Interpretationsvergleiche Klavier - Diskussionsforum

  • Lieber Holger,


    ich habe vor kurzem eine ziemlich aktuelle Aufnahme der Waldsteinsonate gehört, interpretiert von Sophie Pacini. Mich würde schon interessieren, wie Du sie einordnen würdest. Ich persönlich finde sie gut interpretiert.



    Sie hat Gefühl für das Stück und scheint einem Interview nach ein Martha Argerich Fan zu sein. Da ist sie wohl nicht ganz alleine. :hail:


    Es grüßt ganz herzlich

    Axel

  • ich habe vor kurzem eine ziemlich aktuelle Aufnahme der Waldsteinsonate gehört, interpretiert von Sophie Pacini. Mich würde schon interessieren, wie Du sie einordnen würdest. Ich persönlich finde sie gut interpretiert.

    Lieber Axel,


    herzlichen dank für den Tip! :) Ich kannte Sophie Pacini bisher gar nicht. Die Aufnahme ist schon unterwegs zu mir! So lerne ich eine junge Interpretin kennen! Wenn ich die Aufnahme habe, werde ich sie in meine Besprechung aufnehmen. Mit ihrer Beziehung zu Martha Argerich wäre das ein guter Anschluss! Entweder kommt sie zuerst oder Vlado Perlemuter - also eine ganz junge Interpretin oder der wohl älteste mit 87 Jahren! ^^ :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Nach fast einem Jahr setze ich meinen Interpretationsvergleichs-Thread zur Ungarischen Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt mit Ignacy Jan Paderewskis Aufnahme von 1922 fort - sehr hörenswert und aufschlussreich nicht nur für die Interpretationsgeschichte, sondern auch die Geschichte des Klavierspiels:


    Wozu Interpretationsvergleiche? (I) Antworten auf die Frage am Beispiel von Franz Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2


    Wer noch einmal meine Vorbemerkungen lesen möchte, findet sie im Eröffnungsbeitrag hier:


    Wozu Interpretationsvergleiche? (I) Antworten auf die Frage am Beispiel von Franz Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2


    Demnächst wird dann Samson Francois folgen.


    Einen schönen Sonntagabend wünschend :hello:

    Holger


  • Nun endlich kommt die angekündigte Rezension der Aufnahme von Samson Francois. Keine hat bei mir so lange geschmort - vor Wochen zur Hälfte fertig geschrieben blieb sie dann liegen wegen beruflich bedingtem Zeitmangel. Bedanken muss ich mich auch nochmals bei Thomas Pape, der mir eine CD mit der Aufnahme zukommen ließ. :) (Er hat schon lange nichts mehr von sich hören lassen - wie geht es ihm eigentlich?!) Seit kurzem ist auch die sehr attraktive Box mit seinen gesamten Aufnahmen im Handel. (s.o.!)


    Wozu Interpretationsvergleiche? (I) Antworten auf die Frage am Beispiel von Franz Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2


    Es werden noch zwei weitere Besprechungen zweier historischer Aufnahmen folgen: Benno Moiseiwitsch und Wilhelm Backhaus. :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

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  • Lieber Holger,


    Samson Francois ist für mich seit einiger Zeit eine große Entdeckung! Allzu viele macht macht man ja nicht mehr. Ich bin hingerissen von seinem eminent poetischen Spiel, von seinem Atem. Seine Aufnahme der 2. Ballade von Chopin ist für mich unerreicht - niemandem gelingt es wie ihm, den virtusoen Schlussabschnitt so poetisch sinnhaft zu gestalten, da hört man Details (eine retardierende Melodie), die sonst verborgen bleiben.


    Viele Grüße

    Christian

  • Samson Francois ist für mich seit einiger Zeit eine große Entdeckung! Allzu viele macht macht man ja nicht mehr. Ich bin hingerissen von seinem eminent poetischen Spiel, von seinem Atem. Seine Aufnahme der 2. Ballade von Chopin ist für mich unerreicht - niemandem gelingt es wie ihm, den virtusoen Schlussabschnitt so poetisch sinnhaft zu gestalten, da hört man Details (eine retardierende Melodie), die sonst verborgen bleiben.

    Lieber Christian,


    die 2. Ballade höre ich mir demnächst mal an! Ganz ausgezeichnet ist auch seine Aufnahme der Mazurken, finde ich - es gibt gewisse Parallelen zur alten (!) Rubinstein-Aufnahme! :hello:


    Jetzt habe ich auch endlich die Aufnahme der Waldsteinsonate von Vlado Perlemuter und auch noch eine historische von Benno Moiseiwitsch. Dazu will ich mich an ein besonderes Schwergewicht - Svjatoslav Richters Aufnahme von Schuberts B-Dur Sonate D 960 - machen. Ob ich das alles im Urlaub über die Feiertage schaffe? :D :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

  • Zitat

    Außer JLang, der schon seit langem nicht mehr schreibt in Tamino (wo ist er nur abgeblieben?), scheint sich ja Niemand für Liszt zu interessieren.

    Abgeblieben in den Weiten der Welt, auf (Irr)wegen abseits von Musik. Aber, liebe Holger, es finden sich einige sehr interessierte und Liszt-kundige Taminos. Aber ich werde auch wieder aktiv und zu Liszt fällt mir vielleicht auch das ein oder andere ein, allein „muss“ (stimmt nicht: darf) ich mich durch die schönen Beiträge lesen, um möglichst wenig Dopplungen entstehen zu lassen und das ein oder andere noch einmal nachzuhören. Herzlich Jörn

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • 51pkpyJ1aFL._SY450_.jpg


    Es ist kaum zu glauben - 9 Monate sind nach dem letzten Beitrag vergangen! =O Die Pause ist ursprünglich entstanden, weil ich auf eine Aufnahme gewartet hatte, die ich nicht gleich bekam. Nun habe ich inzwischen die passende Fortsetzung gefunden - nach Martha Argerich geht es mit ihrem Duo-Partner Nelson Freire weiter. Die CD ist eigentlich vergriffen - ich habe sie mit Glück gebraucht zu einem erschwinglichen Preis noch ergattern können.


    Nun also gibt es endlich das Anschlusskapitel meiner Waldsteinsonaten-Interpretations-Odyssee - wie gewohnt unspießig, satirisch-witzig und unterhaltsam, mit jede Menge "Metaphernsalat", wenn sich Kempff und Schnabel kabbeln. Zudem sind die Corona-Maßnahmen der Regierung verarbeitet (hier von den olympischen Göttern beschlossen). So kommt Freire als Götterbote Hermes mit Maske. Die Episode heißt deshalb auch


    Die brasilianische Maske


    Wie man die Waldstein-Sonate „richtig“ spielt – oder: Ein Dialog über Grundprobleme der Beethoven-Interpretation mit den Interpreten


    Viel Vergnügen beim Lesen

    Holger

  • Die nächste Episode meiner Waldsteinsonaten-Odyssee ist fertig! Es ist die längste geworden glaube ich! ^^


    Hier der Beginn (wegen der Foren-Software mit vier Fortsetzungen!):


    Wie man die Waldstein-Sonate „richtig“ spielt – oder: Ein Dialog über Grundprobleme der Beethoven-Interpretation mit den Interpreten


    Sie lautet "Der alte Mann und das Meer"


    Gemeint ist Vlado Perlemuter, der die Waldsteinsonate 1990 - mit fast 87 Jahren (!) - aufnahm!



    In dieser Geschichte geht es - bei Perlemuter kann man es sich denken - um Beethoven und Ravel. Perlemuter nahm einige Monate später sogar noch Gaspard de la nuit auf. Das sachliche Problem ist das der Motorik der Waldstein-Sonate und wie man sie interpretiert. Dann gehe ich auf den Podcast von Igor Levit ein. Auch der Fußball kommt vor - das Spiel Deutschland-Frankreich bei der EM. In einer Satire ist so etwas erlaubt! :D


    Die Abschnitte der Geschichte:


    Untertitel:


    Eine Kurzgeschichte in elf Teilen


    1. Mondestrunken: Überall nur Ravelsches Uhren-Tick-Tack!
    2. Seelenarzt Dr. Kempffs Aufklärung von Schnabels Beethoven-Ravel-Verwirrung
    3. Igor Levits Podcast: >Die Waldstein-Sonate. Das größte Geschenk!<
    4. Klopfmotorik statt Petruschka-Zauber? Schnabels Revolte mit deutschem Maschinengewehrfeuer
    5. Metaphysisches Intermezzo: Pianisten-Dämmerung
    6. Schnabel lässt nicht locker: Die Waldstein-Sonate ist eine Toccata, ist moderne >Maschinenmusik< !

    7. Altersvirtuosen-Apologie: >Das Schöne ist nicht heroisch!<
    8. Die Anmut des Bewegungszaubers: Versuch einer Bewegungs-Phänomenologie der Waldstein-Sonate
    9. Dr. Kempffs Perlemuter-weis(s)e Tasten-Analyse
    10. Ungeheuerlich! Das Rondo-Finale ist >Jeux d´eau< !
    11. Klimax und Peripetie: Das virtuose Sein zum Tode. Vertauschte Rollen von Arzt und Patient


    Probleme hatte ich beim Kopieren des Textes. Nach der Zeichenfolge > ! " (ohne Leerzeichen!) löscht die Foren-Software den Text! =O


    Viel Vergnügen! :) :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Nervig! Die Foren-Software hat hat Probleme mit der Zeichenkombination <!" - da löscht sie einfach ganze Textabschnitte. So passiert in Abschnitt 9. - wo ich den fehlenden Text einsetzen musste. Jetzt muss ich den ganzen Text daraufhin kontrollieren! Damit das nicht passiert, muss man Leerzeichen einsetzen: > ! " =O


    Schöne Grüße

    Holger

  • Wie schön, dass die Möglichkeiten zur Interpretation einer Interpretation so vielfältig sind wie die Interpretationen!

    Ich oute mich: als großer Liszt-Fan von Kindesbeinen an - unter besonderer Berücksichtigung der m. E. zu Unrecht vielgeschmähten Ungarischen Rhapsodien - begeistern mich weder Valentina Lisitsa noch Katja Buniatishvili so richtig.

    Für mich haben beide etwas gemeinsam: Schnelle Finger ohne das Vermögen, sie zu logischem, spannungsvollen Klavierspiel einzusetzen. Bei beiden bin ich immer überwältigt nach dem ersten Hören aufgrund des sportlichen Aspekts ihrer Leistungen. Doch je öfter ich die Interpretationen anhöre, desto uninteressanter finde ich sie. Vergleiche ich beide z. B. mit Cziffra, so gelange ich für mich zu der Erkenntnis: Cziffra spielt oft wie besessen, als ginge es um sein Leben, als wolle er die Grenzen des Klaviers und der Interpretation sprengen. Lisitsa und Buniatishvili spielen manches sehr schnell, um dann plötzlich wieder das Tempo zu reduzieren - ohne inneren Zwang. Das Gefühl des "bis zum Äußersten gehen" stellt sich bei mir nicht ein.

    Den Reigen der Interpreten von Liszts 2. Rhapsodie möchte ich erweitern durch Sergey Belyavsky, der sich m. E. nicht hinter bekannteren Namen zu verstecken braucht. Er studierte u. a. bei Elisso Virsaladze, Arie Vardi und zuletzt in Zürich bei Lev Natochenny, bei dem er das Konzertexamen ablegte. Er gewann u. a. den 3. Preis beim Gina Bachauer Wettbewerb 2018, den 1. Preis bei "Juries in competition" Salzburg 2019, den 2. + den Publikumspreis beim Franz Liszt Wettbewerb Budapest u. v. a.

    Sein Live-Mitschnitt der 2. Rhapsodie von Liszt bietet Virtuosität und Beherrschung - viel Vergnügen!


    Beste Grüße

    Thomas


  • Wie schön, dass die Möglichkeiten zur Interpretation einer Interpretation so vielfältig sind wie die Interpretationen!

    Ich oute mich: als großer Liszt-Fan von Kindesbeinen an - unter besonderer Berücksichtigung der m. E. zu Unrecht vielgeschmähten Ungarischen Rhapsodien - begeistern mich weder Valentina Lisitsa noch Katja Buniatishvili so richtig.

    Lieber Thomas,


    die Verehrung für Liszt haben wir wohl gemeinsam! :) Der Funke sprang bei mir über, als ich in meiner Studentenzeit die LP-Cassette der DGG mit den Annees de Pelerinage von Lazar Berman kaufte. Ab da habe ich Liszt nicht nur als Virtuosen, sondern als großen Komponisten wahrgenommen und wollte auch unbedingt einige Stücke daraus selber spielen - was ich auch gemacht habe. Mit Jörn haben wir lange den Band 1 Stück für Stück besprochen und Interpretationen verglichen. Dann machte er eine längere Pause und wir hatten zu meiner Freude wieder begonnen, bis er sich leider erneut zurückzog. Meinen Vorschlag, den Band 2 mit Piemontesi durchzugehen, kann ich leider nicht realisieren - die CD ist vergriffen! Ich habe Monate lang auf die Bestellung gewartet - und sie kam nicht. Da kannst Du auch mal stöbern in dem Thread:


    Liszt - Années de Pelerinage

    Für mich haben beide etwas gemeinsam: Schnelle Finger ohne das Vermögen, sie zu logischem, spannungsvollen Klavierspiel einzusetzen. Bei beiden bin ich immer überwältigt nach dem ersten Hören aufgrund des sportlichen Aspekts ihrer Leistungen. Doch je öfter ich die Interpretationen anhöre, desto uninteressanter finde ich sie. Vergleiche ich beide z. B. mit Cziffra, so gelange ich für mich zu der Erkenntnis: Cziffra spielt oft wie besessen, als ginge es um sein Leben, als wolle er die Grenzen des Klaviers und der Interpretation sprengen. Lisitsa und Buniatishvili spielen manches sehr schnell, um dann plötzlich wieder das Tempo zu reduzieren - ohne inneren Zwang. Das Gefühl des "bis zum Äußersten gehen" stellt sich bei mir nicht ein.

    Buniatishvili hat painistische Potenz ohne Ende, aber leider einfach keinen "Verstand" als reine Bauchmusikerin. Häufig gehen ihr, wie man so schön sagt, "die Pferde durch". Dazu hat sie die Neigung zum Sentimentalisieren, was leider oft die Grenze des guten Geschmacks überschreitet. Man denkt - hoffentlich kommt keine lyrische Stelle... ^^ Kein Vergleich mit einer Martha Argerich - das ist eine ganz andere Klasse. Die Argerich spielt zwar auch intuitiv - aber ihr Intuitionismus trifft fast immer ins Schwarze. Was hatte sie auch für große Lehrer... Lisitsa ist ähnlich gestrickt wie Buniatishvili - Beethoven ist einfach eine Nummer zu groß für sie, da fehlt ihr schlicht der musikalische Verstand. Der gute Geschmack kommt ihr bisweilen auch leicht abhanden (z.B. beim katastrophal gespielten Beginn von Chopins Ballade g-moll), obwohl sie viel disziplinierter ist als Buniatishvili. Ihre Rhapsodie Nr. 2 gefällt mir aber dann doch besser als Katia Buniatishvili.

    Den Reigen der Interpreten von Liszts 2. Rhapsodie möchte ich erweitern durch Sergey Belyavsky, der sich m. E. nicht hinter bekannteren Namen zu verstecken braucht. Er studierte u. a. bei Elisso Virsaladze, Arie Vardi und zuletzt in Zürich bei Lev Natochenny, bei dem er das Konzertexamen ablegte. Er gewann u. a. den 3. Preis beim Gina Bachauer Wettbewerb 2018, den 1. Preis bei "Juries in competition" Salzburg 2019, den 2. + den Publikumspreis beim Franz Liszt Wettbewerb Budapest u. v. a.

    Sein Live-Mitschnitt der 2. Rhapsodie von Liszt bietet Virtuosität und Beherrschung - viel Vergnügen!

    Vielen Dank für das Video! :) Das ist in der Tat ein sehr kultiviertes, klangschönes Klavierspiel ohne jeglichen brachialen Gewaltakte. Alles ist sehr klug kalkuliert und wirklich schön anzuhören - allerdings vielleicht auch ein bisschen glatt. Es fehlt etwas an Lisztscher Dämonie, finde ich. Aber er ist ja noch jung - und bei so einem Wettbewerb darf man nicht so viel Subjektivität zeigen, sonst fliegt man leider raus!


    Ich habe auch noch einige historische Aufnahmen gesammelt für die Besprechung - Backhaus z.B. Aber die CDs sind alle derzeit in Umzugskisten noch verpackt. Da werde ich noch Ergänzungen machen, wenn meine Anlage wieder spielt! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • ......d´accord, lieber Holger - bis auf die Frage, welchen Grades an Dämonie ausgerechnet die 2. Rhapsodie benötigt. Für mich persönlich ist die Aufnahme mit Belyavsky gerade deswegen so gut, weil sie große Virtuosität kombiniert mit dem Verzicht auf musikalische "Mätzchen" - alles, was er spielt, hat eine Logik, er ist "in der Musik" - und folglich sind es die Zuhörer ebenfalls. Es gibt von ihm auch eine fulminante Aufnahme der 9.!

    Beste Grüße

    Thomas

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  • Piemontesi / Liszt kann ich zur Verfügung stellen, daran sollen gute Gespräche nicht scheitern!

    Lieber Christian,


    das ist sehr nett!!! :) Im Moment ist allerdings mein PC mit allen Speichermedien noch in der Umzugskiste, so dass ich mich melde, wenn ich ihn wieder aufgebaut habe. Es scheint auch, dass die CD nun endlich wieder lieferbar ist - interessant auch wegen der DVD, die mit dabei ist, wo er die Liszt-Schauplätze in Italien besucht.

    .....d´accord, lieber Holger - bis auf die Frage, welchen Grades an Dämonie ausgerechnet die 2. Rhapsodie benötigt. Für mich persönlich ist die Aufnahme mit Belyavsky gerade deswegen so gut, weil sie große Virtuosität kombiniert mit dem Verzicht auf musikalische "Mätzchen" - alles, was er spielt, hat eine Logik, er ist "in der Musik" - und folglich sind es die Zuhörer ebenfalls. Es gibt von ihm auch eine fulminante Aufnahme der 9.!

    ... auch d´accord, lieber Thomas. :) Ich hätte vielleicht besser gesagt: es könnte etwas kontrastreicher sein...


    Wir können den Piemontesi-Liszt gerne zusammen machen - das wäre sehr schön! Vielleicht bekommt dann auch Jörn wieder Lust und gesellt sich uns bei! Bis ich meine Anlage wieder hörfähig gemacht habe, kann es aber noch 4 Wochen dauern. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben! :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

  • Daran wäre ich auch sehr interessiert, ich schätze Piemontesi sehr......

    Gruß

    Thomas

    Ich weiß leider nicht wie ich Dir meine e-mail zukommen lassen kann, vielleicht kann das Alfred übernehmen?

    Man kann leider ja nicht einmal mehr auf die Profile der Mitglieder hier im Forum klicken, dort könnte man evtl. Hinweise geben (website usw.)


    Viele Grüße

    Christian

  • Piemontesi - Liszt - Italien habe ich auch .... wenn auch nicht so häufog gehört. Meine Liszt-Zeit ist lange vorbei, bin jetzt allerdings durch die h-Moll Sonate wieder ein wenig aufgewacht ....


    Und ja, die zweite ungarische Rhapsodie liebe ich auch, allerdings fast nur in der Einspielung von György Cziffra, der IMO nicht den dämonischen Aspekt nach vorne bringt sondern einen volksfestartigen, den eigentlich kein anderer Pianist hinbekommt ... Lernen will ich gerne mehr. Die Einspielung von Belyavskiy gefällt mir wegen ihrer Neutralität nicht schlecht, aber Cziffra :jubel:



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  • Und ja, die zweite ungarische Rhapsodie liebe ich auch, allerdings fast nur in der Einspielung von György Cziffra, der IMO nicht den dämonischen Aspekt nach vorne bringt sondern einen volksfestartigen, den eigentlich kein anderer Pianist hinbekommt ...

    Cziffra weiß, was ein Csardas ist und dass er aus zwei kontrastierenden Teilen besteht, dem melancholischen Lassan und einer vitalen Friska. ;) Liszt selbst hat dazu auch etwas in seiner Schrift über die Zigeuner geschrieben. Von Cziffra gibt es zwei Studio-Aufnahmen, die sich durchaus deutlich unterscheiden. Darüber habe ich hier geschrieben:


    Wozu Interpretationsvergleiche? (I) Antworten auf die Frage am Beispiel von Franz Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber/liebe (?) astewes,


    es freut mich, dass Dir die Aufnahme mit Belyavsky erst einmal gefällt.


    Warum dies der Fall ist, wäre aus meiner Sicht eine Diskussion wert - Neutralität.


    Was ist das, Neutralität einer Aufnahme? Gibt es so etwas überhaupt?


    Ohne nähere Definition klingt dieser Begriff für mich nach Lieferando von richtigen Tönen (bei falschen wär´s ja schon nicht mehr neutral, sondern individuell) und korrekt ausgeführten Spielanweisungen des Komponisten, ohne das Hinzufügen eigener "Mätzchen".


    Moment mal......ist nicht genau das die Aufgabe des Interpreten - sich zum Diener des Komponisten zu machen? Und spielen alle, denen man das nachsagt - von Schnabel bis Goode - neutral? Sicher nicht.


    Lässt uns Neutralität kalt? Wenn das Spiel von Belyavsky neutral ist, sage ich: "Nein!"


    Wo also liegt die Grenze zwischen Komponistenbraten und eigener Suppe? Gibt es schon eine Diskussion darüber?


    Beste Grüße


    Thomas

  • Warum dies der Fall ist, wäre aus meiner Sicht eine Diskussion wert - Neutralität.


    Was ist das, Neutralität einer Aufnahme? Gibt es so etwas überhaupt?


    Ich meine nicht viel anderes, als dass der Interpret das Werk nicht so stark emotionalisiert. Das gibt mir eine Chance den dynamischen Strukturen und melodischen Linien einfach einfach zu folgen. Natürlich darf man das nicht absolut sehen, solche Begriffe können nie exakt beschreiben, sondern nur eine Ahnung vom Gemeinten vermitteln.

  • Warum dies der Fall ist, wäre aus meiner Sicht eine Diskussion wert - Neutralität.

    Lieber Thomas,


    ich ahne, was Axel damit meinte. Mein Interpretationsvergleich beginnt mit einer Werkeinführung (Link s.o.!). Ursprünglich wollte ich noch einige philosophische Gedanken hinzufügen, habe dies aber weggelassen. :D Ich habe in der Einführung hervorgehoben, dass die "Zigeunerromantik" bei Liszt weit mehr ist als nur ungarische Folklore, sondern einen emanzipatorischen Sinn hat. Wenn man Liszts Ausführungen nun in einen philosophischen Kontext stellt, dann ist dort das erkennbar, was der französische Soziologe Emile Durkheim die "Emanzipation des Individuums" im 19. Jhd. genannt hat. Der wohl eindrucksvollste philosophisch-literarische Beleg dafür ist Max Stirmers Buch Der Einzige und sein Eigentum:


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    Der Zigeuner steht für ein Individuum, das seine Wünsche und Träume auslebt und dabei keine Rücksicht nimmt auf "bürgerliche Wohlanständigkeit", auf klassische Konventionen, welche die Allgemeinheit festgeschrieben hat. Das ist natürlich eine romantische Projektion - der enttäuschte Revolutionär der Restaurationszeit, wo alles erstarrt und stagniert, schafft sich einen Gegenentwurf zur für ihn bitteren gesellschaftlichen Realität - und das ist die Freiheit der "Zigeuner". Deshalb gehört zum Vortrag einer solchen Ungarischen Rhapsodie die Freizügigkeit, das Auskosten der Extreme, eine gewisse Exzentrik. Belyavsky spielt für mich diese Ungarische Rhapsodie Nr. 2 ein bisschen zu klassisch wohlanständig - genau so "neutral" objektivierend mit der Vermeidung jeglicher Subjektivismen könnte er auch eine Beethoven-Sonate vortragen. Natürlich unterscheiden sich die Interpreten darin, wie und wieviel Subjektivität sie bei Liszt einbringen. Und es ist sicher eine Wohltat, dass man eine Interpretation hört, die es mal nicht mit subjektivistischer Eigenwilligkeit übertreibt. Bezeichnend aber spielt Belyavsky gar keine Kadenz - wo eigentlich der Ort ist, wo sich die individuelle Subjektivität improvisatorisch ausleben kann. Liszt selbst hat da mit Sicherheit improvisiert! ;) :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Mit der Gattungsnorm vereinbar ist bei Beethoven noch, dass die Wut in einem Charakterstück wie der „Wut über den verlorenen Groschen“ vorkommt, aber in einer großen Klaviersonate und zudem noch einer Fuge, die in ihrer Strenge so etwas wie eine erhabene Kathedrale darstellt, hat sie im Grunde nichts zu suchen. Wenn Kaiser von dem eigentlich unmöglichen „klassischen Ausgleich der Waldstein-Spannungen“ spricht, dann hilft es hier, an diesen Wutausbruch zu denken, der in der Hammerklaviersonate in die große Fuge hereinplatzt: Beethoven, der Freigeist, bringt hier die Gattungsnormen gehörig durcheinander und schafft damit ein Neues, was nicht nur irritiert, sondern zu Spannungen, Widerstreiten bis hin zu Widersprüchen im Aufbau der Komposition führt. Beethoven, so zeigt sich damit, ist ein Klassiker freilich, aber kein glatter Klassizist. Der Wutausbruch ist im Grunde ein Fremdkörper, ein nicht zu integrierendes Element, das aber – und hier kommt Beethovens klassisches Formgefühl ins Spiel – doch irgendwie in die Form integriert werden soll: Beethoven versucht damit das Unmögliche um nicht zu sagen Absurde, das Unharmonische zu harmonisieren. Und genau da liegt die bis zur Überforderung gehende Herausforderung des Interpreten, das auch dem Hörer vorzuführen, dass es gelingt und wie es gelingt – wenn er eben diese Interpretationsaufgabe auch wirklich begreift und sich nicht nur mit einem Sicherheit vortäuschenden Intuitionismus an solchen Interpretationsfragen vorbeimogelt.


    Lieber Holger, ich lese mich mit Respekt und angemessenem Amusement durch Deine Zeilen. Im Falle Hammerklavieristische Wuttriller möchte ich Dir eine nur mäßig ernstgemeinte Replik schicken.

    Beethoven als Freigeist, Sturkopf und Individualist ist sicher weder verzweifelt noch ermattet bei dem Gedanken, klassisch-formale Grenzen zu sprengen - ich nehme mal an, diese wären ihm ziemlich egal gewesen. Schaut man sich die ehernen Triller am Schluss der Sonate einmal unter dem Aspekt einer möglichen Textunterlegung an, so fällt auf, wie perfekt den Oktavtrillern doch die Worte "Zuhuhuhu warm deheheher Wein" in ebenso chromatischer wie dramatischer Aufwärtsbewegung zugrundegelegt werden können, endend mit vollgriffigen Statements zuuuuu waaarm deeer Weeein! Sich dieser Logik nicht entziehen könnend, vermute ich stark, dass diese Wuttriller den Ärger Beethovens über die falsche Temperatur eines seiner Lieblingslebensmittel zum Ausdruck brachten - was den großen Meister ja auch wieder ein Stückchen menschlicher machen würde. Oder hast Du Gegenargumente?


    Herzlich


    Thomas

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  • Zitat Holger Kaletha


    Mit der Gattungsnorm vereinbar ist bei Beethoven noch, dass die Wut in einem Charakterstück wie der „Wut über den verlorenen Groschen“ vorkommt, aber in einer großen Klaviersonate und zudem noch einer Fuge, die in ihrer Strenge so etwas wie eine erhabene Kathedrale darstellt, hat sie im Grunde nichts zu suchen. Wenn Kaiser von dem eigentlich unmöglichen „klassischen Ausgleich der Waldstein-Spannungen“ spricht, dann hilft es hier, an diesen Wutausbruch zu denken, der in der Hammerklaviersonate in die große Fuge hereinplatzt: Beethoven, der Freigeist, bringt hier die Gattungsnormen gehörig durcheinander und schafft damit ein Neues, was nicht nur irritiert, sondern zu Spannungen, Widerstreiten bis hin zu Widersprüchen im Aufbau der Komposition führt. Beethoven, so zeigt sich damit, ist ein Klassiker freilich, aber kein glatter Klassizist. Der Wutausbruch ist im Grunde ein Fremdkörper, ein nicht zu integrierendes Element, das aber – und hier kommt Beethovens klassisches Formgefühl ins Spiel – doch irgendwie in die Form integriert werden soll: Beethoven versucht damit das Unmögliche um nicht zu sagen Absurde, das Unharmonische zu harmonisieren. Und genau da liegt die bis zur Überforderung gehende Herausforderung des Interpreten, das auch dem Hörer vorzuführen, dass es gelingt und wie es gelingt – wenn er eben diese Interpretationsaufgabe auch wirklich begreift und sich nicht nur mit einem Sicherheit vortäuschenden Intuitionismus an solchen Interpretationsfragen vorbeimogelt.

    :D ... weil man in diesem Kolumnen-Thread nicht antworten kann, macht die Foren-Software das nicht automatisch als Zitat kenntlich. Vielleicht setzt Du den Text oben kursiv (wie hier), lieber Thomas, damit jeder erkennt, dass Du auf mein Zitat antwortest. ;)

    Lieber Holger, ich lese mich mit Respekt und angemessenem Amusement durch Deine Zeilen. Im Falle Hammerklavieristische Wuttriller möchte ich Dir eine nur mäßig ernstgemeinte Replik schicken.

    Beethoven als Freigeist, Sturkopf und Individualist ist sicher weder verzweifelt noch ermattet bei dem Gedanken, klassisch-formale Grenzen zu sprengen - ich nehme mal an, diese wären ihm ziemlich egal gewesen. Schaut man sich die ehernen Triller am Schluss der Sonate einmal unter dem Aspekt einer möglichen Textunterlegung an, so fällt auf, wie perfekt den Oktavtrillern doch die Worte "Zuhuhuhu warm deheheher Wein" in ebenso chromatischer wie dramatischer Aufwärtsbewegung zugrundegelegt werden können, endend mit vollgriffigen Statements zuuuuu waaarm deeer Weeein! Sich dieser Logik nicht entziehen könnend, vermute ich stark, dass diese Wuttriller den Ärger Beethovens über die falsche Temperatur eines seiner Lieblingslebensmittel zum Ausdruck brachten - was den großen Meister ja auch wieder ein Stückchen menschlicher machen würde. Oder hast Du Gegenargumente?

    Lieber Thomas,


    "Bier krägftige" Gegenargumente hat, wie meine highendigen Fledermausohren vernommen haben, diese Firma hier - die Beethoven & Emmert Bräu aus Bonn protestiert heftig gegen solche Anti-Werbung gegen ihr Bier für ordinären, auch noch undeutschen Wein aus dem Frankenland, den man in Wien säuft, was eine glatte Geschichtsfälschung darstellt! ^^


    https://www.wir-brauen-bier.de/beethoven-ennert/


    image.jpg


    Also müssen Deine Zeilen korrigiert werden. Beethoven bekommt einen Wutanfall: "Was ist das für eine lauwarme Weinsuppe hier! Wo ist mein kühles Beethoven-Ennert Bier aus meiner lieben Heimat Bonn?" Dieser hysterische Unmutsäußerung über warmen Wein statt kühlem Bier hat sich in der Hammerklaviersonate niedergeschlagen - und das muss höchstrichterlich musikwissenschaftlich für alle Zeiten hier und jetzt Tamino forenamtlich festgestellt werden als der einzig wahre Interpretationsweg und hermeneutische Schlüssel für Deine so treffende Analyse: (Jetzt kommt Dein Zitat, leicht modifiziert, fett gesetzt): "Schaut man sich die ehernen Triller am Schluss der Sonate einmal unter dem Aspekt einer möglichen Textunterlegung an, so fällt auf, wie perfekt den Oktavtrillern doch die Worte "Zuhuhuhu warm deheheher Wein" in ebenso chromatischer wie dramatischer Aufwärtsbewegung zugrundegelegt werden können, endend mit vollgriffigen Statements zuuuuu waaarm deeer Weeein! Sich dieser von Beethovens Bonner Bierseligkeit eingegebenen Logik nicht entziehen könnend, vermute ich stark, dass diese Wuttriller den Ärger Beethovens über die falsche Temperatur eines seiner Lieblingslebensmittel zum Ausdruck brachten ("ich mag keinen warmen Wein, nur kühles Bonner Beethoven-Ennert-Bier") - was den großen Meister ja auch wieder ein Stückchen menschlicher machen würde."


    Tamino sucht doch Sponsoren! Vielleicht fragt Alfred mal bei Beethoven-Ennert in Bonn an wegen der fälligen Spesen! :D :hello:


    Ein schönes Wochehende wünschend mit lieben Grüßen

    Holger

  • Ob Bier, ob Wein, die Frauen, die sind fein....ach nein, das ist quest´o quella....


    Ist schon mal jemandem aufgefallen, wie hier Nomen Omen sei könnte? Nein? Dann sprecht den Namen mal mit englischem "th" und Betonung auf der 2. Silbe.


    Ebenfalls ein schönes Wochenende wünschend


    Thomas

  • Die Sache mit Beethovens weingeistigem "Wuttriller" hat auch eine philosophische Definition. Beethovens Ärger richtet sich in unserer konstruierten Anekdote auf "Etwas", einen Gegenstand - den Wein - über den er sich ärgert. Diese Gerichtetheit auf einen bestimmten Gegenstand nennen Philosophen "Intentionalität". "Ha" sagte nun Euard Hanslick: "Musik kann nur stürmen, wogen und rauschen, aber das Lieben und Zürnen legt nur unser Herz in sie hinein." Und weil Musik zwar wütend, aufbrausen klingen kann, wir aber nicht wissen, auf welchen Gegenstand sich das bezieht (wir zürnen über etwas, lieben Jemanden), sagte Schopenhauer: Musik kann zwar nicht "über etwas" wütend sein (die Wut hat keinen intentionalen Gegenstand, philosophisch gesagt), aber nur die "Wut als solche" ausdrücken, die "Gefühlsidee" von Wut. "Quatsch" sagte da Eduard Hanslick. ""Wut an sich" gibt es nicht, mein lieber Schopenhauer, Beethovens Wut ist entweder die Wut über den Wein oder das Bier. Wut kann immer nur über etwas (Bestimmtes) wütend sein, aber nicht über nichts. Also kann Musik gar keine Gefühle ausdrücken! Basta!" Der wütende Beethoven kommt also in Beethovens Musik gar nicht vor nach Eduard Hanslick. Da haben wir also den Salat. Wir wissen nicht mehr ein und aus - weder über den Wein, noch das Bier, und auch nicht über das, was uns Musik überhaupt sagt und sagen kann.


    Und deshalb habe ich ein Buch über "Musikalische Intentionalität" geschrieben - um zu zeigen, dass Hanslick nicht Recht hat. Ein zweites über den musikalischen Ausdruck von Gefühlen, Emotionen, Empfindungen will ich noch schreiben.... ^^


    Schöne Grüße

    Holger

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