Wagners "Ring" wird HIP: Nagano und Concerto Köln spielen Wagner historisch informiert

  • Den Mitschnitt des "Rheingolds" aus dem Concertgebouw in Amsterdam vom 20. November 2021 kann man bei NPO Radio 4 komplett hören.

    Es klingt orchestral schon ganz interessant, diese erste "Ring"-Oper auf historischen Instrumenten bzw. historischen Nachbauten zu hören. Die Sängerinnen und Sänger passen sich diesem Konzept adäquat an, sprich: eher leichte, lyrische Stimmen. Es wird, soweit ich informiert bin, auch in der seinerzeit üblichen Tonhöhe gespielt. Man orientiert sich wohl an einer Aufführung in München aus dem späten 19. Jahrhundert, wo die damalige Orchesterbesetzung genau belegt ist. Das HIP-Ensemble Concerto Köln wurde auf 100 Spieler aufgestockt.

    Man kann hoffen, dass eine Veröffentlichung des gesamten Projektes auf CD/SACD geplant ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Habe etwas hineingehört und mit Solti/Wiener Philharmoniker verglichen. Ich bleibe ganz eindeutig bei Solti, auch gerne bei Bayreuth/Barenboim.

    Der Orchesterklang ist in der Tat eine wirklich andere Welt. Ich mag den "modernen" für Wagner wesentlich mehr. Fülle, Brillianz und Wärme....das finde ich beim heutigen Orchesterklang wesentlich überzeugender. Wenn ich da auch nur an die Maazel-Blueray mit dem orchestralen Ring denke ( Berliner Philharmoniker, ein Wahnsinnssound...)


    Wagner "mit ohne" Vibrato - danke nein, dafür müssen die HIP-Musiker faktisch andere Kunden aquirieren. Für mich ist das eher nicht das Richtige.

    Bach-Kantaten hingegen: sehr gerne mit alten Instrumenten und sprechend-erfüllt musiziert.


    Aber ich erkenne an, dass Nagano und das Orchester sich sehr bemüht haben; eine große Leistung ist es auf jeden Fall.


    LG

    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich mag den "modernen" für Wagner wesentlich mehr. Fülle, Brillianz und Wärme....das finde ich beim heutigen Orchesterklang wesentlich überzeugender.

    Das sehe ich genauso. Ich finde solche Experimente, die versuchen, sich dem Originalklang der Entstehungszeit anzunähern, gleichwohl trotzdem spannend. Ich schreibe bewusst nicht "im Originalklang". Kein heute Lebender war damals dabei, Tondokumente gibt es auch keine. Immer möchte ich das nicht so hören, was Prägung sein kann. Und niemand weiß, wie Wagner selbst den "modernen" Orchesterklang beurteilt hätte, der eben doch für mehr Opulenz sorgt und somit für mein Dafürhalten gerade bei seinem Opus magnum auch einen Gewinn darstellt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die HIP-Bewegung auch an den reifen Wagner herantrauen würde. Beim "Fliegenden Holländer" hat man das Experiment ja bereits vor längerem gewagt. Viele Nachahmer hat das indes nicht gefunden.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Und niemand weiß, wie Wagner selbst den "modernen" Orchesterklang beurteilt hätte, der eben doch für mehr Opulenz sorgt und somit für mein Dafürhalten gerade bei seinem Opus magnum auch einen Gewinn darstellt.

    Eben! Wenn irgendeine Musik rauschhafte Klangerlebnisse bieten kann, dann wohl gerade seine!


    Was das Thema "Bewegung" angeht: ich bin da bei eben diesen mit der Zeit immer skeptischer geworden, wenigstens dann, wenn es mir zu rigoros wird.

    Beispiele: Vibratoverbot ( unmusikalisch), NUR noch alte Instrumente, selbst bei Wagner oder Brahms, und auch dann, wenn ein singender Vortrag auf gewissen Hammerflügeln kaum möglich ist, bei Bach NUR noch solistische Chorbesetzung, kein 16-Fuß-Bassinstrument im Orchester ( dementsprechend entmannt klingt es....), nur noch ein kleiner Ausdrucksambitus, oder wenn, dann wird sehr schnell und ruppig gespielt, solistische Streicher bei Beethovens Klavierkonzert uvm.....

    Bei allen hohen Verdiensten, die man den Gründervätern Harnoncourt und Leonhardt zuschreiben muss, gibt es doch auch hier und da ein Abgleiten in das Extreme, wie es eben bei "Bewegungen" im sonstigen "richtigen Leben" auch vorkommen kann.


    Musiker wie Koopman oder Herreweghe ( die auch durchaus die Berliner Philharmoniker dirigieren) sind da - zum Glück- anders.


    LG

    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Anfangs mehr als skeptisch, habe ich dem Amsterdamer "Rheingold"-Experiment viel abgewinnen können, zumal insgesamt auch gut gesungen wurde. Ob die Anpassung der Stimmen an den vermeintlichen Originalklang der Uraufführungzeit nicht etwas ober das Ziel hinaus schießt, vermag ich letztlich nicht zu beurteilen. Der betont rezitatvische Gesangsstil wirkt in seiner Nachamung auf mich in einigen Momenten fast schon grotesk. Warten wir die Fortsetzung ab. Ich bleibe sehr gespannt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich fasse die von Glockenton dargestellten Auswüchse mal politisch unkorrekt so zusammen: Dergestalt wird die Musik durch anämischen Klang entmannt. Was verbleibt sind soundtechnische Klappergerüste! Als Zugabe dann bitte „Danse macabre“ für vibratolose Violine und für Spinett, aber letzteres nur mit einer Hand gespielt!

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."