Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein kleiner Schritt - Das Phänomen Richard Wagner

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Theophilus,
    eigentlich reden wir ja über Wagner, aber bitte - Parenthese Strauss.


    Strauss wollte Jochanaan als "Hanswursten" zeichnen. Jochanaan war Jude.
    Strauss hat fünf expressis verbis als Juden bezeichnete Personen karikiert - die Entschuldigung lautet: Ja, aber bei Wilde... Was natürlich Unsinn ist, denn Strauss hätte ja, wäre er angeekelt gewesen, die Szene streichen können.


    Ich kann dir hier einfach nicht folgen. Du wiederholst dich ständig mit der gleichen Aussage, wie Strauss Juden karikiert, was noch niemand verneint hat. Aber du hast noch immer kein Argument dafür geliefert, warum eine Karikatur eines Juden antisemitisch sein muss. Und dass Strauss eine Szene aus einem Textbuch streichen soll, um deine Ansprüche daran zu erfüllen, ist auch ein wenig weit hergeholt.




    Nein, so einfach kannst du es dir nicht machen. Wenn ein Autor in einem Werk einen Juden karikiert, weil er die Figur so auffasst, dann sagt das noch nichts über seine grundsätzliche Einstellung gegenüber dem Judentum aus. Wenn aber ein anderer Autor eine Figur, die kein Jude ist, so zeichnet, dass sie auf eindeutig abwertende Weise jüdische Züge aufweist, dann sagt das sehr wohl etwas über die Gesinnung des Autors aus. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe!


    (Ich möchte damit aber keine Wertung darüber abgeben, ob das im Falle Wagner / Mime / Beckmesser überhaupt zutrifft; es geht nur darum, dass sich Edwin nicht so einfach um die Problematik drücken kann.)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    ich denke,Du hast vollkommen recht.


    Der Edwin hat sich da etwas verrannt,


    in seiner "Liebe"zu Strauss. ;)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Theophilus,

    Zitat

    Aber du hast noch immer kein Argument dafür geliefert, warum eine Karikatur eines Juden antisemitisch sein muss.


    Ich bitte um Hilfestellung: Wie kann Strauss wohl seine Juden-Karikatur gemeint haben?
    Liebevoll kosend?
    Anerkennend?
    Aufmuternd?
    Als amüsantes Apercu beim kleinen Braunen im Kaffeehaus?


    Zitat

    Und dass Strauss eine Szene aus einem Textbuch streichen soll, um deine Ansprüche daran zu erfüllen, ist auch ein wenig weit hergeholt.


    Ach so? - Komisch: Der französische Komponist Antoine Mariotte hat genau diese Szene sehr wohl gestrichen. Wahrscheinlich vorauseilender Gehorsam mir gegenüber...


    Zitat

    Wenn ein Autor in einem Werk einen Juden karikiert, weil er die Figur so auffasst, dann sagt das noch nichts über seine grundsätzliche Einstellung gegenüber dem Judentum aus. Wenn aber ein anderer Autor eine Figur, die kein Jude ist, so zeichnet, dass sie auf eindeutig abwertende Weise jüdische Züge aufweist, dann sagt das sehr wohl etwas über die Gesinnung des Autors aus. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe!


    Gut, ich akzeptiere, daß die eindeutige Juden-Karikatur bei Strauss nicht antisemitisch war, daß die keineswegs eindeutig belegbare Juden-Karikatur bei Wagner aber der pure Antisemitismus ist.
    Hab ich Deine Thesen jetzt so halbwegs verstanden? Nicht ganz leicht...


    Aber könnten wir vielleicht die Strauss-Parenthese schließen? Der "Schlagobers"-Komponist und spätere Präsident der Reichsmusikkammer hat ohnedies schon - und nicht nur - in diesem einem Genie wie Richard Wagner gewidmeten Thread zuviel Aufmerksamkeit bekommen.


    :hello:

    ...

  • Hallo Forianer,


    wieder einmal bin ich sehr darüber erstaunt, was hier so über Wagner
    herum-philosophiert wird.


    Für mich ist völlig klar:


    - Wagner war ein sehr egozentischer Komponist, der sehr auf Erfolg um jeden Preis aus war


    - für die Menschen, die ihn kritisierten und Steine in den Weg legten hatte er nur Hass und Verachtung übrig; zu den Kritikern und Steine-in-den-Weg-Leger gehörten auch Menschen jüdischen Glaubens; in Deutschland war der Antisemitismus damals sehr verbreitet, war allgegenwärtig: Wagner blies ins gleiche Horn, um sein Leid nicht in sich reinzufressen, sondern offen rauszuposaunen. Aber zu seinen Kritikern zählten ebenso auch Christen, Atheisten usw., auch diese Menschen strafte er mit Hass und Verachtung.


    - Karikiert wurde schon seit ewigen Zeiten: Bilder, Moritaten, Lieder, Romane, Erzählungen und natürlich auch in Opern:


    van Bett
    Dr. Cajus
    Wenzel


    Und so haben Menschen natürlich auch die Juden beobachtet und diese Beobachtungen auch in Opern karikiert, so auch z.B. Richard Strauss in "Salome".


    Und nun darüber zu streiten, ob Wagner in Mime einen Juden gesehen hat, ist müßig.


    Auf Cosimas Tagebücher habe ich mich noch nie wirklich verlassen; es ist eben doch alles aus zweiter Hand und alles sehr gefiltert.


    - wir betrachten all das zu sehr aus der gegenwärtigen Situation, nach den Jahren des Holocaust und das ist in diesem Zusammenhang nicht legitim.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    Alviano meinte mit seinem Hinweis auf den Antisemitismus in Wagners Musik m.E. weniger die auf sein Werk bezogenen Schriften Wagners, sondern die Kompositionen selber. Autoren wie Weiner und Rose glauben, dass Wagner sich bei der musikalischen Charakterisierung seiner "Judenfiguren" in den Noten selber eines "Codes" bedient habe, den das Publikum des 19. Jahrhunderts ohne Mühe identifizieren konnte, ohne dass die Figuren explizit als Juden bezeichnet werden mussten. So würden etwa Beckmessers Vorträge an den traditionellen Synagogengesang gemahnen und Mimes hektisch-grell-groteske Musik würde dem Klischee des wurzellosen, "mauschelnden" Juden entsprechen ("knickend und nickend","mit den Augen zwickend"). Beweise haben sie dafür nicht, es bleiben Vermutungen.


    Genauso ist es. Wobei ich nicht unerwähnt lassen will, dass Weiner schon im Vorwort seines Buches klarstellt, dass er eine Interpretationsmöglichkeit anbietet, aber nicht soetwas wie der "Weisheit letzter Schluss". Sehr interessant finde ich bsplsw. auch seine Betrachtung der verschiedenen Stimmtypen für Wagners Helden und die eher negativ gezeichneten Figuren. Ob man ihm in seiner Betrachtung folgt - oder eben eine andere Position einnimmt, bleibt dem Leser überlassen. Für mich gehören solche Aspekte bei der Betrachtung von Wagners Werk dazu.


    "Parsifal" wäre für mich ein Werk, wo sich Wagners Haltung vielleicht am direktesten abzeichnet. Allerdings, das räume ich gerne ein, unter Hinzuziehung von Schriften und Aussagen, die im zeitlich unmittelbaren Zusammenhang zur Entstehung des "Parsifal" stehen. Auf "Erlösung dem Erlöser" habe ich bereits hingewiesen.


    Die "Cosima"-Tagebücher würde ich nicht von vorneherein als wacklige Quelle betrachten, aber ob sie immer sehr genau ist - da habe ich auch kleine Zweifel, die sich auf der Erfahrung mit Wagners "Mein Leben" begründen. Da gibt es mehr als einen Punkt, wo es die Wagners mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.


    Einen Punkt von Edwin will ich gerne noch aufgreifen: auch andere Komponisten (und ausführende Künstler/innen) bieten Anlass zu Kritik - und ich bin sehr dafür, auch dieses nicht "unter den Teppich" zu kehren, unabhängig von ihrem künstlerischen Gewicht.

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  • Hallo Edwin


    Zitat


    Ich bitte um Hilfestellung: Wie kann Strauss wohl seine Juden-Karikatur gemeint haben?
    Liebevoll kosend?
    Anerkennend?
    Aufmuternd?
    Als amüsantes Apercu beim kleinen Braunen im Kaffeehaus?


    Aber ich helfe dir doch gerne!
    Wie könnte Strauss das gemeint haben? Vielleicht so, wie es im Textbuch steht? Ich empfehle dir einfach, einmal diese Stelle nachzulesen. Fünf Männer streiten über ein Thema und haben fünf verschiedene Meinungen. Auf geradezu groteske Weise steigern sie sich immer mehr in Rage. "Schreiend" heißt es dort sogar. Strauss hat einfach einen hysterischen Streit vertont. Da braucht es keine erklärende Attribute.




    Zitat


    Ach so? - Komisch: Der französische Komponist Antoine Mariotte hat genau diese Szene sehr wohl gestrichen. Wahrscheinlich vorauseilender Gehorsam mir gegenüber...


    Freut mich, dass du in Mariotte eine verwandte Seele gefunden hast. Aber das scheint mir immer noch nicht Grund genug zu sein, dass du Richard Strauss vorschreiben zu können glaubst, wieviel er an Oscar Wildes Stück herumzuschnipseln hat (Auch deine Meinung, die Streitszene habe keine Funktion, teile ich nicht. Wilde erkannte dramaturgisch völlig richtig, dass nach der dreimaligen Abfuhr, die Herodes seitens Salome erleidet, eine Pause in seinen Bemühungen nötig sei. Daher diese eingeschobene Szene).




    Zitat


    Gut, ich akzeptiere, daß die eindeutige Juden-Karikatur bei Strauss nicht antisemitisch war, daß die keineswegs eindeutig belegbare Juden-Karikatur bei Wagner aber der pure Antisemitismus ist.
    Hab ich Deine Thesen jetzt so halbwegs verstanden? Nicht ganz leicht...


    Leider nein. Du scheinst wieder einmal einen Tag der gewagten Schlussfolgerungen gehabt zu haben. Denn ich habe niemals behauptet, in Wagners Bühnenwerken wären antisemitische Tendenzen auszumachen. Aber du nimmst es mit den Fakten nicht so ganz genau....

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Zitat Theophilus
    Denn ich habe niemals behauptet, in Wagners Bühnenwerken wären antisemitische Tendenzen auszumachen.


    Dann sind wir ja ohnedies einer Meinung in Bezug auf Wagner.


    Aber:

    Zitat

    Fünf Männer streiten über ein Thema und haben fünf verschiedene Meinungen.


    ist, sorry, der Euphemismus des Tages. Im Libretto steht nicht "Erster Mann", "Zweiter Mann" etc., sondern eben "Erster Jude", "Zweiter Jude" etc.
    Wenn Du den Text der Stelle bei Wilde durchliest, ist er übrigens keineswegs ein Gekreische, sondern eine Diskussion über diverse Auslegungen der jüdischen heiligen Schriften. Das parodistische Gekreische ist eine Erfindug von Strauss, eine karikierende Zutat. Und damit für mich ein perfekter Ausdruck von Antisemitismus.


    Daß übrigens der Starverbrecher der Menschheitsgeschichte ausgerechnet Strauss zum Präsidenten der Reichsmusikkammer machte, wird übrigens auch nicht auf dessen philosemitische Grundhaltung zurückzuführen sein.
    Oder manifestierte sich Strauss' Philosemitismus etwa darin, daß Strauss zur Eröffnung der Ausstellung Entartete Musik in Düsseldorf (am 24. Mai 1938 ) ein „Festliches Vorspiel“ komponierte und persönlich dessen Aufführung dirigierte?
    Ja, wenn man sich mit der braunen Krepüle ins Bett legt, bekommt man eben selbst braune Flecken ab.


    So, genug von diesem schrägen Vogel, der offenbar seinen Kopf so tief in den Sand gesteckt hat, daß er gar nichts mitbekam, der arme Mann.


    ---------------------------------------------------


    Und bitte jetzt endgültig vom Zuckerbäcker des Grövaz ("Größten Verbrechers aller Zeiten") zurück zu einem Genie namens Richard Wagner.


    Das Problem mit den Cosima-Tagebüchern ist meiner Meinung nach folgendes: Zumindest die späteren sind als "Weiheschriften", als eine Art heiliges Buch zu Richard Wagner, ausgelegt.
    Ich sage nun nicht, daß es so ist, aber ich halte es für möglich, daß Cosima in ihren Tagebüchern ein ganz bestimmtes Bild von Wagner zeichnen wollte. Und zwar ein Bild, das ganz dem entspricht, wie sie, Cosima, Wagner tradieren wollte.
    Daß Cosima antisemitisch dachte, wissen wir.
    Während Wagners Antisemitismus mir als ein völlig unreflektierter impulsiver (gleichwohl natürlich ebenfalls höchst unsympathischer) Wesenszug erscheint, habe ich das Gefühl, daß Cosima hier doch eine Art Grundsatzdenken konstruiert: Die antisemitischen Worte des Meisters, für die Gemeinde zur gefälligsten Befolgung niedergeschrieben.


    Gerade die Ungenauigkeiten in den Tagebüchern scheinen mir darauf hinzudeuten, daß diese Tagebücher in ein bestimmtes Wagnerbild, das durch sie überliefert werden sollte, eingepaßt wurden.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Daß Cosima antisemitisch dachte, wissen wir.
    Während Wagners Antisemitismus mir als ein völlig unreflektierter impulsiver (gleichwohl natürlich ebenfalls höchst unsympathischer) Wesenszug erscheint, habe ich das Gefühl, daß Cosima hier doch eine Art Grundsatzdenken konstruiert: Die antisemitischen Worte des Meisters, für die Gemeinde zur gefälligsten Befolgung niedergeschrieben.


    Gerade die Ungenauigkeiten in den Tagebüchern scheinen mir darauf hinzudeuten, daß diese Tagebücher in ein bestimmtes Wagnerbild, das durch sie überliefert werden sollte, eingepaßt wurden.


    Das erscheint mir doch eine gewagte These zu sein, die ich nicht unbedingt teilen würde.


    Dass Cosima versucht hat, ein bestimmtes Wagner-Bild in ihrem Sinne zu formen, glaube ich auch. Man denke an die Form, in der sie die Festspiele nach Wagners Tod geleitet hat. Diese Überhöhung von Werk und Komponist, z. B.


    Dass Wagner aber doch einen eigenen Kopf hatte, gerade in Bezug auf "die Juden", kann man seinen Schriften leider nur zu gut entnehmen, da hat Cosima wohl nicht mitgeschrieben.


    Anderer Aspekt: als ich Cosimas Tagebücher gelesen habe, musste ich das Buch oft hinlegen. Ich fand dieses "Richard hier und Richard da" manchmal ziemlich grotesk. Hin-und-wieder schwer lesbar und auch nicht ganz leicht auszuhalten. Sozusagen vom "Erhabenen zu Lächerlichen", was manchmal nur ein kleiner Schritt ist.

  • Zitat

    Dass Wagner aber doch einen eigenen Kopf hatte, gerade in Bezug auf "die Juden", kann man seinen Schriften leider nur zu gut entnehmen, da hat Cosima wohl nicht mitgeschrieben.


    Zweifellos - und die Sache bleibt widerlich.
    Ich sehe nur den Unterschied, daß Wagner ja offenbar etwas wie ein Skribomane war: Allein sein schriftstellerisches Werk übertrifft an Umfang das manchen Dichters. Dazu kommen noch die Briefe. Und nebenbei halt auch noch ein paar Opern.


    Meiner Meinung nach hat sich Wagner schlicht und einfach über einen Juden geärgert - und schon zu Papier gebracht, was ihm ganz allgemein zum Thema einfällt. (Man beachte dabei Absurditäten wie den Hinweis, Halevys "Jüdin" sei so erfreulich, weil sie absolut nichts Jüdisches enthalte.)
    Ich habe da wirklich nicht den Eindruck eines Schreibens im Hinblick auf die Überlieferung (anders als bei den operntheoretischen Schriften und, natürlich, bei den Musikwerken) - bei Cosima habe ich den Eindruck hingegen durchaus.
    Rein gefühlsmäßig entsteht dieser Eindruck gerade durch dieses "Richard hier" und "Richard da". Richard, Richard, Richard - der Namensiterativ, um diesen Namen wie einen Begriff in das Gedächtnis des Lesers zu pflanzen.


    Insgesamt würde ich Cosima als Quelle zu Wagner ungefähr so ernst nehmen wie Alma als Quelle zu Mahler.


    :hello:

    ...

  • @Edwin


    ist das so zu verstehen, daß Deiner Meinung nach Cosima Wagner ihren Antisemitismus "übergestülpt" hat?


    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

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  • Hallo Austria,
    ja, wenn es so einfach wäre und wenn ich das guten Gewissens sagen könnte. Aber leider...
    Nein, der Wagner war ein Antisemit. Aber er war meiner Meinung nach kein systematischer Antisemit, sondern einer, der seine Aggression gegen einen speziellen jüdischen Komponisten, nämlich Meyerbeer, verallgemeinert hat. Aus "Ich mag Meyerbeer nicht" wurde "Ich mag die Juden nicht". Unsympathisch, aber so impulsiv war Wagner nun einmal. Lies etwa seine frühen Schriften über Revolution etc. - wirklich nachgedacht hat der Kerl nicht.


    Ich glaube nun, daß ihm Cosima den Antisemitismus nicht überstülpt, aber daß sie ihn anders gewichtet. Daß sie aus einer - unsympathischen - Facette von Wagners Charakter einen Glaubensinhalt für seine Anhänger destilliert. Und rückwirkend bekommen Wagners antisemitische Pamphlete, obendrein durch die Erfahrung der Hitler-Diktatur, ein völlig anderes, nämlich viel höheres, Gewicht als das, das ihnen, gemessen am Gesamtschaffen Wagners, eigentlich zukommt.


    :hello:

    ...

  • Hallo Forianer,


    seit wann ist man, wenn man Juden karikiert, eine Antisemit? Das ist sooooooooooooooooooooooooooooo ein Unsinn!!!


    Man sehe sich nur das heutige häufige Gekreische in der Knesset an, dagegen ist ist die Darstellung durch Richard Strauss ein Klacks!



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Meiner Meinung nach hat sich Wagner schlicht und einfach über einen Juden geärgert - und schon zu Papier gebracht, was ihm ganz allgemein zum Thema einfällt. (Man beachte dabei Absurditäten wie den Hinweis, Halevys "Jüdin" sei so erfreulich, weil sie absolut nichts Jüdisches enthalte.)
    Ich habe da wirklich nicht den Eindruck eines Schreibens im Hinblick auf die Überlieferung (anders als bei den operntheoretischen Schriften und, natürlich, bei den Musikwerken)


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Nein, der Wagner war ein Antisemit. Aber er war meiner Meinung nach kein systematischer Antisemit, sondern einer, der seine Aggression gegen einen speziellen jüdischen Komponisten, nämlich Meyerbeer, verallgemeinert hat. Aus "Ich mag Meyerbeer nicht" wurde "Ich mag die Juden nicht".



    Hier scheint mir aber schon viel (verständliches) Wunschdenken im Spiel - es bleibt ein methodisch fragwürdiger Ansatz, die Argumentation auf ein Ziel (Entlastung Wagners) auszurichten.


    "Das Judentum in der Musik" ist eine durchaus (im Rahmen von Wagners Möglichkeiten) systematisch argumentierende Schrift, die nach Verständnis des Autors mit den beiden annähernd zeitgleich verfassten theoretischen Werken "Das Kunstwerk der Zukunft" sowie "Oper und Drama" eine Art Triptychon bildet. Wie viel Wert Wagner gerade auf sein antisemitisches Traktat gelegt hat, zeigt die Wiederveröffentlichung im Jahr 1869 (das ist "Schreiben im Hinblick auf die Überlieferung"!).


    Zudem ist die Motivation für den Antisemitismus Wagners die eine Sache (hier spielen natürlich AUCH persönliche Verletzungen eine Rolle). Die andere Sache ist die Intensität und öffentliche Propagierung, bei der Wagner weit über den "durchschnittlichen" Antisemitismus seiner Zeitgenossen hinausging.




    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Insgesamt würde ich Cosima als Quelle zu Wagner ungefähr so ernst nehmen wie Alma als Quelle zu Mahler.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ich glaube nun, daß ihm Cosima den Antisemitismus nicht überstülpt, aber daß sie ihn anders gewichtet. Daß sie aus einer - unsympathischen - Facette von Wagners Charakter einen Glaubensinhalt für seine Anhänger destilliert.


    Der Quellenwert von Cosimas Tagebüchern wird unter Historikern als hoch eingeschätzt, was sich schon aus der Quellengattung ergibt, die nicht für die Veröffentlichung bestimmt war. Die Tagebücher können insofern auch keinen Glaubensinhalt für Wagners Anhänger destillieren (sie tun es auch nicht: antisemitische Äußerungen Wagners kommen hier zwar sehr oft vor, aber sie sind viel unzusammenhängender und weniger systematisch als der Antisemitismus seiner Schriften).


    Davon abgesehen (wie schon Alviano sagte): Cosimas Tagebücher sind nur eine weitere Quelle unter vielen anderen für Wagners Antisemitismus, den er in seinen Schriften und in der Öffentlichkeit hemmungslos kundtat. Dass die unsägliche Cosima Herrn Wagner in seinem Antisemitismus zweifellos noch bestärkt hat, ist allerdings sicherlich richtig.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Zitat Liebestraum
    seit wann ist man, wenn man Juden karikiert, eine Antisemit? Das ist sooooooooooooooooooooooooooooo ein Unsinn!!!


    Es kommt darauf an, ob man individuelle Züge karikiert oder einen als allgemein verstandenen. Wenn man etwa der Meinung ist, "alle Juden schreien durcheinander und kennen sich in ihrer eigenen Religion nicht aus" (wie Strauss das ja darstellt), halte ich das schon für antisemitisch.


    Aber ich glaube, wir sollten jetzt einmal bei Wagner bleiben. Strauss ist ja kein gar so großer Komponist, daß man sich über ihn ausgerechnet in einem Wagner-Thread so verbreitern müsste.




    ------------------------------




    Zitat

    Zitate Zwielicht
    Der Quellenwert von Cosimas Tagebüchern wird unter Historikern als hoch eingeschätzt,


    Sie sind jedoch nachweislich fehlerhaft. Wenn man Wagner vor allem zum Antisemiten erklären will, spricht man natürlich vom "historischen Wert" der Tagebücher. Aber die Zweifel bleiben - nicht nur bei mir.



    Zitat

    "Das Judentum in der Musik" ist eine durchaus (im Rahmen von Wagners Möglichkeiten) systematisch argumentierende Schrift,


    Ja, aber sie richtet sich nur vorgeblich gegen die Juden; Wagners einziges Ziel ist in Wahrheit Meyerbeer, den er maßlos überschätzte und beneidete. "Das Judentum" ist meiner Meinung nach eher ein Fall für den Psychotherapeuthen als für die politische Auseinandersetzung.



    Zitat

    und öffentliche Propagierung, bei der Wagner weit über den "durchschnittlichen" Antisemitismus seiner Zeitgenossen hinausging.


    Das eben glaube ich nicht. Wagners Antisemitismen haben nur am hartnäckigsten durch die Stellung Wagners als herausragendstem Komponisten seiner Epoche überlebt und sind aktualisiert worden durch die Stellung von Wagners Musik während der Hitler-Diktatur.



    Zitat

    es bleibt ein methodisch fragwürdiger Ansatz, die Argumentation auf ein Ziel (Entlastung Wagners) auszurichten.


    Ziel ist nicht die Entlastung Wagners, sondern die Herstellung eines korrekten Wagner-Bildes.


    Ich sage es nochmals:
    Wagner war nicht Politiker.
    Wagner war nicht Philosoph.
    Wagner war vor allem einmal Komponist.
    Und zwar Komponist einiger der bahnbrechendsten Werke, die die gesamte Musikgeschichte hat. Ich habe keine Probleme, über Wagners Antisemitismus zu diskutieren, er ist eine Facette seines an sich nicht sehr sympathischen Charakters.


    Allerdings frage ich mich, ob unsere Perspektiven noch stimmen, wenn wir nahezu ausschließlich über eine Facette des miesen Charakters Wagners diskutieren, statt uns einmal die Opern und ihre Bedeutung vorzunehmen.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Allerdings frage ich mich, ob unsere Perspektiven noch stimmen, wenn wir nahezu ausschließlich über eine Facette des miesen Charakters Wagners diskutieren, statt uns einmal die Opern und ihre Bedeutung vorzunehmen.


    Von 12 möglichen Lieblingsopern habe ich 8 von Wagner gewählt.... Ein Unbehagen, Zwiespältigkeit bleibt trotzdem - da geht es mir wie Thomas Mann :D


    :hello:
    Austria

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  • Hallo Austria,
    siehst Du, da sind wir sogar einmal einer Meinung.
    Mir persönlich zuckt es, wenn ich Wagner höre, manchmal durch den Kopf: Und ausgerechnet dieser :kotz:-Brocken muß solch ein Genie sein!
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Allerdings frage ich mich, ob unsere Perspektiven noch stimmen, wenn wir nahezu ausschließlich über eine Facette des miesen Charakters Wagners diskutieren, statt uns einmal die Opern und ihre Bedeutung vorzunehmen.


    Hallo Edwin,


    auch wenn ich Deine apologetische Argumentation alles andere als überzeugend finde (m.E. entspricht sie einem überholten Forschungsstand), so ist doch die Diskussion an einem Punkt angekommen, an dem sich (auch von meiner Seite) die Argumente wiederholen.


    Nein, die Perspektiven und Proportionen stimmen natürlich nicht, wenn wir uns nur Wagners Antisemitismus widmen. Daher bin ich gerne bereit, mich über die Opern und ihre Bedeutung zu unterhalten (das war ja eh mal der Ausgangspunkt des Threads und seiner Wiederbelebung).


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat


    Zitat Alfred:
    Wie gesagt, widmet sich dieser Thread nicht, wie sonst gewohnt, speziellen Einspielungen, oder Werken, sondern der Frage, was Wagners Wirken und Werk so einzigartig macht, und was so polarisierend an diesem Komponisten und seinem Werk wirkt .


    Ein Punkt wäre somit erledigt....


    ;-)
    Austria

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  • Hallo Edwin und Forianer,


    es ist doch so einfach:


    Wagner war insofern Antisemit, sobald sein Lebenswandel und sein Werk von Menschen jüdischen Glaubens einer starken Kritik unterzogen wiurde...


    Denn andererseits hatte ein jüdischer Anhänger des Wagnerschen Lebens und Schaffens, wie der Dirigent Hermann Levi nichts zu befürchten.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Denn andererseits hatte ein jüdischer Anhänger des Wagnerschen Lebens und Schaffens, wie der Dirigent Hermann Levi nichts zu befürchten.
    von LT


    Ja, weil er ihn brauchte...


    Austria

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  • Hallo Austria,


    unbedingt gebraucht hätte er ihn nicht, denn immerhin hatte er ja noch Hans Richter und Franz Fischer als Dirigenten zur Verfügung.


    Hermann Levi dirigierte immerhin von 1882-1894 in Bayreuth. Also noch 11 Jahre nach Wagners Tod, wo ja die große "Antisemitin" Cosima Wagner das Regiment führte. Auch sie hätte Levi nicht gebraucht, sie hatte Hans Richter, Felix Mottl und ab 1896 Sohn Siegfried als Dirigenten.


    Levi war Jude, aber ein Jude, der voll hinter dem Schaffen Wagners stand und ein sehr guter Dirigent war, daher war er auch in Bayreuth gern gesehen.


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Gibt es keine zuverlässigen Äußerungen von Levi und anderen jüdischen Musikern, die mit Wagner zusammenarbeiteten? Was haben die denn zu seinem AS gesagt?

  • Hallo Robert,


    wozu zuverlässige Äußerungen? Gezwungen hat sie niemand in Bayreuth zu dirigieren oder zu musizieren!


    Wer Wagner-Gegner war, war ohnehin nicht in Bayreuth zu finden.




    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Ich bin der Meinung,daß Antisemitismus nicht in ein
    Musikforum gehört,genau so wenig wie Antiislamismus.
    Der Antisemitismus ist aus dem Christentum entstanden,
    und gehört in ein Religionsforum.


    (Musik kann Gott sei Dank nicht antisemitisch sein.)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Zwielicht,

    Zitat

    Deine apologetische Argumentation


    Meine Argumentation kann nur derjenige als apologetisch empfinden, der Wagner ausschließlich auf seinen Antisemitismus reduzieren will. Denn dagegen trete ich tatsächlich auf.
    Ich denke dabei nicht daran, Wagners Antisemitismus zu beschönigen, aber ich denke auch, daß es keine Beschönigung ist, wenn man erklärt, woher etwas kommt.


    Wagner hat nur Wagner in den Mittelpunkt seines Lebens gestellt. Wenn ihm jemand dabei behilflich war, war er willkommen, wenn er das Gefühl hatte, jemand hindere ihn daran, wurde er bekämpft. Das hatte nichts mit Religion, Staatszugehörigkeit oder Ethnie zu tun, es wurden nur Religion, Staatszugehörigkeit und Ethnie als Waffen benützt.
    Vereinfacht gesagt: Wagner war ein Meister darin, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
    Oben ist ja schon angeklungen, daß Wagner nicht nur antisemitisch war, sondern auch antifranzösisch und antiitalienisch.
    Was auch wieder logisch ist, denn Frankreich war Meyerbeer (Wagner hätte wahrlich einen Therapeuthen gebraucht!) und Italien war Rossini.
    Wenn es hingegen um individuelle Wertungen ging, waren die gesamten angeblich so durchdachten Vorurteile weggefegt. Wagner verehrte die Oper "La Juife" des französischen Juden Halévy und er verehrte die Werke des in Frankreich erfolgsverwöhntn Spontini.


    Und damit sind wir bei einem Thema, das zumindest ich ganz interessant finde: Wagner steht ja nicht im traditionsfreien Raum. Was meint Ihr: Wo kommt Wagner her? Von der deutschen Romantik mit "Rienzi" als quasi-französischem Ausrutscher? Oder sollte am Ende das ganze Konzept des Musikdramas - horribile dictu - just in der Großen Oper der Franzosen begründet sein?


    :hello:



    P.S.: Lieber Herbert, Antisemitismus hat leider nichts mit Religion zu tun, Antisemitismus ist eine Form des Rassismus. Aber ich stimme Dir zu: Ich glaube auch, wir sollten mit der Zeit auf Wagners Werk zu sprechen kommen.

    ...

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Was auch wieder logisch ist, denn Frankreich war Meyerbeer (Wagner hätte wahrlich einen Therapeuthen gebraucht!) und Italien war Rossini.


    Nö. Italien war Bellini und Donizetti, später Verdi!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Liebestraum
    wozu zuverlässige Äußerungen? Gezwungen hat sie niemand in Bayreuth zu dirigieren oder zu musizieren!
    Wer Wagner-Gegner war, war ohnehin nicht in Bayreuth zu finden.


    Schon klar, aber ein gebildeter Mann wie Levi wird sich doch wohl etwas gedacht haben, unter dem AS Wagner zu dirigieren oder seine Werke aufzuführen?


    Ich komme bewußt nicht auf Zeitgenossen wie Barenboim zu sprechen. Mir geht es um Zeitgenossen Wagners.


  • ... würdest Du dann auch unterstellen, dass das mit den Juden bei Wagner schon nicht so schlimm ist, weil er z. B. die Halévy-Oper "Juive" ziemlich wörtlich im "Tristan" zitiert, ihm also diese Musik gefallen haben muss?


    Mein Eindruck von der Diskussion hier ist, dass es niemanden gibt, der den Antisemetismus Wagners entschuldigt oder gar in Frage stellt. Welche Auswirkungen er auch auf Wagners Schaffen hat, darüber wird immer wieder - und das ist gut und richtig so - (auch) leidenschaftlich gestritten.

  • Lieber Edwin,
    ich denke schon,daß Antisemitismus in unserer christlichen Kultur
    einen religiösen Hintergrund hat.Durch die Christlichen Religionen
    wurden die Juden als "Gottesmörder"abgestempelt.Das gilt
    nicht nur für den Katholizismus.Auch Luther war ein fanatischer
    Judenfeind,und das sicher nicht aus rassistischen Gründen.


    :hello:Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Edwin,


    ja, wo kommt Wagner her....?


    Wagner entstammt schon der romantischen Linie der deutschen Oper: Spohr, hauptsächlich Weber (den Wagner sehr verehrte), etwas Marschner.


    Jakob Liebmamm Meyer Beer alias Giacomo Meyerbeer hatte in Deutschland keinen Erfolg, über Italien nach Paris ziehend wurde er der führende Kopf der Grand Opera.


    Wagner war zunächst so beeindruckt vom Erfolg Meyerbeers, für den Sachsen war klar, so erfolgreich wollte er auch sein... :yes:


    Leider (oder Gott sei Dank!?) hatte Meyerbeer wenig Interesse an Wagner, ließ ihn links liegen. :kotz:


    Meyerbeer wußte: Es kann nur einen GROSSEN geben: Meyerbeer! :jubel:


    Aus dieser Behandlung Meyerbeers erwuchs der Hass gegenüber dem Juden Meyerbeer. :motz:


    Dennoch war der Einfluß Meyerbeers bei vielen Komponisten spürbar: Gounod, Berlioz, Verdi und, und, und eben auch Wagner :pfeif:



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

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