ZitatOriginal von John Doe
Muss man das überhaupt? Oder anders gesagt, für welche Altersgruppe haben denn Bach, Beethoven, Bruckner und Berio eigentlich komponiert?
Jedenfalls nicht nur für die, die älter sind als Schubert oder Mozart überhaupt wurden...
Zitat
Meines Erachtens spiegelt die Akzeptanz der Klassik innerhalb der Gesellschaft auch die Einstellung der selbigen zu den unterschiedlichen Altersstufen wieder. Wenn sich eine Gesellschaft "for ever young" an die Brust heftet und sich einer hemmungslosen Verherrlichung der Jugend hingibt, dann bleibt dem mittelalten, mittel gebildeten Michel Deutsch doch gar nichts anderes über, als sich auf jung zu trimmen und sich Mickey German zu nennen.
sorry, poor old Germany...
Klar: Das Marketing behandelt Erwachsene nicht groß anders als Jugendliche, weil bei Mode, Popkultur, letztlich fast überall der "Jugendwahn" herrscht (ob die Bezeichnung dann noch passt, ist eine andere Sache...).
Es müsste hier Untersuchungen geben. Ich meine, sowohl gelesen zu haben, dass sich wesentliche (auch musikalische) Präferenzen bis Anfang 20 festigen als auch, dass ungeachtet dessen nicht so wenige Hörer noch zwischen Anfang 20 und Mitte 30 zur klassischen Musik kommen. Vielleicht weil sie feststellen, dass viele Popmusik letztlich uninteressant ist oder jedenfalls, dass Klassik andere ästhetische Erlebnisse bieten kann.
Bei aller berechtigten Kritik muss man wohl auch einräumen, dass die Marketingfritzen nicht zu beneiden sind. Was bleibt ihnen denn anderes als sich am Starkult der Popmusik zu orientieren? Das Repertoire ist doch fast immer hinlänglich bekannt und in hervorragenden Interpretationen abgedeckt. Auch wenn eine neue Einspielung tatsächlich neue Aspekte aufdecken kann, handelt es sich hier fast immer um Subtilitäten, die höchstens dem Kenner zugänglich sind. Man muss sich also (und das war bei Karajan kaum anders) auf den Interpreten verlegen und den oder die als etwas Außerordentliches anpreisen.
Wie irgendwo schon gesagt wurde, haben wir inzwischen ja schon zwei oder drei Generationen, für die klassische Musik keine besonders große Rolle spielt. In der Generation meiner Eltern (*1940-45) gehörte selbst bei solchen ohne bildungsbürgerlichen Hintergrund ein gewisses Interesse an den bekanntesten Opern und Konzertstücken dazu, sozusagen parallel zum sozialen Aufstieg vom Arbeiter/Bauern und Kleinbürgertum in die Mittelschicht. Was man eben in einem gemischten Theaterabbonement der frühen 1960er mitbekommen hat, dazu Platten mit Wunschkonzert und Querschnitt. Das galt aber damals schon nicht für alle und für die Kinder und Enkel dieser Leute noch weniger. Nicht nur Bildungssystem, sondern auch die Industrie haben demnach schon einige Jahrzehnte gepennt.
Wie einige andere hier habe ich Mitte/Ende der 1980er noch die Reihe "Große Komponisten und ihre Musik" mitbekommen, wenn auch hauptsächlich über einen Freund, der sie fast komplett hatte, als ich begann, mich für Klassische Musik zu begeistern. Ich weiß nicht genau, wer diese Reihe herausbrachte, die Aufnahmen stammten aus den Backkatalogen von Universal und war an Kiosken usw. realtiv preiswert erhältlich. Die LPs oder MCs waren mit einem farbigen, sehr ausführlichen Beiheft (DinA4 oder so), das nicht nur kulturhistorische und biographische Hintergrundinformationen, sondern auch für Einsteiger außergewöhnlich anspruchsvolle Analysen der Musik enthielt.
Solch ein Versuch der "Volksbildung" und nicht anbiedernden Popularisierung erscheint mir heute unglaublich und wie aus einer anderen Zeit (wie überhaupt die 1980er, was an meinem Alter liegen mag...).
Ich weiß allerdings nicht, wie erfolgreich das war und ob es eh nur von Bildungsbürgerkindern gekauft (oder ihnen geschenkt) wurde. Zielgruppe waren keineswegs Jugendliche, das ganze war wie gesagt, sehr solide und seriös. (Platten für Kinder, auf denen Karl-Heinz Böhm Mozarts Lebensgeschichte erzählt, gab es natürlich außerdem noch)
JR