"Tristan I" habe ich am 3. August in Bayreuth gesehen. Es war nicht zu heiß, aber etwas schwül. Die meisten Herren trugen das Jackett über dem Arm.
Clay Hilley, den ich im November 2022 in derselben Partie in der DOB erlebte, gibt einen müden und erschöpften Tristan. Er kämpft sich durch den langen Abend. In Berlin war er souverän. Das kann man von Bayreuth nicht sagen. Die Inszenierung von Roland Schwab verlangt dem Paar szenisch wenig ab und läßt die beiden singen. Das kam auch Catherine Foster, Isolde, entgegen. Isolde und Brangäne, Christa Mayer, liefern sich im ersten Akt eine hoch erregte Auseinandersetzung, in der das komplizierte Verhältnis der beiden Frauen zueinander förmlich niedergewalzt wird. Beide singen mit viel Vibrato, dem ich mit zunehmendem Mißbehagen gelauscht habe.
Als Marke, Georg Zeppenfeld, im zweiten Akt anhob, habe ich gedacht: So soll in Bayreuth gesungen werden! Ich meide das Attribut balsamisch eigentlich, doch hier ist es am Platz.
Auf Markus Eiche, Kurwenal, habe ich mich gefreut, und er singt und gibt einen agilen Freund und Beschützer des Todmüden. Olafur Sigurdarson, den ich als Alberich und Biterolf auf dem Hügel und als Telramund in Prag sah, ist ein aktiver Melot, der seinen kurzen Auftritt stimmlich souverän meistert.
Markus Poschner dirigierte und begann sehr schleppend. "Wenn der so weitermacht, halte ich nicht durch!" kommentierte meine Sitznachbarin. Das Tempo zog später an. Mir schien das Orchester insgesamt zu leise, aber das mag auch an der Lage meines Sitzes, Balkon, Reihe 3, gelegen haben.
Bei Roland Schwab sind Tristan und Isolde von Anfang an verloren. Die beiden holt niemand ein und auch nicht ins Leben zurück. Ob sie aneinander zugrunde gehen, oder in bloßer Koinzidenz gemeinsam vergehen, bleibt offen. Der riesengroße elliptische Bildschirm, der den Hauptteil des Bühnenbodens ausmacht, illustriert das Geschehen ganz beeindruckend. Ihn betreten nur der Mann aus Kareol und Irlands Kind. Alle anderen müssen am Rand bleiben. Die gelegentlichen Versuche Kurwenals, Tristan aus dem Strudel, der sich alles verschlingend am Boden dreht, zu bergen, scheitern.