Gefürchtete Stellen im Konzertrepertoire

  • Kürzlich hat unser Mitglied ChKöhn bei der Diskussion eines Mitschnitts von Arcadi Volodos ein bemerkenswertes Statement abgegeben.

    Es geht um die berüchtigte Stretta am Ende des zweiten Satzes von Schumanns C-Dur Fantasie:


    "Dieses "viel bewegter" versuchen manche Pianisten (z.B. Horowitz) mit minimiertem Risiko zu spielen, indem sie die Stelle nur etwas bewegter, dabei mit Rubato usw. spielen. Dabei bleibt aber meines Erachtens das Wichtigste auf der Strecke: der plötzliche Umschlag ins Utopische, Grenzen Sprengende, und damit der Ausdruck von Irrsinn und Gefahr. Man muss diese Stelle wirklich extrem risikobereit angehen, mit bewusstem Mut zum Scheitern. Nicht nur der Pianist sondern auch der Zuhörer muss urplötzlich aus seiner "Komfortzone" der erwartbaren Abläufe, Steigerungen usw. herausgerissen werden. Ich habe das bei meinem Konzertexamen gespielt und weiß noch genau, wie ich mich so ca. zwei Seiten davor gefühlt habe, als ich auf der Bühne spürte, wie all meine Kommilitonen im Publikum sich in gespannter Erwartung auf den Stühlen zurechtsetzten :). In normalen Konzerten fand ich es damit verglichen etwas angenehmer."


    Was sind die schwierigsten und gefürchtesten Passagen für einen Pianisten? Als junger Mensch war ich beeindruckt von Joachim Kaisers Ausführungen über die Glissandi am Ende der Waldsteinsonate und habe mir daraufhin viele Aufnahmen angehört - die das allesamt scheinbar mühelos bewältigen, bis auf Arthur Rubinstein (was der Aufnahme aber überhaupt nicht schadet). Als ich vor ein paar Jahren Evgeny Kissin mit der Waldsteinsonate gehört habe, ist es dann live passiert. Bei einem Supervirtuosen wie Kissin hatte ich mit einer mühelosen Bewältigung dieser Passage gerechnet. Doch dann hat Kissin an der Stelle geschummelt und sie mit zwei Händen gespielt. Konnte er zuvor den Flügel nicht ausprobieren? Auch die renommierte Pianistin Ikuyo Nakamichi spielt die Stelle nicht wie vorgeschrieben, wie mir kürzlich aufgefallen ist, sondern voneinander abgesetzt. Dabei scheint sie sonst keine technischen Schwierigkeiten zu kennen.


    Zu der Thematik "Impossible Piano Pieces" habe ich auf youtube ein tolles Video mit Marc-André Hamelin gefunden, der hier noch mit ganz anderen gefürchteten Werken konfrontiert wird (unter anderem op. 106):



    Und das führt mich zu der Frage, was für Stellen ihr kennt, die Pianistin auf der Bühne ins Schwitzen bringen?


    Viele Grüße

    Christian

  • Den Hamelin hatte ich auch schon mal gepostet, weiß aber leider nicht mehr wo .... Das Alter :(:stumm::pfeif:


    Ich habe zu den technischen Schwierigkeiten der Stücke sehr wenig zu sagen. Ich kann mich erinnern, als kleiner Junge mit meinem Vater über Chopins Revolutionsetüde gesprochen zu haben, wobei er meinte, dass die Schwierigkeiten gerne übertrieben werden. Mein Vater war kein professioneller Pianist Sicherlich ist es aber kein Stück für die erste Klavierstunde :).


    Hier ein vielleicht interessanter Artikel zum Thema


    https://music2me.com/de/magazin/schwerste-klavierstuecke


    und hier ein kleines Video vom Kanal von Julian Gunkel



    Live habe ich erlebt, wie der britische Pianist Ronald Smith bei Alkans Linkshandetüde einen Krampf in die Hand bekam .... Ob es nun an der Stelle speziell, an der Schwierigkeit des Werkes an sich oder einfach auch am Alter und der damaligen Konstitution des Pianisten lag, kann ich nicht beurteilen


    Allgemein sagt man dem achtstimmigen Fugato am Ende des zweiten Satzes Quasi-Faust von Alkans Sonate eine gewisse Schwierigkeit nach. Diese Sonate hört man allerdings auch selten live :)



    Am Ende habe ich zu den gefürchtetsten Stellen wenig zu sagen.

  • Glenn Gould hat in einer seiner Schriften ausgeführt, dass er lange Zeit Hemmungen vor einer grifftechnisch heiklen Stelle in der fünften Variation von op. 109 hatte und deswegen einen Bogen darum herum gemacht habe. Allerdings spielte er das dann schneller als alle anderen und auch ein bisschen irrsinnig. Aber wenn man die Stelle kennt, klingt sie bei vielen Pianisten hakelig.

  • Ich tue mich schwer damit, solche "schweren Stellen" aufzuzählen: Das Beispiel der Oktav-Glissandi in der Waldstein-Sonate (oder auch in Brahms' Paganini-Variationen) zeigt sehr schön, dass sie meistens nicht für alle gleichermaßen schwer sind. Einen korrekt regulierten Flügel vorausgesetzt, fallen die Glissandi mir z.B. ziemlich leicht, was nicht etwa an meinen besonderen Fähgikeiten sondern einfach an der Spannweite meiner Hände liegt. Ähnlich ist es mit den Oktav-Trillern im ersten Brahms-Konzert: Die sind für kleinere Hände wenn überhaupt nur mit größter Mühe spielbar, für größere hingegen kein Problem. Ich finde dagegen z.B. den Anfang von Ravels "Ondine" extrem schwer, der manch anderen viel weniger Mühe macht. Den Schubert/Listzschen "Erlkönig" fand ich eher unproblematisch, die Wanderer-Fantasie auch, manche Ligeti-Etüden sind hingegen für mich praktisch unspielbar. Bei anderen wird die Liste ganz anders ausfallen. Aber trotzdem gibt es auch "Stellen", die wohl so gut wie niemand wirklich leicht findet: Die Oktav-Passage (und anschließende Doppelgriff-Passage) im zweiten Satz von Brahms' B-Dur-Konzert, der Terzenlauf in D-Dur und die Doppelgriff-Passage in Fis-Dur im Finale desselben Konzerts (von dem Brendel gestöhnt hat, es enthalte "unübertroffene pianistische Perversionen"), das Prestissimo am Ende der Liszt-Sonate, die Repetitionen bei Ravels "Alborada", die Schlussabschnitte von Schumanns Toccata, der Schlussabschnitt in Chopins f-Moll-Ballade usw., das dürften in der Regel auch für die Pianisten Herausforderungen sein, bei denen es am Ende ganz leicht klingt. Die Sprungstelle in der Schumann-Fantasie ist insofern anders, als sie nach meiner Überzeugung gar nicht "leicht" klingen soll: Das Überschreiten von Grenzen, auch von technischen, die erlebbare Gefahr, ist ihr eigentlicher Kern, und nur wenn das mit allem Risiko überstanden ist, kann der letzte Satz seine ganze Magie entfalten.

  • Aber trotzdem gibt es auch "Stellen", die wohl so gut wie niemand wirklich leicht findet: Die Oktav-Passage (und anschließende Doppelgriff-Passage) im zweiten Satz von Brahms' B-Dur-Konzert, der Terzenlauf in D-Dur und die Doppelgriff-Passage in Fis-Dur im Finale desselben Konzerts (von dem Brendel gestöhnt hat, es enthalte "unübertroffene pianistische Perversionen"), das Prestissimo am Ende der Liszt-Sonate, die Repetitionen bei Ravels "Alborada", die Schlussabschnitte von Schumanns Toccata, der Schlussabschnitt in Chopins f-Moll-Ballade usw., das dürften in der Regel auch für die Pianisten Herausforderungen sein, bei denen es am Ende ganz leicht klingt. Die Sprungstelle in der Schumann-Fantasie ist insofern anders, als sie nach meiner Überzeugung gar nicht "leicht" klingen soll: Das Überschreiten von Grenzen, auch von technischen, die erlebbare Gefahr, ist ihr eigentlicher Kern, und nur wenn das mit allem Risiko überstanden ist, kann der letzte Satz seine ganze Magie entfalten.

    Danke für die interessante Übersicht! Für mich als Amateur-Pianisten ist es schwierig zu eruieren, was bei Profis allgemein schwer ist und was nur mir am heimischen Klavier schwer fällt!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Die Oktavpassage im zweiten Satz des Brahms-Konzertes ist meiner Erinnerung nach auch deshalb so schwer, weil sie p gespielt werden soll (oder sogar pp?). Auch darüber hatte Kaiser geschrieben. Von den Schwierigkeiten im vierten Satz wusste ich nichts, da muss ich mal in die Noten schauen. Interessant finde ich auch den Hinweis, dass offenbar je nach Physiognomie die Schwierigkeiten unterschiedlich ausfallen können. Bei der Schumann-Fantasie haben übrigens die Allergrößten daneben gegriffen: von dem Horowitz-Konzert in der Carnegie Hall ist ja 2003 eine „unedited“ Version erschienen und von Richter gibt es auch einige Mitschnitte, die spektakulär scheitern. Ich finde diese Fehlgriffe übrigens interessant, weil sie eine Fehlbarkeit dokumentieren, der man heute ansonsten doch sehr selten begegnet. Und gerade die Pianisten, die das Äußerste riskiert haben und dabei gescheitert sind (Volodos, Horowitz, Richter), vermögen - zumindest mich - am meisten zu faszinieren.

  • Die Oktavpassage im zweiten Satz des Brahms-Konzertes ist meiner Erinnerung nach auch deshalb so schwer, weil sie p gespielt werden soll (oder sogar pp?).

    Vorgeschrieben ist pp sotto voce, legato. Das ist der pure Horror :).


    Von den Schwierigkeiten im vierten Satz wusste ich nichts, da muss ich mal in die Noten schauen.

    Bei dem Fis-Dur-Aufgang hatte ich mich vertan: Der ist natürlich in der Durchführung des ersten Satzes und nicht im letzten. Dort ist allerdings der berüchtigte Terzenlauf in D-Dur. Beim ersten Mal wird der schön bequem auf beide Hände verteilt, aber beim zweiten Mal muss die Rechte allein ran, weil unter ihren Septolen die Linke noch sextolische Begleitung zugewiesen bekommt. Auch das natürlich "pp leggiero" und abgesehen von zwei liegenden Horn-Tönen vollkommen "nackt". Wenn man ganz genau hinhört, stellt man fest, dass viele Pianisten da rechts ein paar Töne auslassen...


    Und gerade die Pianisten, die das äußerste riskiert haben und dabei gescheitert sind (Volodos, Horowitz, Richter), vermögen - zumindest mich - am meisten zu faszinieren.

    Ja, das finde ich auch. Und es gilt nicht nur für technische sondern auch und vor allem für künstlerische Wagnisse. Interpreten sind ständig damit beschäftigt, Grenzen zu erkunden: Wie leise kann ein pp gerade noch sein, wie laut ein ff? Wie viel und welche Art Rubato verträgt eine Phrase, ohne unnatürlich zu werden? Dynamik, Tempo, Klanggestaltung, Phrasierung, Rhythmus: Wer bei all den Möglichkeiten aus dem ganzen Spektrum entscheiden will, muss wissen wo die jeweilige Grenze liegt. Das kann man aber nur, wenn man sie wenigstens einmal überschritten hat. Deshalb animiere ich Studenten immer dazu, mutig zu sein und Grenzen zu überschreiten, um dann zu wissen, was geht, und was nicht.

  • Und das führt mich zu der Frage, was für Stellen ihr kennt, die Pianistin auf der Bühne ins Schwitzen bringen?


    Allgemein sagt man dem achtstimmigen Fugato am Ende des zweiten Satzes Quasi-Faust von Alkans Sonate eine gewisse Schwierigkeit nach. Diese Sonate hört man allerdings auch selten live :)

    Auch, wenn die Sonate selten live aufgeführt wird - die Uraufführung fand über 100 Jahre nach der Komposition statt - gibt es doch welche. Man muss nur suchen :)


    Der Pianist Elias Furrer stellt sein Spiel des Satzes ins Internet. Er macht es mit Humor


    Zitat von Elias Furrer

    Featuring:
    - Many wrong notes
    - bad-ass mic drop at
    11:58 (yes it was a microphone)


    Und obwohl viele Fans schreiben, dass es so gut wie die Einspielung von Hamelin ist, muss man feststellen, dass er selbst das besser beurteilen kann. Da man aber die Hände sieht, kriegt man eine Vorstellung vom den Schwierigkeiten. Im Fugato scheint er dann doch auch inhaltlich etwas verloren zu sein.



    Leider ohne Bild findet sich auch eine Einspielung von Severin von Eckardstein im Internet, live aus der Siegerlandhalle vom 10. März 2001. Eckardstein spielt, soweit ich das mitkriege, ohne Fehler. Auch hier habe ich das Video für das Fugato eingestellt. Vielleicht möchte aber jemand das ganze Werk hören


  • Und gerade die Pianisten, die das äußerste riskiert haben und dabei gescheitert sind (Volodos, Horowitz, Richter), vermögen - zumindest mich - am meisten zu faszinieren.


    Ja, das finde ich auch. Und es gilt nicht nur für technische sondern auch und vor allem für künstlerische Wagnisse.

    So ganz komme ich da nicht mit. Ja, die Wagnisse sind wichtig, weil natürlich Grenzen erkannt werden und auch transzendiert werden können, aber das Scheitern? Wieso fasziniert das Scheitern mehr als der Erfolg?

  • So ganz komme ich da nicht mit. Ja, die Wagnisse sind wichtig, weil natürlich Grenzen erkannt werden und auch transzendiert werden können, aber das Scheitern? Wieso fasziniert das Scheitern mehr als der Erfolg?

    Nicht das Scheitern fasziniert, sondern das Risiko. Das zeigt sich natürlich nicht in der Zahl der falschen Töne sondern in der spürbaren Bereitschaft, die Grenzen des Möglichen, und damit auch die eigenen Grenzen zu erkunden. Das erfordert mehr Mut, als man sich vielleicht vorstellt, denn es impliziert die Bereitschaft, (auch) eigene Schwächen öffentlich zu zeigen, und das widerspricht erst einmal einem menschlichen Grundbedürfnis. Aber umgekehrt gilt eben auch: Wenn Risikovermeidung die höchste künstlerische Tugend ist, droht das Ergebnis schnell langweilig zu werden. Horowitz hätte bei seinen technischen Fähigkeiten leicht "auf Nummer sicher" spielen und falsche Töne fast hundertprozentig vermeiden können, aber ihm war das Unplanbare, das Riskante und Extreme wichtiger. Zum Glück. Es gibt heutzutage Pianisten (und Pianistinnen), die weit "perfekter" spielen als Horowitz, Gilels oder Richter zu ihrer Zeit. Aber sie zahlen dafür oftmals einen hohen Preis, vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Nicht das Scheitern fasziniert, sondern das Risiko. Das zeigt sich natürlich nicht in der Zahl der falschen Töne sondern in der spürbaren Bereitschaft, die Grenzen des Möglichen, und damit auch die eigenen Grenzen zu erkunden. Das erfordert mehr Mut, als man sich vielleicht vorstellt, denn es impliziert die Bereitschaft, (auch) eigene Schwächen öffentlich zu zeigen, und das widerspricht erst einmal einem menschlichen Grundbedürfnis.

    Das kann ich nachvollziehen. Manchmal hatte ich den Eindruck bei Aufführungen, dass der Pianist durch das Publikum angespornt plötzlich ein Risiko eingeht, was vielleicht so nicht geplant war. Das sind natürlich besondere Erlebnisse.



    Es gibt heutzutage Pianisten (und Pianistinnen), die weit "perfekter" spielen als Horowitz, Gilels oder Richter zu ihrer Zeit. Aber sie zahlen dafür oftmals einen hohen Preis, vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein.


    Auch das kann ich nachempfinden. Aber wie Du ja oben schreibst, es widerspricht einem menschlichen Grundbedürfnis und nicht jeder ist bereit, vor beliebigem Publikum seine Schwächen preiszugeben. ;)

  • Auch das kann ich nachempfinden. Aber wie Du ja oben schreibst, es widerspricht einem menschlichen Grundbedürfnis und nicht jeder ist bereit, vor beliebigem Publikum seine Schwächen preiszugeben.

    Ja, und dazu kann nur jemand bereit sein, dem die künstlerische Sache selbst wichtiger ist als die eigene Person. Aber genau darin liegt dann die Faszination...

  • Vorgeschrieben ist pp sotto voce, legato. Das ist der pure Horror :).

    Ich habe mir das zweite Brahms Konzert gerade in der Aufnahme von 1956 mit Serkin/Ormandy angehört und bin davon und insbesondere vom zweiten Satz mit dieser schwierigen Passage sehr angetan:


    https://www.discogs.com/master…B-Flat-For-Piano-And-Orch


    Im Vergleich dazu spielt Brendel (mit Abbado) die Stelle viel, viel langsamer und etwas behutsam. Das sind tatsächlich Welten! Bisher mochte ich die Aufnahme ihrer lyrischen Qualitäten wegen eigentlich sehr.

  • Im Vergleich dazu spielt Brendel (mit Abbado) die Stelle viel, viel langsamer und etwas behutsam. Das sind tatsächlich Welten! Bisher mochte ich die Aufnahme ihrer lyrischen Qualitäten wegen eigentlich sehr.

    Brendel war nie der Übervirtuose, der solche Stellen einfach mit Leichtigkeit hinlegen konnte. Ich schätze diese Aufnahme dennoch sehr, weil sie eine andere, leichtere und lyrischere Sicht auf das Konzert zeigt als üblich. Es kann durchaus sein, dass das auch manuellen Notwendigkeiten geschuldet ist, aber er schafft mit seinen im Vergleich zu Richter, Pollini oder Zimerman etwas eingeschränkten pianistischen Möglichkeiten doch eine sehr stimmige und (mich) überzeugende Version. In der Hinsicht ist er vergleichbar mit Barenboim.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ja, so ging es mir mit dieser Aufnahme bisher auch mit Brendel/Abbado. Wirklich überragend spielen den zweiten Satz und zumal diese pp-Stelle Richter (Leinsdorf) und Gilels (Reiner), das ist ein Welt für sich.


    Bei diesem Konzert scheint auch nicht zuzutreffen, was Du über die 'alte' Generation von Pianisten weiter oben gesagt hast (sinngemäß: die jüngere Generation sei technisch heute besser): Vielleicht liegt es daran, dass es wenige Neuaufnahmen gibt, aber die mir bekannten bspw. von Trpceski oder Laloum bleiben hier weiter hinter dem zurück, was Gilels, Richter, Serkin, Fleisher und auch Freire vorgelegt haben. Sie spielen - zum im zweiten Satz - vergleichweise zurückhaltend. Sehr faszinierend finde ich auch eine WDR-Liveaufnahme von Gilels unter Mario Rossi: Gilels legt das Konzert insgesamt ja eher langsam an, aber an der pp-Stelle ist er so flüssig und elegant wie einst unter Reiner.

  • Bei diesem Konzet scheint auch nicht zuzutreffen, was Du über die 'alte' Generation von Pianisten weiter oben gesagt hast (sinngemäß: die jüngere Generation sei technisch heute besser)

    Ich weiß nicht mehr genau, was ich da geschrieben habe (;)), aber ich meinte es auf Konzerte bezogen, nicht auf Produktionen. Wenn man Horowitz z.B. bei seinen diversen Carnegie-Hall-Auftritten hört, oder Gilels bei den Salzburger Festspielen, dann ist die Zahl der Fehlgriffe bei vielen Pianisten heutzutage kleiner. Das heißt übrigens nicht, dass sie "technisch besser" spielen, denn zur Technik gehören natürlich auch Klanggestaltung, Stimmführung, Legatospiel, Klarheit der Artikulation, Pedalbehandlung und so weiter. Wenn man von einem "richtigen" vs. "falschen" Ton spricht, meint man ja üblicherweise nur eine einzige von dessen Eigenschaften, nämlich die Tonhöhe. Ein "falscher" Ton ist aber eigentlich auch einer, der eine falsche Betonung bekommt, rhythmisch verzerrt oder innerhalb eines Akkordes falsch balanciert ist. Insofern gefällt mir immer noch, was Byron Janis angeblich über seinen Lehrer Horowitz gesagt haben soll: "Seine falschen Töne sind mir lieber als meine richtigen".

  • Bei diesem Konzet scheint auch nicht zuzutreffen, was Du über die 'alte' Generation von Pianisten weiter oben gesagt hast (sinngemäß: die jüngere Generation sei technisch heute besser): Vielleicht liegt es daran, dass es wenige Neuaufnahme gibt, aber die mir bekannten bspw. von Trpceski oder Laloum bleiben hier weiter hinter dem zurück, was Gilels, Richter, Serkin, Fleisher und auch Freire vorgelegt haben.

    Ich habe mir jetzt von einigen Pianisten diese offensichtlich wohl bekannte Stelle angehört. Es ist natürlich schwierig eine Interpretation aufgrund von so wenig Material zu beurteilen. Bei einigen hat es mich gereizt, den ganzen Satz und sogar dann das ganze Konzert zu hören.


    Zur Auswahl standen Freire/Stein, Gilels/Jochum, Zimerman/Bernstein (ganz neu bei mir :)) , Anda/Fricsay, Vogt/Vogt, Schiff/Schiff ....


    Ein Problem bei dieser Stelle scheint mir zu sein, dass sie wohl technisch schwierig sein soll aber irgendwie, fast tonlos, zu einer wunderbar melodiösen Stelle überleitet. Geschwindigkeit scheint mir hier bei weitem nicht alles zu sein. Die Aufnahme mit Gilels/Jochum überzeugt mich hier nicht wirklich. Auch der von Dir gepriesene Freire "huddelt" (für meine Vorstellung) musikalisch über die Stelle und kann sie zu wenig gestalten ... Mir ergibt sich beim Hören kein wirklicher Sinn.


    Der von mir sonst wenig geliebte András Schiff spielt dieses Werk auf einem Blüthner von 1859 und sehr langsam, aber gestaltreich. Mir gefällt das sehr gut. Mir gefällt die Gestaltung noch bei Vogt und Anda und für mich ganz neu auch bei der wundervollen Zimerman Einspielung ...


  • Der von mir sonst wenig geliebte András Schiff spielt dieses Werk auf einem Blüthner von 1859 und sehr langsam, aber gestaltreich.

    Schiff bremst das Tempo auf eine Weise ab, die die Noten nicht hergeben. "Gestaltreich" ist das eigentlich auch nicht zu spielen, sondern eben sotto voce ("mit gedämpftem Ton und äußerster Zurückhaltung in Dynamik und Ausdruck").


    Gilels/Jochum finde ich hier auch nicht so stark, aber Du musst mal Gilels' frühe Aufnahme mit Reiner oder eben die Live-Aufnahme anhören! So toll!


    Wie machst Du das denn, dass das Video genau an der richtigen Stelle beginnt?


    Viele Grüße

    Christian

  • Die Aufnahme mit Gilels/Jochum überzeugt mich hier nicht wirklich.

    Es fällt mir wegen meiner Verehrung für Gilels schwer, aber ich muss Dir zustimmen: Bei ihm fehlt an der Stelle vor allem das vorgeschriebene "legato", außerdem verhaspelt er sich bei den Doppelgriffen deutlich, was im Konzert passieren kann, aber bei einer Studioproduktion schon ungewöhnlich ist.

    Auch der von Dir gepriesene Freire "huddelt" (für meine Vorstellung) musikalisch über die Stelle und kann sie zu wenig gestalten ... Mir ergibt sich beim Hören kein wirklicher Sinn.

    Ich kenne nur seine Aufnahme mit Chailly, und da spielt er die Stelle sehr gut aber etwas etüdenhaft.

    Der von mir sonst wenig geliebte András Schiff spielt dieses Werk auf einem Blüthner von 1859 und sehr langsam, aber gestaltreich. Mir gefällt das sehr gut.

    Das finde ich wirklich zu langsam. Immerhin steht da ja überhaupt kein Tempowechsel. Aber mit dieser Einspielung kann ich insgesamt nichts anfangen.


    Von den Aufnahmen, in die ich reingehört habe, sind rein pianistisch gesehen am besten Katchen, Pollini (vor allem in seiner ersten Aufnahme mit Abbado), Zimerman, Richter (mit Leinsdorf) und Hameling. Hélène Grimaud ertränkt alles im Pedal, Rubinstein hat hörbare Mühe, viele andere auch. Herausragend gut finde ich Barenboim, vor allem in seiner früheren Aufnahme mit Barbirolli, aber auch noch erstaunlich gut in der mit Dudamel von 2015. Das ist pianistisch vielleicht nicht ganz so glatt wie etwa bei Pollini oder Richter, aber er gestaltet z.B. sehr gut das allmähliche Auseinandergehen der Stimmen von den Unisono-Oktaven bis zur dreistimmgen Variation. Außerdem hat die Stelle bei ihm im Gesamtzusammenhang einen erkennbaren Sinn als Vorbereitung des folgenden Bläser-Chorals und der Klavier-Kantilene. Bei vielen klingt es eher wie ein Fremdkörper. Übrigens hat Igor Levit in einer Doku über die Zimerman-Bernstein-Aufnahme, die neulich bei Arte ausgestrahlt wurde, ebenfalls über diese Stelle gesprochen. Er nannte sie eine "Kollegen-Stelle", weil da alle zuhörenden Pianisten drauf warten ;).

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Von den Aufnahmen, in die ich reingehört habe, sind rein pianistisch gesehen am besten Katchen, Pollini (vor allem in seiner ersten Aufnahme mit Abbado), Zimerman, Richter (mit Leinsdorf) und Hameling.

    Den Pollini muss ich mir noch besorgen. Das ist eine echte Lücke! Leider scheint er vergriffen zu sein ...


    die jüngere Generation sei technisch heute besser): Vielleicht liegt es daran, dass es wenige Neuaufnahmen gibt, aber die mir bekannten bspw. von Trpceski oder Laloum bleiben hier weiter hinter dem zurück,


    Technisch gesehen stimme ich Dir bei Laloum nicht zu. Adam Laloum spielt auch diese "pp sotto voce, legato" Stelle ohne Fehl und Makel. Allerdings wirkt sie nicht überzeugend. Das hat aber meiner Meinung nach den Grund in einem anderen Verständnis des Konzertes. Laloum und sein orchestraler Gegenpart Kazudi Yamadi mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin fassen das Werk tatsächlich konzertant auf. Laloum spielt alle seine Farben aus (das sind reichlich viele) und das Orchester brilliert. Mir scheint das aber trotz wirklich schöner Stellen von der Architektur nicht durchgehend zu tragen. Ähnlich wie Busonis Werk handelt es sich um eine "Sinfonie mit obligaten Klavierpart". Brillanz unf Farbe lassen für meine Begriffe das Werk zu oberflächlich erklingen. Die Schönheit der brahmschen Stellen bezieht ihre Wirkung nicht selten aus einem unbestimmten Dunkel, aus dem sie erwachsen, wofür die diskutierte Stelle ja ein Paradebeispiel ist.


    Wie machst Du das denn, dass das Video genau an der richtigen Stelle beginnt?

    [OT]

    Das ist sehr einfach. Ich berechne den Delay in Sekunden und hänge an die URL den GET-Parameter "&t=xxxs", wenn xxx dem Delay in Sekunden entspricht. Dann startet das YT-Video an der berechneten Stelle.

    [/OT]

  • Technisch gesehen stimme ich Dir bei Laloum nicht zu. Adam Laloum spielt auch diese "pp sotto voce, legato" Stelle ohne Fehl und Makel. Allerdings wirkt sie nicht überzeugend.

    Im Vergleich zu den oben genannten Aufnahmen wählt er ein eher ruhiges und entspanntes Tempo. So kommt diese Stelle dann auch rüber und natürlich spielt er das in diesem Tempo einwandfrei. Die Satzbezeichnung ist jedoch Allegro appassionato!


    Julius Katchen ist atemberaubend, aber vom Zugriff etwas rabiat und insgesamt wenig geheimnisvoll. Barenboim/Barbirolli hat mich jetzt auch sehr positiv überrascht.

  • Um die Stelle beurteilen zu können, müsste man sich zuerst die musikalische Struktur ansehen: Es handelt sich dabei um eine (zweifache) Variation des vorangegangenen Trio-Themas in D-Dur, das zuerst von den Geigen und dann von den Hörnern gespielt wurde. Das Klavier nimmt dieses Thema mit den Oktav-Umspielungen auf und variiert es in d-Moll, gefolgt von einer weiteren Variation mit den Doppelgriffen. Hier ist die Klavier-Version oben und die Original-Version der Streicher bzw. Hörner darunter; die gemeinsamen Töne jeweils rot markiert:


    Wenn man das erkannt hat, also sieht, dass die Oktav- bzw. Doppelgriffstelle nicht etwa ein Fremdkörper sondern eine variierte Fortsetzung des Vorangegangenen ist, versteht man auch, warum trotz aller Änderung in Stimmung und Gestus kein Tempowechsel vorgeschrieben ist. Es liegt dann also mindestens nahe, sich in Tempo und Phrasierung nicht zu weit von dem vorangegangenen Thema zu entfernen. Auf der anderen Seite ist natürlich der Ausdruck ein ganz anderer, nach den fröhlichen Hornrufen plötzlich geheimnisvoll, "sotto voce" und unruhig bewegt. Gerade das letzte spricht auf den ersten Blick eher für ein zügigeres als ein gehalteneres Tempo. Wenn man allerdings die nicht-thematischen (im Notenbeispiel nicht rot markierten) Achtel-Oktaven anschaut, sieht man, dass diese fast alle im Sekund-Abstand und damit in Vorhaltsspannung zu den thematischen stehen, was also einen ständigen Wechsel von Spannung und Entspannung bedeutet. Zusammengefasst besteht zwischen Orchester-Thema und Klavierfortsetzung also sowohl innere Einheit als auch Kontrast. Ich würde aus all dem den Schluss ziehen, dass man das Trio ("largamente", T. 188) im Orchester ein gutes Stück unter dem Grundtempo spielt, dann als Pianist die Oktav-Stelle annähernd im selben Tempo oder sogar ein bisschen zügiger nimmt, dabei aber die Vorhaltsspannungen noch hörbar macht, und schließlich bei all dem durch "sotto voce", "pp" und "legato" dem optimistischen Orchester widerspricht. Keine ganz kleine Aufgabe ;).

  • Rubinstein hat hörbare Mühe, viele andere auch.

    Nicht jedoch in der frühen Einspielung (ich glaube aus dem Jahr 1952) mit Charles Münch! Rubinstein Collection Vol. 22.

    Um die Stelle beurteilen zu können, müsste man sich zuerst die musikalische Struktur ansehen: Es handelt sich dabei um eine (zweifache) Variation des vorangegangenen Trio-Themas in D-Dur, das zuerst von den Geigen und dann von den Hörnern gespielt wurde. Das Klavier nimmt dieses Thema mit den Oktav-Umspielungen auf und variiert es in d-Moll, gefolgt von einer weiteren Variation mit den Doppelgriffen. Hier ist die Klavier-Version oben und die Original-Version der Streicher bzw. Hörner darunter; die gemeinsamen Töne jeweils rot markiert:

    Vielen Dank!

  • Um die Stelle beurteilen zu können, müsste man sich zuerst die musikalische Struktur ansehen: Es handelt sich dabei um eine (zweifache) Variation des vorangegangenen Trio-Themas in D-Dur, das zuerst von den Geigen und dann von den Hörnern gespielt wurde. Das Klavier nimmt dieses Thema mit den Oktav-Umspielungen auf und variiert es in d-Moll, gefolgt von einer weiteren Variation mit den Doppelgriffen. Hier ist die Klavier-Version oben und die Original-Version der Streicher bzw. Hörner darunter; die gemeinsamen Töne jeweils rot markiert:


    788-brahms-op-83-2-jpg


    Wenn man das erkannt hat, also sieht, dass die Oktav- bzw. Doppelgriffstelle nicht etwa ein Fremdkörper sondern eine variierte Fortsetzung des Vorangegangenen ist, versteht man auch, warum trotz aller Änderung in Stimmung und Gestus kein Tempowechsel vorgeschrieben ist. Es liegt dann also mindestens nahe, sich in Tempo und Phrasierung nicht zu weit von dem vorangegangenen Thema zu entfernen. Auf der anderen Seite ist natürlich der Ausdruck ein ganz anderer, nach den fröhlichen Hornrufen plötzlich geheimnisvoll, "sotto voce" und unruhig bewegt. Gerade das letzte spricht auf den ersten Blick eher für ein zügigeres als ein gehalteneres Tempo. Wenn man allerdings die nicht-thematischen (im Notenbeispiel nicht rot markierten) Achtel-Oktaven anschaut, sieht man, dass diese fast alle im Sekund-Abstand und damit in Vorhaltsspannung zu den thematischen stehen, was also einen ständigen Wechsel von Spannung und Entspannung bedeutet. Zusammengefasst besteht zwischen Orchester-Thema und Klavierfortsetzung also sowohl innere Einheit als auch Kontrast. Ich würde aus all dem den Schluss ziehen, dass man das Trio ("largamente", T. 188) im Orchester ein gutes Stück unter dem Grundtempo spielt, dann als Pianist die Oktav-Stelle annähernd im selben Tempo oder sogar ein bisschen zügiger nimmt, dabei aber die Vorhaltsspannungen noch hörbar macht, und schließlich bei all dem durch "sotto voce", "pp" und "legato" dem optimistischen Orchester widerspricht. Keine ganz kleine Aufgabe ;).

    Ebenfalls vielen Dank für diesen Beitrag!


    Wenn man die Noten hier verfolgt, kann man die Zusammenhänge direkt hören. Ohne dieses Notenbeispiel ist man - zumindest ich - auf ein vages Zusammenhangsgefühl zurückgestellt. Interessant ist auch das Transponieren und das rhythmische Verschieben, was ich bisher so gar nicht wahrgenommen hatte.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hélène Grimaud ertränkt alles im Pedal

    Grimaud hat hier im Forum keinen guten Stand, kürzlich wurde auch ihre Aufnahme der Kreisleriana verrissen. Dabei finde ich, dass die Aufnahme des zweiten Brahmskonzertes durchaus ihre Meriten hat. So spielt sie bspw. die sich an der hier besprochenen Doppelgriff-Passage anschließende Kantilene sehr stark, indem sie die Dissonanzen zwischen Oberstimme und Begleitung betont. Das spielen die meisten viel glatter und die Kantilene hört man sonst kaum auf diese Weise. Ihr Spiel bringt den dichten, spannungsgeladenen Klaviersatz von Brahms wunderbar zum Klingen.


    PS: Die Kreisleriana hat übrigens Dr. Holger Kaletha verrissen, also scheint es da gewisse Gemeinsamkeiten zu geben.

  • So spielt sie bspw. die sich an der hier besprochenen Passage anschließende Kantilene sehr stark, indem sie die Dissonanzen zwischen Oberstimme und Begleitung betont.

    Das sehe ich auch so. Wobei das Pedal in der Oktavpassage auch von mir als etwas zu viel empfunden wird.


    Das ist überhaupt ganz interessant. Grimaud hat die Kreisleriana mit 19 einmal eingespielt, wobei sie Pedal nur sehr dezent einsetzt. Vierunddreißig Jahre später klingt alles dramatischer und stark pedalisiert. Ich mag leider so intensiven Pedaleinsatz nicht. Bei Pollinis spätem Beethovenspiel gibt es aber ein ähnliches Phänomen. Da gibt es Stellen, wo er die ganzen Klangkonturen einfach im Pedalsound ertränkt. Mittlerweile versuche ich dahinter zu sehen und mir vorzustellen, was gemeint sein soll. Gelingen tut es nicht immer ;)

  • Grimaud hat hier im Forum keinen guten Stand, kürzlich wurde auch ihre Aufnahme der Kreisleriana verrissen. Dabei finde ich, dass die Aufnahme des zweiten Brahmskonzertes durchaus ihre Meriten hat. So spielt sie bspw. die an der hier besprochenen Doppelgriff-Passage anschließende Kantilene sehr stark, indem sie die Dissonanzen zwischen Oberstimme und Begleitung betont. Das spielen die meisten viel glatter und die Kantilene hört man sonst kaum auf diese Weise. Ihr Spiel bringt den dichten, spannungsgeladenen Klaviersatz von Brahms wunderbar zum Klingen.

    Ich habe mich nur auf diese eine Stelle bezogen, die zwar eine Art pianistischer Prüfstein aber in meinen Augen keine Schlüsselstelle für das ganze Werk ist. Die würde ich eher im ersten Satz beim (technisch ganz leichten) Übergang in die Reprise sehen, oder im dritten bei den langsamen Arpeggien vor dem zweiten Cello-Solo. Ich kann Grimaud gerade nicht hören, weil offenbar ein Bagger in der Nachbarschaft das falsche Kabel getroffen hat :cursing:. Ihre späten Brahms-Stücke (op. 117) fand ich neulich im Radio allerdings sehr schwach, und zwar ohne zu wissen, wer da spielt.


    PS: Die Kreisleriana hat übrigens Dr. Holger Kaletha verrissen, also scheint es da gewisse Gemeinsamkeiten zu geben

    Die Aufnahme kenne ich nicht, kann und will mich also auch nicht zu etwaigen Gemeinsamkeiten äußern ;).


    Übrigens habe ich mir den besagten Übergang in die Reprise eben mal in ein paar Einspielungen angehört (Pollini/Abbado, Gilels/Jochum, Richter/Leinsdorf, Rubinstein/Krips, Katchen/Ferencsik, Zimerman/Bernstein). Mit Abstand am schönsten fand ich Zimerman/Bernstein, herrlich ausgekostet und einfach "brahmsisch".

  • Meine persönliche Referenz bei dem 2. Brahms-Konzert ist die Aufnahme mit Monique de la Bruchollerie. Überschneidungen mit den oben genannten Aufnahmen mit meiner Sammlung gibt's nicht so viele (Gilels und Katchen, Richter Rubinstein natürlich), stattdessen Backhaus (beide male mit Karl Böhm), Bruno Leonard Gelber, Clifford Curzon unter Hans Knappertsbusch und ziemlich sicher die gute Elly Ney unter Max Fiedler (nein, nicht als Schellack) und eben Monique de la Bruchollerie. Die Aufnahme ist leider mono, was mich wenig stört und ich gestehe, daß ich dem angesprochenen Geschehen mit Hörvergleichen folgen muß. Persönlich finde ich die Passage bei ihr sehr geglückt, wie sieht's bei euch dazu aus?



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Persönlich finde ich die Passage bei ihr sehr geglückt, wie sieht's bei euch dazu aus?

    Sie spielt halt non legato. Brahms schreibt nicht nur einen langen Legato-Bogen über die ganze Stelle sondern noch ausdrücklich "legato" dazu, das war ihm also sehr wichtig. Warum? Vermutlich weil das Trio-Thema, das hier vom Klavier variiert wird, in getrennten Vierteln (Viertel mit Staccato-Punkten) artikuliert wurde, wozu das Klavier hier einen Kontrast setzen soll. Der besteht neben der Artikulation in der Dynamik (pp statt f), dem Klang (sotto voce statt ben marcato), der Tonart (d-moll statt D-Dur) und der Harmonisierung (unisono statt Horn-Quinten). Das Klavier spielt also gewissermaßen die verborgene "Rückseite" dieses Themas, womit das Legato leider sehr wichtig wird. Denn das Problem ist, dass man wegen der Vorhaltsspannungen sehr oft und sehr schnell das Pedal wechseln oder virtuos mit halbem und Viertelpedal arbeiten muss, um legato zu spielen, was in dem Tempo eine zusätzliche Herausforderung ist. Deshalb spielen viele Pianisten non legato oder tauchen alles in ein einziges Pedal.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose