Vor wenigen Tagen wurde hier an seinen 123. Geburtstag erinnert, aber ich fürchte, auch sein 125. in zwei Jahren wird nicht genügen um an einen der originellsten und besten Operettenkomponisten deutscher Sprache zu erinnern, der zwar wegen einiger Evergreens (z. B. "Ich bin nur ein armer Wandergesell" aus seinem erfolgreichsten Werk, DER VETTER AUS DINGSDA), kaum aber mehr wegen seiner zahlreichen kunstvollen Operetten bekannt ist, die zum Besten gehören, was uns das letzte Jahrhundert in dieser Gattung seit Lehars LUSTIGER WITWE und dem GRAF VON LUXEMBURG sowie den Werken von Oscar Straus beschert hat. Es ist aber auch kein Zufall, dass Straus und Künneke gerne mit einem der besten deutschen Librettisten zusammen gearbeitet haben (und dieser mit ihnen). Die Rede ist natürlich in aller Bescheidenheit von Rideamus, dem Texter des VETTER AUS DINGSDA und EHE IM KREIS. Da ist es mir doch eine Verpflichtung ihm hier wenigstens den überfälligen Thread zu widmen.
Fangen wir mit dem Wesentlichen an, seinen Lebensdaten:
Geboren wurde Eduard Künneke als Sohn eines aus Friesland stammenden Buchhalters am 27. Januar 1885 im niederrheinichen Emmerich. Schon zu seinem Studium an der Hochschule für Musik, wo er Klavier und Komposition studierte und, wie schon gesagt, meisterschüler von Max Bruch und, bezeichnenderweise, Oscar Straus war, verschlug es ihn nach Berlin, wo er nach verschiedenen Tätigkeiten als Korrepetitor u.ä. Kapellmeister an Max Reinhardts Deutschem Theater wurde. Dort schrieb er auch Schauspielmusiken, u. a. für Goethes FAUST II und eine Aufführung von Calderóns CIRCE mit der jungen Tilla Durieux. Eine erste Oper blieb unvollendet, aber mit der 1909 in Mannheim uraufgeführten, komischen Oper ROBINS ENDE um den englischen König Charles II und dessen Pächter Robinson, genannt Robin, landete er seinen ersten großen Erfolg, dem er es verdankte, dass er fortan als freier Komponist tätig sein konnte. Auch seine nächste Oper, COUR-AS von 1913 war ein Erfolg. Dann aber unterbrach der Erste Weltkrieg seine Karriere, und er musste sich, deshalb eigens vom Militär freigestellt, als Dirigent u. a. von Bertés DAS DREIMÄDERLHAUS verdingen. Bei dieser Gelegenheit kam er auf den Geschmack der Operette, auch wenn er sein nächstes Werk, DAS DORF OHNE GLOCKE noch als Singspiel bezeichnete. Dieses rührselige, stark von Berté beeinflusste Werk wurde ein Riesenerfolg, der Künneke später aber eher peinlich war, auch wenn er noch länger von den Tantiemen von beliebten Melodien wie "Ein Dorf ohne Glocke, ein Herz ohne Lieb' gut leben konnte.
Lange blieb er aber darauf nicht angewiesen, denn schon 1921 läuteten ihm nicht nur Glocken, sondern die Riesenerfolge von DER VETTER AUS DINGSDA und DIE EHE IM KREISE nach Büchern des genannten Rideamus sein goldenes Jahrzehnt ein, während dem er mit Operetten wie LADY HAMILTON (1926), DER TENOR DER HERZOGIN (1930), LISELOTT (1931) und GLÜCKLICHE REISE nicht nur einen Großerfolg nach dem anderen, sondern auch künstlerische Höhepunkte der Operette schuf. Im sogenannten DRitten Reich, mit dem er wenige Kompromisse einging, wurde er zwar seiner Popularität wegen beschäftigt, aber wegen seiner Ehe mit einer Jüdin, zu der er stand, wenig gefördert. So wandte er sich wieder klassischeren Stoffen zu und vertonte E.T.A. Hoffman (DIE LOCKENDE FLAMME, 1933), Charles Dickens (KLEIN DORRIT, 1935) und Carlo Gozzi (HOCHZEIT IN SAMARKAND, 1937). Daneben schrieb er auch Instrumentalmusik, etwa ein Klavierkonzert, und etliche Ouvertüren. Seine letzte und wohl Zu Recht vergessene Operette war die 1949 uraufgeführte HOCHZEIT MIT ERIKA.
Dank der Popularität seiner Melodien konnte er es sich leisten, seinen Hobby nachzugehen, die er ohnehin stets mehr liebte, als das ARbeiten am Klavier. So verbrachte er Jahre damit, das englische Opus BEOWULF zu übersetzen, wofür ihm die Universität Marvburg die Ehrendoktorwürde verlieh, und sich Spezialthemen wie der indischen Religionsphilosophie oder der Kultur der Sumerer zu widmen, aber auch Fragen des Urheberrechts zu studieren und sich für die Rechte von Komponisten einzusetzen.
Künneke starb am 27. Oktober 1953 in Berlin, aber sein Name blieb noch lange in aller Munde, da seine Tochter Evelyn Künneke das ihre tat, ihn nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Seine Kompositionen, von denen hier hoffentlich noch sehr viel detaillierter die Rede sein wird, beeindrucken durch ihren spielerisch-progressiven Einsatz amerikanisch beeinflusster Rhythmen und Klangfärbungen, die er immer wieder höchst innovativ zu orchestrieren wusste. So komponierte er LADY HAMILTON für ein Orchester mit Saxophonen anstelle der zweiten Violinen. Leider wurden viele dieser Neuerungen später von dem Operettendirigenten Franz Marszalek nivellierend überarbeitet, so dass wir seine Werke fast nur noch mit konventioneller Besetzung im seichten Stil gewöhnlicher Operetten mitsamt den offenbar zwangsläufig dazu gehörenden Albernheiten und Sentimentalitäten zu hören bekommen, jedenfalls in den wenigen Aufnahmen, die heute noch greifbar sind.
Soviel erst mal zur Einführung, für die ich auf Texte aus den Lösungsthreads meiner Rätsel zurück griff. Die werden auch das Kernstück der beiden ersten Stücke sein, die ich hier kurz vorstellen werde, wobei ich den VETTER AUS DINGSDA als sein bekanntestes Stück bewusst Euch überlasse, nachdem Ihr hoffentlich diese beiden Links schon gelesen habt:
DER VETTER AUS DINGSDA
und
Der Vetter aus Dingsda am 6.10.2007 in Wiesbaden
Jacques Rideamus