Haydn, Joseph: Sinfonie Nr.88 G-dur

  • Zitat

    Original von Ulli
    Nein, Du spinnst nicht wirklich...



    Die beiden Themen sind insoferne "verwandt", daß sie beide auf einem Dreiklangmotiv aufbauen, welches jeweils rhythmisch anders angelegt, zudem beim Largo aufsteigend, beim Finalsatz absteigend ist. Beide Themen beginnen auftaktig auf dem Dominantton [Largo: D-Dur --> A | Finale: G-Dur ---> D].


    Einmal aufsteigend, einmal absteigend, rhythmisch ungefähr so verschieden wie irgendwas nur sein kann, wie stark sollen sie sich denn noch unterscheiden???
    Wenn sich diese beiden Themen ähneln, dann tun das fast ALLE aus allen Haydn-Sinfonien in G-Dur oder D-Dur (oder sonst eben transponiert)! Vermutlich sind 40% dreiklangsbasiert, 40% tonleiterbasiert, die ähneln sich dann alle untereinander eindeutig. Die restlichen 20 vielleicht nicht.
    Mozarts Klarinettenkonzert gehört natürlich auch noch mit hinein. Kein Wunder ein langsamer Satz in D-Dur und 3/4... :rolleyes:
    Man muß nur weit genug abstrahieren, dann ist irgendwann alles mit allem ähnlich...


    Das Finalthema erhebt sich über eine Floskel (die, worauf Rappy oben hinweist, so ähnlich schon im Kopfsatz auftaucht) hauptsächlich durch den Schluß auf h-moll(?) am Ende des Zitats (also in der Mitte). Von dieser Besonderheit abgesehen findet man sicher dutzende ähnlicher Themen in anderen Werken Haydns und Zeitgenossen (man nehme z.B. das Finale des "Vogelquartetts" op.33,3)


    Wenn man sich das Largo-Thema wesentlich beschleunigt vorsingt, dann kann man die o.g. flüchtige Ähnlichkeit der ersten Phrase mit ein oder zwei Beethovenstellen erkennen, op. 26 und noch was anderes (viel schnelleres, ein Trio eines Menuetts/Scherzos oder so). Das sind aber wirklich Ähnlichkeiten der melodischen Gestalt (obwohl ich selbst hier sicher bin, daß es keine Anspielungen oder gar Zitate sind, dafür sind sie wieder nicht ähnlich genug).


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Johannes hat natürlich Recht, daß das Gros der musikalischen Themen bei Haydn dreiklangs- oder tonleiterbasierend ist. Ich wollte es allerdings nicht so grob formulieren vie JR I, sondern vielmehr JR IIs Verdacht insofern bestätigen, wobei ich nicht so sehr die "Verwandschaft" der Themen hervorheben möchte. Mir war nur wichtig zu zeigen, daß ihn seine Ohren nicht getäuscht hatten.


    Von einer absichtlichen Themenverwebung, wie dies bei Haydn verschiedentlich bei Sinfonien in der langsamen Einleitung zum Kopfsatz geschieht, kann man hier sicherlich nicht sprechen [zB 103].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Die Nr. 88 ist unter Weil sehr spritzig; auch Bernstein bekam das hin - nur nicht in seiner späten DG-Einspielung...



    Die Eindrücke der Klassikhörer in den letzten Jahren scheinen sich mit meinen derzeitigen Eindrücken voll zu decken.


    Auch die Sinfonie Nr.88 ist in der älteren New Yorker Aufnahme von 1961 wegen dem weit spritzigeren und spielfreudigeren Zugriff nochmal deutlich der Späteren aus Wien von 1984 vorzuziehen, wenngleich die Wiener Aufnahme auch ihre zugestandenen Qualitäten hat - besonders die Finale sind in beiden Fällen wirklich Klasse !


    In dieser Bernstein-Box gibt es alle Pariser und Londoner :!: zum Hammer-Preis:



    SONY, 1960-1975, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Falls es jemand (Ausnahme: Joseph II. :hello:) noch nicht kennt, ein kleines großes Augenzwinkern von Lenny Bernstein, der den Finalsatz dirigiert ... oder eben auch nicht:



    Eine Freude, nicht nur zuzuhören, sondern auch zu schauen ;) - es zeigt, daß bei Standardrepertoire ein Dirigent quasi überflüssig ist. Und zack: wieder mit beiden Füßen im Wespennest ...


    Meine Lieblingsstelle bei 0:52 - die nicht wiederholt wird ... (was der gemeine Haydn auch so vorsah). ;(

    Wegen dieser doppeltunendlichschönen Stelle wurde die Sinfonie ganz zu Recht im 1. Buch Hoboken als Nr. 88 eingetragen. :)

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
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  • Noch gar nicht genannt wurde hier eine bedeutende Aufnahme, die zwar nicht den heutigen Hörgewohnheiten entspricht, aber ein großartiges, auch sehr gut klingendes Zeugnis eines der größten Dirigenten des 20. Jahrhunderts ist:

    Haydn: Symphonie No. 88 / Schumann: Symphonie No. 4

    Aufnahme: 5.12.1951, Jesus-Christus-Kirche, Berlin-Dahlem.

    Natürlich ist es keine Stereo-Produktion, aber für die damaligen Verhältnisse ist der Klang überdurchschnittlich gut. Es gibt die Aufnahme in diversen Ausgaben.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Die Achtundachtzigste dürfte schon seit Anbeginn der elektrischen Tonaufnahme eine der populärsten Haydn-Sinfonien gewesen sein. Zumindest gibt es sie auch von einigen der "großen Alten", die ansonsten sehr wenig Haydn aufführten. Wilhelm Furtwängler wurde schon genannt. Mein Erstkontakt mit dem Werk erfolgte mit ziemlicher Gewissheit über einen Dirigenten, bei dem man bestimmt nicht als erstes an Haydn denkt: Hans Knappertsbusch. Laut Diskographie haben sich tatsächlich vier Aufnahmen unter seinem Dirigat erhalten, allesamt zwischen 1958 und 1962 entstanden. Die mir damals geläufige entstand im November 1959 in Dresden mit der dortigen Staatskapelle, also tatsächlich für den DDR-Rundfunk. Knappertsbusch trat in der "Ostzone" in den Jahren 1958 und 1959 durchaus noch auf und dirigierte an der Deutschen Staatsoper sogar einen kompletten "Ring"-Zyklus von Wagner. Die Haydn 88 jedenfalls erschien beim auf historische Aufnahmen spezialisierten Label Tahra. Die Interpretation, die ich seit Jahren nicht mehr hörte, wird heutzutage gewiss wirklich unter "historisch" laufen. Der nicht gerade ideale Monoklang unterstreicht das natürlich. Wohl eher etwas für Fans des "Kna" als für Haydn-Begeisterte.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Oha, die werde ich gleich mal auflegen......ja, klingt recht ordentlich. Gebraucht unter 3€ + Versand noch zu bekommen, lohnt auch wegen dem Schumann.

  • lohnt auch wegen dem Schumann.

    Allerdings, lieber kalli, darüber habe ich im entsprechenden Thread "Schumann: Sinfonie Nr. 4" im Beitrag #16 einiges geschrieben, was ich hier nicht wiederholen will, weil es nichts mit Haydn zu tun hat.


    LG Nemorino

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