Münchner Philharmoniker mit Anja Harteros und Valery Gergiev in der Kölner Philharmonie, 23. 1. 2018

  • Ich bin um 2.00 Uhr von einem erfüllenden Konzertabend aus der Kölner Philharmonie zurückgekommen:


    Peter Iljitsch Tschaikowsky:
    Francesca di Rimini op. 32, Orchesterfantasie
    Richard Wagner:
    Wesendonck-Lieder für Frauenstimme und Klavier, in der Orchestrierung von Felix Mottl für Frauenstimme und großes Orchester
    Richard Strauss:
    Ein Heldenleben op. 40, Tondichtung für großes Orchester


    Anja Harteros, Sopran
    Münchner Philharmoniker
    Dirigent: Valery Gergiev


    Die "Francesca di Rimini" habe ich von Bernstein (New York Philharmonic), Pletnev (Russisches Nationalorchester) und Haitink (Concertgebouw). Sie war mir also nicht unbekannt, aber doch schon länger nicht gehört. Umso schöner war das Gefühl nach den ersten Takten, auch wenn ich sie noch nie gehört hätte, zu wissen, dass sie von Tschaikowsky ist. Zu unverwechselbar ist seine Tonsprache. Er ist ja einer der ganz großen Meister der großorchestralen Werke, nicht nur der Symphonie, speziell seiner drei letzten, sondern auch der großartigen symphonischen Dichtungen, wie eben der vorliegenden viersätzigen Francesca, die auf Dantes "Divina commedia" zurückgeht.
    Im ersten Satz, dem "Andante lugubre", arbeitete Gergiev:

    mit seinem Münchener Orchester sehr schön die triste, ausweglose Situation in der Hölle heraus, in die Francesca mit Paolo, ihrem Geliebten und Bruder ihres Mannes nach der Ermordung durch ihren Mann geraten sind. Wie es im zweiten Höllenkreis zugeht, stellte das Orchester eindrucksvoll im zweiten Satz, dem Allegro vivo, mit aufgerauhtem Klang, großer dynamischer Kraft und exzellentem Rhythmus dar.
    Im dritten Satz, einem betörenden Andante cantabile non troppo, zeigt das Orchester seine andere Seite, das überaus lyrische Ausdrucksvermögen, eingeleitet durch ein anrührendes Klarinettensolo und getragen von schwelgerischen Streicherkantilenen und anmutigen Holzbläserfigurationen. Hier geht es um die Liebe zwischen Francesca und Paolo.
    Doch dieser wunderschöne Satz findet bald ein rasches Ende durch ein erneutes Allegro vivo, den abschließenden Satz, praktisch eine Art Reprise des ersten Satzes, deren Kulminationspunktzehn massive fff-Tuttischläge des riesigen Orchesters sind. Hier wird geschildert, wie der Mörder der Beiden auftritt und wie ihre armen Seelen erneut fortgewirbelt werden.
    Dieses in jeder Beziehung kontrastreiche Stück des russischen Klangmagiers Tschaikowsky war weit mehr als eine Ouvertüre, kongenial umgesetzt vom russischen Pultmagier Gergiev und seinem fabelhaften Münchner Orchester.


    Im zweiten Programmteil vor der Pause gab Anja Harteros,

    die ich zum ersten Mal live erlebte (im Gegensatz zu Gergiev), Richard Wagners "Wesendonck-Lieder", die ich auch zum ersten Mal live erlebte.
    Live wirkte ihre in allen auch in Extremlagen völlig unangestrengte, sehr klangschöne und auch dynamisch sehr überzeugend differenzierende Stimme mit perfekter Aussprache auf mich, und sicherlich auch auf die anderen Zuhörer, noch stärker, wie sie es schon in ihren Aufnahmen (u. a. Verdi-Requiem und Don Carlos (mit Jonas Kaufmann und Matti Salminen sowie Thomas Hampson) getan hat.
    Die Wesendonck-Lieder hatte ich vorher noch nicht gehört, bin aber nun auf den Geschmack gekommen und werde mir mal die eine oder andere Aufnahme anschaffen. Ich werde später dann mal über das eine oder andere Lied sprechen.


    Nach der Pause stand die außerordentlich stark instrumentierte Tondichtung "Ein Heldenleben" op. 40 von Richard Strauss auf dem Programm mit u. a. 5 Trompeten, 8 Hörnern, drei Posaunen, einem Tenorhorn und einer Kontrabasstuba und einem mächtigen Streicherapparat sowie umfangreichem Schlagwerk.
    Wer das Heldenleben noch nicht gehört hätte, die anderen Tondichtungen aber doch, der hätte sicherlich Einiges wiedererkannt. So ließ z. B. "Zarathustra" im letzten Satz "Des Helden Weltflucht und Vollendung " grüßen. Ebenso wie der Tschaikowsky zu Beginn war auch Richard Strauss' Meisterwerk hochdynamisch, wie ja die Besetzung schon andeutete.
    Hier trat auch besonders der 1. Konzertmeister, Sreten Krstic, mit Soli hervor:

    Während des ganzen Konzertes habe ich wohl immer wieder die Münchner Philharmoniker mit dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks verglichen, das ich ja zuletzt zweimal live erlebt hatte mit Mahler III (Bernhard Haitink) und Verdi-Requiem (Riccardo Muti), denn in dem Zusammenhang hatte Jospeh II. anlässlich einer Diskussion zu Mariss Jansons 75. Geburtstag zuletzt gesagt, dass die Münchner Philharmoniker nicht an das Bayerische Rundfunk-Orchester heranreichen würde.
    Während des gestrigen Konzertabends hatte ich aber zunehmend den Eindruck, dass sich die Münchner Philharmoniker nicht vor dem Bayerischen Rundfunk-Sinfonieorchester zu verstecken brauchten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Anja Harteros singt die Wesendoncklieder am 26.1. in Essen.
    Für mich sind die Wesendoncklieder seit langem eine der schönsten Kompositionen Wagners (hier kommt der Tristan-Akkord zum ersten Mal vor). Es gibt sie im Original mit Klavier, dann eine Fassung mit großem Orchester von Felix Mottl und eine Fassung für kleines Orchester von Hans-Werner Henze. Diese Fassung ist mir die liebste.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Während des gestrigen Konzertabends hatte ich aber zunehmend den Eindruck, dass sich die Münchner Philharmoniker nicht vor dem Bayerischen Rundfunk-Sinfonieorchester zu verstecken brauchten.

    Lieber Willi,


    das ist wieder mal ein schöner Bericht von Dir! :) Die Münchener Philharmoniker hatten Celibidache als Chef - wenn sie da nicht an Qualität zugelegt hätten, wäre das auch merkwürdig! ;)


    Die Wesendonck-Lieder - Philosophie in Tönen :) - habe ich mit ihr:



    Herzlich grüßend
    Holger

  • Unter Gergiev legen MPhil offensichtlich wieder zu nach einer instabioen Phase mit mehreren Chefdirigenten für relativ kurze Perioden


    Auf eine- wie ich finde- grandiose CD mit MPihil, Celii und Brigitte Fassbaender möchte ich hier hinweisen



    Fassbaender singt mit unglaublicher Intensität und einem Ausdruck, wie selbst betroffen.
    Für mich jetzt schon ein Top Kandidat für " Best Buy Q1"


    Viele Grüße

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Sind eigentlich die Proteste gegen Gergiev indessen abgeflaut?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Sind eigentlich die Proteste gegen Gergiev indessen abgeflaut?

    Proteste? Man gewinnt den Eindruck, daß Gergiev dank Qualität anerkannt wird.
    VG
    Justin

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)

  • Zitat

    Die CD habe ich - bin aber noch nicht dazu gekommen, sie zu hören! :)

    Eigentlich wollte ich diese Aufnahme, als ich Gerhild Romberger im Konzert mit den Kindertotenlieder - ebenfalls hervorragend- erlebt hatte, zog dann aber die Aufnahme mit Orchester
    vor.



    Gerhild Romberger
    Alfredo Perl , Klavier

    Ich verliere nie! Entweder ich gewinne oder ich lerne. (Unbekannt)


  • Lieber Justin,


    Celibidache war ja eigentlich kein Mahlerdirigent, und wenn ich mich nicht irre, waren die Kindertotenlieder das Einzige, was er von Mahler dirigiert hat. Aber ich habe mir die Aufnahme mal notiert.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).