Eindeutigkeit hätte den Zensoren Gründe geliefert, der Oper die Aufführung zu verbieten. Wenn alles im Ungefähren liegt, entgeht man dem Urteil.
Fidelio - Freiheitsoper oder Desaster ?
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Wie schnell man doch ein Problem lösen kann, wenn man nur bereit ist, den ersten besten Gedanken, der mal fix vorbeikommt, als Lösung anzunehmen!
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Eine Möglichkeit der Verklausulierungen, das Vage im Libretto könnte die Zensur der damaligen Zeit sein. Das gilt es zu bedenken und würde ich nicht ausser acht lassen.
Das müsste aufgrund der vorliegenden Dokumente ein Musikhistoriker klären und beurteilen, wie Librettisten mit den Vorgaben und Regeln der Zensur umgingen.
Fidelio - Freiheitsoper oder Desaster ?
Was wäre noch als Grund in Betracht zu ziehen?
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Ich weiß nicht ob es eine detaillierte Untersuchung der ziemlich verworrenen Entstehungsgeschichte gibt, die sich besonders mit den Auswirkungen der Zensur befasst. Solche sind auch schwer nachzuweisen, man neben den offiziell mitgeteilten Einwänden, die möglicherweise dokumentiert sind, auch Entscheidungen in vorauseilendem Gehorsam und nicht früher stattfindende den Autoren gar nicht bewusste Anpassungen berücksichtigen müsste.
Was die Hintergründe der Geschichte betrifft, ist übrigens das Libretto der ersten beiden Fassungen ausführlicher und die beiden anderen Opernfassungen des Stoffes, die mir bekannt sind, noch mehr. Das war anscheinend kein Problem. Andererseits nehme ich an, dass sich Beethoven nicht so leicht in seine Entscheidungen hineinreden ließ. Das passt nicht zu seine Charakter, wie er uns sonst geschildert wird. (»Was geht mich seine Geige an, wenn der Geist über mich kommt?«) Übrigens ist auch der Einfluss der Zensur auf solche Werke nicht so stark, wie man es sich gemeinhin vorstellt. Beim »Rigoletto« ist das ganz gut dokumentiert, und was man so erfährt, ist eher läppisch. Wirklich zerstörerischen Einfluss hatte die Pariser Oper auf die Werke, die sie in Auftrag gab. Man kann das schön an den Trümmerhaufen studieren, zu denen »Faust« und »Hoffmann« geworden sind.
Beethoven hatte seine Vorstellungen, wie er den Stoff verarbeiten und wie er die Dramaturgie des Stücks umbauen wollte. Das Ergebnis mag ihn nicht ganz zufrieden gestellt haben, aber es past in seiner Tendenz sehr gut Beethoven und dürfte nur zu einem geringen Teil der Effekt der Zensurtätigkeit sein.
Im übrigen ist es natürlich interessant, zu untersuchen, wie es zu dieser Fassung gekommen ist und welche Rolle die Zensur dabei gespielt haben mag. Man darf sich aber auch von solchen Informationen nicht allzu viel versprechen. Am Ende haben wir den »Fidelio« doch nur, wie wir ihn eben haben. (Und dazu die beiden Erstfassungen, so weit sie sich rekonstruieren lassen.) Dass wird reparieren könnten, was die Zensur mögliherweise zerstört hat, ist eine Illusion, letztenldich genau so groß wie die, dass eine Fassung. des »Faust« herstellbar wäre, die den ursprünglichen Intentionen Gounods gerecht wird.
Hier geht es ja auch um Brugs Behauptung, das Hauptproblem der Dramaturgie des »Fidelio« sei, dass man nicht erfährt, was es eigentlich ist, was Florestan aufgedeckt hat. Es ist offensichtlich, dass die Unschärfe in diesem Punkt die Rezeption und den Erfolg des Stücks nicht behindert hat. Und wenn man sich damit abfindet, dass das eben nicht ganz klar ist, stellt man auch schnell fest, dass größere Klarheit dem Stück gar nicht gut tun würde.
Es ist immer dieselbe Sache: Man tut gut daran, sich an das zu halten, was man hat, und nicht mit dem zu hantieren, was man sich ausdenken kann, wie es hätte werden können. Meine Erfahrung ist: Wenn man das macht, kommt man gut zurecht. (Gegen die Lachsbrötchen-Gourmets à la Brug kommt man natürlich nicht an, aber das ist ja auch nicht wichtig.)
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Ich werd mich vermutlich wieder in die Nessel setzen. Es gibt Dinge ander per die ich durchaus für passabel halte - Glaubwürdigkeit hin oder her. Oper ist nun üblicherweise per se nicht glaubwürdig. Ich war 20 als ich 1970 erstmal (in der Sufnahme aus Dresden mit Karl Böhm) Was mir als erste auffihl war die naive Arie "Jetzt Schätzchen sind wir allein" Ich fand sie damals irgendwie peinlich.
Ferner ist es die einzge mir bekannte Oper die in Spanien spielt, ohne daß sie irgendwelches Spanisches Flair verbreiten würde. "Hat man nicht auch Gold beineben" klingt für mich urdeutsch und betulich, wenngleich sie musikalisch IMO gelungen ist. Das ins frei lassen der Gefangenen "Oh welche Lust" halte ich für unglaubwürdig, überhaupt warum man so lange wartete bevor man sie exekutierte. Die oft beanstandete Unglaubwürdigkeit der Verkleidung sehe ich nicht, denn die Menschen sehen immer das was sie sehen wollen. Rocco braucht einen Gehilfen, der noch dazu als Schwiegersohn willkommen wäre, also wird de sich sein Idealbild nicht durch irgendwelche Entdeckungen der Realität zestören lassen. Der (IMO) einfältig -gutmütige Jaquino ist sowieso damit beschäftigt seine ihn verschmähende Schöne anzubeten und für sich zu gewinnen. Interessant die Persönlichkeit des Gouverneurs
der hauptsächlich in Angst und Hass schwebt. Besonders glaubwürdig finde ich die Stelle -In seiner letztn Stunde - den Stahl in seiner Wund - ihm nch ins Gesicht zu schrein: Triumpf - der Sieg ist mein." Wer hat sowas noch nie gedacht ?? Das Problem bei der Ermordng eines Feindes ist ja, daß der Affekt bleibt und man nicht genau weiß wer hier Sieger und wer Besiegter ist. Sehr überzeugend die Stelle. In der Tat weiß man nicht was Florestan dem Gouverneur angetan hat, daß diese so exzessive Haßgefühle entwickelt hat. Diese Ungewissheit halte ich nicht füür einen Schwachpunkt, sondern für eine absichtlich diffus gehaltene Stelle, die das Stück interessanter macht und zum Nachdenken anregt. Über das Finale mag man geteilter Meinung sein, aber es folgt jahrhundertealter Theaterpraxis, des Deus ex machina."Des besten Königs Wink und Wille" hat für mich etwas unfreiwillig komisches. Der könig muß ziemlich bescheuert sein oder aber ein raffinierter Heuchler, der seinen Minister vorschiebt. Alles in allem aber über rund 200 Jahre bühnenwirksam - wer will da Erbsen zählen ?
PS: Mir fällt immer - das Finale betreffend eine Parodie zu den Deus ex machina lösungen ein:
Regieanweisung:
Ein elegante Gestalt in einen weissen Uniformmantel erscheint auf der Bühne. Alle starren sie an. "meinen Name sollt Ihr nie erfahren" (er öffnet den Mantel und sagt im Verschwörerton)"Ich bin der Kaiser Joseph"..........
mfg aus Wien
Alfred
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Ich werd mich vermutlich wieder in die Nessel setzen.
Keineswegs! Und doch erlaube ich mir, einige der von Dir aufgestellten Thesen in ein anderes Licht zu rücken, in der Hoffnung, mich damit nun nicht in die Nesseln zu setzen. Das ist wirklich nicht meine Absicht.
Ferner ist es die einzge mir bekannte Oper die in Spanien spielt, ohne daß sie irgendwelches Spanisches Flair verbreiten würde.
Dem stimme ich voll zu, aber nicht ohne den Hinweis, daß - im Gegensatz z.B. von Bizets "Carmen" - der FIDELIO in jedem beliebigen europäischen Land spielen könnte, denn Kerker, finstere Verliese, ungerechte Gefängnis-Gouverneure und feige Kerkermeister gab und gibt es (fast) überall.
Was mir als erste auffihl war die naive Arie "Jetzt Schätzchen sind wir allein" Ich fand sie damals irgendwie peinlich.
Zumindest ist das harmlose Stück sehr einfach gestrickt, sowohl textlich als auch musikalisch, doch finde ich es mehr albern als peinlich.
"Hat man nicht auch Gold beineben" klingt für mich urdeutsch und betulich
.... wie fast alle Szenen zu Beginn des 1. Aktes. Große Ausnahme: das wunderbare Kanon-Quartett "Mir ist so wunderbar", das (für mich) zu den schönsten Eingebungen Beethovens zählt und die Charaktere der beteiligten Personen auf den Punkt bringt.
Das ins frei lassen der Gefangenen "Oh welche Lust" halte ich für unglaubwürdig, überhaupt warum man so lange wartete bevor man sie exekutierte.
Das sehe ich ganz anders. Es war zu allen Zeiten üblich, daß Gefangene, ob kriminelle oder politische, Freigang hatten, je nach Regelung bzw. der Laune des Gefängnispersonals. Das hatte weniger humanitäre Gründe, sondern diente einmal zur Entlastung des Aufsichtspersonals und zum anderen, um heimliche Gespräche zwischen den Gefangenen durch Spione auszuhorchen. In FIDELIO hat sich Rocco, der Kerkermeister, allerdings die Frechheit erlaubt, die Insassen ohne ausdrückliche Erlaubnis des Gouverneurs auf den Hof zu lassen, was ihm eine Rüge einträgt, aber sonst ohne Folgen bleibt. Außerdem ist weder dem Libretto noch den Inhaltsangaben irgendwo zu entnehmen, daß diese Häftlinge Todeskandidaten waren, die auf ihre Exekution warteten. Als sicher kann man aber annehmen, daß es politische Gefangene waren.
"Des besten Königs Wink und Wille" hat für mich etwas unfreiwillig komisches. Der könig muß ziemlich bescheuert sein oder aber ein raffinierter Heuchler, der seinen Minister vorschiebt.
Auch da bin ich anderer Auffassung. Welchen Grund sollte der König gehabt haben, seine Gefangenen persönlich zu befreien und ihnen ihre Entlassung mitzuteilen? Florestan war ja dem Libretto zufolge zu Unrecht eingekerkert, ohne Wissen des Königs, nur aus persönlichen Rachegelüsten des Gouverneurs. Als der König das erfuhr, sandte er seinen Minister, was an sich schon eine große Ehre war, um seine Anweisungen durchzuführen und zu überwachen, nämlich Pizarro festzunehmen und die Eingekerkerten zu befreien.
Auch heute ist es ja noch Vorrecht unserer Bundespräsidenten, in ihrer Eigenschaft als Staatsoberhaupt Begnadigungen auszusprechen. Aber keiner von ihnen käme auf die Idee, dies den Betroffenen persönlich zu übermitteln, obwohl sie sich sonst nicht zu schade sind, zu jedem profanen Ereignis in Erscheinung zu treten. Noch ein Beispiel: Im Januar 1951 begnadigte der damalige US-Militärgouverneur John McCloy so prominente Häftlinge wie den früheren Staatssekretär Ernst von Weizsäcker und den Industriellen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, die als angebliche Kriegsverbrecher in Landsberg a. Lech einsaßen. Die Mitteilung und die Freilassung überließ er aber selbstverständlich den Gefängnisdirektoren. Deshalb erscheint mir die Handlungsweise des Königs im FIDELIO durchaus schlüssig und nachvollziehbar.
Noch ein Wort zur Musik: Man hat Beethoven oft den Vorwurf gemacht, in seiner einzigen Oper Banales und Großartiges zu vermengen. Ich halte das für nicht gerechtfertigt. Beethoven war mit ganzem Herzen dabei, sobald er vom Ethos seiner Gestalten ergriffen wird. Nicht der Mensch an sich, ob hoch oder niedrig, fesselte ihn, sondern allein der sittliche Mensch. Roccos Kleinbürgertum interessiert ihn nicht, ebenso nicht das Liebesgeplänkel zwischen Marzelline und Jaquino. Groß und unsterblich wird seine Musik erst in der Leonoren-Arie, Florestans Fiebervisionen, den Ensembles im Kerker, wo es um Leben und Tod geht, in der Ansprache des Ministers, der zur Stimme der Humanität schlechthin wird, und in der Ekstase des Finales, der das "Seid umschlungen" der Neunten Sinfonie vorwegzunehmen scheint. Da wird, wie in keinem anderen Bühnenwerk sonst, die Oper zu einem Ort ergreifender musikalischer Dramatik.
LG Nemorino
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Was mir als erste auffiel, war die naive Arie "Jetzt Schätzchen sind wir allein". Ich fand sie damals irgendwie peinlich.
Das geht mir noch heute so, jedenfalls textlich; anscheinend hat man das früher nicht so empfunden.
Das ins frei lassen der Gefangenen "Oh welche Lust" halte ich für unglaubwürdig
Musikalisch ganz und gar nicht. Für mich ist das stets einer der allerschönsten musikalischen und magischen Momente der Oper.