Heinrich Kaminski (1886-1946) verwirklicht in der Zeit des Umbruchs zur Moderne die Absicht, eine zeitlose, nicht an Äußeres gebundene Musik zu schaffen. Seine Werke sind ein Appell an die geistigen Kräfte im Menschen. Die sein Schaffen durchdringende Religiosität ist fundamental und nicht an Konfession und Konvention gebunden. Kaminski knüpft an die deutsche kontrapunktische Tradition von Johann Sebastian Bach über den späten Beethoven zu Anton Bruckner an und führt diese zu neuen Ufern. Zu seinen engsten Künstlerfreunden zählen Franz Marc und Emil Nolde. Sein berühmtester Schüler Carl Orff berichtet: "Kaminski, der Spätromantik entstammend, war Hymniker; alle seine Musik war Verkündigung. Polyphonie war ihm Weltanschauung. … Er arbeitete mit äußerster Konzentration. Ich bewunderte seine absolute Meisterschaft."
Das alles hat den Komponisten nicht vor dem Vergessenwerden bewahren können, denn schon in Zeiten als er noch schöpferisch aktiv und ohne Einflussnahme der Politik tätig sein konnte, im Jahre 1925, schrieb Hermann Scherchen:
"Kaminski ein Protest gegen die Zeit, gegen die Musik der Zeit. Das ist seine stärkste Kraft, das ekstatisch religiöse sich Entgegenstellen, das auch musikalisch Form geworden ist." Nach 1933 als „Halbjude“ aus allen öffentlichen Ämtern gedrängt, blieb ihm nichts als ein „Rückzug auf sich selbst“ übrig und nach seinem Tode mit noch nicht 60 Jahren im Jahr 1946 erlosch das Interesse an seiner Musik schnell, denn sowohl Zeit wie Zeitgeschmack hatten sich radikal gewandelt.
Und heute ?
Die Versuche, sein Werk "wieder zu beleben" können im Prinzip durchweg als gescheitert angesehen werden, eine einzige Komposition, der "130.Psalm" ist regelmäßig in Chorkonzerten anzutreffen und liegt in mehreren Einspielungen vor. Vo0n den größeren Werken wurde lediglich das Streichquintett fis.moll
in einer überragenden Darbietung durch das (verstärkte) Leipziger Streichquartett vorgelegt, was jedoch ebenfalls folgenlos blieb.
Seine Orchesterwerke, allen voran das erschütternde „in Memoriam“, dem Andenken seiner Tochter Gabriele gewidmet und von der Struktur her den „Metamorphosen“ des alten Richard Strauss vergleichbar,
wurde allezeit hoch gepriesen, jedoch kaum gekannt.
Umso höher muss die eben bei Oehms-Classik erschiene Einspielung
sämtlicher Geistlicher Kompositionen des Meisters durch den Orpheus Chor München unter Gerd Guglhör eingeschätzt werden,
der zum ersten Mal einen brauchbaren Überblick in annehmbarer künstlerischer Qualität bietet,
wenn auch hier, zugegeben, „nicht alle Blütenträume“ reiften, denn mit der (warum auch immer , bewusst gewählten „überhalligen Akustik“ des Aufnahmeortes kann ich mich nur bedingt anfreunden, weil dabei
hier und da eben doch die Transparenz auf der Strecke bleibt.
Seine wenigen, gehaltvollen Orgelwerke liegen in einer preisgünstigen Gesamtaufnahme der Fa. Christoforus vor und sidn als Einstieg in die Klangwelt Kaminskis gut geeignet:
Die bedeutendste Einspielung von Kaminski-Werken bleibt nach wie vor diese und mit ein wenig Glück kann man sie bei ebay oder anderswo auch noch erwerben:
Sein für mich schönstes und bewegendstes Werk, das „Magnificat“ aus dem Jahr 1925 für Solobratsche, einen als „Orchester“ agierenden „Fernchor“, der auf Vokalisen singt, ist immer noch nicht auf Tonträger verfügbar, ebensowenig wie die Orchesterwerke, die zumindest bei einem Konzert des Orchestres des Regions Europeennes im Jahr 2004 erklangen. Ich wünsche mir für die Zukunft eine umfassende Einspielung der Werke dieses Meisters, der ganz bewusst einen anderen Weg als seine komponierenden Zeitgenossen ging und der, ohne epigonal zu sein, mit den Mitteln der klassischen Polyphonie agierend, ein Werk schuf, das in seiner Besonderheit einzigartig ist.