fauré unter der Dusche stehen lassen.
Aber statt sich wirklich in die flirrende Klangsinnlichkeit hinein zu steigern, versinkt die Musik mehr und mehr in belanglose, „Stars-änd-sträipige“ Salo(o)n-Klebrigkeit, der ich ungern aufsitzen mag. Kurz, ein Werk, das ich wohl nicht weiterverfolge.
Restlos begeistert bin ich allerdings von:
THEME AND VARIATIONS a-moll op.80 (1916) für Flöte und Streichquartett.
Dies ist eine Instrumenten-Kombination, die ich eigentlich eher nicht so liebe, wenn nicht gar "hasse": Fauniger Flötenklang und feenhaftes Gestreichel generieren mir (im Umfeld des Fin-de siècle) oft genug bedrückende Assoziationen abgründiger, süsslich-parfumierter Boudoirs...(nichts Böses dagegen: es ist einfach eine Dimension, die ich mir noch erarbeiten muss... :D)
Aber nichts Solches empfinde ich bei Beachs erstaunlichem Opus, im Gegenteil:
Da entwickelt sich durchwegs eine durchsichtige, luzide Atmosphäre:
Ohne grosse Extravaganzen, sehr moderat und in stimmigem Sinne „gepflegt“ (durchaus mit subliminaler Stringenz) spinnt die empfindsame Komponistin pastellfarbene Klangfäden (bisweilen kontrapunktisch durchwirkt, aber auch melancholisch eingefärbt), mit planvollem Strich/Stich zu einem kunstvollen (blaustichigen) Klangteppich:
Gleichsam eine klingende „heure bleue“: Wunderbar!
Anachronistisch zwar, zugegeben, und irgendwie auch epigonal (und frankophil?), aber was solls, mir gefällt es: Also, unbedingt anhören, finde ich!
Das Ensemble „The Ambache“ spielt sehr klanschön und wird von der Aufnahmetechnik transparent registriert, im Gegensatz zu den Aufnahmen mit Klavier (Diana Ambache), die mir klangaesthetisch leider eher dumpf und mulmig entgegenwummern.
Soweit meine Einführungsgedanken zur „Grand Old Lady“ der amerikanischen Musik.
Mag jemand etwas erwidern, ausführen, ergänzen?
Mit freundlichem Gruss aus Bern
Walter
(Quellen: Eigenes Empfinden, Lexikalische Einträge im Internet und Booklets der erwähnten Aufnahmen)