Kein armer Wandergesell - Der Komponist Eduard Künneke

  • Dank Operettenfan hatte ich jetzt Gelegenheit, die CD „Liselott“ mit Anny Schlemm mit einer Theateraufführung aus Heidelberg aus dem Jahre 2004 zu vergleichen. Dass die technische Qualität auf der CD schlecht sei, darauf wurde ich ja schon hingewiesen. Aber auch die Dialoge wirkten auf mich nicht sonderlich – offensichtlich empfand ich das Hörspielmäßige der Rundfunkbearbeitung mit der für die damalige Zeit üblichen Trennung zwischen Gesangs- und Sprechstimme irgendwie nicht lebendig. Dass das Stück richtig lustig ist, erschloss sich mir erst durch die Heidelberger Aufführung. Das Stück wird ja als Singspiel bezeichnet, und tatsächlich haben die Dialoge ein viel größeres Gewicht, wie das bei Operetten sonst üblich ist. Bei Volker Klotz kann man nachlesen, dass Künneke die ursprüngliche Operette „Die blonde Lieselott“ aus dem Jahr 1927 in ein Singspiel umgearbeitet und dabei Ensembleszenen rabiat ausgemerzt hat.
    Musikalisch ist die CD-Produktion mit Anny Schlemm trotz eingeschränkter technischer Qualität natürlich besser, schade nur, dass manche Titel nicht ganz ausgespielt werden. Besonders gefallen haben mir bei den Musiktiteln
    • Das zum Schlager gewordene „Glücklich am Morgen“
    • Das Duett „Soll mir die Frau gefallen“
    • Das rasante Apachenensemble
    • Das lyrische „Nun heißt es Abschied nehmen“
    • Und natürlich das köstliche Duett „Gräfin, dazu bin ich zu vornehm“
    Letzteren Titel habe ich ja auch als Mittschnitt in der Uraufführungs-Besetzung mit Hilde Hildebrand und Gustav Gründgens.


    :) Uwe

  • Da ich die konzertante Aufführung des WDR vom Juni 2011 leider verpasst hatte, kannte ich diese Operette nur von einem früher oft gehörten großen Operettenquerschnitt. Es ist ja schon ungewöhnlich, dass es von Künnekes populärster Operette (neben dem Vetter aus Dingsda) keine Gesamtaufnahme gibt. Jetzt wurde mir eine Produktion des MDR aus dem Jahre 1948 „zugespielt“ (hierzu nochmals ein großes Dankeschön). Mir fiel gleich auf, dass es sich ja eigentlich um eine reine „Schlageroperette“ handelt, etwa im Stil Paul Abrahams, nur, wie ich finde, besser und lustiger.


    Nachlesend bei Volker Klotz konnte ich entnehmen, dass sich Künneke, wie schon ein halbes Jahr zuvor bei seiner Neubearbeitung der „Lieselott“ bewusst umorientiert hatte:


    Zitat

    …fort von der opernhaften Großarchitektur weit gespannter Ensembleszenen und wuchtiger Chorauftritte; hin zu knappen Chansons; zu prägnanten Tanzliedern und Liedtänzen, die nur selten hinausgehen über die Dimensionen eines Terzetts. Künneke nähert sich so den zeitgenössischen Neigungen zum sparsamen musikalischen Lustspiel einerseits , zur reihenden Bilderrevue andererseits.


    aus Volker Klotz: Operette


    Mit dieser Anpassung an den Zeitgeschmack hatte Künneke dann offensichtlich mehr Erfolg als mit seinen vorangegangen Operetten, wenn man vom Vetter aus Dingsda mal absieht.


    :) Uwe

  • heute vor 60 Jahren gestorben:



    Eduard Künneke (* 27. Januar 1885 in Emmerich; † 27. Oktober 1953 in Berlin) war ein deutscher Operettenkomponist. Er war seit 1920 in zweiter Ehe verheiratet mit der Sopranistin Katharina Garden (1889–1967), gemeinsame Tochter ist die Schauspielerin und Sängerin Evelyn Künneke.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die lockende Flamme
    Operette von Eduard Künneke,
    Uraufführung am 27.12.1933 Theater des Westens Berlin
    mit Heinrich Rehkemper • Adele Kern • Edith Schollwer • Kurt Vespermann • Karl Joeken • Josefine Dora • Eugen Klöpfer,
    Dirig. Franz Marszalek



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Eduard Künnecke wurde am 27. Januar 1885 geboren.


    Heute ist sein 130. Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Willis Erinnerung an Eduard Künnecke bringt mir ein Stück in Erinnerung, das mit das Allerliebste von ihm ist - allerdings nur in dieser einen Interpretation durch die blutjunge Anneliese Rothenberger:


    "Künstlerball bei Kroll" aus DIE LOCKENDE FLAMME



    Die Aufnahme entstand 1950 mit dem Hamburger Rundfunkorchester unter der Leitung von Wilhelm Stephan. In vorzüglicher Klangqualität ist sie auch auf dieser Box zu hören:



    Überhaupt sind diese gut drei Minuten für mich eines der rasantesten Operettendokumente. Die Rothenberger setzt ein Feuerwerk in Gang. Sie rast atemlos durch das Couplet mit einer Textmenge, die selbst Wotans Walküre-Monologe in den Schatten stellt. Sie ist frech, lästert unverschämt. Niemand ist vor dieser scharfen Zunge sicher. Eine ganze Gesellschaft bekommen ihr Fett weg. So frei und unverstellt habe ich sie nie wieder gehört. Einfach hinreißend. Wer mitlesen will, bitte schön!


    Künstlerball bei Kroll


    Ganz Berlin ist heut in Rage,
    heut ist Künstlerball bei Kroll.
    Und es gibt keine Etage,
    wo nicht alles gänzlich toll.
    Gern vergisst man alle Plage,
    alles hat den Kopf heut voll,
    denn es ist nich alle Tage
    großer Künstlerball bei Kroll.


    Schon am Morgen sagt Herr Lehmann -
    allbekannt als guter Eh´mann -
    seiner Gattin Wilhelmine:
    "Frau heut ziehst Du an das Grüne
    mit den Spitzen an den Rändern
    und den himmelblauen Bändern.
    Und das Töchterchen Emilie,
    dieses Schosskind der Familie,
    freut sich auch schon ganz beklommen,
    dass se heute mitgenommen.


    Und so wird im Haus gebügelt
    und geplättet und gestriegelt.
    Und die Bänder und die Rüschen
    und die Hütchen mit den Plüschen.
    Alles eh´der Tag geendet
    wird gerichtet und gewendet.
    Und der Frack, der altersschwache,
    von Hern Lehmann, feine Sache!
    Den zur Hochzeit er getragen!
    mit dem grünen Sammetkragen!
    Nur ein bisschen anzustrengen
    um den Bauch hinein zu zwängen
    und dann noch ein bisschen putzen
    und das Haar ein wenig stutzen
    Möcht´es heute mal probieren
    ob´s noch geht mit dem Poussieren


    Weil Herr Lehmann reich erfahren
    in den allerbesten Jahren.
    Schaut die Alte nur mal fort
    zwickt er selbst noch hier und dort


    Und Emilie denkt mit Bangen
    und mit glühend heißen Wangen:
    "Was wird heute sich begeben?
    Werd ich wohl etwas erleben?"
    Nimmt auch nach der Mutter Rat
    heut´ sogar ein warmes Bad.
    Und so geht man hoffnungsvoll
    auf den Künstlerball zu Kroll.


    Und da sitzen sie nun alle
    auf dem schönen Künstlerballe
    und Frau Lehmann sitzt mit Tanten
    und mit sonstigen Verwandten
    im Gespräch mit der Frau Linde
    mit Frau Müller und Frau Stinde.


    Seh´n se da die dicke Meier,
    ach mit der ist´s nicht geheuer,
    dies Gehabe, dies sich Geben
    keiner weiß, wovon die leben.
    Und der Fleischer sagte neulich:
    "Diese Meiers sind abscheulich!"
    Und der Bäcker will den Lumpen
    absolut nun nichts mehr pumpen.
    Wartet auf sein Geld geduldig.
    auch die Miete sind se schuldig.


    Ja und das Kleid!
    Ich muss schon sagen,
    nein, wie kann man sowas tragen?
    Grün und weiß und drauf was Blaues,
    wie´s Gefieder eines Pfaues!


    Und der Schmuck!
    So große Dinge!
    Falsche Broschen, falsche Ringe!
    Mit den Meiers, man soll schwören,
    kann man wirklich nicht verkehren.
    Dass wir uns was leisten können,
    das wird die uns niemals gönnen.
    Wird vor Neid nur immer gelber!
    Stille! Psst! Da kommt se selber!


    Liebste Freundin, ach Frau Meier,
    auch heut auf der Künstlerfeier?
    Möchten Sie sich nicht bequemen,
    hier ein wenig Platz zu nehmen.
    Stören wir?
    Ach Gott, es wäre,
    s ´ist uns wirklich eine Ehre
    und die reizende Toilette,
    wohl die neu´ste Mod´? Ich wette!


    Seh´n se da die Schulze schweben,
    keiner weiß, wovon die leben!
    Seht Euch an das gelb Gesicht,
    doch die Miete zahl´n se nicht.


    Und inzwischen tanzt Emilie,
    dieses Schoßkind der Familie,
    mit dem hübschen, jungen Fritze.
    und der macht so gute Witze.
    Und er drückt sie inniglich,
    so beim Tanzen fest an sich!
    Und sie sagt: "Ach nee mein Bester!"
    Und da drückt er sie noch fester.
    und am Schluss, eh man´s geglaubt,
    hat er ihr ´nen Kuss geraubt!
    Na da wurd´ se aber bös´!
    "Das ist wirklich skandalös
    und das verbiet´ich, daß Sie´s wissen!"
    Und da ließ sie sich noch zweimal küssen!
    Und Herr Lehmann kneift vergnüglich,
    amüsiert sich ganz vorzüglich
    und die alten Tanten klatschen
    mit Frau Lehmann da und tratschen
    lustig fort bis morgen Früh!
    Ach so herrlich war´s noch nie!


    Ganz Berlin ist heut in Rage,
    heut ist Künstlerball bei Kroll.
    Und es gibt keine Etage,
    wo nicht alles gänzlich toll.
    Gern vergisst man alle Plage,
    alles hat den Kopf heut voll,
    denn es ist nich alle Tage
    großer Künstlerball bei Kroll.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mir gefällt das Lied ebenfalls sehr gut und auch ich habe Anneliese in Operetten nie wieder so singen gehört. Ihre Interpretation ist ein gutes Beispiel dafür, dass manche Operettenlieder eben mit der Sprechstimme und nicht mit der ausgebildeten Opernstimme gesungen werden müssen. Und leider hat Anneliese Rothenberger dies in ihren späteren Jahren nicht mehr beherzigt.


    :) Uwe

  • Gerade hörte ich ein schönes Duett aus "Zauberin Lola". Gesungen von Friederike Sailer und Fritz Wunderlich. Eine Operette, von der man wenig mehr hört.

    W.S.