- Tristan : Christian Franz
- Isolde : Linda Watson
- Kurwenal : Boaz Daniel
- Brangäne : Katja Pieweck
- König Marke : Peter Rose
Philharmoniker Hamburg unter der musikalischen Leitung von Simone Young
Inszenierung Ruth Berghaus, Bühnenbild Hans-Dieter Schaaf, Kostüme Marie-Luise Strandt.
(41.Vorstellung seit der Premiere am 13.03.1988)
I.
Natürlich möchte die Vergangenheit sowohl im Guten, wie auch im Schlechten immer größer erscheinen, als sie wirklich ist - in diesem Fall jedoch mag ich auch fast ein Vierteljahrhundert nach der Premiere keine Abstriche machen:
Dieser Tristan ist und bleibt eines der ganz großen Wagner-Erlebnisse, die es noch auf der Bühne zu sehen gibt!
Über Ruth Berghaus Sichtweise des Wagnerschen Schlüsselwerkes ist im Forum schon vor einigen Jahren einiges geschrieben worden, wobei ich wohl mit diesem Beitrag am meisten konform gehe. - Meine eigenen Erinnerungen gehen bis zur Premiere zurück: Für einen Schüler waren selbst solche Aufführungen durch den sog. Kulturring der Jugend günstig erreichbar und über die Probleme des Regietheaters habe ich mir schon damals nicht allzuviel Gedanken gemacht - entweder es gefällt mir oder es gefällt mir nicht. Dem zum Teil prominent besetzten Publikum gefiel es anscheinend nicht so sehr: Der Buhsturm im Parkett war wohl ebenso groß, wie der Jubel auf den Rängen und von irgendwoher flogen sogar Sitzkissen.
Heute ist die Inszenierung ein Klassiker guten Regietheaters, dessen eindrückliche Bilder mich immer noch berühren. Und auch ein Christian Thielmann hat sich in jungen Jahren mit diesem Tristan in der Hansestadt einige Lorbeeren verdient.
II.
Wahrscheinlich steht oder fällt kaum eine andere Oper so sehr mit der Besetzung der Titelpartien, wie Richard Wagners Tristan und Isolde. Traumkombinationen, wie Traubel/Melchior, Nilsson/Windgassen oder Flagstad/Suthaus gibt es nicht mehr. Auch durchaus umstrittene Besetzungen, wie Behrens/Hofmann oder Stemme/Domingo (letzterer singt zwar wunderschön, allein man versteht kein einzig Wort) sind nicht mehr oder nur noch schwer zu bekommen. Für die aktuelle Hamburger Aufführungsserie fiel die Wahl nun auf die bekannte US-amerikanische Wagner-Heroin Linda Watson und "natürlich" auf den aktuell an der hiesigen Staatsoper im Wagner-Fach am meisten gebuchten Tenor Christian Franz (Siegmund/Siegfried im Hamburger Ring des Nibelungen und in der kommenden Saison sogar konzertant als Rienzi).
III.
Vorspiel. Der Blick fällt durch ein halbrundes, klassizistisches Fenster auf Sternenhimmel und Vollmond, die Musik setzt ein. Auffallend gleich zu Beginn das sehr breite Tempo. Die Pausen in den ersten 16 Takten erscheinen fast überlang ausmusiziert. Alles klingt im Ganzen sehr vollmundig, jedoch stellenweise auch etwas nervös und mit (zu) großen dynamischen Sprüngen. Dieser Eindruck wird bis zum Ende des ersten Aufzuges anhalten.
Die Szene im 1.Aufzug ist bekanntlich das Schiff, mit welchem Tristan die eigentlich von ihm geliebte Isolde zur Heirat mit König Marke bringt. In diesem speziellen Fall handelt es sich eigentlich um ein Raumschiff inkl. einiger Deckchairs, welche von Statisten wahlweise auch als Schild verwendet werden.
Zum Problem des Abends könnte sich Christian Franz als Tristan entwickeln; seine ohnehin eher etwas metallische Stimme, sowie eine Neigung zum Sprechgesang wirkten als Siegmund/Siegfried glaubhaft. Als Tristan hätte ich mir zu diesem Zeitpunkt eher ein etwas dunkleres Timbre und ausgesungene Linien gewünscht. Wie wird sich dies im Liebesduett des 2.Aufzuges entwickeln? Ebenfalls etwas problematisch der fast als schneidend zu bezeichnende Sopran Kaja Piewecks in der Rolle der Brangäne. Was zuletzt als Donna Elvira im Don Giovanni noch gut funktionierte, sticht hier bisweilen und insbesondere im Zusammenspiel mit Linda Watson zu sehr hervor. - Apropo: Linda Watsons Isolde nicht immer textverständlich, dafür aber in ihrer Erzählung hochdramatisch und von großer stimmlicher Reinheit.
Der 2.Aufzug wird dominiert von einer riesigen Turbine, hinter welcher ein klarer Sternenhimmel zu erblicken ist. Das Wesentliche Requisit ist ein kleines Ruderboot; so groß, dass gerade eine Person darin Platz findet.
Plötzlich scheint die Nervosität des ersten Aufzuges verschwunden und nach einem sowohl gesanglich, als auch orchestral extatischen Wiedersehen beginnt ein von L.Watson und C.Franz hervorragend gesungenes Liebesduett. Dazu der Ruf der Brangäne (K.Pieweck) leider wieder etwas zu laut und mit merklichem Vibrato in der Stimme.
Dann m.E. Peter Rose als König Marke mit dem Auftritt des Abends: So mancher mag Richard Wagner "vorwerfen", die Erzählung des Marke sei dann doch etwas zu lang geraten ... wenn sie allerdings so fundamental gesungen wird, kann man eigentlich nicht anders, als tiefe (Be-)Rührung und Mitleiden zu empfinden. Sehr fein jetzt auch die Personenregie, wenn Tristan benommen und verwirrt in dem kleinen Boot sitzt und sich über die Unterarme streicht - im dritten Aufzug wird er dann dort Wundverbände tragen, die er sich bei Ankunft Isoldes herunterreißt.
Im Bühnenbild des 3.Aufzugs begegnet uns das (Raum-)Schiff des ersten Aufzuges wieder - allerdings von einem Meteoriten zertrümmert (vielleicht auch das (Raum-)Schiff an diesem Meteoriten zerschellt); so, wie am Ende des letzten Aufzuges alles "zertrümmert" sein wird.
Während die Philharmoniker unter Simone Young das im zweiten Aufzug gewonnene Niveau ziemlich mühelos halten, verfällt C.Franz wieder in die Nähe des bereits im ersten Aufzug vernommenen Sprechgesangs. Zudem schleichen sich zum Ende hin merkliche Textunsicherheiten ein, die für einen Routinier eigentlich etwas ärgerlich sind. Sehr souverän dafür Boaz Daniel als Kurwenal, der ja erst jetzt größere Passagen zu singen hat.
Schließlich Isoldes Liebestod, auf welchen das von Wagner als Handlung in drei Aufzügen bezeichnete Geschehen vom ersten Akkord an zwingend hinarbeitet. Im Gegensatz zu Christian Franz sind bei Linda Watson keine Ermüdungserscheinen festzustellen. Es gelingt ihr, stimmlich mit dem Orchester zu verschmelzen und schließlich sinkt der Bühnenvorhang herab. Isolde tritt nun endgültig aus der Handlung und vor den Vorhang, wo sie schließlich niedersinkend den Mond umarmt. Ein Schlußbild, welches seit knapp 25 Jahren nichts an seiner Faszination und Eindrücklichkeit verloren hat.
IV.
Insgesamt also eine zu Beginn etwas aufgeregte Wiederaufnahme, in welcher mancher (C.Franz, K.Pieweck) vielleicht etwas zuviel wollte, während andere (L.Watson, P.Rose, S.Young) fast alles konnten. Die Inszenierung für mich immer noch ein musterhaftes Beispiel guten Regietheaters. Und am Ende verdienter Applaus