Romantische Klavierkonzerte - Jenseits der Hyperion Serie

  • Hallo, Rainer,


    Du hast schon Recht. Auch ich hätte mich an Deiner Stelle über eine raschere Rückmeldung ohne vorherige Erinnerung gefreut. Leider ist aber in solchen gut frequentierten Foren im Netz sehr rasch alles wieder vergessen, wenn man nicht sofort reagiert. Es geht schlichtweg unter.


    Originalität ist mir zwar nicht unwichtig, aber gerade bei Klavierkonzerten bin ich durchaus aus Prinzip interessiert. Da geht es mir wie Dir und ich habe das ja meines Wissens auch am relativen Anfang dieses Fadens so ähnlich formuliert. Das hat sich nicht wirklich geändert, aber ich lerne mittlerweile im Ruhestand so viele andere Namen und Genres innerhalb der sogenannten Klassischen Musik genauer und tiefer kennen - den Begriff mag ich nicht; es ist ein künstliches Etikett -, dass sie nicht mehr so im Mittelpunkt stehen können.


    Leider alles auch ein Zeitproblem, da hilft kein Ruhestand... :thumbdown:


    Bei Hyperion gibt es alle vier Konzerte von Scharwenka; ich besitze die CDs. Mir ist nach dem Schreiben schon klar geworden, dass Du sie kennen könntest und dass es in diesem Faden eben gerade nicht um die Hyperion-Reihe geht. Trotzdem können solche Erinnerungen hilfreich sein. Ansonsten habe ich ja geschrieben, wo ich die Probleme dieses Fadens sehe, ob es nun objektiv welche sind oder doch nicht.


    Die beiden Konzerte von Levina kenne ich mittlerweile. Nicht unattraktiv - für mich besitzen sie nicht ganz die Originalität etwa der Scharwenka-Konzerte. Doch das könnte sich ändern, da ich sie vermutlich nur ein einziges Mal gehört habe.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • hallo Wolfgang,

    wenn Du die Klavierkonzerte von Zara Levina noch mal oder wieder gehört hast, und du hast Lust dazu, dann kannst du ja vielleicht noch mal eine kurzen Kommentar von deiner Seite ausgeben.

    Ich habe immer Phasen, in denen ich einzelne Werke wieder und wieder hören kann, weil sie mir einfach auch nicht aus dem Kopf gehen. Irgendwann verliert sich dann wieder, aber im Augenblick ist es das erste Klavierkonzert von Levina, welches bei mir fast in Dauerschleife läuft.

  • Heute habe ich - vermutlich zum zweiten Mal - die beiden Konzerte von Zara Levina (1906 - 1976) gehört. Und dieser zweite Hördurchgang war halt doch ein wenig intensiver ...



    Die Musik lohnt sehr. Das zweite Konzert ist das originellere. Es ist kurz vor ihrem Tod entstanden, 1975. Die Form erscheint eher assoziativ, aber nicht beliebig, sondern durchaus schlüssig. Denn eine simple fallende Linie eröffnet wie in Traumsequenzen eine Fülle an melodischen Remininszenzen - wie ein Lebensrückblick - das ist jetzt nicht meine Idee, sondern die des Booklets, aber sie leuchtet mir vollauf ein. Da sind tänzerische Züge, Versenkung, Melancholie, Verspieltes. Insofern erscheint dieses Konzert vor allem formal recht modern, ist es harmonisch auch ein wenig, aber nicht ausgeprägt, und voller Überraschungen. Der Schluss erklingt furios, doch das ist nur noch sehr bedingt ein konventionell spätromantischer Duktus.


    Das erste Konzert von 1942 ist, meine ich, geschlossener. Trotz jener gewissen Nähe zu Rachmaninoff - das ist schon beinahe ein Gemeinplatz in spätromantischen Konzerten um oder auch deutlich nach der Jahrhundertwende - erscheint mir die Grundhaltung weniger pathetisch als jener, weniger abgedunkelt. Das Hauptthema gleich zu Beginn trägt ja beinahe Beethoven'sche Züge und ist ein genialer Einfall. Der langsame Satz ist dann schon eher grüblerisch, aber auch hier schlichter in der Haltung, als dies bei Rachmaninoff der Fall wäre. Der Finalsatz wiederum weicht ab, geht ins Folkloristische, zeigt sich rhythmisch sehr pfiffig - Rachmaninoff ist für mich keine Assoziation mehr, doch wie Khatchaturian oder Kabalewski und so manch anderer russischer Meister klingt es eben auch nicht, allenthalben freilich slawisch - die Komponistin stammt aus der Ukraine.


    Das ist nicht nur schöne, sondern auch wertvolle Musik, die eine große Eigenart nicht verleugnen kann. [Natürlich kann ich keinen Personalstil erkennen, wenn ich überhaupt nur diese beiden Klavierkonzerte kenne, die recht verschieden sind. Aber was soll's.] Und wie gesagt: Das zweite Konzert ist für mich eine bemerkenswerte Entdeckung. Die mit Skrjabin erfolgreiche Pianistin Maria Lettberg und die junge Dirigentin Ariane Matiakh haben sich in dieser Produktion von 2017 zusammen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin um eine vorher wohl kaum jemandem geläufige Komponistin verdient gemacht.


    PS @ Beitrag 61 [:P]: Levinas und Scharwenkas Klavierkonzerte kann man nicht verwechseln und sie sind gleich gut. Echt!


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Soeben habe ich bei den beiden großen CD-Händlern nachgesehen. Es gibt aktuell noch eine zweite Scheibe mit Kammermusik von Zara Levina - doch dann ist ganz schnell Schluss. Ob die Tube noch ältere Einspielungen enthält, weiß ich nicht - da kann sich aber jeder informieren, wenn von Interesse. Und Rainer hat ja die CD über yt verlinkt, die ich selber besitze. :jubel:

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • https://www.tamino-klassikforu…page=Thread&threadID=5485


    Da es gut in diesen Faden passt, habe ich mal wieder die Erinnerung an alte Zeiten aufgefrischt und mir das zweite Klavierkonzert von Aarre Merikanto zu Gemüte geführt. Hier der dritte Satz. Die anderen beiden findet man aber genauso bequem.



    Als Beispiel für die Klavierkonzerte von Villa-Lobos nehme ich jetzt mal Momoprecoce. Auch die Bachianas Brasileiras-Nummer für diese Besetzung käme in Frage und natürlich die fünf Konzerte.



    Es gibt nach wie vor für mich nichts zu diskutieren. Ich kenne praktisch keinen zweiten Fall regional völlig unterschiedlich zuzuordnender Namen, deren Stile - bei Merikanto ist es aber in der Tat nur das zweite Konzert; bereits das dritte erlaubt keine wirklichen Assoziationen - sich derart verblüffend ähneln und zwar in jeder Hinsicht, was die musikalischen Parameter anbelangt. Vielleicht auch von Interesse für Rainer?


    Wer hat da wen zuerst gehört? Da ich praktisch alle Klavierkonzerte von Villa-Lobos längst vorher kannte, gilt für mich persönlich nur die eine Richtung. Aber die Jahreszahlen sind so eindeutig nicht. Okay - Momoprecoce ist älter; Merikanto könnte es gekannt haben.


    Gibt es eine solche Beeinflussung rein zufällig? Natürlich - das will ich nach wie vor nicht leugnen - stehen da als quasi gemeinsame Nenner Namen wie Rachmaninoff oder Prokofieff oder von mir aus auch Bartok. Aber diese Ähnlichkeiten sind allenthalben bei Weitem beliebiger !!


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • hallo Wolfgang,

    Vielen Dank für deine zahlreichen Beiträge. Ich möchte gerne von hinten anfangen . Merikante und Villa lobos: selbstverständlich etwas für mich, und vielen Dank für die Tipps! die beiden Klavierkonzerte sind mir vielleicht einen Tick zu modern, (persönlicher Geschmack), aber hoch interessant. Ich habe in beide Links hereingehört, habe auch festgestellt man findet Merikante auf Spotify, und werde mir seine drei Klavierkonzerte (ich habe gleich in Wikipedia nachgelesen) zu Gemüte führen.

    Danke auch für deine Analyse zu den Klavierkonzerten von Zarah Levina, hier kann, möchte und werde ich nichts hinzufügen, weil es meiner Einschätzung voll und ganz entspricht, mit einer (kleinen) Ausnahme: an Beethoven hätte ich beim Hauptthema des ersten Satzes des ersten Konzertes nicht gedacht; wie oben schon mal gesagt, mich erinnerte es eher an das eröffnungsthema des zweiten Klavierkonzertes von Rachmaninoff.

    Auch hier hast du geschrieben, ich zitiere: : ich kann keinen Personalstil erkennen"

    Damit möchte ich zu einem weiteren Thema überleiten: ich hatte in diesem Forum wie auch in der anderen Firma (Zitat von dir, als wir uns dort einmal getroffen hatten) gefragt:

    wer kennt Elie Coff?

    Es kamen ja z.B Antworten wie: "aus der Zeit gefallen", "alles schon mal gehört", auf Youtube findet man einen Kommentar: "100 Jahre zu spät" . Ich kann eigentlich diese ganzen Kommentare nur bestätigen, dennoch fasziniert mich seine Musik.

    Insgesamt ist über Elie Coff sehr wenig zu finden. Ich habe sogar den Dirigenten der Aufnahmen der drei Klavierkonzerte welche auf Spotify und Youtube zu finden sind, Hugues Reiner, persönlich angeschrieben, ob er noch mehrere Werke von Eli Coff hat, aber ich habe leider ausnehmend nichtssagende Antworten erhalten ( ich habe keine Ahnung, warum).

    In meiner Jugend kam für mich gefühlt in der Zeit nach Rachmaninov eigentlich nur Schönberg, Alban Berg und Anton von Webern (nichts für mich). Deshalb bin ich ja so fasziniert, dass es aus dem letzten Jahrhundert doch so vieles gibt, was nichts mit diesen drei genannten Komponisten zu tun haben. Das dritte Klavierkonzert von Eli Coff stammt von 1999!

    ich hoffe lieber Wolfgang, ich nerve dich nicht, aber vielleicht kannst Du auch hier, wenn es deine Zeit zulässt, noch mal eine Einschätzung abgeben?

    Es würde mich wirklich sehr freuen.

    Viele Grüße,

    Rainer

  • Elie Coff


    Kein Problem, Rainer! Auch da höre ich absehbarer Zeit nach und melde mich wieder.


    Und wenn Du ein bisschen Zeit hast: Vergleiche doch gerne mal das zweite Konzert von Merikanto - da würde auch der verlinkte Satz schon genügen - gezielt mit einer der Villa-Lobos-Nummern. Villa-Lobos und das zweite Konzert von Merikanto halte ich eigentlich für noch ausgeprägt romantisch. Aber mein eigentlicher Punkt ist eben diese frappierende Ähnlichkeit - erfreulicherweise wurde sie mir mittlerweile in dem Faden, den ich verlinkt habe, zuletzt bestätigt von einem englischsprachigen Buch mit Interpretationstipps.


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ricardo Castro HERRERA (1864-1907): Klavierkonzert op. 22


    Schon einige Jahre bei den - noch nicht gehörten - in meiner Sammlung - habe ich heute erstmals das auf der hier abgebildeten STERLING CD enthaltene Klavierkonzert op 22 von Riccardo Castro HERRERA gehört. Warum auf der CD "HERRERA" fehlt habich bislang noch nicht herausgefunden. Ist auch fatal, da ziemlich genau 100 Jahre nach unserem Komponisten ein andererer Pianist mit Namen "Riccardo Castro" geboren wurde...

    Kommen wir zum Klavierkonzert. Unerwartet dezent beginnt es, gleitet dann irgendwo ins "Lieblich -verträumte" ab und entwickelt sich in weiterer Folge stellenweise zu einem -teilweise - angriffslustigen Kraftprotz. Dazwischen ist Samptpfotensitil angesagt. Der Komponist schreibt IMO über alle Maßen eingängig und publikumswirksam. Man merkt den Pianisten, der genau weiß wie man sein Publikum fesselt und begeistert. Typisches Virtuosenwerk des späten 19 Jahrhunderts. Speziell das Finale des Mittelsatzes scheint an triumphierendem Bombat kaum zu übertreffen - aber weit gefehlt - die letzten Takte sind dann sanft und versöhnlich. Sofort setzt der Finalsatz voller Lebensfreude und Temperament ein.


    1) Allegro: Moderato

    2) Andante. Allegro Appassionato. Poco piu Mosso Mazurka

    3) Polonaise. Allegro moderato


    Es handelt sich um eine Liveaufnahme aus Mexico (2014



    mfg aus Wien

    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das dritte Konzert von Elie Coff habe ich mir soeben über yt angehört. Handwerklich wirklich sehr schön gearbeitet, fantasievolle Themen, groß angelegt, virtuos und stimmungsvoll.


    Worüber wir eigentlich nicht schon wieder reden müssen: Das Konzert ist aus seiner Zeit gefallen. Es findet sich praktisch nichts Eigenständiges, was über Rachmaninoff bzw. was über die Jahrhundertwende hinausgehen würde - und da gibt es praktisch beinahe unendlich [;)] viel Ähnliches. Insofern kann ich verstehen, dass es weiter keine Bedeutung erlangt hat. Aber die Hyperion-Reihe könnte noch viel entdecken - soweit mir bekannt, haben nicht wenige der dort veröffentlichten Konzerte in einem hochromantischen Stil nicht die Relevanz dieses Konzerts von Coff, sind - boshaft formuliert - "langweiliger". Das heißt, sie sind stilistisch gesehen älter und lehnen sich markant an Vorbilder ihrer Zeit an - Mendelssohn, Schumann, Chopin - aber sie sind halt auch nicht erst im späteren 20. Jahrhundert (wenn ich da richtig liege)[1] entstanden. Wobei Elie Coff Chopin gekannt hat, das hört man schon.


    Was soll's: Du bist begeistert von Elie Coff und ich habe das dritte Konzert sehr gerne gehört. Aber ich kann halt nicht mehr, nichts Spezifischeres dazu sagen. Das war beim zweiten Konzert von Zara Levina anders.


    Besten Gruß von Wolfgang


    [1] Ich sehe gerade: Es ist von 1999!

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • lieber Wolfgang,

    Zunächst möchte ich mich ganz herzlich für Deine Antwort zu Eli Coff bedanken. In der Tat, wie du an Schluss emeint hattest, bin begeistert und es freut mich, dass du es auch gerne gehört hast.

    Ich habe bezüglich Merikanto nd Villa Lobos den von Dir zu dir verlinkten Faden mit Interesse gelesen. Natürlich habe ich auch beide Beispiele im direkten Vergleich gehört die Ähnlichkeit ist wirklich frappierend. Ich bin gerade noch dabei mich in die Musik reinzuhören. Wie ich schon mal geschrieben hatte Schostakowitsch, Prokofjew oder auch Bartok snd mir eigentlich schon zu modern. Ich habe mal versucht mich in alle Schostakowitsch Symphonien einzuhören,( die siebte ist ja sehr klassisch, die möchte ich ausnehmen) und es ist mir nicht gelungen.

    Dieses jedoch nur am Rande. Ich wollte damit nur sagen bezüglich Interpretation und Analyse von moderner Musik bin ich zwar nicht der geeignetste, aber von dir verlinkten Beispiele sind hochinteressante Musik, die ich einfach mal öfter gehört haben muss um es zu verstehen.


    Demzufolge ist, lieber Alfred, das Konzert von Ricardo Castro Herrera genau das "richtige für mich". Eingängig, und melodiös von der ersten Sekunde an. Ich abe noch nie von diesem Komponisten gehört . Ich bin noch nicht durch, aber die ersten fünf Minuten, die ich soeben gehört habe sind äußerst viel ver sprechend,

    ( ich wollte unbedingt Wolfgang antworten, nachdem ich 3 wochen nicht im Forum vertreten war ). Ich bin gespannt auf den Rest.


    Viele Grüße,

    Rainer

  • Vielen Dank, Rainer, für Deine Bestätigung bezüglich Villa-Lobos und dem zweiten Konzert von Merikanto!


    Kennst Du eigentlich das Konzert von Ferruccio Busoni? Mehr sage ich mal noch nicht, sollte dem nicht so sein.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • lieber Wolfgang,

    Das Klavierkonzert von Busoni ist mir ein Begriff. Ich habe auch schon mal reingehört, und es aber doch aufgrund seiner schieren Länge, wieder beiseite gelegt, ohne es fertig gehört zu haben.

    Hier und heute möchte ich nur sagen, dass ich aufgrund deines Hinweises gerade begonnen habe, es mir aufgeschlossen wieder anzuhören (ich werde es nicht ganz schaffen, da 1 1/4 Stunden.).

    Ich werde in ein paar Tagen berichten, und bin jetzt schon gespannt auf deine Meinung zu dem Konzert.

    Viele Grüße

    Rainer

  • Wenn man Busoni etwas konventioneller, romantischer erleben möchte, verweise ich auf sein Konzert für Klavier und Streichquartett aus dem Jahre 1878, dass der 12-Jährige auch in einer Version für Streichorchester zulässt.


    Wir hören hier eine Version mit Tamara Stefanovich mit der Amsterdam Sinfonietta unter Leitung von Daniel Bard.


  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Lieber wolfgang,

    Danke für den Tipp bezüglich Klavierkonzert von Busoni. aufgrund deines Hinweises habe ich es mir jetzt genauer angehört, und das gleich öfter. das erste Mal in zwei Etappen, aber dann gleich noch ein zweites Mal und jetzt bin ich beim dritten Durchgang.

    Auch die Beiträge, hinter deinem Link zum Vorschein kommen, habe ich gründlich durchgelesen.

    Zunächst: es gefällt mir ausnehmend gut, und ist wirklich ein weiteres Konzert in meiner mittlerweile langen Reihe der Sammlung unbekannter Klavierkonzerte. Wobei es ja, glaube ich, nicht gaaanz so unbekannt ist. Ich höre die Live-Aufnahme mit Gernstein und dem Boston Symphony Orchestra.

    Mir gefällt der Abwechslungsreichtum dieses Konzertes. Der erste Satz ist in den Beiträgen des von dir verlinkten Fadens hinreichend beschrieben, beim dritten Satz imponiert mir der dramatische Mittelteil, thematisch eingerahmt von einem lyrischen Thema am Anfang und am Ende. Dieser Satz der 22 Minuten umfasst, vergeht so wie im Flug.

    Den vierten Satz empfinde ich als "Danse macabre" mit Tarantella einschüben und auch der Chor Finalsatz scheint mir als gelungen und schlüssig. Den Text verstehe ich auch nicht, aber da liege ich im Prinzip nie Wert drauf.

    Die von Dir zitierten, oftmals kritisierten Längen kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Ich habe den Eindruck, auch wenn sich etwas wiederholt, arbeitet die Musik doch immer auf einen Punkt hin.

    Somit ist dieses Konzert nun, nachdem ich es ja anfangs beiseite gelegt hatte aufgrund seiner Länge, für mich auch ein "spannendes entspannendes" 75-minütiges Hören .

    Viele Grüße,

    Rainer

  • Dank an Axel! Ich kenne dieses Konzert überhaupt nicht.


    :) Wolfgang

    Busoni hat ja schon sehr früh mit dem Komponieren begonnen und, wie das so seine Art war, später die Frühwerke verworfen. Das steht einer aufgeschlossenen Rezeption im Weg. Seine Klaviersonate oder auch seine Chopinvariationen sind sicher extrem hörenswert.


    Zunächst: es gefällt mir ausnehmend gut, und ist wirklich ein weiteres Konzert in meiner mittlerweile langen Reihe der Sammlung unbekannter Klavierkonzerte. Wobei es ja, glaube ich, nicht gaaanz so unbekannt ist. Ich höre die Live-Aufnahme mit Gernstein und dem Boston Symphony Orchestra.

    Die habe ich jetzt auch noch einmal gehört und war nicht wenig begeistert. Unbekannt ist dieses Werk nicht, aber es ist nicht so häufig eingespielt. Busoni ist ein Verächter von Showeffekten und das macht es natürlich in der Rezeption etwas schwierig, wenn man nicht genau hinhört ...


    Garrick Ohlsson hat eine schöne Einspielung geliefert. Hier spricht er dreißig Jahre später darüber


  • Ich habe mir jetzt zweimal meine Hamelin Aufnahme angehört,


    stellenweise "türmen" sich da schon Klangwelten auf. Mehr gefallen mir die "lyrischen" Teile. Und insgesamt hat mir das doch so zugesagt, dass ich mir die Garrick Ohlsson ( Telarc ) bestellt habe.


    Wünsche noch ein schönes Wochenende.


    Kalli

  • Es freut mich sehr, dass Ihr das Konzert für Euch entdeckt habt. Manchmal muss man sich über gewisse Klischees und Voreingenommenheiten hinwegsetzen. Manchmal schreiben die Kritiker voneinander ab und was es vorher schwer gehabt hat, das hat es dann oft noch länger schwer ... Nur noch so viel und das ja auch schon zum zweiten Mal dahier: Wenn dem Konzert mangelnde Melodik unterstellt wird, dann sollte man bisweilen einfach mal hinhören ...


    Den vierten Satz muss ich mir mal mit dem Hintergedanken des Totentanzes anhören. Danke an Rainer! Da könnte was dran sein, wenn ich so nachdenke ...


    Falls ich mir noch eine weitere Einspielung doch zulege, dann schwanke ich zwischen John Ogdon und Kirill Gerstein. Da gäbe es natürlich auch eine Lösung ... :D


    Hamelin habe ich schon live erlebt und er ist natürlich ein Spitzen-Pianist der Extraklasse. Ich war aber von seiner Einspielung des extrem schweren Konzerts von Joseph Marx enttäuscht. Das will ich nicht schon wieder ausbreiten, habe es im Forum nicht nur einmal getan. Er spielt dieses Romantische Klavierkonzert schlicht zu lässig, zu überfliegerhaft. Sollte das paradox klingen: Ihr könnt es Euch anhören, mit der einzigen gängigen Einspielung von David Lively vergleichen und wir können gerne ggf. ein wenig darüber diskutieren. Selber kenne ich noch die Aufnahme von einem New Yorker Konzert mit Jorge Bolet, die mir Michael Schlechtriem, Cellist und in zwei Foren bekannt, hat zukommen lassen. Dann dürfte Ende der Fahnenstange sein - insofern ist es auch ein "seltenes" Konzert.


    Natürlich kann es sein, dass Hamelin das Busoni-Konzert gnadenlos gut eingespielt hat. Vielleicht bin da voreingenommen ... :stumm:


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Er spielt dieses Romantische Klavierkonzert schlicht zu lässig, zu überfliegerhaft. Sollte das paradox klingen: Ihr könnt es Euch anhören, mit der einzigen gängigen Einspielung von David Lively vergleichen und wir können gerne ggf. ein wenig darüber diskutieren.

    Danke für den Hinweis. Ich habe es mir, ich glaube aufgrund Deiner Empfehlung (?), mit Hamelin besorgt. :) Ich finde allerdings viele ältere Hyperion Aufnahmen rein von der Akustik nicht übermäßig gelungen. Die Aufnahme mit Ogdon und Revenaugh ist selbstverständlich superb (auch wenn Hurwotz mit Ogdon Probleme zu haben scheint) aber die Gerstein Aufnahme ist von der Akustik meilenweit überlegen. Das spielt für meine Ohren bei der speziellen Orchestrierung und später auch im Satz mit dem Chor eine Rolle. Der Chor hat im Hintergrund zu bleiben (Busoni wollte das sogar bei der Aufführung so, dass er nicht gesehen werden kann)


    Es gibt auch eine Einspielung mit Hamelim Netz, klanglich leider nicht vom Feinsten


  • Vielleicht noch eine kleine Perle. Virtuosen haben manchmal einen anderen Zugang zum Klavier, als der normal-sterbliche Komponist, so dass hier Werke entstehen können, die vielleicht nicht wegweisend für die Musik sind, aber doch klavierklanglich immer wieder erstaunen und Freude machen können. So auch Moszkowskis Klavierkonzert aus dem Jahre 1898. Die noch sehr junge Pianistin Annique Göttler hat das Werk für sich entdeckt und promoted es in ihrem Channel.


    Ein Blick auf den Flügel könnte sich lohnen. Der Orchesterpart wird von einer Kollegin am "selben" Flügel gespielt ... :)


    Leider nur Satz 1 Moritz Moszkowski, Klavierkonzert Op. 59 in E-Dur


  • Lieber astewes,

    Danke für den Tipp mit dem Klavierkonzert von Moszowski. Als ich gelesen habe "Moszkowski" dachte ich sofort jetzt rennst du bei mir offene Türen ein, aber beim Weiterlesen habe ich gemerkt: nur fast. Denn: das zweite Klavierkonzert ist. zweifellos ein schönes Werk. Ich habe es selber Anfang der 90er Jahre entdeckt, und höre es von Zeit zu Zeit ganz gerne.

    Jedoch wird es nach meiner Meinung turmhoch von dessen ersten Klavierkonzert opus 3 übertroffen. Es ist ein ganz, ganz erstaunliches Werk: Packend von der ersten Note an, überschäumend voller Melodien und meiner Meinung nach auch tiefgründiger, und interessanter als das zweite Klavierkonzert, welches mir im Vergleich zum ersten Konzert etwas "seicht" erscheint. Das Ganze ist verpackt in einem meisterhaft orchestrierten Gewand. .Der Geniestreich eines 20-Jährigen Komponisten! Entdeckt wurde dieses Klavierkonzert übrigens erst 2008, mehr oder weniger durch Zufall.

    Es hat auch eine recht außergewöhnliche Ausdehnung von über 50 Minuten, und übertrifft damit sogar das zweite Klavierkonzert von Brahms. Hier gibt es eine nette Story am Rande: von Moszkowski selber ist überliefert dass er gesagt habe, dieses Klavierkonzert sei viel zu lang geraten, er nutzt es als Sitzerhöhung, um von der erhöhten Position heraus besser andere Klavierkonzerte studieren zu können, welche wertvoller sind.

    Ich habe mir dieses Klavierkonzert übrigens aus der Hyperion der Reihe gekauft, daher stammt auch diese Anekdote.

    Es ist eines meiner absoluten Lieblingskonzerte, mich würde auch hier wieder brennend eure Meinung interessieren!!!

    Viele grüße

    Rainer

    P.S.: natürlich würde dieser Beitrag besser in den hyperionfaden passen, aber die inhaltliche Verknüpfung zum zweiten klavierkonzert war nun spontan hier gegeben...

  • Es ist eines meiner absoluten Lieblingskonzerte, mich würde auch hier wieder brennend eure Meinung interessieren!!!

    Lieber Heisenberg es hat bei mir etwas gedauert, bis ich mir die Zeit nehmen konnte. Das Konzert hat mir gefallen. Moszkowski ist übrigens nicht der einzige, der über die eigene Leistung Witze macht. Es ist ein großangelegtes Werk und kann tatsächlich mit vielen erstaunlich schönen Stellen aufwarten. Man könnte sich vorstellen, dass Rachmaninoff das irgendwie auch mal gehört hat :)


    Ich habe mir die CD bestellt. Der Pianist und das Orchester spielen richtig begeistert und begeisternd!

  • hallo zusammen,

    Ich habe gleich drei Rückmeldungen:


    Lieber astewes,

    Danke für deinen (positiven) Kommentar. Das freut mich, dass Dir eins meiner Lieblingskonzerte zusagt. Nachdem du ja davor einen Beitrag zum zweiten Konzert gegeben hattest, würde mich nur, wenn du magst, auch eine Wertung Deinerseits (bzw eurerseits!) zwischen den beiden Konzerten interessieren. Meine Meinung: siehe oben, und möchte es einfach noch mal verdeutlichen: ich bin an das erste klavierkonzert, nachdem es als opus drei ein Jugendwerk ist, und ich vom Opus 59 eine zwar gute aber durchaus keine sehr gute Meinung habe, wirklich mit einiger Skepsis herangegangen, und bin aus allen Wolken gefallen!


    Lieber Wolfgang,

    ich durchstöbere von Zeit zur Zeit diesen Faden von vorne bis hinten, und "stolpere" immer wieder über deinen Beitrag zum romantischen Klavierkonzert von Joseph Marx. Jetzt dachte ich mir, auch wenn ich bislang nicht so begeistert von diesem Konzert war, jetzt höre ich es mir mal wieder an . Und ebenso wie beim Busoni: wenn man (ich) sich darauf einlässt, nochmals unvoreingenommen an ein Werk dieser Art herangeht, dann ist es gleich etwas ganz anderes. Wirklich eine Vielzahl wunderschöner Melodien, und die etwas verfließende Thematik, wie du so schön geschrieben hattest und was ich zuvor "kritisiert" hatte, ist wirklich nicht so von Bedeutung, wenn man sich auf die Schönheit der Musik konzentriert.


    Lieber Alfred,

    Ich hatte ein paar Beiträge weiter oben geschrieben ich hatte das Konzert von Ricardo Castro Herrera, als Folge Deiner Empfehlung bislang erst zum Teil gehört, nun habe ich es ganz durch, und das nicht nur einmal, sondern x-mal! Besonders der zweite Satz hat es mir ganz besonders angetan. Auf einer längeren Autofahrt hatte ich es mir via Spotify in Endlosschleife angehört, und war immer wieder überrascht von dem grandiosen melodischen Aufbau. Eine echte Entdeckung.!


    Danke noch mal an alle und viele Grüße,

    Rainer

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • ich bin an das erste klavierkonzert, nachdem es als opus drei ein Jugendwerk ist, und ich vom Opus 59 eine zwar gute aber durchaus keine sehr gute Meinung habe, wirklich mit einiger Skepsis herangegangen, und bin aus allen Wolken gefallen!

    Ich würde beide Werke nicht so eindimensional vergleichen wollen. Das erste hat einen träumerischen Charme, den Moszkowskis zweites nicht aufweist. Dafür scheint mir das zweite in der Form etwas stringenter zu sein und auch wesentlich mehr Humor zu haben :). Man wird das eine also nicht durch das andere ersetzen können und kann sich freuen, dass es beide gibt.


    Hier sein zweites Klavierkonzert in der Einspielung mit Joseph Moog, der diesen schwierigen Klotz recht gut meistert ....






    gibt es auch zu kaufen


  • .. Man wird das eine also nicht durch das andere ersetzen können und kann sich freuen, dass es beide gibt.

    Da hast Du natürlich absolut recht! Man muss nicht eines gegen das andere werten.

    Ich habe das zweite Klavierkonzert übrigens in zwei Einspielungen zu Hause und höre gerade die verlinkte Aufnahme.

    Sehr kraft- und schwungvoll, es macht Spaß, in dieser Version das op 59 mal wieder zu hören.


    Viele Grüße,

    Rainer

  • Ich habe das zweite Klavierkonzert übrigens in zwei Einspielungen zu Hause und höre gerade die verlinkte Aufnahme.

    Sehr kraft- und schwungvoll, es macht Spaß, in dieser Version das op 59 mal wieder zu hören.

    Ich habe beide Konzerte gehört und finde auch, dass sie unterrepräsentiert sind im Verhältnis zu ihrem Wert. Trotzdem kann man verstehen, dass junge Pianisten sich lieber den Tschaikowsky Klopper aus der "Spiegel-Bestsellerliste" holen, wenn sie schon ein Virtuosenkonzert einspielen wollen. Da ist die öffentliche Aufmerksamkeit wahrscheinlich größer.

  • Na, dann habe ich doch noch was.... Camille Saint-Saëns ist trotz seines berühmten Namens eher einer der vergessenen Komponisten. Ich bin ein großer Freund seiner Kammermusik. Es ist eine durch Form gebändigte Schönheit, wie man sie vielleicht noch bei Mendelssohn findet, für die ich offensichtlich anfällig bin.


    Lustigerweise teile ich diese Gefühle mit David Hurwitz, der gerade zu Saint-Saëns ein Video eingestellt hat



    Die Klavierkonzerte kenne ich dummerweise erst seit zwei Jahren, kann aber seiner Beschreibung problemlos folgen und möchte sein fünftes Klavierkonzert aus dem Jahre 1896 hier zur Verfügung stellen ..


    Wir hören hier Bertrand Chamayou mit dem Orchestre national du Capitole de Toulouse unter Leitung von Tugan Skhiev, live vom 25. Oktober 2017


  • Lieber astewes,

    Es hat etwas gedauert, bis ich auf deinen Beitrag antworte, weil mich zugegebenermaßen

    Deine Aussage, Saint Saens gehört eher zu den vergessenen Komponisten, etwas ratlos gemacht hat. Mir schien es bislang anders. Das kann aber auch historisch bedingt sein. Die absolute lieblings-symphonie meines Vaters war die Orgel Sinfonie. Ich bin auch ein begeisterter Hörer von ihr, so überschwänglich und kraftvoll hat Saint Saens meiner Meinung nach vorher und nachher nie mehr komponiert. Ich denke, man findet sie manchmal auf den Konzert Programmen.

    Seine Klavierkonzerte kenne ich natürlich auch.

    Alle fünf Klavierkonzerte werden durch eine separate Beschreibung auf Wikipedia gewürdigt. Das kann man von Werken anderer unbekannter Komponisten leider nicht behaupten. Meiner Ansicht nach sind besonders das vierte und das zweite klavierkonzert sogar recht bekannt. Aber ich kann mich täuschen.

    Saint Saens wird ja, wenn ich mich nicht irre, vorgeworfen, dass er sich nicht so richtig weiterentwickelt habe. Mir ist so etwas immer "egal". Ich mag es, wenn auch 1920 (sein Todesjahr), welches ja schon die beginnende Zeit von Schönberg und Anton von Webern ist, noch romantische Werke geschrieben werden...

    Viele Grüße,

    Rainer

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose