Nathanael Berg - Die Sinfonien

  • Der schwedische Komponist Nathanel Berg ( 9. 2. 1879 – 14. 10. 1957 gehört einer Generation von Komponisten an, die heute mehrheitlich der Vergessenheit anheim gefallen wären, gäbe es da nicht rührige unabhängige Tonträgerlabel, welche durch ihre Veröffentlichungen (fast) Vergessenes ans Tageslicht befördern. Die meisten dieser Komponisten wurden zwischen 1860 und 1890 geboren – Ihre Werke entstanden um die Jahrhundertwende – zum Teil auch später.
    Berg war mehrheitlich Autodidakt, studierte aber auch am Stockholmer Konservatorium. Er war ausgebildeter Tierarzt, stand in dieser Funktion im Dienste der schwedischen Armee .
    Es ist schwierig ihn einzustufen - ich würde sagen ein Vorreiter oder Vertreter der gemäßigten Moderne. Weitgehend tonal mit atonalen Einschüben. Gerade diese stilistische Zwischenstellung dürfte es sein warum seine Werke heute eher weitgehend unbekannt sind - ein Zustand, der sich jedoch jederzeit ändern kann....
    Dieser Thread will sich ausschließlich mit seinen Sinfonien – sofern auf Tonträger erhältlich- befassen, deren er sechs geschrieben hat.


    Die erste Sinfonie – „Alles endet was entstehet“
    bezieht ihren Titel einem Gedicht von Michelangelo (Als solches bereits unter anderem von Hugo Wolf als Lied vertont) – ist aber auch durch die Nachricht des Untergangs der Titanic (sie erreichte den Künstler, als er 1912 am vierten Satz der Sinfonie arbeitete) beeinflusst.
    Am 9. Jänner 1914 fand die Uraufführung statt, der bald einige andere in schwedischen Städten folgten.
    Die Sinfonien will die verschiedenen Etappen des Lebens beschreiben – durchwegs heiter. Als jedoch während der Arbeit am 4. Satz die Nachricht vom Untergnge der Titanic den Komponisten erreicht – ein Unglück, welches damals die ganze Welt in Entsetzen versetzte – mehr als wir uns das heute vorstellen können – da änderte er den im Entstehen befindlichen Entwurf und komponierte die plötzlich hereinbrechende Tragödie mit ein.
    Der erste Satz neigt einerseits zu fanfarenartigem Bombast, andrerseits zu lyrischer Stimmung, die Themen sind nicht besonders einprägsam, das ganze wirkt (auf mich) ein wenig wie eine Collage. Ein Hauch von „Filmmusik“ ist nicht überhörbar. Die Orchestrierung ist teilweise eigenwillig - aber gekonnt.
    Der Zwite Satz ist verträumt, stimmungsvoll. Ein wenig hypnotisierend, jedoch gelegentlich durch lebhaftere Stellen unterbrochen, manchmal auch ein wenig düster, was aber der positiven Grundhaltung kaum Abbruch tut.
    Munter beginnt der dritte Satz, gleitet in ein volkstümlich tänzterisches Motiv über, welches aber stark verfremdet wirkt und im Laufe der Zeit immer skurrilere Formen annimmt mit geradezu wütendem rhythmischem Aufstampfen. Berg versteht es hier helles sehr nahe am dunklen zu positionieren, wie ich es kaum wo in dieser Form gehört habe.
    Der vierte Satz beginnt optimistisch, die positive SAtimmung wird aber dann urplötzlich durch eine hereinbrechende Kathastrophe zerstört. Ein Trauemarsch beendet sie Sinfonie.
    Wie nicht anders zu erwarten stellt man sich bei einer großen Sinfonie eines heute weitgehend unbekannten Komponisten (die Spielauer berägt knapp 40 Minuten) die Frage nach Vorbildern, nach Ähnlichkeiten von Zeitgenossen – ich gestehe, dass ich hier zu keinem Urteil gekommen bin. Sibelius und Melartin böten sich hier an, Gustav Mahler oder Richard Strauß. Wer will kann von überall ein bisschen heraushören – oder auch nicht…
    Da die Aufnahme derzeit sehr günstig zu haben ist wird sich in Zukaunft auch ein anderes Mitglied zu diesem Werk – oder einer weiteren Sinfonie von Natanael Berg äussern ?


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo Taminos,


    auch bei mir durfte diese Aufnahme nicht in der Sammlung skandinavischer Komponisten fehlen.
    Leider war ich von der so eindrucksvoll beschriebenen Aufnahme ( siehe JPC-Beschreibung ) ziemlich enttäuscht.


    Ich werde sie mir nochmal genauer zu Gemüte führen, damit ich ein differenziertes Urteil abgeben kann.
    Aus der Erinnerung würde ich aber sagen: Verschiedene Themen aneinandergereiht, ohne sonderliche Kreativität, nichts, was mich von Hocker haut.
    Die Orchestrierung ist zwar wie bei fast allen Skandinaviers äußerst brilliant, aber die kann nicht die Schwächen der Komposition überdecken.


    Wie gesagt ich höre sie mir nochmal an und gebe noch ein Urteil ab.
    LG

  • Zitat

    Aus der Erinnerung würde ich aber sagen: Verschiedene Themen aneinandergereiht, ohne sonderliche Kreativität, nichts, was mich von Hocker haut.
    Die Orchestrierung ist zwar wie bei fast allen Skandinaviers äußerst brilliant, aber die kann nicht die Schwächen der Komposition überdecken.


    Ich widerspreche an dieser Stelle nicht, möchte aber zu bedenken geben, daß die aufgeführten Schwächen - ebenso wie die Stärken eigentlich typisch für skandinavische Komponisten dieser Zeit sind. Es ist ja vermutlich kein Zufall, daß es so lange dauerte bis sie am deutschsprachigen "Markt" beachtung fanden. Erobern werden sie ihn vermutlich nie. Dennoch - es ist schon interessant wie ein Komponist reagiert, wenn er von einer der grössten Schiffskatastrophen in der Geschichte der Menschheit erfährt. Auch Sibelius und einige andere Komponisten dieser Zeit und dieses Kulturkreises haben mich nicht von Anbeginn für sich gewinnen können
    Einen weiteren Aspekt hat Christian Biskup ganz richtig beschrieben: Man muß diese Werke MEHRFACH anhören, befor man mit ihrer Tonsprache so vertraut ist, daß sie einem gefallen können...


    mit freundlichen Grüßena aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich kenne zwar Nathanael Berg nicht, aber wenn er einigermaßen berühmt war und heute wieder eingespielt wird, war er sicher ein kreativer Komponist hohen Niveaus, für dessen Werke es viele Hörer gibt, die sich auch heute gerne davon vom Hocker hauen lassen ... ich freue mich über die Breite des gegenwärtigen Tonträgerangebots vor allem wegen der Hörbarmachung weniger berühmter Komponisten. In meiner Sammlung sind also viele dieser Sorte und ich bereue das nicht - ob Nathanael Berg einmal dazukommen wird, wird sich zeigen.


    Der Vorwurf scheint ja vor allem gegen eine mangelnde formelle Stringenz gerichtet zu sein. Allerdings steht ja bereits in der jpc-Werbung, dass es sich mehr um eine symphonische Dichtung als um eine Sinfonie handelt, dann sollte man nicht überrascht sein, wenn es formell eher locker reihend zugeht.


    Alfred meint, das sei typisch für skandinavische Komponisten und mitverantwortlich dafür, dass es lange dauerte, bis sie am deutschen Markt ankamen. Ersteres kann sein, zweiteres wohl nicht: Sibelius und Atterberg waren im deutschsprachigen Raum doch sehr erfolgreich, oder? Das Schicksal der großen Menge der Komponisten, nun "vergessen" zu sein, teilen sie mit ihren deutschen Kollegen, Weismann oder Zilcher werden auch seit langer Zeit kaum wahrgenommen, ebenso wie zahlreiche andere.


    Wenn man in diesem formell fragwürdigen "Reihungsstil" überraschende Wendungen sucht, wird man in Schweden vor allem bei Rangström fündig, wenn es formell etwas zwingender zugehen soll, wird man Stenhammar oder Atterberg vorziehen, weiter reicht meine Kenntnis dieser schwedischen Generationen noch nicht. Ehe ich Nathanael Berg meiner Sammlung einverleibe, wird Alfvén drankommen, und dann gibt es neben Berg ja noch Aulin und Peterson-Berger. Wer dann mal mein Ohr erreicht, hängt von der Sonderangebotspolitik unseres CD-Versandes ab ...

  • Hallo Taminos,


    bevor ich meine neuen Höreindrücke preisgebe, noch ein paar Reaktionen auf eure Postings.


    Zitat von Alfred Schmidt

    Zitat

    Es ist ja vermutlich kein Zufall, daß es so lange dauerte bis sie am deutschsprachigen "Markt" beachtung fanden.

    Dieses Zitat kann man so nicht vergeneralisieren. Wenn ich mir manche Komponisten , z.B. den Dänen August Enna ansehe, muss man sagen, dass er fast nur Erfolg in Deutschland hatte. Anfang des 19. Jahrhunderts war er ein wirklich häufig gespielter Opernkomponist in Deutschland. Auch Asger Hamerik blieb der Erfolg im Heimatland verwehrt. Dafür mochten die Amerikaner und auch wir Deutschen seine Musik sehr gerne.
    Oft studierten ( wenn überhaupt ) skandinavische Komponisten in Deutschland. So ebenfalls Emil Hartmann, Sohn von Johann P.E. Hartmann, der hier mit seinen Stücke im Volkston großen Anklang fand.


    Zitat von Kurzstueckmeister

    Zitat

    Ehe ich Nathanael Berg meiner Sammlung einverleibe, wird Alfvén
    drankommen, und dann gibt es neben Berg ja noch Aulin und
    Peterson-Berger. Wer dann mal mein Ohr erreicht, hängt von der
    Sonderangebotspolitik unseres CD-Versandes ab

    Bevor du dir Nathaneal Berg zulegst, sollte Peterson-Berger umbedigt in deiner Sammlung sein ( Alfven zwar auch, aber Peterson-Berger ist da auf einem ganz anderen Level ). P-B's Musik ist voller herrlicher Melodien, voller Exotik und ganz fantastisch in der Orchestrierung. Sein Violinkonzert steht bei mir sogar vor dem Sibelius Konzert.
    Aulin finde ich persönlich nicht sonderlich spannend. Vielleicht hörst du lieber in Ludolf Nielsen oder Hakon Börresen rein.



    Nun aber eine erneute Kritik zur 1. Sinfonie Bergs.


    Der 1. Satz ist der wohl einfachste der Sinfonie. Ein sehr schönes und einprägsames Thema , welches noch etwa ( gefühlte ) acht Mal wiederkehrt bestimmt diesen Satz. Eine Verarbeitung findet nicht statt. Die Melodie wird jediglich von unterschiedlichen Instrumenten gespielt. Wie auch schon Alfred sagte, fühlt man sich tatsächlich an Filmmusik erinnert. Was passiert sonst noch im Satz... ich kanns gar nicht sagen.


    Besonders schön finde ich den 2. Satz, der zum Teil fast impressionistisch anmutet und einige schöne Passagen enthält.


    Der 3. Satz, eine Art Scherzo fängt mit einem ganz hübschen typisch skandinavischen Tanzmotiv an, welches jedoch nach anfänglichen Dur ins Moll übergeht und in verschiedene verrückte Rhythmen mündet, die gekonnt wieder in ein tänzerisch Motiv übergehen. Der Satz endet mit einem Motiv, welches mich ( seeeehr ) stark an Alfvens 1. Schwedische Rhapsodie erinnert.


    Das Finale wirkt noch immer wie ein undurchsichtigen Chaos für mich. Themen einfach aneinandergereiht. Es beginnt lyrisch, leidenschaftlich, Blumenwiesenartig. Plötzlich gibts einen radikalen Cut und die Katastophe wird geschildert. Jedoch werden hier einfach nur Klangmassen aufgetürmt die am Ende zusammenfallen.


    Zusammenfassend muss ich zwar gestehen, dass es einige doch ansprechende Stellen in der Komposition gibt, sie mir aber größtenteil nichts sagt.
    Mir fehlt die kontrapunktische Verarbeitung und der Charme in der Melodie.


    LG

  • Natanael Bergs 2. Sinfonie "Arstiderna" wurde 1916 uraufgeführt, Er selbst bezeichnet sie (vermutlich zutreffenderweise) als "Sinfonische Dichtung"
    Laut der CD beiliegendem Booklet wurde sie von der schwedischen Kritik einhellig positiv beurteilt. Aber sie scheint sich indes doch nicht richtig durchgesetzt zu haben, denn wie wäre sonst die Aussage eines ebenfalls schwedischen Kritikers einige Jahre später zu verstehen, diese Sinfonie verdiene es, öfter aufgeführt zu werden. Die Sinfonie - sie heisst auf deutsch "Die Jahreszeiten" hat eine Spieldauer von etwa 20 Minuten, ist also halb so lang wie ihr Vorgänger. Die Jahreszeiten sollen hier angeblich beschrieben worden sein - aber ich könnte - ohne Hilfestellung durch das Booklet - nicht zuordnen welcher Satz welche Jahreszeit verkörpern sollte - wenn man sie mir in willkürlicher Reihenfolge - sozusagen im Blindtest präsentierte. Und ehrlich gesagt - mit Booklethilfe ist es auch nicht viel besser
    Generell finde ich sie ärmer an Einfällen als dies bei der ersten der Fall war - und auch die Orchestrierung würde ich als "mittelmäßig" bezeichen, es fehlt jegliche persönliche Aussage, jegliches "Charkteristische"
    Aber vermutlich werden eingefleischte Liebhaber nordischer Musik das völlig anders sehen....
    Die Sinfonie ist auf der gleichen CD enthalten wie die erste - beim derzeitigen Verkaufspreis der CD stellt der Kauf aus Neugier kein allzugroßes Risiko dar....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Liebe Taminos,


    trotz meiner Enttäuschung mit den ersten beiden Sinfonien Natanael Bergs habe ich mir - der Vollständigkeit halber - auch die dritte Sinfonie des Schweden besorgt. Sie wurde von 1916 bis 1939 komponiert umd 1942 unter Carl Garaguly mit der Stockholmer Konzertvereinigung aufgeführt. Ob erfolgreich oder nicht, darüber schweigt das Booklet. Kurt Atterberg (zugegeben einer seiner besten Freunde) äußerte sich sehr löblich über das Werk.


    Der erste Satz hat den Titel Mannen - zu Deutsch: Der Mann. Folgendes Programm wurde dazu gegeben: Das erste ist der stolze Kämpfer mit unbändiger Kraft und unbewussten Hang zur Übertreibung, für den es in den Schicksalsmomenten nur zwei Möglichkeiten gibt: siegen oder zerbrechen. Und er zerbricht.
    Der Satz beginnt mächtig, verebbt aber schnell und geht in ein aufstrebendes Motiv über, welches in einer kurzen Fanfare endet. Es kommt ein triumphierender, siegesbewusste Abschnitt, der m.E. sehr unästhetisch instrumentiert ist und ebenfalls verklingt. Nach einer ruhigeren Episode folgt ein ziemlich ungeordneter Krachteil, der ohne jegliche Fantasie komponiert wurde und sich nur zu steigern versucht. Trompetenfanfaren mischen sich unter die Klangmassen. Nach einem langen Orgelpunkt verdunkelt sich die Stimmung, bleibt aber mächtig im Klang und steigert sich - diesmal durchaus eindrucksvoll - zu einem dramtischen Höhepunkt, der ganz rapide Abbricht und den Satz mit zwei Orchesterschlägen unsanft beendet wird.


    Der zweite Satz Kvinnan - zu Deutsch: Die Frau hat folgendes Programm: Die Frau steht vor denselben Prüfungen, begegnet ihnen aber mit einer starken inneren Beherrschung, mit der Kraft, die alles nach außen gewandte Verhalten ablehnt und so den Raum für eine dritte Möglichkeit schafft: ihr Schicksal durch die eigene Hand umzugestalten. Und sie ist siegreich.
    Er beginnt lieblich und zart und weist einige hübsche Melodien auf und mündet in einen rhythmisch sehr interessanten, jedoch beherrschten Teil. Es steigert sich und man begegnet wie im ersten Teil auch, einem Kampf, den die Frau schnell aufzulösen scheint. Ein cantabiler, fast religiös anmutender Abschnitt beendet das Werk.



    Wie auch von den ersten beiden Sinfonien, bin ich auch von diesem Werk nahezu überhaupt nicht angetan. Der erste Satz ist ein schlechter, fantasieloser Strauss - zwar mit Anklängen an seine Instrumentation, jedoch beiweiten nicht so gelungen. Der zweite Satz ist schon besser gelungen, aber auch kein Meisterwerk. Das Programm wurde teils gut umgesetzt. Im Dreigespann der wichtigsten schwedischen Komponisten zwischen 1900 und 1950 mit Ture Rangström, Kurt Atterberg und ihm, Natanael Berg, ist er zweifellos der langweiligste, unkreativste, unschwedischste der Komponisten. Zu seinen Aufnahmen kann ich trotz der guten Ausführung keine Kaufempfehlung geben.


    Beste Grüße
    Christian


  • Leider war ich von der so eindrucksvoll beschriebenen Aufnahme ( siehe JPC-Beschreibung ) ziemlich enttäuscht.


    ;) Ist klar, die wollen ja ihre cpo-CD´s auch verkaufen.
    Danke Christian,
    für die INFO, Deine Höreindrücke, die zugleich eine Vorwarnung für das ist - was man nicht braucht.
    Ohne Tamino hätte ich den Namen N.Berg nie wahrgenommen - vollkommen unbekannt - warum wohl ???



    Bei cpo gibt es wirklich Leckerbissen zu entdecken; dann kommt die vorbildliche Aufmnachung der cpo-CD´s mit ihren ausgezeichneten Textheften dazu. Aber es sind auch trotzdem massig "Langeweiler der ersten Klasse" dabei -> Hier offenbar auch mal wieder !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Also ich würde den schwedischen Berg nicht so schnell abtun, wenngleich mir die programmatischen Ungetüme in der Beschreibung auch nicht zusagen. Die würde ich beim Hören versuchen, zu ignorieren. Rein musikalisch sind da viel Substanz, Einfallsreichtum und rasante Wendungen. Im Zusammenhang mit der 3. Sinfonie war die Rede davon, dass der erste Satz ein "schlechter, fantasieloser Strauss" sei. Diesen Ansatz und diesen Vergleich würde ich so nicht wählen, weil er den Zugang zu Berg verstellen kann. Vergleiche, zu denen wir wohl alle schnell neigen, sind immer schwierig, weil sie auf Kosten der einen oder der anderen Seite gehen. Wobei ich auch nicht weiß, was "schlechter, fantasieloser Strauss" denn sein soll.


    Kurz: Es gibt auch positive Eindrücke.


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Lieber Rheingold,


    natürlich hast Du recht, nicht alles ist schlecht und wage zu behaupten, dass ich dies auch in meinem Beitrag klargemacht habe. Letztendlich fehlt mir bei der Musik aber das, was Alfred auch bereits bei der zweiten Sinfonie beklagte - das Charakteristische. Es gibt auch nach dem dritten Anhören nichts, bei dem man sagen kann - ja, das ist N. Berg. Sein Formempfinden finde ich schlichtweg ungenügend, Themen werden meist nicht verarbeitet und nur lose aneinander gereiht - leider sind die meisten der Themen eben auch nichts besonders, es schwingt keine Genialität mit. Einfallsreichtum ist zwar da, wird aber zumindest in meinem Empfinden schlecht in das Konstrukt eingebettet. Die Instrumentierung ist ja gut gelungen, oft ist es aber einfach überinstrumentiert - was Strauss (meine Argumentation war da größtenteils auf die Instrumentation angelegt) trotz eines massigeren Orchesterapperats einfach eleganter und transparenter löst. Insbesonders der erste Satz hätte durch verzicht des Tamburins und der teils unangenehm übermäßig repräsentierten Holzbläser (wohlgemerkt mehr als forte spielend) gewinnen können.


    Berg selber ist auch heute in Schweden gänzlich unbekannt, während man sich an die größeren Komponisten seiner Zeit wie Atterberg und Rangström gut erinnert. Viele seiner Werke wurden auch nur aufgeführt, weil sich seine Freunde Atterberg und Rangström ihrer erbarmten. Sie sahen es als Ziel, mit ihrem romantischen Idealismus, die moderne Musik aus Schweden zu verdrängen. Gerade Atterberg führte daher in seiner Funktion als beliebter Gastdirigent diese auf - vielleicht übersah er aufgrund des gemeinsamen Weltbilds die musikalische Qualität der Werke. Jedenfalls sind Aufführungen Bergs nach Rangströms Tod (auch er war Dirigent) und Atterbergs zurückgehende Dirigierverpflichtungen stark zurückgegangen. Nur seine Freunde sind noch heute auf den Spielplänen zu finden. Meiner Meinung nach (und ich bin ein eingefleischter Freund skandinavischer Musik) mit Recht. Wer sich jedoch auch an seiner Musik erfreuen kann, umso besser! Dann hat Berg ja doch bei einigen mit seiner Musik etwas berühren können.


    LG
    Chrissi