Das Wilhelm Pitz-Denkmal in Stolberg-Breinig
Als Wilhelm Pitz am 25. August 1897 geboren wurde, war Breinig, südöstlich von Aachen gelegen, noch eine selbständige Gemeinde; seit 1972 ist es ein Stadtteil von Stolberg.
Zum heutigen Todestag von Wilhelm Pitz
Der kleine Wilhelm wuchs in einem Elternhaus heran, in welchem er praktisch automatisch mit Musik in Berührung kam, denn sein Vater, Jakob Pitz, leitete den örtlichen Gesangverein von 1869 und als Sohn Wilhelm das entsprechende Alter erreicht hatte, war er zunächst Chorsänger, spielte aber auch Posaune Horn und Geige. In Publikationen findet sich der Hinweis, dass der junge Wilhelm Pitz bei dem Aachner Konzertmeister Fritz Dietrich - immerhin einem Schüler von Joseph Joachim - das Geigenspiel erlernte.
Dietrichs pädagogische Arbeit war offenbar so erfolgreich, dass sein Schüler nach Beendigung der Schulzeit als Eleve im Stadtorchester Aachen mitwirken konnte; bereits als Sechzehnjähriger wurde er von dem Aachener Musikdirektor Fritz Busch 1913 ins Orchester geholt, wo er dann 1915 fest engagiert war. Es ist beachtlich, wie viele Künstler, die später Weltgeltung erlangten, zu Beginn ihrer Karriere in Aachen wirkten.
Als der Erste Weltkrieg begann, hörte man den jungen Orchestermusiker in einer Militärkapelle, aber er war auch 1918 als Sanitäter an vorderster Front mit den Grausamkeiten des Krieges konfrontiert. Nach seiner eigenen Erzählung hatte er einmal auf einer militärischen Zugfahrt sein Gewehr im Zug vergessen und nur seine beiden Instrumente mit ins Quartier genommen.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zog Wilhelm Pitz als Stehgeiger durch die Caféhäuser des Rheinlandes, um sich auf diese Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So ganz nebenbei erwarb er sich hierbei auch eine gewisse Routine. Auch in dieser Zeit war Wilhelm Pitz im heimatlichen Gesangverein mit seiner Baritonstimme zu hören, wo er durch sein musikalisches Können so respektiert wurde, dass man ihn 1920 zum Dirigenten wählte. Pitz´ guter Ruf festigte sich aufgrund überregionaler Auftritte. In dieser Gegend verstand man schon immer etwas vom Singen; so wurde Pitz 1926 an die Spitze des renommierten Aachener Gesangvereins »Harmonia« geholt; schon in diesen jungen Jahren begab er sich auf eine Konzertreise nach England. Aber auch die Instrumentalmusik kam nicht zu kurz, Pitz dirigierte regelmäßig Kurkonzerte in Bad Aachen.
Als Wilhelm Pitz gerademal 36 Jahre alt war, berief ihn der damalige Aachener Generalmusikdirektor Peter Raabe auf die Position des Aachener Chordirektors.
In Aachen tauchte - ohne Job aus Berlin kommend - 1934 der damals praktisch arbeitslose Herbert von Karajan auf, dirigierte eine von ihm einstudierte »Fidelio«-Aufführung und nahm damit einen Anlauf zu seiner Weltkarriere. Zunächst wurde Karajan 1935 in Aachen Raabes Nachfolger als Generalmusikdirektor. Karajan brachte zusammen mit Pitz beachtliche Aufführungen zustande; die beiden Herren schätzten sich und es verband sie eine achtjährige Zusammenarbeit. Es kamen die Wirren des Zweiten Weltkrieges, Karajan wurde an die Berliner Staatsoper berufen und brach zu neuen Ufern auf.
Während Karajan nach Kriegsende aus politischen Gründen einige Schwierigkeiten hatte, konnte Wilhelm Pitz unbehindert seinem Beruf nachgehen, er war politisch völlig unbelastet und konnte sich bereits im Herbst 1945 in dem stark zerstörten Aachen an der Entstehung des öffentlichen Musiklebens beteiligen. Man übertrug ihm nun neben seinem Amt als städtischer Chordirektor noch die Position als 1. Opernkapellmeister, eine Stellung, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1961 ausfüllte.
Nach dem großen Krieg heiratete Wilhelm Pitz 1946 eine seiner Chorsängerinnen, die ihren Gatten bei seinem beruflichen Aufstieg auch administrativ nach Kräften unterstützte; Erna Pitz war Jahre später eine bekannte Persönlichkeit in Bayreuth.
Birgit Nilsson schrieb in ihrer Biografie über das Ehepaar:
»Pitz and his wife, Erna, were like rays of sunshine in Bayreuth.«
Frau Nilsson äußerte sich in großer Begeisterung über diesen Chor und in der deutschen Ü`bersetzuing liest sich das so:
»Pitz´ Methode, einen Chor in Form zu bringen, war phänomenal. Es ist schwer zu beschreiben, was er tat, er war einfach ein Zauberer.«
In den Jahren 1949 bis 1957 übernahm der Vielbeschäftigte auch noch den berühmten Kölner Männergesangverein, mit dem eigentlich seine internationale Karriere begann. Dem Chor lauschte beispielsweise 1950 Papst Pius XII. in Castel Gandolfo und 1954 zelebrierte der Chor ein Konzert in der Royal Festival Hall zu London.
Das wohl einschneidendste Ereignis im musikalischen Leben von Erna und Wilhelm Pitz war ein Telegramm, das am 30. Januar 1951 in Aachen eintraf und dessen Text so aufregend war, dass Erna Pitz - Smartphones gab es damals noch nicht - unverzüglich zur Chorprobe ihres Mannes lief, um ihn mit dem Text vertraut zu machen:
»Sie erhalten baldigst Einladung Erster Chordirektor Bayreuther Festspiele, seien Sie sich der Verantwortung bewusst besten Opernchor Europas aufzubauen, Glückwünsche Karajan.«
O namenlose Freude, aber nun war harte Arbeit angesagt; das Ehepaar Pitz reiste mit dem Zug kreuz und quer durch Deutschland, das damals noch nicht getrennt war - auch hier der Hinweis, dass damals ein Auto keine Selbstverständlichkeit war - und hörte sich an vierzig Orten, meist Theatern, etwa 900 Aspiranten für den Bayreuther Chor an, wobei die beiden wussten, dass sie nur 50 Damen und 50 Herren mit nach Hause bringen durften, mehr erlaubte das Bayreuther Budget nicht. Bei dieser Findungsreise war man in zwei Monaten so um die 9000 Kilometer unterwegs, manchmal an drei verschiedenen Orten oder Theatern an einem Tag, und Wilhelm Pitz begleitete beim Vorsingen selbst am Klavier.
Die Reisen hatten sich gelohnt, denn kein geringerer als der stets kritische Toscanini, der die Bayreuther Übertragung im Radio gehört hatte, lobte gegenüber Walter Legge die Chorleistung in den höchsten Tönen.
Legge, der den Bayreuther Chordirigenten schon mal brieflich mit »Lieber Pizzicato!« ansprach, war nun hellwach und stellte sich neben dem berühmten Londoner Philharmonia Orchester auch einen Londoner Philharmonia Chor vor - und setzte seine Vorstellungen auch in die Tat um. Mit der Columbia Grammophone Company entstanden eine Menge Schallplatten, was zur Folge hatte, dass Pitz für einen längeren Zeitraum mittwochs das Flugzeug nach London bestieg, um dort mit dem Chor zu proben und Aufnahmen zu machen.
So wie Pitz 1951 vom Dirigenten Karajan nach Bayreuth empfohlen wurde, ging es 1955 in Aachen andersherum; als Wolfgang Sawallisch dort seinen ersten »Tristan« dirigierte, empfahl der Aachener Chordirektor den Dirigenten nach Bayreuth, 1957 dirigierte dann Sawallisch dort die Eröffnungspremiere des »Tristan«.
Natürlich war Wilhelm Pitz auch nach seiner Pensionierung 1961 nicht gewillt einen Ruhestand zu genießen, als er von Professor Ferdinand Großmann nach Wien eingeladen wurde, arbeitete er dort mit den Sängerknaben, dem Herrenchor der Wiener Staatsoper und den Philharmonikern. Zehn Jahre nach seiner offiziellen Pensionierung reagierte der Körper auf diese Dauerbelastung und der unermüdlich Schaffende erlitt einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Am 21. November 1973 starb Wilhelm Pitz an seinem Wohnort Kornelimünster.
In der 376 Meter langen Wilhelm-Pitz-Straße zu Stolberg Breinig steht dieses Denkmal, es ist der ehemalige Grabstein seiner Ruhestätte.