Der Musiker Gräber

  • Anton Rückauf - *13. März 1855 Prag - † 19. September 1903 Alt-Erlaa (bei Wien)


    img_4888ikebd.jpg


    Zum heutigen Todestag von Anton Rückauf


    ruckaufvergrqziev.jpg

    Bildhauer Franz Vogl

    1856hme96.jpg

    Hier steht eine andere Jahreszahl als in den Nachschlagewerken


    Anton Rückauf hat zwar auf dem Wiener Zentralfriedhof ein prächtiges Grabdenkmal, aber er ist heute als Musiker kaum noch bekannt.
    Er besuchte in Prag das renommierte Proksch-Institut, wo er von Marie Proksch am Klavier unterrichtet wurde, die internationale Erfahrungen von Paris mitbrachte, und die pädagogische Arbeit ihres Vaters fortführte. Außerdem besuchte er die alte Prager Orgelschule bei den Lehrern František Zdeněk Skuherský und František Blažek.
    Nach seiner Ausbildung war er selbst am Procksch´en Institut (so die Schreibweise in einer Zeitung von 1903) als Lehrer tätig.
    1878 kam Anton Rückauf dann nach Wien, denn er hatte einige Lieder komponiert und Johannes Brahms war aufmerksam geworden und verschaffte Rückauf ein Stipendium, was dem jungen Mann ermöglichte, bei Gustav Nottebohm und bei Navratil Kontrapunktstudien zu machen. Im Klavierspiel holte er sich bei Theodor Leschetitzky den letzten Schliff.
    Anton Rückauf kam nun in Wien mit dem bekannten Tenor Gustav Walter in Kontakt, mit dessen Unterstützung er in adeligen Kreisen verkehren konnte.
    Von 1882 bis 1984 unternahmen die beiden längere Konzertreisen nach Deutschland; ansonsten gab Rückauf Klavierunterricht und komponierte Lieder.

    Die Liederabende des Duos Walter / Rückauf müssen - orientiert man sich an zeitgenössischen Zeitungsberichten - in dieser Zeit etwas ganz Besonderes gewesen sein.
    Ein in Frakturschrift gesetzter Zeitschriftenbeitrag sei hier in modernen Lettern, aber originaler Schreibweise eingestellt; das hier Beschriebene stammt aus einer Veröffentlichung vom 21. September 1903 und zeigt das öffentliche Wirken von Anton Rückauf recht anschaulich.


    »Es war die Zeit, als Gustav Walter begann, durch seine unvergleichliche Kunst die Schätze unserer reichen Liederliteratur beim Publicum zu erneutem Ansehen zu bringen. Damals associirte er sich mit Anton Rückauf, der Jahre hindurch nicht nur sein untergeordneter Begleiter, sondern ein mitempfindender Freund und Künstler war, der es verstand, die Intentionen Walter´s mit den eigenen in harmonischen Einklang zu bringen. In jener Zeit bildete das Concert Walter´s den einzigen Liederabend der Saison. Daß ein einziger Sänger den ganzen Abend hindurch nur Lieder singen sollte, war eine Neuerung, deren Gelingen nicht ohneweiters gesichert war. Man war früher gewohnt, Lieder nur in Concerten mit sogenannten gemischten Programmen zu hören, und hielt das Dominiren eines Künstlers im Conzert für eine unerhörte Zumutung, die eine gefährliche Monotonie zur Folge haben müßte. Aber ganz so wie früher die Clavierspieler, wußten nun auch die Sänger diese Bedenken zu zerstreuen, und das Publicum gewöhnte sich an die Specialisirung im Kunstgenuß ebenso wie auf anderen Gebieten. Dieser Erfolg war zum nicht geringen Theil ein Verdienst Rückauf´s, der als selbständige künstlerische Persönlichkeit mit seinen Claviervorträgen etwas Abwechslung in das Programm brachte. Keiner unserer jetzigen ›Begleiter‹ hat ihn in dieser Eigenschaft auch nur annähernd erreicht. Das Künstlerpaar Walter-Rückaufhat mit seinen Concerten Schule gemacht.
    In der vorigen Saison hatten wir schon 76 solcher Liederabende zu verzeichnen, von denen freilich nur ein kleiner Theil die Bedeutung der Concerte Walter´s erreichte. Längst verschollene Lieder wurden damals der Vergessenheit entrissen, ältere Perlen in vollendende Fassung gebracht und eine ganze Anzahl neuer Compositionen angeregt.
    Rückauf´s Talent empfing von dieser Thätigkeit die fruchtbarste Anregung, die es dem Componisten ermöglichte, auch selbst kleine Liedwerke zu schaffen, die zeitweilig eine ungewöhnliche Popularität errangen. Sein Stilo lag ungefähr dem von Robert Franz nahe, obgleich auch Brahm´s Jugendwerke auf ihn nicht ohne Einfluß geblieben sind.
    Die modernste neudeutsche Schule lag Rückauf fern, und er trat im Laufe der Jahre als Componist in demselben Maße zurück, als jene an Boden gewann.«


    Anton Rückauf hat sich auch als Komponist von Kammermusik und Opern versucht, konnte aber nicht den Erfolg verbuchen, den er zeitweilig mit seinen Liedkompositionen hatte.
    Seine Oper »Die Rosenthalerin« wurde in Wien abgelehnt, dann aber schließlich in Dresden 1897 ohne durchschlagenden Erfolg aufgeführt.
    Zu seinem Lebensende hin leitete er sehr erfolgreich den Evangelischen Singverein, aber damit war kein Weltruhm zu erreichen.


    Die Herzogin von Oldenburg hatte Anton Rückauf das Schloss Neu-Erlaa (heute 23. Wiener Gemeindebezirk) als Sommeraufenthalt zur Verfügung gestellt, er war schon seit mehr als einem Jahr gesundheitlich angeschlagen und gerade von einem Kuraufenthalt aus Karlsbad zurückgekommen. Er selbst soll jedoch noch Schaffensdrang auf Jahrzehnte hinaus verspürt haben, aber sein Umfeld merkte, dass es dem Ende zu ging. Er hatte ein Krebsleiden und starb an einem Samstag, abends um halb neun, am 19. September 1903.

    Praktische Hinweise:
    Das Grabmal von Anton Rückauf befindet sich auf dem Zentralfriedhof Wien, Simmeringer Landstraße 234.
    Vom Tor 2 kommend geht man der Hauptachse geradeaus und erreicht Gruppe 32 A kurz nach den Alten Arkaden links des Hauptweges.
    Man kann von etwa drei bis fünf Gehminuten ausgehen, Friedhofspläne stehen ausreichend zur Verfügung.

  • Paul Badura-Skoda - * 6. Oktober 1927 Wien - † 25. September 2019


    img_4828dqi0p.jpg


    Zum heutigen Todestag von Paul Badura-Skoda


    Der kleine Paul sprang einst recht lustig zwischen den Gräbern des Ottakringer Friedhofs herum, es war für ihn ganz selbstverständlich, dass hier Verstecken und Fangen gespielt wurde, für ihn war nur betrüblich, dass hier keine Eisenbahnlokomotive durchfuhr.
    Fast jeden Sonntag wurde der Friedhof von der Familie besucht. An seinen Vater hatte Paul keine direkte Erinnerung, denn er war erst vier Monate alt als Ludwig Badura an den Folgen eines Motorradunfalls starb.


    badurakorr.y1ezi.jpg


    Pauls Zugang zur Musik vollzog sich ganz natürlich, denn seine Mutter hatte Zimmer zu vermieten und wählte unter den Interessenten Frau Marta Wiesenthal aus, eine Klavierlehrerin.
    Bei ihr begann dann für den sechsjährigen Knaben der Klavierunterricht.


    Am Wiener Konservatorium hatte der Student in Prof. Viola Thern, die einer Musikerdynastie entstammte, in Sachen Klavier wieder eine weibliche Bezugsperson, die er später als ›einer Art Leitperson‹ bezeichnete. Aber Badura-Skoda studierte nicht nur Klavier, sondern auch Dirigieren, wofür an der Hochschule Prof. Felix Prohaska zuständig war.
    In beiden Fächern machte er dann 1948 seinen Hochschulabschluss mit Auszeichnung und 1949 wollte ihn kein geringerer als Josef Krips zu seiner Assistenz an die Wiener Staatsoper holen und lockte mit dem Lob: ›Sie sind der geborene Dirigent!‹
    Allerdings wurde der junge Pianist von seinem Manager dahingehend beraten, dass er besser seine Pianisten-Karriere vorantreiben sollte, denn noch vor seinem Abschluss gewann der strebsame Pianist den 1. Preis beim Österreichischen Musikwettbewerb, dem noch Siege bei Wettbewerben in Budapest und Paris folgten - darauf ließ sich aufbauen.
    Der in Wien errungene erste Preis beinhaltete auch ein Stipendium für Edwin Fischers Meisterkurs in Luzern, wobei das in dieser Zeit auch außermusikalisch einen Wert an sich darstellte. Auch hochbetagt kam Badura-Skoda immer und immer wieder auf Edwin Fischer zurück, der für ihn ein Leitstern war.


    In der Kriegszeit konnte die Familie bei einem Bauern in der Nähe von Amstetten unterkommen, den sein Stiefvater, Anton Skoda, ausfindig gemacht hatte. Die Familie lebte dort offiziell als Landhilfsarbeiter, inoffiziell hatte er ein Klavier und ein Akkordeon, mit dem er bei Hochzeiten aufspielen und auch für ein paar Stunden die Schrecken des Krieges vergessen konnte.


    Und nach dem Krieg ging es in der Tat schnell voran; entscheidenden Anteil daran hatten Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan, denn sie engagierten Badura-Skoda als Solist für Konzerte. So spielte Badura-Skoda zum Beispiel 1949 im Wiener Musikverein mit den Wiener Philharmonikern unter Furtwängler Mozarts Konzert für zwei Klaviere in Es-Dur, KV 365; seine Klavierpartnerin war Furtwänglers Tochter Dagmar Bella.
    Karajan war damals zwar noch nicht der ›ganz große‹ Karajan der späteren Jahre, aber Badura-Skoda berichtete vom damaligen Engagement, dass Karajan ihm eine ganze Woche lang Klavierunterricht erteilte, um ihm zu erklären, wie er das Stück zu spielen habe.
    Ein Karrierehöhepunkt folgte dem andern; bei den Salzburger Festspielen 1950 sprang er für den erkrankten Edwin Fischer ein, wo er neben Wolfgang Schneiderhahn und Enrico Mainardi musizierte. Ab 1954 war Badura-Skoda Fischers Assistent, nachdem er seit 1948 bei ihm Meisterkurse besucht hatte.


    Schon ab 1950 kann man von einer großen internationalen Karriere sprechen, denn da gab es Konzerttourneen nach Australien, USA, Kanada, Mexiko und Südamerika; später dann auch nach Japan, in die Sowjetunion und nach China, wo Badura-Skoda als erster westlicher Pianist nach der Kulturrevolution auftrat.


    1951 hatte Paul Badura-Skoda einen Auftritt als Ehemann, er heiratete die 22- jährige Eva Halfar, eine Musikwissenschaftlerin, die in ihrem Genre ebenfalls eine internationale Karriere zustande brachte und dennoch vier Kindern ins Leben half, darunter der Pianist Michael Badura-Skoda (1964-2001).


    Eva Badura-Skoda promovierte mit 24 Jahren, was heute kaum noch vorstellbar ist. Das Ehepaar arbeitete musikwissenschaftlich zusammen, zum Beispiel bei dem Buch ›Mozart -Interpretation‹, das 1957 zunächst in deutscher Sprache erschien und später in Englisch und Japanisch veröffentlicht wurde. Nachdem ein halbes Jahrhundert verstrichen war, hatten beide dann 2008 die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte in einen erweiterten Text (474 Seiten) einfließen lassen. Auch zu dem Buch ›Bach Interpretation‹ (1990) hat Ehefrau Eva einiges beigesteuert.
    Bei all dieser Zusammenarbeit gab es jedoch auch im Garten der Villa noch ein Übungsstudio für den Pianisten.


    evapaull5dv9.jpg


    Etwas von seinem zweiten Ausbildungszweig an der Hochschule kam 1956 zum Tragen, als er mit dem Taktstock und einem Kammerorchester der Wiener Symphoniker auf einer Tournee durch Italien unterwegs war.
    Aber als Pianist waren seine Auftritte eine Aneinanderreihung von Superlativen; bei seiner ersten Japan-Tournee 1959/60 trat er allein in Tokio 14 Mal auf.
    Im Beethoven-Jahr 1970 spielte und kommentierte er zusammen mit dem befreundeten Jörg Demus alle Klaviersonaten Beethovens für das Deutsche Fernsehen. Zyklische Aufführungen der 32 Beethoven Sonaten folgten in Mexiko, Chicago, Paris, London, Wien und Barcelona.
    Er ist wohl der einzige Pianist, der wiederholt alle Sonaten von Mozart, Beethoven und Schubert sowohl auf Pianoforte als auch auf modernem Flügel auf CD aufnahm - aber auch öffentlich aufführte.
    Sowohl Frau Eva als auch Paul Badura-Skoda beschäftigten sich intensiv mit der Entwicklung des Hammerklaviers. Er sammelte über viele Jahre hinweg historische Klavierinstrumente; Große Teile dieser Sammlung waren seit 2001 als Leihgabe auf Schloss Kremsegg untergebracht, aber 2018 wurde das Musikinstrumentenmuseum geschlossen.


    Er sammelte, weil es ihn interessierte, wie es wirklich geklungen hat, und er wollte herausfinden, was die Absicht des Komponisten war. In diesem Zusammenhang sagte er einmal:


    »Es ist ja das Schöne, dass es gerade in der Musik so viele Möglichkeiten gibt. Die Noten stehen fest - aber jeder kann etwas hineinlegen. Und es gibt manchmal große Momente, in denen man über sich hinausgetragen wird und spürt: Nicht ich spiele, sondern es spielt, wie der große Edwin Fischer einmal sagte.«


    Spitzenmusiker wie Badura-Skoda arbeiten naturgemäß auch mit anderen großen Musikern zusammen, was in der Regel professionell und auf hohem Niveau von statten geht.
    Bei Paul Badura-Skoda nehmen aber zwei Kollegen eine Sonderstellung ein, wo neben dem professionellen Musizieren auch echte und tiefe Freundschaften entstanden.
    Da war einmal der Pianistenkollege Jörg Demus, der vor allem als Begleiter großer Stimmen bekannt war, die beiden waren fast gleichaltrig. Sie spielten als alte Herren zusammen noch ein Konzert in Linz, da stand Demus zwei Monate vor seinem 90. Geburtstag und Badura-Skoda hatte am Vortag gerade seinen 91. Geburtstag gefeiert. Die ›Salzburger Nachrichten‹ berichteten, dass bei der vierhändig gespielten Zugabe keiner im Saal mehr sitzen blieb; die Begeisterung war Riesengroß.
    Die in Freundschaft mündende Bekanntschaft mit David Oistrach reicht in den Anfang der 1960er Jahre hinein; 1971 kam es bei der Salzburger Mozartwoche zum ersten gemeinsamen Sonatenabend; beide sollen ausgezeichnete Schachspieler gewesen und hatten das auch ausreichend gepflegt, wenn sie nicht gerade mit ihren Instrumenten zu tun hatten.


    Paul Badura-Skoda war auch ein begeisterter und begeisternder Pädagoge, der in dieser Eigenschaft in der Welt herumreiste. Von 1966 bis 1971 war er Artist in Residence an der University of Wisconsin und 1974 unterrichtete er als Gastprofessor am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Auch der deutschsprachige Raum wurde nicht ausgespart, von 1975 bis 1981 lehrte er an der damaligen Folkwang Musikhochschule in Essen und 1981 kehrte er zu seinem Ursprung zurück und wurde ordentlicher Professor für Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 tätig war.
    Auch als Jurymitglied bei diversen Wettbewerben war Badura-Skoda ein gefragter Mann; so war er 1987 Jurymitglied beim Santander Paloma O´ Shea Klavierwettbewerb, den damals David Allen Wehr gewann.
    1990 und 1995 Jurymitglied beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau und 2013 saß er beim Internationalen Deutschen Pianistenpreis in Frankfurt am Main in der Jury.


    Bezüglich zeitgenössischer Musik ist das freundschaftliche Verhältnis zu Frank Martin zu erwähnen, das sich mit einem Brief vom 11. Juni 1965 anbahnte, den Badura-Skoda, der damals schon ein renommierter Pianist war, an Frank Martin schrieb:


    »Verzeihen Sie, wenn ich mich mit einer ungewöhnlichen Bitte an Sie wende. Schon während meiner Studienzeit am Konservatorium hat mich Ihre Musik tief beeindruckt ...


    Ich möchte Sie aber nicht mit Elogen, die Sie wahrscheinlich all zu oft zu hören bekommen, langweilen, sondern gleich zum Kern der Sache vordringen: es würde mich freuen, wenn Sie für mich ein neues Klavierkonzert schreiben könnten ...«


    Der Briefwechsel erfolgte überwiegend in Französisch während der letzten neun Lebensjahre des Komponisten und informiert über die gute Zusammenarbeit der beiden. Frank Martin hat zwei Werke für Klavier im Auftrag von Badura-Skoda geschrieben und mit einem gewissen Stolz zitierte der Pianist den Komponisten, der nach der Uraufführung seines Zweiten Klavierkonzerts folgende Widmung schrieb:


    »Du hast das Größte fertiggebracht. Du hast mich von meiner eigenen Komposition überzeugt.«


    Die umfangreichen Aktivitäten und die lange Lebensspanne brachten es mit sich, dass Paul Badura-Skoda mit äußeren Zeichen der Anerkennung geradezu überschüttet wurde.

    Neben Ehrendoktorwürden mehrerer Universitäten wurde Paul Badura-Skoda das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, das Große Silberne Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich und das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen und 1978 erhielt er den Bösendorfer-Ring, welchen vor ihm nur Wilhelm Backhaus trug. 1993 wurde der Künstler zum ›Chevalier de la Légion d'honneur‹ ernannt und 1997 zum ›Commandeur des Arts et des Lettres‹.


    Irgendwie passt es nicht so recht zu all diesen Ehrungen, wenn Paul Badura-Skoda - wohl mit einiger Verbitterung - in der Rückschau feststellen musste:
    »Warum ich seit 50 Jahren nicht mehr nach Salzburg eingeladen wurde, verstehe ich nicht. Ich kann ohne Salzburg leben - und umgekehrt auch. Aber es gibt auch die Schubertiade in Vorarlberg. Ich habe alle Schubert-Werke gespielt, aber die haben mich von Anfang an vollkommen ignoriert. Freunde und Manager haben Ihnen geschrieben und noch nicht einmal eine Antwort bekommen.«


    Am 25. September 2019 ging in Wien ein arbeitsreiches, aber beglücktes Leben zu Ende; eigentlich wollte er Ingenieur werden, aber das Musizieren Furtwänglers beeindruckte ihn so sehr, dass sich ihm eine höherwertige Welt erschloss. Neben persönlichen Erinnerungen hinterlässt der vielleicht letzte große Pianist des 20. Jahrhunderts, der noch Berührung mit der Romantik des späten 19. Jahrhunderts hatte, mehr als 200 Aufnahmen, die in fast 70-jährigem Wirken entstanden sind.
    Kurz nach seinem 90. Geburtstag gab er noch ein Konzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins.
    Seine letzten Lebensjahre waren zwar von schwerer Krankheit geprägt, aber es war ihm trotzdem wichtig weiter zu musizieren. Seine Plattenfirma teilte donnerstags mit:
    ›Paul Badura-Skoda starb am Mittwochabend bei sich zu Hause schmerzfrei und in Frieden.‹
    Zu seinen Ehren wurde am 5. Oktober 2019 in der Wiener Piaristenkirche, die er als Kind und im Alter oft besucht hatte, ein Gottesdienst gefeiert, wobei die e-moll Messe von Anton Bruckner aufgeführt wurde. Am 9. Oktober fand das Begräbnis im engsten Familienkreis statt.


    Praktische Hinweise:
    Adresse: Friedhof Ottakring, Gallitzinstraße 5, 1160 Wien; das ist der 16. Wiener Gemeindebezirk.
    Der Haupteingang befindet sich zwischen Johann-Staud-Straße und Gallitzinstraße.
    Man geht zur Rückseite der Aufbahrungshalle und benutzt den ansteigenden Weg am Feld 5, wobei man sich schon nach wenigen Metern nach rechts wendet und auf das Mausoleum zu läuft; am Mausoleum geht es weiter geradeaus, bis ein Stein deutlich das Gräberfeld 9 anzeigt, wo sich das Grab der Familie Badura-Skoda befindet.


    mausoleumottakringu1d74.jpg

    Beim Mausoleum geht man noch weiter geradeaus.


    gruppe9ipepi.jpg

    Hat man den Stein für Gruppe 9 erreicht, ist die weitere Information: Reihe 4, Nummer 10.


    ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


    oistrach-baduraugebh.jpg


  • Sebastian Peschko - *30. Oktober 1909 Berlin - † 29. September 1987 Celle


    img_50035aixl.jpg


    Zum heutigen Todestag des Pianisten Sebastian Peschko


    seb.peschkocjpgw5icz.jpg


    seb.peschkoaxoilw.jpg


    Sebastians Weg zur Musik dürfte wohl gradlinig verlaufen sein, denn sein Vater war Organist und Privatlehrer. An der damaligen Hochschule für Musik in Berlin studierte Sebastian Peschko Klavier bei den Professoren Börner und Fischer. Peschko wurde ab 1930 durch ein Bechstein-Stipendium gefördert. Lehrer, die ihn besonders beeinflusst haben, waren Conrad Ansorge und Edwin Fischer, von denen er - so wird berichtet - das Atmen und Phrasieren gelernt habe. Edwin Fischer äußerte einmal: »Nicht ich spiele, es spielt.«, ein Ausspruch, den auch Paul Badura-Skoda bis ins hohe Alter gerne zitierte.
    Das Orgelspiel hatte Sebastian von seinem Vater gelernt, an der Hochschule erweiterte er seine Kenntnisse bei dem Domorganisten und Regerfreund Walter Fischer.


    1933 war Peschko einer der vier Pianisten, die den Mendelssohn-Preis der Hochschule für Musik in Berlin gewannen. Wenn man von Professor Franz Schreker einen Preis ausgehändigt bekommt, dann ist das schon etwas Besonderes, worauf sich eine Karriere aufbauen lässt.


    Die Musikstudenten dieser Zeit konnten in Berlin ihre großen Vorbilder bestaunen, denen man gerne nachfolgen wollte, wie zum Beispiel:
    Wilhelm Furtwängler, Fritz und Adolf Busch, Borislaw Huberman, Pau Casals, Maria Ivogün, Karl Erb, Heinrich Schlusnus, Fritz Kreisler, Frederic Lamond, S. W. Rachmaninoff ...


    Schon ein Jahr später kam Sebastian Peschko ganz groß ins Rampenlicht, weil ihn der damals überaus populäre Bariton Heinrich Schlusnus als Begleiter seiner Liederabende auswählte, er hatte das Glück des Tüchtigen.


    Schlusnus und der Pianist Franz Rupp hatten von 1927 bis 1934 künstlerisch zusammengearbeitet und das hätte auch gewiss weiterhin Bestand gehabt, wenn nicht eine dunkle Zeit heraufgezogen wäre - Frau Annemay Schlusnus beschreibt die Situation so:


    »Die erste große Sorge war daher der Verlust unseres Begleiters, Franz Rupp, der sich mit den Gegebenheiten der Zeit nicht abfinden konnte (es soll erklärend hinzugefügt werden, dass er eine Frau jüdischer Abstammung hatte).
    Ein Ersatz musste schnell gefunden werden. Wir wandten uns an die Hochschule für Musik mit der Bitte, uns einen Nachfolger zu schicken. Man hatte schnell den einen ausgewählt, der 24 Jahre alt, gut aussehend und mit einem verträumten Gesicht, im Rufe stand wirklich sehr begabt zu sein.«


    Der hier von Frau Schlusnus beschriebene Pianist hatte nach seinem Hochschulabschluss zunächst das Geigenspiel von Georg Kulenkampff begleitet; Edwin Fischer hatte ihn an Kulenkampff empfohlen. Als nun Sebastian Peschko die ersten professionellen Podiumserfahrungen erworben hatte und von einer Konzerttournee nach Hause kam, erreichte ihn ein Anruf, der ihn zunächst verdattert reagieren ließ, denn am anderen Ende sprach der leibhaftige Heinrich Schlusnus.
    Nun wurde vereinbart, dass der junge Mann zu einem Probespiel nach Ruheleben zum Jasminweg kommen sollte, eine Gegend wo auch Die Gesangskünstler Emmi Leisner und Margarete Klose wohnten.


    In der idyllischen Gegend am Murellenteich angekommen, wurde er von Annemay Schlusnus herzlich empfangen, die ihm ein Hugo-Wolf-Lied reichte und man ließ dem jungen Mann etwas Zeit sich mit der Situation vertraut zu machen, bevor Heinrich Schlusnus selbst in Erscheinung trat, um den ins Auge gefassten neuen Konzertpartner zu begrüßen; eine von beiden Seiten empfundene Distanz war zu spüren, aber Peschko spielte so, dass sich Schlusnus eine Partnerschaft vorstellen konnte und der Meistersänger sagte, dass er einige Konzerte mit dem neuen Begleiter versuchen wolle, es käme dann darauf an, wie sich das Ganze entwickeln würde. Die Verabschiedung schildert Sebastian Peschko so:


    »Ich ergriff seine Notenmappe - die später viele Jahre mein treuer Begleiter war -, ein freundlicher Blick meines neuen Meisters verabschiedete mich, und dann trabte ich in einen siebenten Himmel hinein. Hinter mir schloss sich eine Tür, die mir später ein Tor zum deutschen Lied geworden ist.«


    Dieses gemeinsame Musizieren währte bis in die 1950er Jahre hinein und so war Sebastian Peschko auch noch dabei als bei Schlusnus die Kräfte schwanden.


    Aber man kann den Pianisten Sebastian Peschko nicht nur auf die Partnerschaft mit Heinrich Schlusnus reduzieren, denn da ist noch eine ganz beachtliche Liste schöner Stimmen zu nennen, welche die Partnerschaft Peschkos suchten:


    Theo Altmeyer, Erna Berger, Walter Berry, Rudolf Bockelmann, Grace Bumbry, Franz Crass, Lisa della Casa, Karl Erb, Nicolai Gedda, Agnes Giebel, Ernst Haefliger, Ilse Hollweg, Werner Hollweg, Heinz Hoppe, Christa Ludwig, Maria Müller, Hermann Prey, Ruth-Margret Pütz, Walther Pützstück, Erna Sack, Hanna Schwarz, Franz Völker, Bernd Weikl, Marcel Wittrich ...


    Aber wie schon eingangs erwähnt, begleitete Peschko auch Instrumentalisten, wobei neben dem bereits genannten Kulenkampff noch Berühmtheiten wie der äußerst pingelige Cellist Enrico Mainardi oder Hans Adomeit zu nennen sind.


    Von 1953 bis 1958 war Peschko bei Radio Bremen für Lied-, Chor- und Kirchenmusik zuständig; und als Rolf Liebermann Leiter der Hauptabteilung Musik beim Norddeutschen Rundfunk war, richtete er für Peschko eine neu geschaffene »Redaktion Lied« im NDR-Funkhaus Hannover ein, wo Peschko ab 1958 als Redakteur, Produzent und Pianist tätig war. Das oft in den Hintergrund gedrängte Lied erlebte in Hannover 1960 mit der Einführung der Konzertreihe »Meister des Liedes« eine Renaissance.


    In diese Zeit fällt auch die ›Entdeckung‹ des Baritons Thomas Quasthoff, dem es damals nicht möglich war sich als Sänger an der Musikhochschule ausbilden zu lassen. Aber was heißt hier Entdeckung, der behinderte Junge wurde dem Professor Sebastian Peschko, Leiter der NDR-Abteilung ›Kammermusik und Lied‹, vom Vater regelrecht aufgedrängt.
    Wie Michael Quasthoff, der Bruder des Sängers, in der Autobiografie schreibt, hatte Vater Quasthoff den ›Lied-Chef nach zwei Dutzend Brief- und Telefonattacken weichgekocht‹, so dass im Kleinen Sendesaal des Funkhauses ein Termin zustande kam. Der Beginn des Treffens wird folgendermaßen beschrieben:


    »Peschko, ein stattlicher Mensch mit weißem Haar, hoher Stirn und würdevollen Zügen, gibt sich förmlich und reserviert. Ich habe nur fünf Minuten Zeit, wiederholt er ungefähr zehn Minuten lang. Eine weitere Viertelstunde sinniert der Professor über die Untiefen des Musikbetriebes und ästhetische Grenzwerte im öffentlichen Raum.«


    Der Vortrag geht noch weiter in diese Richtung wobei Vater und Mutter Quasthoff immer nervöser werden und dann eindringlich darum bitten, dass der Herr Professor ihrem Jungen doch nur fünf Minuten zuhören möge. Nachdem Thomas mit Hilfe seines Vaters einige Stufen erklommen hat, legt er mit einem recht bunten Programm los:


    Da ist Brechts ›Mackie Messer‹-Song, der Gitte-Schlager ›Ich will ´nen Cowboy als Mann‹ und schließlich singt er das ›Ave Maria‹. Peschko findet das bisher Dargebotene gut und fordert zum Weitermachen auf.
    Es werden Opernarien und Gospels geboten, er imitiert Jürgen von Manger und Theo Lingen, beginnt zu jodeln und lässt auch seine Stimme im Stil von Louis Armstrong erklingen; den Schlusspunkt des Vortrags setzt er mit Bill Ramseys ›Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe‹.
    Jetzt wird Sebastian Peschko zum Entdecker, er hatte dem seltsamen Programm teils mit geschlossenen Augen konzentriert zugehört und die vorhandene stimmliche Qualität erkannt. Nun tritt Peschko den Quasthoff-Eltern wohlwollend entgegen und sagt:


    »Vergessen Sie alles, was ich vorhin gesagt habe. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Der kleine Bursche hat wirklich famose Anlagen. Ich werde mir etwas einfallen lassen und mich sobald als möglich bei Ihnen melden.«


    Peschko hat dann Thomas Quasthoff Zugang zu der Opernsängerin Charlotte Lehmann verschafft, die sich nach einem Vorsingen, das in ihrem Heim stattfand, bereit erklärte mit dem Jungen zu arbeiten, was bekanntlich mit Erfolg geschah.


    1971 und 1972 gab Sebastian Peschko im Rahmen der Internationalen Sommerspiele Kurse für Liedinterpretationen, trat aber in Salzburg später noch auf andere Weise in Erscheinung.


    Der Name Sebastian Peschko ist bei Lied-Kennern immer noch als Klavier-Begleiter sehr bekannt, weil er mit einer großen Anzahl berühmter Stimmen verbunden ist.
    Weniger bekannt dürfte sein, dass Sebastian Peschko auch als Komponist tätig war und diese Kompositionen nicht etwa im Nachlass als stille Übungen gefunden wurden, sondern noch zu Lebzeiten Sebastian Peschkos - am 30. August 1987 - bei einem Liederabend in der Semperoper mit der bekannten Sopranistin Helen Donath zum Vortrag kamen. Diese Lieder waren fester Bestandteil ihres Programms.
    Ebenso sang sie Peschkos Kompositionen bei den Salzburger Festspielen 1995 bei einem Liederabend am 16. August; vier Lieder, die Peschko nach Gedichten von Christian Morgenstern vertont hatte:
    Der Seufzer / Der Schaukelstuhl / Das Hemmed / Tapetenblume.


    Sebastian Peschko und seine Frau Ali Erika, die sich beim Orgelspiel des jungen Peschko in der Christian-Science-Kirche Berlin kennenlernten, wurden Eltern von drei Töchtern und zwei Söhnen. Auf dem Waldfriedhof in Celle hat der Pianist seine letzte Ruhe gefunden.
     

    Praktischer Hinweis:
    Waldfriedhof 29225 Celle an der Marienwerder Allee. Das Grab von Sebastian Peschko befindet sich ganz in der Nähe der St.-Hedwig-Kirche, wo sich ein kleiner Friedhofseingang befindet. Die Wegstrecke beträgt 120 Meter. Gleich hinter dem Eingang biegt man nach links ab und folgt diesem Weg etwa 100 Meter und biegt dann rechts ab.


    kirchecelleajwfva.jpg


    wegweisercellew0cyh.jpg

    Kirche und Straßenschilder dienen als Orientierungshilfe


    ------------------------------------------------------------------------------------------------


    lisasebastian7gfwi.jpg