Es wäre eine hämische, bösartige Formulierung zu schreiben: "Das war mein Höhepunkt des Wagnerjahres 2013". Habe mir auch lange überlegt, hier über die konzertante Premierenaufführung des " Fliegenden Holländers" im Freilicht-Amphitheater in Varna/Bulgarien zu berichten. Als Angehöriger der versnobten, vielleicht arroganten, reisenden Opernschickeria habe ich mal außerhalb des hochsubventionierten, verwöhnten Opernbetriebs in den deutschsprachigen Ländern erleben können, wie so die "Produktionsbedingungen" in der bulgarischen Provinz sind.
Meine bulgarische Bekannte hatte Karten für 3 EURO besorgt. Dachte schon, das können nur Steh- oder" Partitur"plätze sein. Nein, es waren ganz ordentliche Plätze im etwa 1800 Plätze umfassenden Amphitheater, das nur zu etwa 50 % besetzt war. Für mich ungewohnt: ein junger Mann brachte sein Skateboard mit, eine dicke Frau einen großen Becher Popcorn. Während der Aufführung wurde auch viel geredet, Kinder plärrten, etc.
Zu den Amsel- und verdammten Lachmöven"stimmen" kam noch das Bassgewummere eines benachbarten Vergnügungsparks.
Es wurde deutsch gesungen (bulgarischer Text rechts und links der Bühne). Ich flüsterte dies gleich zu Beginn meiner Begleiterin, die ein abgeschlossenes Germanistikstudium hat, zu. Und nach einer halben Stunde meinte sie, ich hätte damit einen Scherz gemacht, denn sie verstand kein Wort.
Das Orchester war zahlenmäßig relativ schwach besetzt, was sich natürlich in einem Freilicht-Theater ohnehin negativ bemerkbar macht. Und es war doch aufschlussreich, mal den Qualitätsunterschied zu den "gewohnten" Opernorchestern zu erleben. Hatte mir kein Programmheft gekauft, so dass ich nichts über die Sänger berichten kann. Denke, das sängerische Niveau wird wohl bei jeder Repertoireaufführung in Hildesheim, Regensburg und Gera übertroffen.
Enttäuscht war ich vom Chor. Da hat man ja positive Vorurteile über bulgarische Chöre (wobei ich zuvor noch keinen bulgarischen Opernchor gehört hatte).
Wegen meiner bulgarischen Bekannten hielt ich durch und umging beim anschließenden Abendessen an der Seepromenade eine Bewertung des soeben erlebten.
Es ist sicherlich verdienstvoll, dass die Varnaer Sommerspiele (die wurden einige Tage zuvor durch ein Konzert des Rundfunkorchesters Freiburg/Baden-Baden im Kongresszentrum eröffnet) das Wagnerjahr mit einer Holländer-Premiere beehren. Und es ist vielleicht heilsam, dass ein Opernsnob mal diese "Opernwirklichkeit" erlebt.