Euripides: Die Bakchen

  • „Die Bakchen“ sind die letzte, mehr oder weniger vollständige überlieferte Tragödie des Euripides (485/480 bis 406 v.u.Z.). Sie wurden neben der „Iphigenie in Aulis“ als dritter Teil einer Tetralogie 405 posthum von seinem Sohn oder Neffen gleichen Namens in Athen uraufgeführt und gewannen den ersten Preis.

    Pentheus, König von Theben, geht gegen den neuen Dionysos-Kult in seinem Land vor, dessen von ihm als ausufernd angesehene Bacchanalien nach seiner Meinung gegen die Sittlichkeit verstoßen. Der Gott, dessen Mutter Semele zur Königsfamilie von Theben gehörte und ihn seinem Vater Zeus gebar, ist sowieso schon gegen Theben aufgebracht, weil die Königsfamilie seine Göttlichkeit verleugnet und unterstellt, Semele habe ihn als Bastard geboren.

    Er bringt daher Pentheus‘ Mutter Agaue mit ihren zwei Schwestern durch seinen göttlichen Einfluss dazu, eine Schar thebanischer Bacchantinnen auf den Berg Kithairos, südlich von Theben, zu führen und dort seinem Dienst zu leben. Mit einer anderen Schar von Bacchantinnen kommt er getarnt als deren Anführer nach Theben, um den Dienst an seiner Göttlichkeit von den Thebanern und Pentheus einzufordern. Dieser aber lässt ihn verhaften und einige Frauen seines Gefolges einsperren. Gleichzeitig rüstet sich der König zu einem Zug auf den Kithairos, um die Frauen notfalls mit Gewalt zurück in die Stadt und ihren gewohnten Beschäftigungen zurückzuführen.

    Dionysos, der sich aus seiner Haft befreit hat, legt zur Strafe mit Gewitter und Feuer den Königspalast in Trümmern und erscheint dann dem König, immer noch als Mensch getarnt. Trotz seiner Warnung hält Pentheus daran fest, den Dionysos-Kult zu beenden. Der Gott stürzt ihn in Wahn, kleidet ihn als Bacchantin und begleitet ihn auf den Berg. Dort lässt er den größenwahnsinnig gewordenen König auf der Spitze einer Fichte sitzen, wo ihn die Bacchantinnen erblicken. Sie werden von dem Gott verblendet und aufgehetzt, den König zu töten. Seine Mutter Agaue an der Spitze ihrer Schwestern und der anderen Bacchantinnen schütteln Pentheus von der Fichte und zerreißen seinen Körper. Die Mutter spießt den Kopf ihres Sohnes im Wahn, einen jungen Berglöwen getötet zu haben, auf ihren kultischen Stab und zieht damit an der Spitze der Bacchantinnen zum Königspalast, um ihn triumphierend ihrem Vater Kadmos und Sohn Pentheus zu zeigen. In Rede und Gegenrede befreien der Chor und ihr Vater sie von ihrem Wahn. Zutiefst erschüttert vernehmen die Königsfamilie und die Thebaner die Strafe des sich nun offenbarenden Dyonisos: Das Volk wird in die Sklaverei verkauft, die drei Schwestern verbannt und Kadmos muss den Rest seines Lebens auf Kriegszügen durchs Land ziehen.

    „Die Bakchen“ verwirrten schon immer die Literatur- und Theaterwissenschaftler, denn Euripides ist von dem großen klassischen Dreigestirn - Aischylos, Sophokles und eben ihm - am meisten dafür bekannt, die Existenz der Götter eher anzuzweifeln und die Autonomie der Menschen gegenüber den Göttern zumindest in ihren Reflexionen zu stärken.

    Hier aber waltet ein Gott in großer Grausamkeit und bestraft sogar die, die ihm dienen. Es gibt außer bei Pentheus bei keiner anderen Person irgendein Zeichen des Aufbäumens gegen das göttliche Handeln. Gleichzeitig ist dieses Drama die formal einheitlichste und klassistische aller auf uns überkommenen griechischen Tragödien.

    Auch mir bleibt sie, wie wohl vielen Menschen der heutigen Zeit, trotz ihrer formalen Schönheit inhaltlich doch sehr fremd und die extreme Grausamkeit der Handlung trägt auch nicht gerade zu einem großen Lesegenuss bei.



    Unter anderem Hans–Werner Henze hat die Tragödie unter dem Titel „Die Bassariden“ 1964/65 als Oper vertont. Dabei hat er aber wohl den Stoff gegen den Strich gebürstet und die Aussage ziemlich verändert.

  • Als Hörbuch ist das Werk voin Euripides auch zu haben, gelesen von Sven Görtz:


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Vertonungen des Dramas Die Bakchen von Euripides


    Karol Szymanowski: Agawe. Kantate für Gesang, Chor und Orchester, op. 38

    Egon Wellesz: Die Bakchantinnen Oper in 2 Akten 1931

    Giorgio Federico Ghedini: Le Baccanti, Oper in einem Prolog und 3 Akten

    Harry Partch: Revelation in the Courthouse Park, Oper in einem Akt.

    Hans Werner Henze: The Bassarids (Die Bassariden). Opera seria in einem Akt mit Intermezzo.

    -The Judgement of Calliope (Das Urteil der Kalliope; 1991). Ein Satyrspiel (= aus den Bassariden herausgelöstes Intermezzo).

    - -Die Bassariden (1992). Musikdrama in einem Akt (ohne Intermezzo)

    Daniel Börtz: Bacchanterna. Oper in 2 Akten.

    -Verfilmung fürs Fernsehen (1993); Regie: Ingmar Bergman)

    John Buller: Bakxai (The Bacchae). UA 1992

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Momentan gibt es hier in Dortmund auch eine moderne Adaption der Bakchen von Euripides. Was man dazu liest und hört, wirkt aber ziemlich grauslich. Ich gehe eh nicht gerne ins Theater außer zum Ballett.

    Die Vielfalt der Vertonungen, die du, Orfeo, oben aufzählst, zeigt auf jeden Fall, wie wichtig vielen gerade im 20. Jahrhundert dieses sehr archaisch wirkende Drama war. Könnte bei den frühen Adaptionen auch mit Nietzsches "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" zu tun haben, der sich wohl ausdrücklich auch auf diese Tragödie bezieht.

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  • Hier ein Ausschnitt aus der Burgtheater-Produktion von Ulrich Rasche:



    Mit Franz Pätzold, Felix Rech, Martin Schwab, Markus Meyer u. a.
    Musikalische Ausführung: Violine 1, Violine 2, Viola, Cello, Bass (abwechselnd Kontrabass und Bassgitarre), Percussion und hinter der Bühne ein Tenor und ein Bariton. Diese (letzte) Vorstellung wurde pandemiebedingt ohne Publikum aufgeführt. Bei allen anderen Vorstellungen saßen die Musiker direkt auf der Bühne links (Streicher) bzw. rechts (Percussion) vor dem Bühnentor.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Die Kosky-Inszenierung von Henzes Bassariden ist komplett auf YT zu finden:



    Ich habe sie zweimal in der Komischen Oper Berlin besucht, und nur die Pandemie und die mit ihr verbundene Schließung der Theater haben mich davon abgehalten, sie noch häufiger zu sehen.

    Es war so gut, daß ich mich gewundert habe, daß der Berliner Senat sie nicht hat absetzen lassen.


    Auf das Intermezzo sollte man nicht verzichten. Es ebnet den Weg zu einem gewissen Verständnis der Oper.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • „ Die Bakchen“ von Euripides


    Das gab es im Rundfunk:


    Dionysos – Wolfgang Reichmann / Kadmos – Kurt Lieck / Teiresias – Hermann Schomberg / Pentheus – Peter Dirschauer / Agaue – Maria Becker / Ein Soldat – Norbert Kappen / Ein Hirte – Herbert Herrmann / Chorführerin – Giselheid Hönsch / Chor: Zsóka Bartós, Maria Enikö, Melinda Lugosi, Eszter Petroszenyi, Katalin Pitti, Maya Szilagyi, Eva Tichányi, Maria Versányi und Maria Zempleni / Musik: Enno Dugend / Regie: Friedhelm Ortmann (Eine Aufnahme des Westdeutschen Rundfunks Köln, gesendet am 28. 1. 1972). Die Gesänge der Bacchantinnen wurden in altgriechischer Sprache von ungarischen Schauspielerinnen und Sängerinnen – unter denen sich auch namhafte Solistinnen der Budapester Staatsoper befinden – in Annäherung an den Rhythmus der überlieferten Notation altgriechischer Musik vorgetragen.


    Das gab es im Fernsehen:


    Dionysos – Michael König / Kadmos – Peter Fitz / Teiresias – Otto Sander / Pentheus – Bruno Ganz / Agaue – Edith Clever / Zwei Boten – Heinrich Giskes und Rüdiger Hacker / In weiteren Rollen spielten u. a. Jutta Lampe, Christine Oesterlein, Elke Petri, Katharina Tüschen, Angela Winkler, Eberhard Feik, Claus Theo Gärtner und Otto Mächtlinger. / Bühnenbild: Gilles Aillard und Eduardo Arroyo / Kostüme: Susanne Raschig / Regie: Klaus Michael Grüber. Eine Inszenierung der Berliner Schaubühne vom Februar 1974, aufgezeichnet beim ‚Berliner Theatertreffen 1974‘ in den Messehallen am Berliner Funkturm. (Gesendet in den Dritten Programmen des NDR und des WDR am 12. 12. 1974).


    Carlo