Premiere Aida München - Eindrücke von der GP

  • Hier bin ich einmal wirklich unsicher.


    Also formal finde ich die Inszenierung fabelhaft – perfekt. Ich habe noch nie eine so geniale Handhabung der Drehbühne gesehen. Die Personenführung ist stimmig dezidiert einstudiert – vielleicht hängen die Sänger in den Duetten zu sehr aneinander (ich wäre hier mehr für gelegentliche „szenische Kontrapunkte“, dass man also nicht eng umschlungen aneinanderhängt, sonder Wege von und zueinander findet), aber das ist Gemecker auf hohem Niveau.


    Das Bühnenbild trifft atmosphärisch genau die Situation, eigentlich durchaus abstrahierte Pyramiden, die Kostüme sind nicht historisierend aber auch nicht modernistisch, sondern gekonnt heutig zeitlos mit historischen Zitaten. Ebenso gibt die Beleuchtung ideale Kommentare zu Szene.


    Musikalisch war es für mich ebenfalls ausgezeichnet – nicht in großem Pomp, sondern ein flotter Verdi mit verhaltenen musikalischen Strukturen, also wirklich die Inszenierung durchdringend.
    Auch auf hohem Niveau kritisiert, war der Tenor nicht ganz auf dem Weltniveau der andern Sänger, Aida war krank und hat nur markiert.


    Der Triumphmarsch begann in neuer Sichtung toll – wurde dann aber mit der Zeit doch etwas gewollt. Die Farbdramturgie ist nicht meine Sichtweise (hier empfand ich viel Gutes beim Freischütz vom Wilson aus Baden – Baden), aber auch gut und dramaturgisch stimmig gewählt, Schwarz, Weis, Grau , Gold im Wesentlichen.


    Und nun mit eigentlich schlechtem Gewissen: Irgendwie und Irgendwann beschlich mich doch der Eindruck, dass bei aller Qualität alles etwas zu synthetisch wirken könnte – zu glatt, zu routiniert? Es fehlten markante retardierende Momente, szenische Brüche, ich habe auch keine nachhaltigen interpretatorischen Ansätze erlebt – eigentlich war das Libretto schnörkellos umgesetzt worden – aber kann das nicht auch mal so sein?


    Ich denke es wird ein Erfolg – bin gespannt auf die heutige Premiere.

    Einmal editiert, zuletzt von Opernfreund ()

  • Auszüge aus einer Kritik - Das Publikum hat Regie und Dirigat massiv ausgebuht


    "Ein Buh für die Sterilität"

    "Die erwartete Überraschung bleibt aus: Christoph Nel inszeniert Aida an der Münchner Oper doch nicht revolutionär, sondern recht klischeebeladen Doch die Überraschung blieb aus. Die Aida von Christof Nel, der eigentlich für radikale Inszenierungen steht, kam dann doch sehr werktreu daher. Vom Klischee der Oper von Giuseppe Verdi entfernt Nel sich nur viertelherzig. Vieles fängt Nel nur an, ohne konsequent in der Durchführung zu sein. So suchen die Zuschauer zwar in dieser Inszenierung Pharaonen, Pyramiden und Elefanten vergebens und auch auf Pomp und Pappmaschee wird weitgehend verzichtet. Nel will sich stattdessen auf die Figuren konzentrieren. Doch die bleiben in der grauen, sterilen Umgebung recht farblos. Das Unternehmen gelingt deswegen nur halbwegs."


    Dem Publikum scheint die Inszenierung zum großen Teil nicht zu gefallen – insofern habe ich mich getäuscht – für mich eine interessante Erfahrung – gutes Regie-Handwerk ist hier wohl doch zweitrangig.

  • Hallo,
    Ich habe gestern Abend bei D-Radio Kultur um kurz nach elf eine Kruitik gehört und die klang äußerst gemischt. Die Inszenierung muss wohl den Premierenbesuchern sehr missfallen haben, Herr Nel wurde ausgebuht und auch die musikalische Ausführung wurde eher zwiespältig aufgenommen. Insbesondere die Tempi Daniele Gattis müssen den Sängern/Sängerinnen wohl Probleme bereitet haben, auch er soll durchaus Buhs kassiert haben.
    Leider ist mir der Name der Amneris, eine Russin wohl, nicht mehr gegenwärtig, ihre Interpretation soll der Höhepunkt des Abends gewesen sein.Salvatore Licitra als Radamés habe sich wacker geschlagen wurde vermeldet und die Aida, eine junge Amerikanerin,sei untergegangen....auch weil Personenregie wohl nicht stattgefunden habe und sie wohl überfordert gewesen sei.


    Mal wieder ein Grund, nicht nach München zu fahren!


    LG
    Fides :D

    La vita è bella!

  • Nels Inszenierung hatte nicht einmal Stadttheaterniveau, was eigentlich eine Beleidigung für viele gute deutsche und österreichische Stadttheater ist.


    Ich habe ja keine Sehnsucht nach Nels früheren Regieuntaten. Aber das war genau das andere Extrem: bieder, langweilig, keine Personenführung, verstaubte Operngesten etc. etc. Und dafür wurde ein sog. "Regieteam" von gleich 7 Personen bezahlt.

  • Ich tröste mich mit der Aida aus dem Liceu. Die wurde vor lurzem im Kino übertragen. Bin noch immer im Aida-Rausch. Wieder hat sich für mich bestätigt, dass ich gemalte Kulissen in ihrer ganz eigenen Ästhetik über alles liebe:-) Diese Farben!!!! Diese optischen Tricks!!!!


    "http://www.youtube.com/watch?v=jvksJpmWJiU


    "http://www.youtube.com/watch?v=DLPnnsy6_...re=channel_page


    "http://www.youtube.com/watch?v=xEWkx0llOUU

  • Nur der Vollständigkeit halber hier die Besetzungsliste der Münchner AIDA:


    Aida - Neuinszenierung
    von Giuseppe Verdi
    Libretto: Antonio Ghislanzoni nach Camille du Locle
    In italienischer Sprache mit deutschen Übetiteln


    Besetzung:


    Musikalische Leitung Daniele Gatti
    Inszenierung Christof Nel
    Bühne Jens Kilian
    Kostüme Ilse Welter-Fuchs
    Choreographische Arbeit Valentí Rocamora i Torà
    Chöre Andrés Máspero
    Dramaturgie Olaf A. Schmitt


    Amneris Ekaterina Gubanova
    Aida Kristin Lewis
    Radamès Salvatore Licitra
    Ramphis Giacomo Prestia
    Amonasro Marco Vratogna
    Der König Christian Van Horn
    Ein Bote Kenneth Roberson
    Eine Priesterin Angela Brower


    Bayerisches Staatsorchester
    Chor der Bayerischen Staatsoper


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich habe im Blog von "Opera Chic" folgende Anmerkungen zur Münchner Aida gefunden, die ich für sehr interessant halte -


    Aida, for all its Grand Opéra majesty, is a deeply personal work -- it's Verdi's most autobiographical opera, a very canny way for the embittered master to flesh out his relationship with Giuseppina, then burying it under the crazy concept of an ancient Egypt almost nonsensical plot. Therefore, in a way, anything that reeks of bombast misses ther point of Aida's true heart. And Daniele Gatti, new chief of Opernhaus Zurich -- he'll begin his tenure next January with Elektra, and Opera Chic is so going -- appeared last night to have understood perfectly the need to excavate Aida from the ruins of so many brassy, crass interpretations.


    Opera Chic was curious to check out Daniele Gatti's work, his idiosyncratic Verdi being always very interesting and deeply moving, like his misunderstood Don Carlo this past December that opened the season at la Scala.


    Gatti's Aida is a nocturnal work with a delicate soul, where notes begin with a whisper and slow tempi give the character's feelings time to breath -- and where voices aren't drowned under a torrent of merciless, military brass. Even in his "marcia trionfale" (with Egyptian trumpets, bravissimi) the Bavarian State Opera orchestra pierced your heart, not your eardrums.


    Unfortunately, such a delicately woven approach wasn't matched by Radames (a Salvatore Licitra who was once our great hope for Italian tenors and now is just a singer who delivers blunt performances with a blunt, powerful instrument) and Aida (Kristin Lewis, who gave moments of great emotional power but who needs to work on some serious legato issues -- she has amazing potential but one hopes she'll study more in the future -- unless she wants to find herself a female Licitra in a few years: a talented vulgarian). Amneris (Ekaterina Gubanova) soared above her colleagues with gorgeous singing and sensitive acting -- she's a treasure, and one wishes her the wonderful career she deserves (at age 30, she has already worked with so many great conductors -- they know she's the real thing). Christian Van Horn was simply flawless as the King -- despite some silly costume work that saddled him with something we hadn't seen before -- 15-inch platform gold pimpin' shoes that would have made the ODB proud.


    This would lead us to write about the director, designer and costumes -- will do later on the full review, though. Because when slaves are dressed up as the staff of L.A.'s Mondrian hotel during the Labor Day barbecue, and Radames looks like a gym rat with a Gladiator fetish, well, you really need to elaborate on all that.


    One simply has to record that, predictably, the opening night crowd uncomprehendingly cheered all the singers (including Licitra, who got better as the production went on but started out with a "Celeste Aida" so jumpy that la Scala would have booed him off the stage -- poor Roberto Alagna in 2006 was massacred for much, much less), then the audience booed the production team, and mixed applause and a substantial round of boos were administered to the exquisite conductor. Because if someone expects spaghetti and meatballs (as they think those constitute real Italian cooking) and you deliver them splendid, actual Italian three-star food, they won't like it. They want the greasy tomato sauce and the processed, fake Parmesan and by God they'll have it.

    Hear Me Roar!

  • Tja, damit wäre dann ja wohl Alles...oder nur Vieles? gesagt. Insbesondere zu Herrn Licitra fällt mir nur wenig ein. Der Mann hat zwar Stimme aber das war's dann auch schon und das reicht nicht.
    Interessant ist auch das, was auf der gleichen Seite (opera chic) zur gestrigen "Traviata" geschrieben steht, doch gehört das nicht hierher.


    LG
    Fides

    La vita è bella!