Louis Spohr - die Sinfonien

  • Weiter gehts nach einiger Pause mit der 7. Sinfonie Op. 121. Kein Werk, das zu den bekannteren Sinfonien Spohrs gezählt werden dürfte. Ein eigenwilliges Werk ist es gleichwohl, denn ihm ist wieder ein Programm mitgegeben: "Irdisches und Göttliches im Menschenleben". Das Werk von 1841 ist für zwei (kleine) Orchester konzipiert, was einen Übertrag seiner berüchtigten Doppel-Quartette auf die Form der Sinfonie bedeutet. Laut Booklet eine Idee seiner Frau, die das bereits von J.C. Bach erprobte Konzept wohl nicht kannte. Ein Orchester umfasst dabei lediglich 11 Instrumente, das andere einen großen Streicherapparat. Eines steht für das gute, das andere für das böse Prinzip im Leben. Inhaltlich geht die Sinfonie in drei Sätzen den Weg von der "Kinderwelt", über die "Zeit der Leidenschaften" hin zum "Endlichen Sieg des Göttlichen". Zu Grunde liegt ein Gedicht von Carl Pfeiffer.


    Die Kinderwelt beginnt nach der langsamen Einleitung mit einem einfachen (wenn man so will 'kindlichen') Motiv im kleinen Orchester, das recht eingängig ist und klanglich interessant ist. Das große Orchester übernimmt die Motive in diesem Fall ohne sie großartig zu verändern. Das Böse nimmt also in diesem Stadium der Kindheit noch keinen großen Einfluss auf das Leben, auch wenn es bereits vorhanden ist, könnte man deuten. Dies geschieht erst durch eine etwas unerwartete Moll-Rückung. Insgesamt bleibt der Satz aber klanglich angenehm und inhaltlich harmlos. Die Zeit der Leidenschaften fungiert insofern als langsamer Satz, als dass er eine ungewöhnlich lange langsame Einleitung bekommt. Ansonsten ist er sehr ähnlich wie der Kopfsatz gebaut. Die Einleitung wirkt auf mich ehrlich gesagt gar nicht mal so leidenschaftlich, sondern trotz unruhiger Störmomente eher beschaulich. Erst der Hauptsatz, nach Art einer ungarischen Melodie, ist von Leidenschaft und Unruhe geprägt. So beginnt auch das Finale (Endlicher Sieg des Göttlichen) in dem sich ein pochendes Motiv des großen Orchesters und ein beschaulicher Gesang des kleinen Orchesters zunächst gegenüber stehen. Dieses Treiben wird erst von einem weihevollen Adagio unterbrochen, der choralartig vom Sieg des Göttlichen kündet. Hiernach erlangt im Schlussteil nämlich das kleine ('gute') Orchester die Oberhand über das größere.


    Ich weiß nicht so recht: Die Sinfonie hat ein interessantes Konzept und klingt gut. Insgesamt finde ich, dass sie das Diktum von den vielen Guten und wenigen Sehr guten Werken Spohrs bestärkt. Denn das ist insgesamt auch recht beschaulich und eben nicht der große (ideelle) Wurf, der es sein könnte.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Für mich ist Spohr einer der langweiligsten Komponisten, die ich je gehört habe. Eben habe ich nochmal die ersten 4 Sinfonien gehört (teilweise nur ansatzweise) - einzig die kontrapunktische Durchführung der ersten Satzes der 1. Sinfonie und deren 2. und 3. Satz fand ich wirklich ansprechend. Wieviel lieber höre ich da Ferdinand Ries oder Franz Lachner aus dieser Zeit - auch 2 tolle Sinfonien von Carl Loewe sind wirklich hervorragend! Schon deswegen, weil Spohr sich eine Male herablassend über Beethoven geäußert hat (über die Coda des 1. Satzes der Siebten Sinf. und die späten Quartette...), kann ich ihn nicht wirklich für voll nehmen.

    "When I was deep in poverty, you taught me how to give" Bob Dylan

  • Für mich ist Spohr einer der langweiligsten Komponisten, die ich je gehört habe. Eben habe ich nochmal die ersten 4 Sinfonien gehört (teilweise nur ansatzweise) - einzig die kontrapunktische Durchführung der ersten Satzes der 1. Sinfonie und deren 2. und 3. Satz fand ich wirklich ansprechend. Wieviel lieber höre ich da Ferdinand Ries oder Franz Lachner aus dieser Zeit - auch 2 tolle Sinfonien von Carl Loewe sind wirklich hervorragend! Schon deswegen, weil Spohr sich eine Male herablassend über Beethoven geäußert hat (über die Coda des 1. Satzes der Siebten Sinf. und die späten Quartette...), kann ich ihn nicht wirklich für voll nehmen.

    Das Urteil der Langeweile scheint ja erstmal bei vielen vorzuherrschen, siehe auch in diesem Thread. Nach häufiger Beschäftigung mit seiner Musik, finde ich sie nicht mehr langweilig, wenngleich auch nicht immer höchstklassig. Bei mir steht Spohr tatsächlich über Ries und Lachner. Ersteren höre ich zwar auch gerne, aber er klingt mir oft ein bisschen sehr nach Beethoven. Und zu Lachner gibt es ja einen Thread (in dem du auch aktiv bist), in dem ich sowohl meine Wertschätzung, als auch meine geteilte Meinung geschrieben habe. Spohr hingegen steigt in meiner Gunst tatsächlich mit Dauer der Beschäftigung stetig.


    NB: Deinen letzten Punkt habe ich mir abgewöhnt. Wollte ich keinen Komponisten mehr ernst nehmen, der sich negativ über Kollegen und andere Komponisten geäußert hat, blieben nicht mehr viele Komponisten zum Hören übrig. Auch wenn Beethoven-Lästerung natürlich nahe an Gotteslästerung kommt ;)

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Bei mir steht Spohr tatsächlich über Ries und Lachner.

    Vor allem im Falle Ries möchte ich energiesch widersprechen

    Ersteren höre ich zwar auch gerne, aber er klingt mir oft ein bisschen sehr nach Beethoven.

    Und gerade DAS ist ja das was ihn über alle andere Komponisten seiner Zeit emporhebt.

    Welch ein Glück, daß wir nicht nur 9 Sinfonien von Beethoven haben sondern einen "Epigonen" der den Stil weitgehend imitiert - Selbst Beethoven hat das leicht unwillig kommentiert - und das bei durchaus eigenständigen Themen. Ich sehe in Ries einen Glücksfall der Musikgeschichte.

    Was für eine Leistug, den Still eines der Grössten der Musikgeschichte so zu kopieren, daß selbst Beethoven dies bestätigte.

    Das hat aber vernutlch mit meinem persönlichen Geschmack zu tun. Als ich sehr jung war bedauerte ich den Frühen Tod Mozarts und auch Beethovens und ich miente, es müsse doch auch andere Komponisten geben, welch ähnlich komponiert hätten. Und damit war der Grundstein für meine Tonträger-Sammlung mit Werken von "unbekannten" Zeitgenossen der beiden bereit gelegt. Haydnhabeich damals nict weiter verfolgt, denn mehr als 105 Sinfonien kann man in einem Menschenleben kaum schaffen.

    Bei Mozart fand ich damals Werke von Johann Christian Bach - aber auch von Johann Nepumik Hummel. Beides ist ja nicht unbedigt ganz daneben, denn von J.C.Bach empfing Mozart Anregungen, Hummel wurde auf Mozarts eigenen Wunsch sein Schüler - was natürlich nicht ohne Folge blieb....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das ist zwar eine ziemlich interessante Auffassung, lieber Alfred, die ich aber entschieden nicht teile. Dass Zeitgenossen oder Lehrer-Schüler ähnlich klingen ist ja völlig logisch und auch erfreulich. Frühwerken gestehe ich auch noch ein gewisses Epigonentum zu. Aber wenn es dann (größtenteils) beim Imitieren bleibt, gefällt mir das nicht. Wo bleibt der Eigenwert der Komposition und des Komponisten? Lieber akzeptiere ich, dass Beethovens Ouvre eben mit Op. 135 (+ nachgestellte Opp. und WoO) endet, als dass ich einen aufgegossenen Beethoven aus zweiter Hand bekommen möchte. Ich höre Ries trotzdem manchmal - weil es halt schöne Musik ist - aber mit weniger Gewinn als bei vergleichbaren Komponisten der zweiten Reihe.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

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  • Wo bleibt der Eigenwert der Komposition und des Komponisten?

    Das ist eine typische Haltung des 20. und 21. Jahrhundert:

    Hauptsache ORIGINELL - Und dann kommt noch dazu das Modewort KREATIV !!!

    Alles was noch nicht dagewesen ist - wird als "kreativ" dargestellt

    Dabei wurde es lediglich zuvor nicht "geschaffen" - weil es gegen alle Ästhetik verstösst.

    Ich höre Ries trotzdem manchmal - weil es halt schöne Musik ist

    ..weil es halt schöne Musik ist.

    Und das ist aus meiner Sicht der Knackpunkt

    Musik, die NICHT schön ist wurde vorzugsweise erst ab Beginn des 20. Jahrhundert geschrieben.

    Und sie wurde von ihren Anhängern geradezu penetrant durchgesetzt

    Ich erinnere mich, daß man in meiner Jugend gehasste Kompositionen in die klassischen Programme einschmuggelte

    damit man sie hören musste - ob man wollte oder nicht.

    Als wir dann eben erst nach der Pause ins Konzert gingen - oder zuvor - je nach Programmeinteilung

    Gestaltete man den Ablauf so, daß es kein Entrinnen gab.

    Für je eine Sinfonie von Ries ofere ich liebend gern 100-200 Zeitgenössische Werker und auch solche des 20. Jahrhunderts


    Ab da ging es bergab

    Man betrachte nur die heute gebauten windschiefen Türme, die das Stadtbild verschandeln

    Fast Food,

    Absichtlich zerrissene Jeans,

    "Gemälde" des 20, Jahrhunderts

    Und nun will man uns noch zwingen Insekten zu fressen (essen kann man hier nicht mehr sagen)

    Es ist widerwärtig

    Um zum Thema zurückzukommen werde ich in meinem nächsten Beitrag über die 6. Sinfonie von Spohr ein paar Worte schreiben....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Huch - wie ist aus dem Beethoven-Stil von F. Ries so schnell eine kulturpessimistische Gegenwartsdarstellung geworden ^^

    Ist ja alles richtig, aber ich würde es nicht so streng sehen: Nicht alles was noch nicht geschaffen wurde, widerspricht jeder gängigen Ästhetik. Es gibt doch so etwas wie einen Personalstil - auch innerhalb des Ähnlichen. Und dass der Wunsch nach Originalität bsw. im Barock noch nicht ausgeprägt war, macht ihn ja nicht unberechtigt. Zumindest ein bisschen Originalität - über die bloße Imitation hinaus. Mehr wünsche ich mir gar nicht.


    Und - um zu Spohr zurückzukommen - das war ja auch einer der Faktoren, weshalb Spohrs Ansehen bei mir in den letzten Jahren gestiegen ist. Nach mehrfachen Hören seiner Werke lässt sich ein gewisser Spohr-Ton erkennen, bei allen Ähnlichkeiten zu anderen.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ist ja alles richtig, aber ich würde es nicht so streng sehen: Nicht alles was noch nicht geschaffen wurde, widerspricht jeder gängigen Ästhetik.

    Meines Erachtens ist alles ein wenig komplizierter. Mozarts "Haydn"-Quartette verkauften sich nicht so gut. (Irgendeiner soll die Noten des "Dissonanzen-Quatettes zerissen haben) Der späte Beethoven wurde von einem Großteil der Öffentlichkeit für "bekloppt" gehalten. Das lag natürlich daran, dass beide hier in keinem Sinne mehr gefällige Musik komponierten. Hier sind ungeheure Herausforderungen hörbar, was in meinen Augen durchaus auch die Qualität dieser Msuik ausmacht. Umgekehrt höre man sich John Cages Sonatas und Interludes an. Hier ist alles gefällig und verspielt. Es klingt halt nur nicht so, wie das, was irgendein anderer vor ihm komponierte.


    Mein Problem bei Ries (wahrscheinlich der falsche Thread :() ist bei der Beethoven-Kopiererei, dass sie eben nicht wirklich gelungen ist. Man höre sich einfach mal das klavierquartett Op. 13 aus dem Jahre 1808 an. Wundervoller, vielversprechender Anfang -- purer Beethoven -- und nach einiger Zeit kommt es mir so vor, als wäre Ries gar nicht in der Lage mit dieser Musik wirklich was zu machen. Irgendwie kommen dann nette Melodien, alles gut und geschickt gemacht, aber irgendwie bleibt man bei diesem Stück auf dem Anfang sitzen. Es gibt noch ein paar andere Stellen, die wieder faszinieren, aber Ries scheint die musikalische Radikalität Beethovens zu fehlen. Es ist vielleicht ein wenig wie bei jemandem, der sich zu große Schuhe anzieht und dann durch die Gegend stolpert .... :)


    Sicher ist Beethoven die Kopiererei aufgefallen. Ich denke nicht, dass er sich geärgert hat, weil hier der neue Beethoven kommt ;)


    BTW Ich hätte mich sehr über ein späteres Klavierquartett von Beethoven gefreut. Und es ist natürlich für einen Hörer aus der Zukunft viel einfacher die Qualitätsunterschiede zu bemerken, als für einen Zeitgenossen, gerade bei Beethoven.



    MOD 001 Alfred:

    Antwort zu RIES findet sich hier:

    Ferdinand Ries - Wer kennt den schon? - ein Beethoven Epigone


  • Schon fast traditionell hinke ich hinten nach was das Hören der Sinfonien betrifft. Somit bin ich bei Sinfonie Nr 6 angelangt.

    Ein eigenwilliges Werk - und ich gestehe, daß sie mir persönlich gefällt. Das mag daran liegen, daß meine Erwartungshaltung nicht in Richtung "neu" oder "zeitgemäß" geht und ich nicht "erschüttert", "aufgerüttelt", "herausgefordert" oder sonst was werden möchte - sondern einfach nur unterhalten.

    Diesen Anspruch erfüllt das Werk voll und ganz. Ob es ein "meisterhaftes Kunstwerk" ist - die Frage stellt sich mir gar nicht. Es gibt - vor allem ab dem 20. Jahrhundert immer wieder Werke, die als "Innovativ" oder "kreativ" bezeichnet werden - und wo einem schon bei den ersten Tönen das blanke Entsetzen kommt....

    Solch ein Werk ist das glücklicherweise nicht. Dennoch - bei der Uraufführung 1840 in London wurde es ausgezischt -und auch die Rezensenten (seltene Übereinstimmung zwischen Publikum und Kritik ;)) wussten nicht gute drüber zu sagen. Leglich Robert Schumann meinte, Spohr hab die Aufgabe, den Spalt zwischen Objektiver Darstelleung und subjektiver Auslegung geschafft dennoch der "alte Meister, wie wir ihn kennen und lieben" geblieben. Spohrs Eigenart schimmere immer wieder durch die Maske, die er sich selbst angelegt habe hindurch und das teilweise deutlich - weil markante Persönlichkeiten oft markanter erscheinen, wenn sie sich verkleiden....

    Genau das dürfte aber die Zeitgenossen auf die Palme gebracht haben,wobei man teilweise eine Verhöhnung (vermutlich speziell Beethoven) vermutete. Und auch über die Version der "zeitgenössischen " Musik wurde gespottet. Im Booklet wird behauptet, daß dieser 4 Satz an Musik Aubers (Die Stumme von Portici) angelehnt ist - und auch bei den anderen Zeitaltern werden Vorbilder genannt.

    Aus meiner Sicht ist in der Hinsicht auf das jeweils angestrebte Vorbild (Parodie oder Paraphrase sei dahingestellt) Der erste Satz - die Bach-Händelscher Epoche am besten gelungen. Mozart-Haydn erkenne ich eigentlich nicht wirklich. Und Beethoven ist ja per se eine schwierige Sache. Diverse spätere "Stilkopien" behalfen sich ja meist damit, einige Tonfolgen eines "Standartwerks" von Beethoven mit einzubauen um zu Zeigen wer da gemeint ist. Werzichtet man darauf - wi das IMO im konkreten Beispiel der Fall ist - dann begibt man sich auf unsicheres Gelände - vorsichtig ausgedrückt...

    Spohr selbst reagerte auf die Kritik eher gelassen, wie erhaltene Brief belegen, er meinte, er habe unter den gegebenen Umständen nicht anders komponieren können als er es eben getan habe. Vermutlich war es dem "alten Meister, dern alle kennen und lieben" schon egal. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits berühmt und über jeglicher Kritik stehend ....

    mfg aus Wien

    Alfred


    PS: die cpo Einzelveröffentlichung ist beerits gestrichen, aber die Aufnahme ist in der kostengünstigen Gesamtaufnahme der Spohr-Sinfonien enthalten

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Heute ist die GA Box bei mir eingetroffen.


    Ich höre gerade Sinfonie 3 - das ist natürlich kein Beethoven. Aber sehr schöne Musik, hätte eher an Mozart gedacht. Die Aufnahme Qualität ist sehr gut - da lohnt ja mein SACD Player.


    Gruss


    Kalli

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  • Nach langer Pause folgen noch die ausstehenden Besprechungen. Die 8. Sinfonie Op. 137 in G-Dur dürfte nun wirklich zu den unbekannten Werken Spohrs gehören. Sie trägt als einzige in ihrem Umfeld keinen Titel oder Programm. Zur Entstehungszeit 1847 (31 Jahre nach der 1. Sinfonie!) befindet sich Spohrs Ruhm nicht mehr auf dem Zenit, auch wenn er in jenem Jahr zum Generalmusikdirektor Cassels ernannt wurde. In den Jahren der Revolution häuften sich die Reibereien mit dem Fürsten und Spohr konnte nicht mehr unbehelligt arbeiten.


    Unsere Sinfonie entsteht ganze sechs Jahre nach ihrem Vorgänger - eine Zeit in der Spohr vor allem Kammermusik (und da namentlich Klaviertrios) geschrieben hatte. Anlass ist der Auftrag der englischen Philharmonic Society, den Spohr ein Jahr zuvor in London erhalten hatte. Mit Erlaubnis aus London erklingt das Werk aber zuerst in Kassel. Die Reaktionen sind - verständlicherweise - gemischt. Gelobt wird das an die früheren Sinfonien anschließende hohe kompositorische Niveau. Kritisiert wird ein nachlassender Einfallsreichtum im Vergleich mit den Sinfonien 2-5. Der Kopfsatz (Adagio - Allegretto) beginnt wie es für eine Londoner Sinfonie gewissermaßen angemessen ist mit einer langsamen Einleitung im Sinne Haydns. Das bewegte Hauptthema ist dann ein typisches Spohr-Thema in ich würde sagen unauffälliger Eleganz. Die Durchführung besticht mit kontrapunktischer Arbeit als Fugato. Der Satz ist der längste sinfonische Satz Spohrs und ja, er hat gewisse Längen. Es folgt ein Poco adagio das sich düsterer gibt, als die meisten langsamen Sätze Spohrs. Die Steigerungen bringen Dramatik in den Satz, das federnd-leichte Element vieler langsamen Sätze Spohrs wird vermieden. Am prägnantesten ist für mich (ausnahmsweise) das Scherzo. Es beginnt mit einem unruhigen Moll-Thema, das entfernt auf Brahms weist. Bemerkenswert ist die Solovioline im B-Teil, plötzlich wähnt man sich in einem Violinkonzert des Meisters. Die Umspielungen der Violine geben dem Satz eine interessante Besonderheit. Es folgt ein eher konventionelles Finale, Allegro, welches typisch für Spohr verhalten beginnt. Der Satz steht in SHF (das Seitenthema ist den Bläserfanfaren militärisch angehaucht) und bringt erneut ein Fugato als Durchführung. Äußerst verhalten klingt die Sinfonie retardierend aus - ohne effektvollen Schluss.


    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Die 9. Sinfonie Op. 143 in h-Moll "Die Jahreszeiten" ist deutlich meine Lieblingssinfonie in der zweiten Hälfte von Spohrs Sinfonien. Wie zuvor Vivaldi oder Haydn und später in gleich vier einzelnen Sinfonien Raff, bilden die vier Jahreszeiten den programmatischen Rahmen für das Werk. Die Sätze heißen dementsprechend Winter, Frühling, Sommer und Herbst. Die Tonmalerei hält sich allerdings in Grenzen; wie später bei Raff geht es eher um Stimmungen.


    Die Sinfonie entsteht 1850 in einer für Spohr schwierigen Zeit: Ärger mit dem Fürsten nach der Revolution und ein Glatteis-Sturz der ihn außer Gefecht setzt. Bert Hagels mutmaßt im Booklet, dass die biographische und metaphorische Ebene des Werkes zusammenfallen: Am Übergang vom Winter zum Frühling beginnt die Arbeit an dieser Sinfonie und Spohr erholt sich von seinem Sturz. Dies soll erklären, warum Spohr mit dem Winter und nicht mit dem Frühling beginnt. Hagels sieht darin eine Per aspera ad astra Anlage der Sinfonie. Dem kann ich konzeptionell nicht ganz folgen, schließlich endet sie mit dem Herbst, der für Alter, zunehmende Dunkelheit und auch Verfall steht. Per aspera ad astra lässt sich musikalisch hingegen durchaus konstatieren, da Spohrs Herbst ziemlich ausgelassen daher kommt. Eine kleine Besonderheit ist die Zusammenfassung je zweier Sätze zu Abteilungen; zwischen Winter und Frühling sowie Sommer und Herbst finden sich kleine Überleitungen.


    Die Kritiken nach der Uraufführung in Leipzig sind durchwachsen. Prominente Eintragungen von Ignaz Moscheles und Clara Schumann sprechen dem Werk zwar die übliche Qualität Spohrscher Kompositionen zu, aber erneut die Innovation ab. Die Tonmalereien hätten etwas abgeschmacktes. Ähnlich der Tenor in fast sämtlichen Zeitungen. Gleiche Kritik also wie nach der 8. Sinfonie. Dieser kann ich nicht ganz folgen, finde ich die 9. Sinfonie doch deutlich frischer, interessanter und schlicht schöner als das Vorgängerwerk.


    Der Winter steht in SHF mit recht gegensätzlichen Themen. Das Hauptthema zeigt Züge der häufig mit dem Winter assoziierten Düsternis und Bedrohlichkeit. Diese währt aber nicht lange, denn schnell folgt das den Satz dominierende Seitenthema in munterer Leichtigkeit, mit allenfalls leichten Eintrübungen durch die Pauke. Insgesamt ein Satz in dem 'viel los ist', der gut komponiert ist, beide Themen geschickt kombiniert und kurz vor der Coda einen dramatischen Höhepunkt in der Rückkehr nach h-Moll findet. Hier ist das richtig bezwingende Musik, die einem mitreißenden Ende entgegenstrebt.

    Die Überleitung zum Frühling bringt mit stilisierten Vogelrufen dann deutliche tonmalerische Elemente. Diese Vogelrufe bleiben auch dem folgenden Scherzo enthalten, welcher sich als eleganter Tanzsatz entpuppt. Im Gegensatz dazu steht das eher unruhige Trio.

    Der Sommer ist in der klassischen Anlage der Sinfonie dann als langsamer Satz konzipiert. Weniger als bei Vivaldi denkt man an Müdigkeit durch drückende Hitze oder staubtrockene Felder - viel mehr entsteht serenadenstimmung, sprich am ehesten assoziiert man wohl einen gemütlichen und lauen Sommerabend. Die Streicher sind doppelt geteilt, der Klang ist tatsächlich äußerst zart. Zwischendurch sind Tonmalereien zu vernehmen: Mücken schwirren um das Licht und Paukengrummeln deutet ein fernes Gewitter an, welches aber nicht in der Nähe zum Ausbruch kommt.

    Es schließt der Herbst die Sinfonie ab. Die Überleitung vom Sommer zum Herbst lässt bereits Jagdrufe erklingen, die dann in das muntere Hauptthema des Finales einmünden. Es stellt das A-Thema eines Rondos dar, dessen B-Thema ein Zitat des "Rheinweinliedes" ist, welches seiner Zeit wohl relativ bekannt war. Beide Themen sind freudig und beinahe ausgelassen - verweigern also in gewisser Weise die ebenfalls zum Thema Herbst gehörenden Themen Verfall und Alter. Reizvoll ist der Verlauf des Satzes, wenn z.B. B' als fugiertes Rheinweinlied wiederkehrt. Jubelnd verklingt die Sinfonie gewissermaßen in einem goldenen Oktober.


    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)


  • Angesteckt durch die wieder aufgeflammte Spohr-Beschäftigung im Forum habe ich mir heute die "Historische Sinfonie" (Nr. 6) von 1839 in der abgebildeten 1983er Orfeo-Aufnahme angehört. Sie wurde dankenswerterweise bereits weiter oben im Threadverlauf analysiert. Der Name Spohr ist mir seit Jahren geläufig, indes scheiterte bislang jeder Versuch einer ernsthafteren Beschäftigung mit diesem Komponisten, weil ich, gleich welches Werk ich "antestete", sehr bald wieder von diesem Vorhaben abkam. Nun habe ich die "Historische" gleichwohl durchgehalten. Man sollte nicht glauben, wie langatmig ein gerade 26-minütiges Werk erscheinen kann. Sind die beiden ersten Sätze, welche die Bach/Händel-Zeit um 1720 sowie die Haydn/Mozart-Zeit um 1780 repräsentieren sollen, auf ihre Art zumindest ganz annehmbar, so konnte man sich schon dort fragen, wann die vier genannten Komponisten je derart beiläufig geklungen haben. Die Hoffnung auf das Scherzo, das der Beethoven-Zeit um 1810 zugeordnet wird, war dementsprechend groß, was nur von noch größerer Enttäuschung übertroffen wurde. Ich formuliere es eigentlich ungern aus Respekt vor einem seriösen Tonsetzer, wie Spohr einer war, aber eine derartige Drittklassigkeit auch nur im Entferntesten mit dem Œuvre Beethovens in Verbindung zu bringen, das ist auf seine Art auch schon fast mutig. Ich war drauf und dran, die Hörsitzung bereits an dieser Stelle abzubrechen, stand den nominell gerade sechsminütigen, gefühlt allerdings eher dreimal so langen Satz indes durch. Der "Knaller" folgte freilich im Finale, wo man sich zumindest eine adäquate Parodie des von Spohr so ungeliebten Genres der Grand-opéra-Ouvertüre zu erhoffen meinte, um allerdings ein weiteres Mal eines Besseren belehrt zu werden. Der Satz, der so feurig hätte sein können, zündet leider nicht ansatzweise. Selbst in seinen schwächsten Momenten war Auber, auf den dieses Machwerk wohl abzielt (und dessen "La Muette de Portici" im Booklet explizit genannt wird), ungleich kreativer. Um es gleich hinzuzufügen: An der Darbietung der Interpreten dürfte es nicht gelegen haben. Karl Anton Rickenbacher ist mir als ungemein verdienstvoller Dirigent lieb und teuer und hat mir so manche Neuentdeckung im "abseitigeren" Repertoire beschert. Der Klangkörper des Bayerischen Rundfunks spielt in einer ähnlichen Liga. Selbst die Tontechniker machten nichts verkehrt, rein klanglich gibt es nämlich nichts zu bemäkeln. Aber nicht einmal all das rettete den Gesamteindruck, der von Ernüchterung geprägt ist. Nun soll die Sechste Louis Spohr bereits auf dem absteigenden Ast repräsentieren (wie man zumindest ab und an liest), will ich da wirklich den weiteren Niedergang (es geht ja noch bis zur Zehnten) hörend mitverfolgen? Zeitlich sind wir, wie erwähnt, 1839. Kein Wunder also, dass Schumanns Erste wenig später, 1841, wie eine Bombe einschlug und die Sinfonik Spohrs alsbald der Vergessenheit anheimfiel. Die "Historische" ist eine denkbar fade Geschichtestunde. :stumm:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich formuliere es eigentlich ungern aus Respekt vor einem seriösen Tonsetzer, wie Spohr einer war

    Als einer, der Spohr mit der Zeit gelernt hat zu schätzen, kommt mir deine Kritik ein wenig überhart vor, lieber Joseph. Allerdings habe ich weiter oben im Thread ebenfalls die 6. Sinfonie kritisiert. Sie scheint mir neben der 10. die schwächste Sinfonie zu sein und als Einstieg überhaupt nicht geeignet. Der Spohr-Funke ist sehr schwer entzündbar, noch schwerer vermutlich, als es mir anfangs vorkam. Aber ich finde und schreibe davon im Forum, dass sich das Feuer durchaus lohnt und nicht drittklassig ist. Wenn die Sinfonik überzeugen soll, müsste vielleicht eher die 3., 4. oder 9. Sinfonie herhalten. Dass Spohr kein Beethoven oder Schumann ist, sollte ja klar sein. Aber ich kämpfe immer für die Komponisten der zweiten Reihe, weil mir ihre Musik (oft) sehr viel gibt.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Als einer, der Spohr mit der Zeit gelernt hat zu schätzen, kommt mir deine Kritik ein wenig überhart vor, lieber Joseph. Allerdings habe ich weiter oben im Thread ebenfalls die 6. Sinfonie kritisiert. Sie scheint mir neben der 10. die schwächste Sinfonie zu sein und als Einstieg überhaupt nicht geeignet. Der Spohr-Funke ist sehr schwer entzündbar, noch schwerer vermutlich, als es mir anfangs vorkam. Aber ich finde und schreibe davon im Forum, dass sich das Feuer durchaus lohnt und nicht drittklassig ist. Wenn die Sinfonik überzeugen soll, müsste vielleicht eher die 3., 4. oder 9. Sinfonie herhalten. Dass Spohr kein Beethoven oder Schumann ist, sollte ja klar sein. Aber ich kämpfe immer für die Komponisten der zweiten Reihe, weil mir ihre Musik (oft) sehr viel gibt.

    Das "Überharte", lieber Tristan, will ich gar nicht abstreiten. Meine Zeilen, gleich nach dem Abhören getippt, waren etwas (zu) scharf formuliert. Ich bin nach wie vor in der Hoffnung, bisher einfach die "falschen" Werke von Spohr gehört zu haben. Bei wenigen berühmten Komponisten seien ja die Qualitätsunterschiede so gravierend, wie Du mehr oder weniger schriebst (auch das Booklet der Orfeo-Einspielung argumentiert in diese Richtung). Ich folge gerade Deinem guten Tipp und lausche (via Streaming) der Sinfonie Nr. 4 "Die Weihe der Töne" mit der NDR Radiophilharmonie unter Howard Griffiths (cpo) und kann bereits nach gut fünf Minuten im Kopfsatz sagen: Deutlich vielversprechender! ;):thumbup:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

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  • Nachtrag: Die Vierte habe ich auch in ihrer Gesamtheit mit Gewinn gehört. Es ist wirklich erstaunlich, wie groß der Qualitätsunterschied zur insgesamt wenig inspirierten Sechsten ausfällt. Im Einführungstext zur weiter oben gezeigten Orfeo-Einspielung der Sechsten und Neunten meint Hartmut Becker, Spohrs Sinfonien Nr. 2 bis 5 (komponiert zwischen 1820 und 1837) zeigten durchaus einen unverwechselbaren persönlichen Stil, den selbst Schumann erkannt habe. Diese genannten Werke dürften als "bedeutendste Beispiele ihrer Gattung" zwischen dem Ableben Beethovens (1827) und Schuberts (1828) und Schumanns "Frühlingssinfonie" (1841) gelten. Den späten Werken indes, die Becker mit den programmatischen Sinfonien ab Nr. 6 beginnen lässt, hafteten "Züge von Manierismus" und "statischem Verharren im Erreichten" an. Der Neunten bescheinigt er in der späten Gruppe am ehesten noch Ansätze der Spohr'schen Meisterschaft. Für den Qualitätseinbruch macht er die Schicksalsschläge, die der Komponist zwischen 1831 und 1838 durchstehen musste (Tod des Bruders, der ersten Frau und der jüngsten Tochter), verantwortlich.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Spohrs Sinfonien Nr. 2 bis 5 (komponiert zwischen 1820 und 1837) zeigten durchaus einen unverwechselbaren persönlichen Stil, den selbst Schumann erkannt habe.

    Den späten Werken indes, die Becker mit den programmatischen Sinfonien ab Nr. 6 beginnen lässt, hafteten "Züge von Manierismus" und "statischem Verharren im Erreichten" an. Der Neunten bescheinigt er in der späten Gruppe am ehesten noch Ansätze der Spohr'schen Meisterschaft.

    Das deckt sich doch sehr mit meinen Hörerfahrungen und Empfindungen. Die Sinfonien 2-4 stehen bei mir ganz oben und aus der zweiten Hälft vor allem die 9. Sinfonie, siehe #42 (meine Rangliste wäre wohl 3-4-2-9-5-1-7-8-6-10). Und diese Aussagen spiegeln im wesentlichen auch die Kritiken nach den jeweiligen Aufführungen der Werke wieder. Die frühen Sinfonien werden gelobt und gefeiert. Spohr wird auch von namenhaften Leuten wie Moscheles und den Schumanns anerkannt. Nach den Uraufführungen der späteren Sinfonien (vor allem bei Nr. 8 & 9) gehen die Kommentare und Zeitungskritiken in die Richtung des "statischem Verharren im Erreichten": Gelobt wird das übliche hohe kompositorische Niveau der Werke, bemängelt wird die fehlende Innovation, der ausbleibende nächste Schritt und eine gewisse Betulichkeit.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Den Ranking, lieber Tristan, mit der Dritten an der Spitze spiegelt offenbar auch die diskographische Situation gut wider, scheint die Sinfonie Nr. 3 doch bei weitem am häufigsten eingespielt worden zu sein, wie mir eine Recherche nahelegt. Nicht alles davon ist auf CD greifbar.


    Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks/Gustav Schlemm (Urania 1952)

    Radio-Symphonie-Orchester Berlin/Michael Gielen (SFB 1968)

    Südwestdeutsche Philharmonie/Tamás Sulyok (RBM 1974)

    Radio-Symphonie-Orchester Berlin/Gerd Albrecht (Schwann 1983)

    Südwestfunk-Sinfonieorchester/Leopold Hager (Amati 1988)

    Slowakische Staatsphilharmonie/Alfred Walter (Marco Polo 1991)

    NDR Radiophilharmonie/Howard Griffiths (cpo 2007)

    Orchestra della Svizzera italiana/Howard Shelley (Hyperion 2009)


    In einem Überblick des Spohr Journal der britischen Spohr Society gibt Keith Warsop überraschenderweise der im Forum eher mäßig bewerteten Einspielung unter Alfred Walter auf Marco Polo den Vorzug.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nun soll das letzte sinfonische Werks Spohrs noch zu Ehren kommen. Die 10. Sinfonie WoO 8 in Es-Dur ist das Stiefkind unter den Sinfonien Spohrs. Entstanden 1857 als Spohr endgültig auf dem absteigenden Ast ist und gegen seinen Willen pensioniert wird. Zwei Jahre später stirbt er dann in Kassel und wird dort unter großer Anteilnahme beigesetzt. Die 10. Sinfonie ist deshalb Stiefkind, weil sie den von der Kritik schon ab der 7. bzw. 8. Sinfonie festgestellten Trend des Verharrens auf dem Erreichten auf die Spitze treibt und weil Spohr selber auch die eigenen Qualitätsansprüche nicht mehr erfüllt sieht. Er zieht das ursprünglich mit der Opuszahl 156 versehene Werk zurück, es wird heute als WoO geführt. Ähnlich verfährt Spohr mit den beiden Streichquartetten (Nr. 34 & 35) die zur gleichen Zeit entstehen. Spohr scheint zu realisieren, dass er sein jahrzehntelanges hohes kompositorisches Niveau - welches bei aller Kritik bis zuletzt auch von Kollegen und Kennern anerkannt wird - nicht mehr halten kann und die Werke deshalb "niemals der Oeffentlichkeit übergeben werden möchten".


    Mir geht es ähnlich - obwohl die Musik wie immer gut klingt, bleibt hier bei mir wirklich so gut wie gar nichts hängen. Bis auf die Zauberflöten-Einleitung des Allegro vielleicht. Das Booklet spricht von einer "klassizistischen Grundhaltung" im gesamten Werk, beginnend mit diesem Hauptthema. Damit kann ich nicht ganz so viel anfangen, denn Spohrs frühromantische Musiksprache ist doch im gesamten Werk immer noch recht klassizistisch. Insgesamt fällt die kürzere und strengere Anlage (thematische Gebundenheit) der gesamten Sinfonie auf.

    Auch als Spohr-Liebhaber sage ich mal ganz apodiktisch: 9 Sinfonien (ohnehin eine gute Zahl) hättens auch getan. Eine Meinung der Spohr ja irgendwie auch war.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)