Die Wagner-Woche an der Deutschen Oper endete gestern abend mit dem Lohengrin in der Inszenierung von Kasper Holten. Mit der verbinde ich viel, denn sie hat mich zum regelmäßigen Operngänger gemacht. Deshalb habe ich sie über die Jahre auch regelmäßig besucht, und es ist sicher die Opern-Inszenierung, in der ich am häufigsten gewesen bin. In der nächsten Saison steht sie nicht mehr auf dem Spielplan. Gestern war die letzte Vorstellung für dieses Jahr.
Mir ist gestern abend deutlich geworden, wie sehr wir Berliner mit der Besetzung der Titelpartie in den letzten Jahren verwöhnt worden sind. Michael Weinius, Peter Seiffert und Klaus Florian Vogt haben sie gesungen. Alle drei haben mich - jeder mit seiner Art zu gestalten, begeistert. Gestern sang Daniel Johansson, der weder mich, noch die meisten Zuhörer überzeugen konnte. Er agierte wie der Landpfarrer von der Scheldemündung und war mit der Rolle auch sängerisch überfordert. In allen dramatischen Phasen rutschte die Stimme ins Jammern ab, und er war durchaus nicht höhensicher. Er mag bessere Tage haben, der gestrige war kein guter.
Auch Camilla Nylunds Elsa hat mich wenig begeistert. Mit der Blondhaarperücke sah sie zwar hinreißend aus, spielte aber einfallslos mit viel leerer Gestik und großen Armbewegungen. Sie sang sicher, ohne mitreißend zu sein. Im ersten Rang sitzend habe ich sie als recht leise empfunden.
Das helle Paar - beide weiß gewandet - also enttäuschend. Die Gegenspieler, Ortrud und Telramund, aus anderem Holz geschnitzt. Anna Smirnovas Ortrud mit Wut und Mut zur Häßlichkeit gespielt, die Schrillheit nicht zurücknehmend, sondern als dramatisches Mittel eingesetzt - das war beeindruckend und wurde vom Publikum beklatscht. An John Lundgren fiel mir das starke Verschleifen der Konsonanten im ersten Akt auf. Als er seine Anklage vorbringt, muß er präsize sprechen. Es ist ja sein Fall! Der liest ja keine amtliche Bekanntmachung vor! Den zweiten Akt meistert er besser, und der Saal dankte es ihm.
Derek Welton hat an der DOB immer ein Heimspiel. Sein Heerrufer vorzüglich verständlich, vielleicht ein bißchen zu viel Schöngesang. Ich mag die Heerrufer gerne etwas blechern und die ja nur geborgte Autorität verdeutlichend. Bleibt König Heinrich, den Andreas Bauer Kanabas gesungen hat. Das war solide und hat gefallen.
Überragend - wie eigentlich immer - der Chor der Deutschen Oper. Diese Wucht, dieser Schalldruck im Rang!
Donald Runnicles am Pult wurde vor dem dritten Akt mit viel Beifall begrüßt. Die Bläser in den Proszeniumslogen sind ihm gestern abend ausgerissen.
Nun, da die Inszenierung pausiert, ziehe ich meine eigene kleine Bilanz. Die drei eingangs genannten Tenöre haben mich immer begeistert. Die schönsten Elsas waren Rachel Willis-Sørensen und Annette Dasch. Als Telramund habe ich Simon Neal und Thomas Johannes Mayer immer gern gesehen und Anna Smirnovas Ortrud war immer aufregend. Als König Heinrich blieb Günther Groissböck unübertroffen.
Holtens Idee, den Lohengrin als Spektakel der Oberklasse zu deuten, die die Vorhänge schließt, wenns politisch wird, hat mich bei jedem Besuch wieder überzeugt. Ich werde den Lohengrin auf dem Spielplan vermissen, auch wenn ich denke, daß ihm eine Pause guttun wird.