Wieso und wodurch ist Musik in der Lage Gänsehaut zu erzeugen

  • Warum zum Beispiel spricht mich die "Nachtszene" Symphonie "Romeo et Juliette" von Hector Berlioz besonders an? Dazu lese ich bei Leonard Bernstein:


    Also benützt Berlioz viermal sovie chromatische Töne als Mozart. Aber gerade diese Häufung chromatischer Töne verleiht der "Romeo"-Melodie ihren geheimnisvollen Doppelsinn und färbt sie mit romantischer Sehnsucht."


    Nun, hier in diesem Fall ist es eben dieses kompositorische Spiel mit der Chromatik, das Berlioz ganz bewusst einsetzt.


    Nachvollziehbar - da ist zufälligerweise das nämliche Gefühl für ein Musikstück bei Bernstein vorhanden und man hat mit ihm eine Kapazität anhand, die über jeden Zweifel erhaben ist.


    Bernstein ist ein hervorragender Dirigent und Komponist, seine Interviews und Musiksendungen mit seinen Wortbeiträgen habe ich gerne gesehen.


    Aber wenn ich es nun mal überspitzt ausdrücke: Bernsteins Gefühl (nicht seine Musikinterpretation!) ist mir ziemlich schnuppe.
    Ich bin der "zweitebass" und damit "Gottseidank" ein einmaliges, unverwechselbares Geschöpf, was auch mein Empfinden und Gefühl betrifft - welche Gefühle oder "Gänsehaut" ein Musikstück bei mir auslöst ist genauso einmalig und nur für mich typisch.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Das ist einerseits natürlich unbestreitbar richtig.
    Andererseits gibt es aber natürlich auch STücke und Stellen, bei denen die meisten Menschen zumindest ähnlich reagieren.
    Demnach wird es schon Mechanismen geben, die, wenn nicht allgemeingültig, so doch üblich sind.
    LG
    Klaus :hello:

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Zit.: "Ich bin der "zweiterbass" und damit "Gottseidank" ein einmaliges, unverwechselbares Geschöpf, ..."

    Also, - erstens ist es schön, dass das so ist. Zweitens bezweifelt das überhaupt niemand hier. Und drittens: Was aber soll denn aber mit dieser - sicher bemerkenswerten! - Feststellung überhaupt zur Fragestellung dieses Threads beigetragen werden?


    Das Beispiel der Berlioz-Symphonie "Romeo et Juliette" wurde gewählt, um an einem Beispiel eine Antwort auf die Frage zu geben, mit welchen Mitteln Musik Gefühle zu evozieren und damit den Menschen emotional anzusprechen vermag. Es wurde an keiner Stelle behauptet, dass dieses Angesprochenwerden-Können übersubjektive Gültigkeit beanspruchen darf. Das "unverwechselbare Geschöpf zweiterbass" wurde also in gar keiner Weise mit Beschlag für die Beweiskraft dessen belegt, was zu diesem musikalischen Beispiel unter Zuhilfenahme von Leonard Bernstein ausgeführt wurde.


    Berlioz wurde gewählt, weil er einer von den Komponisten ist, die ganz bewusst das evokative Potential, das im Klang steckt, auszunutzen versuchte, eben um - Fragestellung des Threads! - den Menschen als Hörer seiner Musik über die "Gefühlsschiene" zu erreichen. Er experimentierte regelrecht mit dem Orchester und einzelnen Instrumentengruppen. So fasste er die Bläser zu einzelnen Gruppen zusammen und positionierte sie an unterschiedlichen Stellen, setzte das Saxophon als Instrument ein und teilte auch die Streicher in einzelne Gruppen auf.


    Ich wollte mit diesem Beitrag kein Beispiel für subjektives Berührtsein von einer bestimmten Musik hier darstellen. Ich versuchte, eine Antwort auf die Fragestellung dieses Threads zu geben, indem ich auf einen bestimmten Komponisten Bezug nahm. Nur so kommen wir nämlich, meine ich, in diesem Thread weiter, - auf dem Weg über das konkrete Beispiel.


    Übrigens:


    Wenn dieses Angerührt-werden-Können durch Musik ein solch absolut subjektiver Vorgang sein sollte, wie zweiterbass dies in seinem Beitrag reklamiert, dann muss Berlioz ein Narr gewesen sein. Denn der ging natürlich davon aus, dass er mit den klanglichen Mitteln seiner Komposition einen ganz Konzertsaal zu erreichen in der Lage ist. Oder zumindest eine große Gruppe von Zuhörern darin. Diese These von der absoluten Subjektivität scheint mir, nach all den diesbezüglichen Erfahrungen, die dazu vorliegen, nicht haltbar zu sein!

  • Demnach wird es schon Mechanismen geben, die, wenn nicht allgemeingültig, so doch üblich sind.


    Ja, wie schon gesagt, der Komponist muss es schaffen, eine Erwartung aufzubauen und dann die Spannung beim Hörer mit einer raffinierten Auflösung zu überrasschen. Die Musik kitzelt den Zukunftssinn (David Huron Sweet Anticipation, siehe hier). Das klappt leider nicht immer.


    Daraus folgt für mich aber noch eine andere Frage:
    Wir reden die ganze Zeit nur über den Hörer - seine Erwartungen und sein Überraschtsein, wenn die Musik "gut" ist. Wie ist das aber beim Interpreten ?
    Der Interpret kennt das Stück, das er spielt, unter Umständen auswendig. Was ist der Reiz des selbst Musik-Machens, wenn dieses Überraschungsmoment fehlt und wenn man das Stück schon x-mal gespielt hat ? Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass selbst zu musizieren sehr viel Spaß macht. Gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Musik bei einem passiven Hörer und bei einem Musiker auslöst?
    ?(

  • Überforderst Du uns mit Deiner fett gedruckten Frage am Ende Deines Beitrages nicht, lieber seicento? Ich zum Beispiel bin kein aktiver Musiker und wüsste auf Deine Frage nichts zu antworten. Sie ist im übrigen auch nicht die Fragestellung dieses Threads.


    Das Zitat von Knut-Hagen, das Du an den Beginn Deines Beitrages gestellt hast, bestätigt übrigens meine Behauptung, dass die These von der absoluten Subjektivität des Angerührtseins von Musik, wie sie zweiterbass hier beharrlich vertritt, nicht haltbar ist.

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  • Andererseits gibt es aber natürlich auch STücke und Stellen, bei denen die meisten Menschen zumindest ähnlich reagieren.


    Hallo Knut-Hagen,


    in "maßlos übersteigerter Einschätzung, wie lesenswert meine Beiträge sind" gehe ich mal davon aus, dass Du meinen Beitrag Nr. 40 und dort die beispielhaft "ähnlichen Gefühlsausbrüche am offenen Grab" gelesen hast.


    Und wegen dem von Dir bezeichneten "zu mindest ähnlich reagieren" wären 1,2,3,4... Beispiele sehr hilfreich, entweder um meine Meinung zu revidieren oder wir mit dem Begriff "ähnlich" nicht weiterkommen.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo Zweiterbass!
    Gelesen hab ich alles, das wenigste auswendig gelernt ;)


    Wenn ich deine Anmerkungen richtig verstanden habe, dann gebe ich dir natürllich recht, dass es für jeden MEnschen bestimmte Dinge gibt, die ihn ganz besonders berühren und zwar aufgrund seiner persönlichen Geschichte. Das ist so und da beisst die Maus keinen Faden ab.
    Trotzdem gibt es ja etwas allgemeingültigeres daneben. Bei Bruckners 7. ist die Wahrscheinlichkeit immens groß, dass die meisten eine tiefe Melancholie empfinden und zwar in einem Maße, dass man von einem allgemeinen Phänomen sprechen kann und das so stark ist, dass man auch ein Gänsehautgefühl nennen kann.


    Hierbei so denke ich, ist es ganz ähnlich wie mit der Kreide auf der Tafel. Da reagieren wir ganz basal und auf einer deutlich unterrationalen STufe. Und so etwas wurde ja oben auch mehrfach gesagt, dass es auch bei chromatischen Tönen so sein könnte. Unser Hirn ist relativ leicht zu verstören und wir reagieren dann mit körperlichen Sensationen. Und bei solchen balalen Dingen sind wir uns alle äußerst ähnlich, Unterschiede und Persönlchkeitsmerkmale liegen weit höher. (Deshalb habe ich ja auch mehrfach darauf hingewiesen, dass wir bei Musik oft Reaktionen wie bei Gefahr zeigen).


    Diese beiden Ebenen darf man nciht verwechseln. Es gibt also m.E. einmal die basalen (instinktiven) Reaktionen und dann eben die persönlichen.
    LG
    Klaus


    Hallo Chrissy: Ingolstadt hat einen weiteren Punkt :cursing:

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ich habe einmal. weil zweiterbass auf seinen Beitrag Nr.40 bezug nimmt, zurückgeblättert, und bin dort auf diesen Satz gestoßen:


    "Wer meint, man könne die musikalische Wirkung auf Hörer katalogisieren/verallgemeinern, verkennt völlig die Tatsche, dass Emotion und deren Ursache sich nicht verallgemeinern lässt, sondern die individuellste Angelegenheit eines Menschen ist, die es gibt."

    Hier scheint mir der fundamentale Irrtum zu liegen.


    Die Rezeption von Musik, hier klassischer Musik, ist eben nicht nur(!) eine rein individuelle Angelegenheit, schon gar nicht, wie zweiterbass meint "die individuellste Angelegenheit eines Menschen". Das verkennt völlig, dass wir als Rezipienten von Musik Teil eines kulturellen und gesellschaftlichen Kollektivs sind. Wir nehmen Musik so auf, wie wir dazu sozialisiert worden sind. Und wir nehmen sie so auf, wie sie der Komponist uns vorgegeben hat. Auch darin sind wir nicht frei im Sinne absoluter Individualität


    Das ist eine Interaktion von Individualität und übergreifender Sozialität, die sich hier ereignet. Jeder, der einmal ganz bewusst das wahrgenommen hat, was sich in einem Konzertsaal ereignet, wenn er mit anderen zusammen die Aufführung eines musikalischen Werkes erlebt, weiß, wovon ich hier rede. Die dort Ánwesenden können gemeinsam(!) eine Art von Betroffenheit durch das musikalische Werk erleben. Dass es dabei indiviuelle Varianten der Betroffenheit gibt, ist selbstverständlich. Aber es gibt eben auch Gemeinsamkeiten! Mal abgesehen davon, dass auch in das musikalische Werk wowohl ganz subjektive, als auch übergreifend kulturelle Elemente Eingang gefunden haben.


    Die These der absoluten Subjektivität musikalischer Rezeption und der Reaktion darauf, wie sie zweiterbass hier vertritt, ist - ich wiederhole es - völlig unhaltbar, weil sie die realen Gegebenheiten nicht zur Kenntnis nimmt.

  • Auf die Gefahr hin, furchtbar zu nerven: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es bei Gänsehautstellen m.E. meist um archaische Sensationen gehen muss, darum, dass wir etwas erleben, was uns auf der Instinktebene anspricht. Da spielen persönliche Eigenheiten eine sehr untergeordnete Rolle.


    Das ist das Großartige an bewegender Musik: Dass mit unglaublicher Verfeinerung von intellektueller Technik das Animalische, Grundlegende unserer Seele angesprochen wird.


    Das, so denke ich, ist auch der Grund, warum wir uns manchmal angesichts so hoher Kunst als klein empfinden. Vielleicht weil hier Zeitloses dargestellt wird und wir angesprochen als Wesen, wie sie vielleilcht C.G. Jung gemeint hat, der von einem kollektiven Bewusstsein schrieb. In den ganz großen Momenten wird genau dies angesprochen, wir werden zurückgeworfen auf unser animalisches Sein, erleben es aber mit unserer Komplexen Erleb nisfähigkeit. Und die Kunst schafft es, diese beiden Komponenten zu verbinden. Kleinhirn und Großhirn werden wieder eins.


    Wahrscheinlich kann ich die Begeisterung, die ich empfinde, wenn ich dies schreibe, nicht wirklich mitteilen (weil ich Worte benutze und keine Musik). Deshalb noch ein weiterer Versuch: WEnn wir Gänsehautmusik hören, schafft es aufs Höchste verfeinerte Kultur, uns wieder zu Wesen zu machen, die von keiner Kultur verbogen wurden, sondern wieder in der Lage sind, einfach und rein zu fühlen.


    ---- Ach wie sehr wünschte ich mir, dass dieser mein Gefühlsausbruch Rezepienten fände. ----
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wenn mit Rezeption ein vom Rezipienten willentlich gesteuerter, von seiner Ratio selbst in Gang gesetzter Vorgang gemeint ist, so hat dieses Verständnis von Rezeption mit dem hier diskutierten Problem nichts zu tun.


    Wenn Helmut Hofmann in seinem (auf meinen folgenden Beitrag Nr. 25) Beitrag Nr. 26 darauf eingegagen wäre, in welcher Bedeutung - es gibt mehrere Sinninhalte - er den Begriff "Rezeption" verwendet, könnte u. U. manches Missverständnis vermeidbar gewesen sein.
    Wenn ich den Thead "Gänsehautstelle" richtig verstehe, geht es um einen rein emotionalen Vorgang, lange vor der Verarbeitung von Musik im Großhirn - und das hat keinen Bezug zu den von Helmut Hofmann oft gebrachten Einwänden (Neurologen usw. Ob er damit wohl auf Kriegsfuß steht? Ich habe im Hinterkopf die "Posttraumatische...", will sie aber gewiß nicht aufwärmen!!!)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • (Neurologen usw.

    da ist das Unwort schon wieder !

    Kein Neurologe wird jemals erklären können, warum eine solch chromatisch gefärbte Musik ... das Gefühl einer romantischen Entgrenzung ... zu bewirken vermag.

    Da wäre ich nicht ganz so optimistisch. Die Kanadier, auf die ich mich in Beitrag 10 bezogen habe, können schon sehr viel mehr als nur Hautwiderstände und Hirnströme messen. Die Wissenschaft macht riesige Fortschritte.
    Aber: Mir macht das auch ein bisschen Angst. Wenn die da wirklich noch mehr Fortschritte machen, dann könnte das dazu führen, dass man die Menschen mit Musik noch besser manipulieren kann. Nicht nur für die Werbebranche wäre das sehr interessant. Man sollte auf diese Neuro(bio)logen wirklich aufpassen :!: . Unsere Gänsehäute bieten ihnen ideale "Angriffspunkte".

  • Da hast Du völlig recht mit Deinen Bedenken - können wir aber nicht ändern - was kann der "mündige Staatsbürger" schon noch ändern?


    Zu unserem Thema haben aber Deine berechtigten Bedenken keinen Bezug, die Musikverarbeitung - und nicht nur die - ist in unserem Gehirn nun mal so und die einschlägig damit beschäftigten Forscher/Experten legen nur offen, was vorhanden ist - Forschung lässt sich mit Recht nicht verbieten - höchstens die Anwendungen (wenn das gewollt ist und interessierten Kreisen nicht entgegen steht!) , was sich bei den Forschungsergebissen so "nebenbei" ergibt.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Wenn ich den Thread "Gänsehautstelle" richtig verstehe, geht es um einen rein emotionalen Vorgang

    Hier bin ich absolut an der Seite von Zweiterbass. Ich sehe das genauso und vielleicht auch bewußt naiv oder ich habe das Ansinnen dieses Themas nicht verstanden.
    Ich frage mich, was bringt es, alles zu hinterfragen, (wissenschaftliche) Erkenntnisse bis ins kleinste Detail zu haben? Nach meiner Meinung, sachliche Nüchternheit bis hin zur Enttäuschung. Wenn wir ein ganz tolles Zauberkunststück eines wirklich großen Magiers sehen, wissen wir auch, daß es ein geschickt und gut gemachter Trick ist, hinter den wir nicht kommen und den wir staunend nicht begreifen. Wir genießen, bewundern, sind gewissermaßen "verzaubert". So wie wir aber erklärt bekommen, wie das funktioniert, stellt sich dieser Effekt nicht mehr ein.
    Absolut richtig erachte ich die Meinung, ich glaube auch von Zweiterbass, daß emotionale Empfindungen immer individuell persönlich sind. Zumindest was die graduale Stärke betrifft. Und auch hier ist der einzelne in seinen Empfindungen von verschiedenen Faktoren abhängig.
    Global und oberflächlich werden wir uns alle beim Charakterisieren verschiedener Musikstücke einig sein. Wir spüren und empfinden garantiert gemeinsam, daß z. B. der 2. Satz der Eroica, der 1. Satz der Mondscheinsonate, der Marche funebre op. 35 b- moll von Chopin garantiert nicht lustig und heiter ist. Wie stark, und evtl. welche bestimmte Stelle einen besonders emotional anspricht, wird immer (!!!) völlig individuell sein. Johannes und auch Klaus haben das an Beispielen sehr deutlich dargelegt.

    Unsere Gänsehäute bieten ihnen ideale "Angriffspunkte".


    Aber nur, wenn wir das zulassen, wenn wir uns angreifen lassen! Das ist aber ein völlig anderes Thema. Finde ich aber für einen evtl. neuen Thread äußerst interessant, so etwa wie " Bewußte, zielgerichtete psychologische Manipulation durch Musik".
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Wenn es sich um "Bewußte..." handelt, dann dürfte sie gut/professionell gemacht sein, dann merken wir die Manipulation nicht und können uns auch nicht wehren - aber das wäre tatsächlich ein neuer Thread.
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Als ich eben im Auto saß und dabei WDR 3 hörte, hatte ich ein paarmal das Gänsehautgefühl. Momentan bin ich da ja etwas aufmerksamer. Es fühlte sich an wie Gänsehaut, war aber nichts zu sehen (die anderen Leute an der Ampel haben ganz schön komisch geguckt!). Es waren auch mehr so Schauer, die über große Körperflächen liefen. Insofern muss ich meine obigen Behauptungen bezüglich Gefahr im Verzuge vielleicht relativieren.
    Wie ist das denn bei Euch? Ist es wirklich Gänsehaut oder ist das nur eine Metapher?


    Es war übrigens bei Amazing Grace.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Als ich eben im Auto saß und dabei WDR 3 hörte


    Ich habe heute im Auto "The last time" (Stones) gehört. Habe ich natürlich auch auf CD, bekam zwar keine Gänsehaut heute, war aber trotzdem emotional ganz toll und die Lautstärke wurde gleich doppelt so laut. Zum Glück saß ich auch alleine im Auto...
    Dynamische Grüße
    CHRISSY


    Morgen tippe ich für uns auf Auswärtssieg (Geisterspiel) und damit hoch auf platz 9.Cb spielt bestenfalls nur unentschieden und Aachen macht auch einen Punkt.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Was mich an den Beiträgen zu diesem Thread ein wenig in Erstaunen versetzt, ist die Tatsache, dass man sehr oft in eine Art wissenschaftlichen Jargon verfällt. Das ist von Hautwiderständen, Hirnströmen, Dopaminen, Reflexen und Gott weiß was allem die Rede. Und das in einem Thread - ja einem Forum! -, in dem es um Musik geht. Wunderlich!!


    Wenn seicento meine Behauptung infrage stellt: "Kein Neurologe wird jemals erklären können, warum eine solch chromatisch gefärbte Musik ... das Gefühl einer romantischen Entgrenzung ... zu bewirken vermag. ..."


    ... zeigt sich für mich wieder einmal, dass hier bei den Versuchen, der Fragestellung des Threads nachzugehen, falsch angesetzt wird. Mit "falsch" meine ich die falsche Ebene. Eine Neurologe kann wissenschaftlich nur auf der Ebene der nervlichen Vorgänge operieren, die messbar sind. Er kann also messen, bei welcher Art von Klängen in der Regel sich ganz bestimmte Reaktionen beim Hörer einstellen.


    Was er aber nicht kann - und darauf zielte meine Behauptung ab -, das ist, eine Erklärung dafür zu liefern, warum eine musikalische Faktur, die sich durch die Einlagerung chromatischer Klangfiguren in eine grundlegende Dur-Harmonik auszeichnet, den Eindruck einer gefühlsmäßigen Entgrenzung hervorzurufen vermag.


    Bei mir stellt sich inzwischen der Verdacht ein, dass man sich hier nicht mit der Tatsache abfinden möchte, dass die Rezeption von Musik in ihrem Kern ein letztlich unerklärlicher Vorgang ist. Unerklärlich, - was die hierbei wirksamen Kausalitäten anbelangt. Deshalb also die Flucht in die "Pseudo-Wissenschaftlicheit" von Physiologie und Neurologie.

  • dass die Rezeption von Musik in ihrem Kern ein letztlich unerklärlicher Vorgang ist.


    Nichts anderes, lieber Helmut, wollte ich in meinen Beiträgen ausdrücken. Und nicht nur in der Rezeption, sondern auch in der Verarbeitung und Empfindung, in den Emotionen, die aber individuell und ganz persönlich sind! Und damit auch nicht richtig und nachvollziehbar zu erklären sind.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Grundsätzlich gebe ich diesem Beitrag völlig recht. Nur, dass das alles dauerhaft unerklärlich bleiben wird, da hege ich doch leichte Hoffnungen. ABer, und hier bin ich wieder bei Helmut, diese ERklärungen werden uns nicht die Neurobiologen bringen. Da ist auch bisher in Wirklichkeit noch nichts gekommen. Wir wissen jetzt, wann welche Neuronengruppen feuern, aber niemand kann uns sagen, warum wir das wissen wollen. Diese Woche kam wieder ein Neurobiologe mit der umwerfenden ERkenntnis, dass wir keinen freien Willen haben und forderte die Änderung sämtlicher Strafprozessordnungen. :hahahaha:
    Eine Therapeutenkollegin hat mal gesagt: "Wir haben nciht mehr als uns selbst". Da ist viel wahres dran. Wenn wir weiterkommen wollen mit der ERkenntnis, dann geht da viel über Selbsterkenntnis. Gerade bei Musik und überhaupt Kunst müssen wir unseren Sinnesorganen vertrauen und aufmerksam für sie sein und nicht auf Geräte ausweichen.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Lieber Klaus,


    mich wundert, dass Du, obgleich Du erklärst, mit meinem Ansatz zur Reflexion der Fragestellung dieses Threads im Prinzip einverstanden zu sein, gleichwohl schon im nächsten Satz von so etwas Seltsamem wie dem "Feuern von Neuronengruppen" sprichst.


    Was sind "Neuronengruppen"? Ich bin als Mitglied eines Forums, bei dem es um klassische Musik im weitesten Sinne geht, so naiv, zu reklamieren, dass es hier, wenn überhaupt, allenfalls um das "Feuern von Tönen" geht, - etwa wenn Jorge Bolet Liszts "Études d´execution transcendante" spielt.

  • Ja, aber doch nur, um zu zeigen, dass genau dieses Neuronenfeuer für uns nicht wichtig ist. Und warum es nicht wichtig ist.


    Ehrlich!
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Und warum es nicht wichtig ist.


    Und es ist auch nicht wichtig. Nichts ist wichtig diesbezüglich, jedenfalls nicht für mich. Wichtig ist nur das emotionale Erleben und Empfinden.
    Ich will Euch was sagen. Eine meiner Lieblingsopern ist die Traviata. Und da gibt es einige Stellen, die ich besonders mag und die mich gefühlsmäßig besonders berühren. Vor allem, wenn es Interpreten sind, die genau diesen Nerv treffen. Eine dieser Stellen ist für mich das Duett Violetta mit dem Vater "Dite alla giovine". Und hier finde ich Mirella Freni (mit Sesto Bruscantini) stimmlich und gefühlvoll darstellerisch einmalig. Ich habe dieses Stück lange nicht mehr gesehen und gehört. Vor etwa 1 Std. hat mir ein lieber Freund dieses Duett als Trailer geschickt. Ich habe es gleich angehört / angesehen. Und da war es wieder, dieses Gefühl mit Schauer und auch ein wenig Gänsehaut... Das war einfach schön. Und da ist es mir völlig egal, welche neurologisch/psychisch/physikalischen Prozesse da ablaufen!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich hatte je mehrfach schon die These vertreten, dass man die zentrale Frage dieses Threads nicht wirklich beantworten, sondern nur gleichsam phänomenologisch an sie herangehen kann. Heißt: Welche Art von klassischer Musik oder welche Stelle daraus rührt mich – uns – besonders an, und woran könnte das liegen?


    Nun weiß schon wieder, was darauf geantwortet wird: Das ginge nicht, das sei eine ganz und gar individuelle Angelegenheit. Immer habe ich sie noch im Ohr, diese These, dass das Musikhören und das Angerührt-Werden dabei und davon die allersubjektivste Sache der Welt sei.


    So ganz falsch ist das ja nicht, was die Subjektivität betrifft: Jeder, der den Tristan-Akkord zum ersten Mal hört, ist auf eine ganz subjektive Weise davon betroffen. An den einen will er überhaupt nicht herangehen, der andere aber fühlt sich davon im Innersten angesprochen und in ihn auf eine unerklärliche Weise einbezogen. Einbezogen in diese seltsame und faszinierende Schichtung von Tritonus, großer Terz und Quarte, - und das alles im engen klanglichen Raum von nur vier Takten.


    Wäre die Rezeption von Musik nun wirklich eine ganz und gar subjektive Angelegenheit, und die Emotionen, die damit einhergehen, „die individuellste Angelegenheit, die es gibt“ , wie ich oben irgendwo gelesen habe, dann hätte es die Tristan-Hysterie, die in Deutschland nach der Uraufführung des Werkes im Jahre 1865 ausbrach, gar nicht geben dürfen. Dieser magische Tristan-Akkord, mit dem sich Wagner mal eben locker über die klassische Tradition der Terzenschichtung hinwegsetzte und kühn den Schritt in die Quartenharmonik machte, schlug damals so manchen in Bann: Nicht nur die Opernfreunde und die Wagner-Verehrer unter diesen, sondern tatsächlich eine beachtliche Zahl von Menschen aus dem Bildungsbürgertum, - und nicht nur dem deutschen!


    Diese Faszination durch die Melodik und Harmonik des „Tristan“ – und dabei handelt es sich ja um ein Berührtwerden durch ein klanglich-musikalisches Phänomen und ist damit Gegenstand dieses Threads! – hat sogar in die Literatur Eingang gefunden, u.a. zum Beispiel bei Thomas Mann. In dessen Erzählung mit dem vielsagenden Titel „Tristan“ verfallen zwei Menschen, die sich in einem Sanatorium begegnen, einem wahrlichen Tristan-Rausch. Der eine ist ein gescheiterter Schriftsteller, er nennt sich Detlev Spinell. Die andere ist die die Frau eines Unternehmers mit dem Namen „Klöterjahn“ und heißt mit Vornamen Gabriele.


    Eine Szene, in der sie aus dem Klavierauszug des „Tristan“ spielt und er ihr völlig hingerissen lauscht, schildert Thomas Mann so:


    „Er saß neben ihr, vornübergebeugt, die Hände zwischen den Knien gefaltet, mit gesenktem Kopfe. Sie spielte den Anfang mit einer ausschweifenden und quälenden Langsamkeit, mit beunruhigend gedehnten Pausen zwischen den einzelnen Figuren. Das Sehnsuchtsmotiv, eine einsame irrende Stimme in der Nacht, ließ leise seine bange Frage vernehmen. Und siehe, es antwortet: derselbe zage und einsame Klang, nur heller, nur zarter. Ein neues Schweigen. Da setzte mit jenem gedämpften und wundervollen Sforzato, das ist wie ein Sich-Aufraffen und seliges Aufbegehren der Leidenschaft, das Liebesmotiv ein, stieg aufwärts, rang sich entzückt empor bis zur süßen Verschlingung, sank, sich lösend, zurück, und mit ihrem tiefen Gesange, von schwerer, schmerzlicher Wonne traten die Celli hervor und führten die Weise fort …“.

    Liest sich das nicht schöner und unserem Gegenstand viel angemessener als dieser schrecklich pseudowissenschaftliche Jargon mit all seinen Neuronen, Dopaminen und Hirnströmen?

  • Ha! Helmut, dieser Beitrag war ein Geniestreich! :jubel:
    Auch wenn ich Th. Mann überhaupt nicht mag, triffst du es ganz genau. Es geht um genau das: Sehnsucht, Verlangen, Trauer, Freude, Jubel und Millionen andere Dinge. Das ist es, was wir bei der Musik empfinden, das ist es, was uns dazu bringt, Jede Menge Zeit und Geld in die Musik zu investieren. Und das ist es, was uns in dieses Forum treibt. Aber die Gabe der Sprache ist uns nur so unzulänglch gegeben. Du hast sie bei Th. Mann gefunden und es gibt wohl noch einige, die es vermögen, mittels Sprache den großen Zauber der Musik zu bannen. ABer wie kann der Versuch auch misslingen. Lies einmal die Beiträge bei Wikipedia über Synfonien. Es bleibt kalt und öde. Und so sucht man verzweifelt nach Möglichkeiten, diese innigen exstatischen Momente der Musik zu teilen und es fehlt das Werkzeug. In dieser Verzweiflung greift man dann eben nach jedem Strohhalm, der einem vielleicht hilft zu verstehen, so dass man dann selbst verstanden werden kann. So mag man dann bei der Neurobiologie oder sonstwo landen. (Und ein wenig mag es mir hier im Forum manchmal erscheinen, als landeten einige in einem CD-Kaufrausch, um im Vergleichen einzelner Aufnahmen die Lösung zu finden.)
    Aber ich lese Deinen Beitrag zum Aufruf, zu uns zu finden und Worte für das was uns bewegt.


    Es gibt noch einen Aspekt, auf den ich antworten will. Subjektiv und tiefpersönlich oder doch eher allgemeingültig. Ich möchte hier auch auf C.G. Jung verweisen, der uns als Geschöpfte beschreibt, die als Teile eines großen Ganzen existieren. So ähnlich sehe ich es auch. Und das große Ganze wird zu einem beträchtlichen Teil durch die Kultur umfasst. In der sind wir aufgewachsen, die ist Teil von unserem Erleben. Und die Kultur selber ist mit uns gewachsen und wir können uns nur begrenzt davon lösen. Und deshalb greift auch bei der Musik so manches da an, wo wir alle gleich sind. Und deshalb gibt es auch Musik, die über Jahrhunderte besteht und funktioniert, keine MOde kann sie teilen. Die Kultur und ganz besonders die Musik ist ähnlich wie die Freude, die Schiller in seiner Ode beschreibt.


    Insofern hoffe ich auf viel Begeisterung in den Beiträgen
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Liest sich das nicht schöner und unserem Gegenstand viel angemessener als dieser schrecklich pseudowissenschaftliche Jargon mit all seinen Neuronen, Dopaminen und Hirnströmen?


    Ja, viel schöner. Das ist auch kein Wunder, denn Naturwissenschaften sind meistens trocken und spröde und man macht sich gewöhnlich die Finger schmutzig. Ich glaube auch ehrlich nicht, dass die Naturwissenschaften es jemals schaffen können, etwas von so starker ästhetischer Wirkung wie Musik zu entzaubern. Ich selbst habe hier mehrfach zugegeben, dass Musik bei mir eine ganz besondere Wirkung hat. Ich kann mich da auf meine Neuronen verlassen. ;)


    dieser schrecklich pseudowissenschaftliche Jargon


    das nehm ich auch voll auf meine Kappe; denn der Artikel, den ich extra zu dem Zweck gelesen habe, die „Gänsehautfrage“ zu beantworten, ist in Englisch geschrieben, und er ist nicht leicht zu verstehen. Er ist auch für mich durchaus fachfremd. Dazu habe ich noch zwei Zeitungsartikel zu Rate gezogen. Ich hab mir Mühe gegeben … ich wäre wohl kein guter Journalist geworden.


    Jetzt haben wir hier eine Meinungsverschiedenheit. Ich sehe keinen Konflikt Ästhetik - Naturwissenschaften. Die Frage ist allein: Sind meine Beiträge zu „unmusikalisch“ und für Tamino ungeeignet (löschen!) oder nicht.
    Lieber Helmut Hofmann, wie sollen wir die Meinungsverschiedenheit klären? Dazu gibt es hier eigentlich einen ganzen Threat, in dem Du Dich auch schon sehr klug geäußert hast. Ich bin ehrenamtlich als Schlichter tätig und bin eigentlich bei Tamino, nicht um – wie Du so schön geschrieben hat – „Spielchen“ zu spielen. Die erleb ich im richtigen Leben. Es ging mir wirklich um Musik und ihre faszinierende Wirkung. Es tut mir leid, wenn das nicht "rüberkam".


    Viele Grüße

  • Lieber seicento,


    ich lese die Feststellung von Dir: "Es ging mir wirklich um Musik und ihre faszinierende Wirkung."


    Mir auch! Und damit ist alles gesagt.


    Ein Fall von Problembewältigung oder gar "Schlichtung" gibt es zwischen uns beiden nicht. Meine Beiträge hier sind nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet, sondern wie eine Art feuilletonistische Luftballons in den Äther dieses Forums entlassen, auf dass einer oder eine darauf reagieren möge, - im Sinne des Gedankenaustauschs. Mir geht es einfach nur um eine Sachdiskussion.


    Tut mit leid, wenn das falsch bei Dir angekommen ist!

  • Helmut hat natürlich völlig recht: Die Hirnphysiologie kann nur beschreiben, was im Gehirn passiert, wenn mich etwas stark beeindruckt, irgendwelche parallelen Gehirnströme messen. Über den Grund dafür erfahren wir nichts. Kein Physiologe kann nämlich deduzieren, daß wenn diese Musik spielt, das Gehirn sich so oder so verhalten muß. Es wird immer der im Erlebnis gegebene Zusammenhang vorausgesetzt und post factum etwas "erklärt". Was den Zusammenhang zwischen musikalischen Wahrnehmungen und Emotionen angeht, gibt es verschiedene Positionen: Daniel Schubart z.B. unterstellt bestimmte affektive Wirkungen von Tonarten im Sinne einer eindeutigen Festlegung. Rousseau etwa geht auch von solchen nicht zufälligen Zusammenhängen von Wahrnehmungen und bestimmten Affekten aus, hält diese aber für kulturell bedingt. Eduard Hanslick schließlich hält das alles für beliebig. In der Musikpsychologie ist das bis heute nicht unstrittig und auch nicht letztgültig geklärt. Ich persönlich glaube auch, daß es da Zusammenhänge gibt. Nicht zuletzt zeigt sich das bei den Komponisten, die (Schumann oder Scriabin, Helmuts Beispiel) eine Tonart wie fis-moll ganz bewußt einsetzen mit einer bestimmten emotionalen Bedeutung. Das Problem von Erklärungen der Art Schubarts ist allerdings eine gewisse Elementarisierung und Abstraktion - die emotionale Bedeutung ist letztlich nur aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu erklären, und nicht nur einer Größe allein. Ein Dur (Schubert!) kann auch sehr traurig klingen, vielleicht trauriger als manches Moll - man muß sich also vor Klischees hüten!


    Der "Gänsehauteffekt" ist rein deskriptiv immer ein "überraschendes", ungewöhnliches Erlebnis. Ich habe das etwa in Franz Liszts Klavierstück "La benediction de dieu dans la solitude", wenn zu Beginn des dritten Teils die Melodie quasi wie aus dem Nichts zu entstehen scheint.


    Beste Grüße
    Holger

  • sondern tatsächlich eine beachtliche Zahl von Menschen aus dem Bildungsbürgertum


    entwaffnend - da kommt ja Zuspruch mit akademischem Anspruch gerade recht.


    Wenn ich manche Beiträge lese, kommt bei mir der Gedanke, ob wohl die Selektion, Verarbeitung und Verständnis von Musik im Herzen, in den Eingeweiden oder im Sonnengeflecht stattfindet?


    Selten habe ich soviel versammelte Ignoranz gelesen.


    Ob sich "Bildungsbürger" in ihrem Gehirn von den übrigen Menschen unterscheiden?


    Im Gehirn - auch in dem von "Bildungsbürgern" - spielt sich Alles ab, was das Lebewesen zum Menschen macht. Wann ist ein Mensch tot? Wenn der Gehirntod eingetreten ist! Oder gibt's auch dagegen Einwendungen?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Der Einwand gegen Schubarts Tonartencharakterisierung, den Du machst, lieber Holger, ist völlig berechtigt. Was dabei außen vorbleibt, ist der musikalische Kontext, in dem alle "Bauelemente" der Musik ihre Wirkung erst entfalten.


    Mir ging es bei diesem Hinweis auf die Affektenlehre des Barock und auf Schubarts "Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst" ja auch nur darum, in Rahmen der hiesigen Diskussion die Aufmerksamkeit von der Ebene der Symptomatik (Hirnforschung, Physiologie) des Rezeptionsprozesses von Musik auf die Sache selbst zu lenken: die Faktur des jeweiligen musikalischen Kunstwerkes und die jeweils spezifische evokative Kraft seiner "Bauelemente".

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