Ein ganz großartiger, einzigartiger Interpret der Werke Chopins war offensichtlich auch ein gewisser Sergei Rachmaninoff. Die hier vorliegende Aufnahme ist behutsam restauriert worden und lässt sich m. E. gut anhören, trotz der historischen Klangqualität. Rachmaninoff spielt beherzt, virtuos, jedoch auch einfühlsam und feinsinnig. Dass er selbst nicht nur ein virtuoser Klavierspieler, sondern auch Komponist war, verleiht diesen Aufnahmen in ihrer ganz eigenen Lesart noch zusätzlichen Reiz.
Chopin-Pianisten von gestern
-
-
Jan Ekier werde ich in meinem Thread über Chopins Sonate mit dem Trauermarsch behandeln - ich habe nämlich eine Aufnahme aus einer Privatsammlung bekommen. Er war wohl eine große und auch sehr sympathische Persönlichkeit und hatte vor allem als Lehrer großen Einfluß. Es ist richtig, diese Lehrer werden mangles Präsenz in der Öffentlichkeit viel zu wenig gewürdigt.
Aber das Phänomen Horowitz kann man nun wirklich nicht mit "Virtuosität und Blenden um jeden Preis" charakterisieren. Das ist ein krasses Fehlurteil, das der immensen Komplexität von Horowitz´ Persönlichkeit nicht im Entferntesten gerecht wird. Bescheidener, strenger, schlichter und poetischer kann man etwa Schumanns Variationen über ein Thema von Clara Wieck nicht spielen, als Horowitz das in seiner CBS-Aufnahme tut. Immerhin ein Joachim Kaiser nannte ihn den "Gott des Klaviers" - und damit hat er absolut Recht. Göttern verzeiht man eben manches, weil sie eben wirkliche Götter sind. Auch im Falle von Chopin hat Horowitz wirklich unvergleichliche Aufnahmen hinterlassen. Gerade bei Pianistenkollegen kann man über den Rang und die Bedeutung eines Horowitz kaum streiten. Und das soll etwas heißen.
Schöne Grüße
HolgerLieber Herr Doktor, ich ahnte ja schon, wen ich da aus seiner "Hütte" locken würde, aber ich bleibe definitiv bei meiner Ansicht, und das nicht aus Prinzip, sondern weil ich es hier besser weiß. Bedaure!
Wäre Horowitz in realo ein "Gott" gewesen, was um Himmels willen sollten dann erst wahrhafte Halbgott-Pianisten wie Liszt, Tausig, Busoni, Cortot und selbst ein Cyprien Katsaris sein? Ich kenne keine Steigerung. Der letztgenannte Katsaris, ich habe ihn schon früher erwähnt, ist einer der besten lebenden Pianisten der Welt, und dazu ohne alle Starallüren, weshalb offenbar so wenig von ihm auf TAMINO die Rede ist. Katsaris spielt mit einer Akkuratesse und zugleich mit einer Brillanz die schwersten Klavierbearbeitungen von Beethoven-Symphonien (die Liszt-Versionen noch mit eigener Hand um Orchesterstimmen ergänzt!), bei denen der vermeintliche "Gott" Horowitz ohne Trickserei mit dem Pedal gescheitert wäre.
Zunächst ist es absolut unrichtig, dass Horowitz innerhalb seiner Zunft dieselbe - absurd übersteigerte - Verehrung genoss und genießt, wie es bei vielen Klavierlaien der Fall war und ist. Das soll nun keineswegs heißen, dass jeder H.-Verfechter ein Klavierlaie ist, sondern lediglich, dass sich Klavierlaien leichter blenden lassen als Klavierexperten, so wie das auch Laien sonstiger Fachgebiete tun.
Und bei einem Künstler mit einer Aura wie Horowitz, fast "mythisch" angereichert durch den freundschaftlichen Kontakt mit einem Komponisten-Gigant wie Rachmaninow und die Heirat mit der Tochter eines Dirigenten-Giganten, ist es ganz besonders leicht, einer Blendung zu erliegen. H. besaß ein angeborenes ungeheures Talent, die Massen zu verführen und sie im Live-Konzert glauben zu machen, Zeuge einer Sternstunde zu werden. Aber bei echten Klavierexperten verfängt diese Masche nicht! In seiner Wahlheimat USA, dem Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Wunder-Mickey-Mouse-Land, wurde die Massenverführung bzw. -suggestion noch deutlich prägnanter, und das sogenannte legendäre Comeback 1965 begründete den H.-Mythos dann endgültig.
Doch wenn man den ganzen Lack an diesem Mythos einmal abzieht, tun sich unter der Oberfläche erschreckende Schwächen und Mängel auf. Freilich nur für den, der nicht nur emotional oder halbintellektuell hört, sondern erstens die von H. dargebotenen Stücke selber am Klavier sehr handfest beherrscht, und der zweitens mithilfe der Partitur analytisch nachweisen kann, in wie mannigfacher Hinsicht H. gegen klare Anweisungen des Komponisten verstößt, meist mutwillig vom hohen Ross des Star-Virtuosen herab, über allen Vorschriften-Regeln thronend, mitunter wohl auch versehentlich. Wer sich als Interpret so wie Horowitz vorsätzlich anmaßt, dem imperativen Notentext (die großen Komponisten wussten sehr wohl, zu 100 Prozent, wie sie ihre Dynamik, Phrasierungen und Tempi gestalten wollten) so wenig Beachtung zu schenken, ist kein "Gott", sondern - mit unterthänigstem Verlaub - ein Dilettant, und sei es auch ein ungewöhnlich talentierter.Die Karriere von H. ist im übrigen von Anfang an von extremen Reaktionen gekennzeichnet gewesen: Die einen waren von seinem virtuosen Salonlöwencharisma und seiner in jungen und mittleren Jahren stupenden Technik (die 1986 allerdings hörbar deutliche Einbußen aufwies) hingerissen, während es stets solche Hörer und Kritiker gab, die keinen Deut anders als ich bemängelten, dass H. für Komponisten wie Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms und nicht zuletzt J.S.Bach nicht die nötigen Voraussetzungen mitbringt. Es sollte doch nun wirklich JEDEM H.-Verfechter zu denken geben, dass dieser "Wundermann" nur eine Handvoll Aufnahmen von Werken dieser für die Klaviermusik eminent wichtigen fünf Komponisten vorweisen kann, die überzeugen können, von Referenz ganz zu schweigen. Es reduziert sich prinzipiell auf Beethoven. Horowitz mit Schubert-Stücken oder -Sonaten, mit Brahms-Klavierwerken, mit einer der grandiosen Bach-Schöpfungen - all das scheitert zwangsläufig an der virtuos-manirierten Selbstverliebtheit und Übertreibungssucht dieses Interpreten. Und sein Mozart ist verglichen mit dem von Mozart-Spezialisten nichts weiter als eine Karikatur.
Einer der ersten namhaften Horowitz-Kritiker war kein Geringerer als der berühmte Liszt-Schüller Moritz Rosental - er ließ sich von dem jungen Virtuosen deshalb nicht blenden, weil er aus Weimar vom Halbgott Nr.1 der Pianistenzunft höchstpersönlich gelernt hatte, dass die wirkliche Kunst des Klavierspiels darin besteht, dem jeweils ganz spezifischen Naturell und der persönlichen Aussageintention des Komponisten gerecht zu werden - und das funktionert ausnahmslos nur dann, wenn man seine Partitur-Anweisungen befolgt, und wenn man sich in sein Wesen am Klavier völlig versenken kann und die eigenen Launen dabei vergisst.
Das zitierte Moskauer Konzert ist ein perfekter Beleg für meine generelle Kritik an diesem Typ von Pianist, der sich 'Gottlob' inzwischen überlebt hat. -
Weil es n.m.M. aktuell kein aussagekräftigeres Buch zur Klaviermusik gibt als dieses, möchte ich zur Abrundung und zum besseren Verständnis aus dem wirklich sensationellen und von mir jedem Klavierschüler von Anfang an wärmstens empfohlenen Standardwerk "Handbuch der Klavierliteratur zu 2 Händen" (5. Aufl.) des unvergleichlichen Klaus Wolters zitieren - provisionsfrei, versteht sich.
[S. 371 ff.]
"Rien de plus haïssable qu'une musique sans arrière-pensée."
Diese Äußerung Chopins lässt ahnen, wie er seine Musik verstanden haben wollte. [...] Seine Musik liegt längst nicht so an der Oberfläche, wie uns das Spiel vieler Virtuosen glauben machen könnte."Chopin propose, suppose, insinue, séduit, persuade, il n'affirme presque jamais", sagt André Gide.
Darin äußert sich seine zum slawisch-orientalischen wie zum romanischen Kulturkreis gehörige Wesensart: in der Kunst, einer im unverbindlichen Plauderton gegebenen Äußerung einen tieferen, ernsteren Unterton mitschwingen zu lassen, der nur dem feineren Ohr erkennbar bleibt.
[...]
Er schreibt nie, auch in den kompliziertesten Sätzen, wider das Instrument. [...] Und so verlangt er auch im Ausdruck machtvoller Pathetik, in der äußersten Ekstase nie übermäßige Kraftentfaltung, sondern erreicht solche Wirkungen nur durch völlige Lockerung und Beherrschung des ganzen Spielapparates, vollkommen geschmeidiges, elastisches, nie forciertes Spiel.Dies bleibt das Geheimnis aller vollendeten Chopin-Interpretation!
Und hier unterscheidet sich auch beim Schüler die echte pianistische Begabung vom vielleicht allgemein-musikalisch verständnisvollen Musizieren.
Man kann immer wieder die Erfahrung machen [Anm: Der Autor K. W. ist/war selbst ein gewiefter langjähriger Klavierlehrer], dass gute, fleißige Schüler von ansehnlichem Niveau bei Chopin versagen, weil ihnen das speziell pianistische Empfinden für Chopins ganze Spielart fehlt.
Umgekehrt kann auch gesagt werden: Wer über ein gutes Chopinspiel verfügt, dürfte pianistisch fast allen Bereichen der Klaviermusik gewachsen sein.[Und an Horowitz und Konsorten gerichtet:]
Eines aber tut not: sehr genaue Beachtung des Textes!
Chopins Notation ist äußerst präzis und differenziert und muss ins Detail befolgt werden.
[...]
Hier muss noch ein Wort zu dem groben Unfug vieler Pianisten mit Chopins berühmten "Tempo rubato" beigefügt werden.
Gewiss ist Chopin ohne Rubato nicht denkbar. Doch dies kommt im Wesentlichen schon in der ganzen Schreibweise zum Ausdruck.
Deklamatorische Partien dürfen gewiss im Sinne dieser Schreibweise übertrieben werden bis zu einem gewissen Grad, doch darf das Grundtempo nicht ins Unkenntliche verzerrt werden.
Auch gilt es wohl zu beachten, dass eine natürliche Bewegung weder plötzlich stillstehen noch ruckartig beschleunigen kann, sondern beides nur mit gewissen Übergängen.
Diese beiden Punkte setzen die Grenzen zwischen künstlerischer Freiheit und Geschmacklosigkeit.[Zitat Ende]
-
-
Sein Spiel ist in jeder Hinsicht (Treffgenauigkeit, Rythmus, Phrasierung/Konturen, Tempi) ungleich exakter und "chopinesquer" als das von Horowitz, der nach wie vor aus meiner Sicht der am meisten überschätzte Pianist aller für groß gehaltenen Pianisten, zumindest seines Jahrhunderts, ist.
Die Frage ist, was genau ist "chopinesque"?
Laut James Huneker wissen wir zumindest, wer nicht "chopinesque" spielte: "Anton Rubinstein, when I last heard him, played Chopin inimitably. Yet the Chopin pupils refused to accept him as an interpreter. His touch was too rich and full, his tone too big. Sir Charles Hallé said that it was "clever but not Chopinesque." I doubt if even Karl Tausig, impeccable artist, unapproachable Chopin player, would have pleased the composer. Von Bulow was too much of a martinet to reveal the poetic quality, though he appreciated Chopin on the intellectual side; his touch was not beautiful enough".Selbst wenn man viel zu Chopin gelesen hat, weiß man immer noch nicht wie es klang, wenn er seine Stücke gespielt hat oder wie er sie vielleicht gerne gespielt hätte (so begann er wohl die "Octaven-Passage der As-dur-Polonaise Opus 53 pianissimo und führte sie ohne bedeutende dynamische Steigerung zu Ende"). Glaubt man den Zeitzeugen kam an Chopins Spielweise keiner wirklich heran. So schreibt z.B. Solange "Whoever has not heard him cannot know even what his music is about. The women, the children (young Filtsch who died so young!) brought a finer sense than the masculine talents did to this celestial music..." Und Hallé hat viele Jahre nach Chopins Tod geschrieben „I can confidently assert that nobody has ever been able to reproduce them (his works) as they sounded under his magical fingers.“
Heute können leider keine Zeitzeugen mehr ihr Urteil über verschiedene Pianisten abgeben. Was man hat sind nur all die Berichte von damals, mit denen man sich sein eigenes Bild machen muss und letztlich hat auch jeder andere interpretatorische Vorlieben (Interessanterweise wird ja Chopins Spiel oft als "unvergleichlich, leicht, zart, klar, elegant, anmutig, geschmeidig, ruhig, lieblich, sanft, märchenhaft, schwärmerisch, himmlisch, elfenartig usw." beschreiben, genau die Attribute, die heutzutage für negative Bewertungen gebraucht werden...). Aber ob jemand "chopinesque" spielt können wir heute wohl nicht mehr beurteilen.Hier muss noch ein Wort zu dem groben Unfug vieler Pianisten mit Chopins berühmten "Tempo rubato" beigefügt werden.
Da ist auch die Entwicklung vom Anfang der Tonaufzeichnung bis heute interessant und man kann sich wieder fragen, was ist da eigentlich in Chopins Sinne....
-
Die Frage ist, was genau ist "chopinesque"?
Eine sehr interessante Frage und ein hochinteressanter Beitrag! Ich glaube, daß STEFAN ASKENASE der doch sehr sensiblen, introvertierten, poetischen Seele CHOPINs zumindest sehr nahe kommt, indem er auch feinsten Nuancen nachspürt und diese zum Ausdruck und Klingen bringt, während der kraftvolle RUBINSTEIN immer den Gegenpol zu ASKENASE darstellte, mit zwar sehr natürlichem, fließenden, auch strahlendem Spiel, aber der empfindlichen Seele CHOPINs vielleicht doch etwas entfernter als ASKENASE.wok
-
-
-
-
-
youtube.com/watch?v=-02elNMQbQo
Auch nicht zu vergessen und zu verachten: IGNACY JAN PADEREWSKI !!
wok
-
Richtig, lieber Wok!
Heute habe ich für nur 5 Euro gebraucht (bei Amazon darf man für dieselbe CD 56 Euro bezahlen), folgende CD erstanden:
Cherkassky war ja Schüler von Josef Hofmann, dem großen Polen, und hat seine Musizierweise verinnerlicht: Die Spontaneität des Augenblicks- deswegen lehnte er Studioproduktionen ab. Ich habe schon eine Aufnahme der Sonate Nr. 2 von ihm - eine der poetischsten und schönsten überhaupt von 1982. Diese hier ist ein BBC-Mitschnitt von 1963. Sherkassky zeigt, dass man Chopin sehr "frei" aber trotzdem sehr authentisch interrpetieren kann - wenn man nur ein begnadeter Klavierpoet ist. Und das ist er!
Die kleine Serie mit hostorischen Aufnahmen der Berceuse werde ich weiter vervollständigen!
Schöne Grüße
Holger -
Sehr schön, organisch-natürlich und klangschön gespielt - ihn kennt heute kaum noch ein Mensch!
-
Ein kleines Stück und so viele Möglichkeiten... Ich wüsste ja zu gerne wie Chopin die Berceuse gespielt hat.
Liszt hat sie wohl nicht so "chopinesque" interpretiert: "Liszt, explaining his concept of the Berceuse op. 57 during a masterclass 1884, took care to add: "Mme Dubois (eine Schülerin von Chopin) understands this quite differently from myself, and naturally she is the authority: go and see her!"
Chopin nannte das Stück zuerst "Variants": "The Berceuse, composed at Nohant, appears to constitute a distant echo of a song that Chopin’s mother sang to him: the romance of Laura and Philo, ‘Już miesiąć zeszedł, psy się uśpily’ [The moon now has risen, the dogs are asleep]. The Berceuse consists of a series of variations on that theme remembered from his childhood."
Bohdan Zaleski vertraute 1844 seinem Tagebuch: "At four o'clock I went to Chopins house... It is impossible to describe the form and subject of his playing. For the first time in my life the beauty of the music moved me so vividly that I could not hold back my tears. All the nuances, all the musician's emotions, I could grasp, and I remember in the most exact way the motives and the feelings I had while listening to each piece. First he played a magnificent Prélude, then a Berceuse, then a Mazurka, again the Berceuse - of which Madame Hoffman said that the angels in Bethlehem must have sung like that...." Ob das schon die Berceuse op 57 war ist aber nicht ganz klar.Wenn ich mal etwas mehr Zeit und Ruhe habe werde ich mir die Links genauer anhören und auch mal schauen was ich noch an (alten) Aufnahmen habe (ich glaube Koczalski, Rosenthal, Solomon, Horszowski, Rubinstein u.a.). Bisher konnte ich nur nebenbei hören (Hoffman war mir aber etwas zu flott...).
-
Chopins "Enkelschüler":
Raoul Pugno Schüler von Georges Mathias
Moriz Rosenthal Schüler von Karl Mikuli (Koczaski ebenfalls Schüler von Mikuli wurde ja schon verlinkt)
-
-
Lieber Positano,
das sind wirklich sehr erhellende Bezüge und Beispiele! Das macht Freude! Wir können ja mal weiter eifrig sammeln.
Von den "historischen" Größen habe ich noch (aus meiner Sammlung der Sonate op. 35) - ich weiß natürlich nicht, ob es eine Aufnahme der Berceuse gibt:
Vladimir de Pachman, Arthur de Greef, Percy Grainger, Leopold Godowsky, Alexander Brailowsky, dann natürlich von den Polen Witold Malcuzynski. Walter Gieseking gibt es - und vom Cortot-Schüler Vlado Perlemuter wohl auch eine Aufnahme, denke ich! Von den Russen wäre natürlich Vladimir Sofronitzky hoch interessant!
Schöne Grüße
Holger -
Ich glaube, daß STEFAN ASKENASE der doch sehr sensiblen, introvertierten, poetischen Seele CHOPINs zumindest sehr nahe kommt, indem er auch feinsten Nuancen nachspürt und diese zum Ausdruck und Klingen bringt, während der kraftvolle RUBINSTEIN immer den Gegenpol zu ASKENASE darstellte, mit zwar sehr natürlichem, fließenden, auch strahlendem Spiel, aber der empfindlichen Seele CHOPINs vielleicht doch etwas entfernter als ASKENASE.
Leider habe ich bisher noch nicht viel von Askenase gehört. Die CD-Box ist mir einfach viel zu überteuert und über youtube höre ich nicht so gerne, da ich dann nur über die Computerlautsprecher hören kann und die Audioqualität meist auch nicht so gut ist (wie auch bei dem Berceuse-Video von Askenase, bei dem ich nicht lauter machen kann ohne störende Nebengeräusche). Bei den ganz alten verrauschten Aufnahmen ist das dann nicht so schlimm.
Rubinstein konnte mich ehrlich gesagt auch nie so recht begeistern, die CDs höre ich eigentlich nie... (werde mir aber mal die Aufnahmen der Berceuse aus den 30er, 40er und 60er Jahren anhören).
-
das sind wirklich sehr erhellende Bezüge und Beispiele!
Ich könnte da noch seitenlang weiter schreibenWir können ja mal weiter eifrig sammeln.
-
-
Guiomar Novaes finde ich einmal mehr toll: schlicht und schnörkellos und zugleich poetisch! (Ihre Nocturnes sind einzig, die sollte man unbedingt haben!)
Arthur Rubinstein 1932 - in seiner unnachahmlichen Mischung aus burschikosem Zugriff und slavischer Empfindsamkeit:
-
-
Zwar hat sie nicht die Berceuse eingespielt, aber mir gefällt Maryla Jonas auch sehr gut. Sie war Schülerin von Paderewski und hat ziemlich viel durchgemacht im 2. Weltkrieg, vielleicht daher ihr melancholisches Spiel:
-
In der Liste der berühmten Hundertjährigen auf https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_ce…usic_patrons%29 liest man ungläubig den Namen des ältesten noch aktuell Lebenden: Roy Douglas (*12. Dez. 1907), was einen seltsamen Zufall insofern bedeutet, als dieser Mann, ein Freund von Ralph Vaughan Williams übrigens, wenn die englische Wikipedia auf https://en.wikipedia.org/wiki/Les_Sylphides richtig liegt, 1936 die inzwischen populärste Orchestrierung der (4 plus x) Chopin-Stücke geschaffen hat, welche auf Grundlage von Alexandr Glasunows recht bekannter Suite "Chopiniana" op.46 als Ballettmusik für "Les Sylphides" dienen.
Um der Chronistenpflicht zu genügen, sei mitgeteilt, dass Roy Douglas im überaus gesegneten Alter von 107 Jahren am 23. März, vor vier Wochen also, verstorben ist.Eine weitere Entdeckung betrifft den ersten Orchestrator des Chopin-Balletts "Les Sylphides" (für die Petersburger UA der 'zweiten Chopiniana' 1908), der in Nachschlagewerken, sofern überhaupt, unter dem Namen "Maurice Keller" auftaucht. Man könnte ihn für einen gebürtigen Franzosen oder Russen halten, je nachdem, ob man an die Zusammenarbeit mit Michel Fokine oder den Schauplatz der UA anknüpft. Erst nach längerem Googeln wurde ich fündig, und eine leise Ahnung fand ihre Bestätigung, die Quellenseriosität dieser hispanophonen Seite wohlgemerkt vorausgesetzt.
Demzufolge handelt es sich um ein Pseudonym bzw. eine Namensumgestaltung (den zweiten Vornamen "Fedorowitsch" erfand er offenbar hinzu) eines gebürtigen Thüringers!
Der ominöse "Maurice F. Keller", welcher über 25 Jahre hindurch dem Sankt Petersburger Mariinskij(Marien-)theater angehörte und dort als Konzertmeister wie Korrepetitor fungierte, erblickte das Licht der Welt als Moritz Köhler Ende Nov. 1855 im Skat-Mekka Altenburg, im äußersten Osten des heutigen Bundeslandes Thüringen gelegen.Obwohl ein Komponist einiger weniger Klavierstücke mit diesem Namen z.B. bei IMSLP geführt wird, scheinen sämtliche Spuren im Nebel zu verschwinden.
Keines meiner Standardmusiklexika und -klavierbücher kann mit dem Namen Moritz Köhler etwas anfangen. Auch der Gedanke, er könnte ein (möglicherweise unerwünschter) Sohn von Louis Köhler sein, was von den Geburtsjahren und dem musikalischen Kontext her passen würde, erweist sich als trügerisch, insofern als Louis Köhler sich bereits ab 1843, nach Studium in Wien, dauerhaft in Ostpreußen aufhielt. Sehr geheimnisumwittert also, dieser Moritz Köhler alias Maurice F. Keller, ebenso wie die genauen Umstände und der Zeitpunkt seines Todes. -
dieser Beitrag wurde in den ...Pianisten von heute-Thread verschoben
-
Warum ist eigentlich die vorzügliche Aufnahme der Chopin-Etüden op. 10 und op. 25, die Samson François bei EMI machte, so wenig bekannt? Mittlerweile gibt es sehr viele gute und sehr gute Aufnahmen dieser „Magna Carta“ des romantischen Klavierspiels, wie jemand Chopins Etüden mal bezeichnete. Davon hebt sich diese Aufnahme jedoch eindeutig als herausragende ab. Schon die „Atempausen“ in der eröffnenden Etüde op. 10 Nr. 1 lassen aufhorchen. Samson François´ Stil der Rhetorisierung macht Phrasen deutlich, die sonst in der stromlinienförmigen virtuosen Linearität untergehen. Das ist erhellend – auch dann, wenn es mal nicht so ganz aufgeht wie in der so populären Etüde op. 10 Nr. 3. Aus dieser wunderbaren Melodie, die Chopin ja für seine beste hielt, wurde eine fürchterliche Schnulze gemacht. Hier zeigt die Rhetorisierung von François, dass man genau dann an die Grenze zum Kitsch gelangt, wenn sich diese „unendliche Melodie“ in Phrasen zerlegt und man sie auf diese Weise verständlich und beredt zu machen versucht. So nämlich biedert sie sich allzu leicht gefällig-gefühlig an. Man sollte Chopins Melodie also besser wie Schumanns paradoxe Vortragbezeichnung für eine Arie „ohne Ausdruck“ spielen. So erhellend und aufrüttelnd sein Vortrag der Etüden ist, so wenig liegen Samson François die Préludes op. 28. Seine rhetorische Dramatisierung zerstört hier den Sinn der musikalischen Miniatur, von filigranen Haikus.
Kaum glaublich: Samson François hat bei Tamino keinen eigenen Thread! (Ich habe leider im Moment nicht die Zeit, den Eröffnungsbeitrag, der ihn als bedeutenden Pianisten würdigt und den er wahrlich verdient hat, zu erstellen. Das könnte ich aber später machen.)
Schöne Grüße
Holger -
Vielen Dank für den Hinweis, Holger, das werde ich nachhören!
Habe mir neulich von ihm die Balladen angehört und war begeistert - was für eine Freiheit im Spiel, was für eine packende Dramaturgie - allein die leichten Verzögerungen im letzten Abschnitt der zweiten Balladen und wie er dann das Tempo klug wieder anzieht - wenn man das einmal von Francois gehört hat, fragt man sich, wie man diese Gegenkräfte bislang nur hat überhören können! Solche Entdeckungen sind heute doch sehr selten.Viele Grüße
Christian -
Habe mir neulich von ihm die Balladen angehört und war begeistert - was für eine Freiheit im Spiel, was für eine packende Dramaturgie - allein die leichten Verzögerungen im letzten Abschnitt der zweiten Balladen und wie er dann das Tempo klug wieder anzieht - wenn man das einmal von Francois gehört hat, fragt man sich, wie man diese Gegenkräfte bislang nur hat überhören können! Solche Entdeckungen sind heute doch sehr selten.
Die Balladen werde ich mir wenn ich Zeit habe heute auch noch anhören, lieber Christian! Für solche "Entdeckungen" sind diese preiswerten Boxen wie geschaffen.
Herzlich grüßend
Holger -
Vor allem die zweite Ballade finde ich von Francois ganz außergewöhnlich!
Die Etüde op. 10,1 hat mich jetzt nicht so überzeugt, das wirkt doch ein bisschen hakelig? Gerade bei op 10,1 und op. 10,2 halte ich Anda in seiner Musikalität für unübertroffen. Da wo andere nur so dahinrauschen, entdeckt er Nuancen und Schattierungen, aus denen erst die Musik
entsteht.
Viele Grüße
Chrisitan -
Die Etüde op. 10,1 hat mich jetzt nicht so überzeugt, das wirkt doch ein bisschen hakelig? Gerade bei op 10,1 und op. 10,2 halte ich Anda in seiner Musikalität für unübertroffen. Da wo andere nur so dahinrauschen, entdeckt er Nuancen und Schattierungen, aus denen erst die Musik
Lieber Christian,
von Anda habe ich leider nur op. 25 - die sind wirklich überragend, finde ich auch.
Meinst Du diese Aufnahme:
Op. 10 Nr. 1 habe ich ja selbst gespielt - ganz früher mal jeden Tag eine halbe Stunde geübt. Das ist "Hochleistungssport"! Bei Francois finde ich die "Löcher" gerade interessant. Dadurch wird aus den Läufen und Bassakkorden so ein phrasierendes Frage-Antwort-Spiel. Ich würde das heute auch nicht so spielen wollen (was mit meinen inzwischen völlig untrainierten Händen auch gar nicht mehr geht), aber spannend finde ich es trotzdem. Das hat etwas.
Herzlich grüßend
Holger