Lohengrin, Deutsche Oper Berlin, 12.5.2019

  • Die Wagner-Woche an der Deutschen Oper endete gestern abend mit dem Lohengrin in der Inszenierung von Kasper Holten. Mit der verbinde ich viel, denn sie hat mich zum regelmäßigen Operngänger gemacht. Deshalb habe ich sie über die Jahre auch regelmäßig besucht, und es ist sicher die Opern-Inszenierung, in der ich am häufigsten gewesen bin. In der nächsten Saison steht sie nicht mehr auf dem Spielplan. Gestern war die letzte Vorstellung für dieses Jahr.


    Mir ist gestern abend deutlich geworden, wie sehr wir Berliner mit der Besetzung der Titelpartie in den letzten Jahren verwöhnt worden sind. Michael Weinius, Peter Seiffert und Klaus Florian Vogt haben sie gesungen. Alle drei haben mich - jeder mit seiner Art zu gestalten, begeistert. Gestern sang Daniel Johansson, der weder mich, noch die meisten Zuhörer überzeugen konnte. Er agierte wie der Landpfarrer von der Scheldemündung und war mit der Rolle auch sängerisch überfordert. In allen dramatischen Phasen rutschte die Stimme ins Jammern ab, und er war durchaus nicht höhensicher. Er mag bessere Tage haben, der gestrige war kein guter.

    Auch Camilla Nylunds Elsa hat mich wenig begeistert. Mit der Blondhaarperücke sah sie zwar hinreißend aus, spielte aber einfallslos mit viel leerer Gestik und großen Armbewegungen. Sie sang sicher, ohne mitreißend zu sein. Im ersten Rang sitzend habe ich sie als recht leise empfunden.

    Das helle Paar - beide weiß gewandet - also enttäuschend. Die Gegenspieler, Ortrud und Telramund, aus anderem Holz geschnitzt. Anna Smirnovas Ortrud mit Wut und Mut zur Häßlichkeit gespielt, die Schrillheit nicht zurücknehmend, sondern als dramatisches Mittel eingesetzt - das war beeindruckend und wurde vom Publikum beklatscht. An John Lundgren fiel mir das starke Verschleifen der Konsonanten im ersten Akt auf. Als er seine Anklage vorbringt, muß er präsize sprechen. Es ist ja sein Fall! Der liest ja keine amtliche Bekanntmachung vor! Den zweiten Akt meistert er besser, und der Saal dankte es ihm.

    Derek Welton hat an der DOB immer ein Heimspiel. Sein Heerrufer vorzüglich verständlich, vielleicht ein bißchen zu viel Schöngesang. Ich mag die Heerrufer gerne etwas blechern und die ja nur geborgte Autorität verdeutlichend. Bleibt König Heinrich, den Andreas Bauer Kanabas gesungen hat. Das war solide und hat gefallen.

    Überragend - wie eigentlich immer - der Chor der Deutschen Oper. Diese Wucht, dieser Schalldruck im Rang!

    Donald Runnicles am Pult wurde vor dem dritten Akt mit viel Beifall begrüßt. Die Bläser in den Proszeniumslogen sind ihm gestern abend ausgerissen.


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    Nun, da die Inszenierung pausiert, ziehe ich meine eigene kleine Bilanz. Die drei eingangs genannten Tenöre haben mich immer begeistert. Die schönsten Elsas waren Rachel Willis-Sørensen und Annette Dasch. Als Telramund habe ich Simon Neal und Thomas Johannes Mayer immer gern gesehen und Anna Smirnovas Ortrud war immer aufregend. Als König Heinrich blieb Günther Groissböck unübertroffen.

    Holtens Idee, den Lohengrin als Spektakel der Oberklasse zu deuten, die die Vorhänge schließt, wenns politisch wird, hat mich bei jedem Besuch wieder überzeugt. Ich werde den Lohengrin auf dem Spielplan vermissen, auch wenn ich denke, daß ihm eine Pause guttun wird.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Wenn man mit sogenannten Wagner-Tagen wirbt und damit viele auswärtige Besucher ins Haus zu locken versucht, dann sollte man vielleicht auch vorher entsprechend proben. Zumindest der erste Tannhäuser und der Lohengrin gestern standen da unter keinem guten Stern. Donald Runnicles hat die Oper schon oft am Haus dirigiert, Es waren gute und sehr gute Abende dabei, aber auch weniger packende Aufführungen. Gestern lief schon im Vorspiel einiges bei den Streichern schief. Im weiteren Verlauf hat Runnicles ungewohnt langsam dirigiert. Das hat sich im 2. Akt mit dem Auftritt des Chors plötzlich geändert. Von da an war das Dirigat flott und plötzlich packend. Die zahlreichen Trompetenpatzer laste ich ihm nicht an. Trotz der ansonsten hervorragenden gesanglichen Leistungen steht und fällt ein Lohengrin mit dem Sänger der Titelpartie. Zunächst habe ich mich gefreut, einmal einen anderen Sänger als die üblichen Verdächtigen zu hören. Ich fand Daniel Johansson nicht so schlimm wie viele andere Besucher, aber auch nicht wirklich gut. Seine stimmlichen Möglichkeiten waren von der Kraft her recht limitiert. Immer wenn er mehr wollte, ging das zu Lasten der Intonation. In der Stimme waren auch immer wieder Brüche. Die Gralserzählung gelang ihm ganz ordentlich, bis er kurz vor dem Ende wieder die genannten Probleme hatte. Dazu kam, dass er mehr Pastor als Staatsmann war. Den stärksten Eindruck des Abends hinterließ John Lundgren mit unerschöpflichen Kraftreserven als fast schon exemplarischer Telramund. Anna Smirnova stand ihm in nichts nach und wirkte ausgeruhter als bei ihrem letzten Auftritt als Ortrud. Camilla Nylund habe ich schon mehrfach als Elsa gehört. So gut wie gestern hat sie mir noch nie gefallen. Sie hat die Partie sehr innig und zurückgenommen gesungen. Ein Freund meinte zwar, sie könnte nicht mehr geben, aber ich finde, da hat alles gesessen, jeder Tonsprung, da war nichts in Gefahr. Andreas Bauer-Kanabas habe ich öfter in seiner Zeit an der Staatsoper gehört. Ehrlich gesagt habe ich seine Stimme nicht wiedererkannt. Mir hat sein König Heinrich gut gefallen. Das klang sicher etwas derb, dafür aber kraftvoll und sehr textverständlich (vielleicht ein wenig zu akzentuiert). Eine absolute Luxusbesetzung war zum wiederholten Mal Derek Welton als überragender Heerrufer, der die Partie für Dong-Hwan Lee übernommen hatte. Trotz der überwiegend sehr guten Leistungen ein Abend mit Licht und Schatten.