Unterthema HIP: Originalinstrumente oder Nachbauten?

  • Zitat

    Nur dass ich frech behaupte, dass es sich im Fall der "alten" umgebauten Instrumente wohl oft um so etwas wie Selbsthypnose handeln muss. Beim Hören so mancher hochgepriesener "Stradivari" führt mich die Inspiration jedenfalls eher in Richtung Kaminholz.


    Zitat

    Ich finde, sie klingen so, als ob man eine Silbermannorgel mit Pressluft betriebe. Da hilft auch kein Steg nie nicht.


    Was denn, Du willst behaupten, dass fast alle Geiger von Heifetz bis Hahn würden nichts hören bzw. so wie Dus beschreibst klingen, denn darauf läuft es ja wohl hinaus ? :wacky:


    Gruss


    Syrinx

  • Interessant, was Michael [ :hello: ] Praetorius darüber schreibt:


    [...] Deroselben Baß= Tenor= und Discantgeig [welche Violino, oder Violetta picciola, auch Rebecchino genennet wird] seynd mit 4 Saiten... und werden alle durch Quinten gestimmet. Und demnach dieselbige jedermann bekandt ist darvon [außer diesem | daß wenn sie mit Messings= und Stälenen Saiten bezogen werden | einen stillen und fast lieblichen Resonanz mehr als die anderen | von sich geben] [...]


    Etwas konfus formuliret zwar, aber was entnehmen wir dieser Aussage? Zum einen gab es bereits im frühen 17. Jahrhundert Stahlsaiten in Europa [wenn nicht gar früher]. Ob sie zur Uraufführung der Brandenburgischen Konzerte oder Beethovens Siebenter verwendet wurden, verrät Praetorius leider nicht. Zum anderen mochte auch er den Klang offenbar nicht, denn er war [damals zumindest] alles andere als lieblich.


    Übrigens habe ich eben irgendwo im Netz gelesen, dass es sogar Seidensaiten gab - werden diese heute noch bespielt? Wo kann man das hören? Wie klingt das?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Syrinx
    Was denn, Du willst behaupten, dass fast alle Geiger von Heifetz bis Hahn würden nichts hören bzw. so wie Dus beschreibst klingen, denn darauf läuft es ja wohl hinaus ? :wacky:


    Überspitzt: ja.


    Seriöser formuliert: Wenn sich ein Klangbild erst einmal als alleiniges etabliert hat, ist der Weg zum Schönheitsideal nicht mehr weit.
    Dass es dann für einen anderen Klang schwer ist, auf Wohlgefallen zu stoßen und ebenfalls als schön anerkannt zu werden, ist verständlich.
    Dabei ist es doch eher unwichtig, was früher oder später war. Vermutlich wäre Tartini (um nicht schon wieder Locatelli bemühen zu müssen) schreiend davongelaufen, wenn er auf Stahlsaiten hätte spielen sollen.


    Mich stört dabei aber, dass mit zum Teil seltsamen Argumenten eine quasi objektive Auf- oder Abwertung versucht wird. Es muss doch einleuchten, dass derart tiefgreifende Veränderungen, wie sie oben zur Sprache kamen, nicht viel von dem übrig lassen, was den ursprünglichen Klang ausgemacht hat. Folglich kann ich auch kaum mehr von einer Stradivari oder sonstwas sprechen, geschweige denn eine spielen oder hören.


    Und wenn Michael schreibt


    Zitat

    Ein erstklassiges altes Instrument gibt dem Spieler wesentlich mehr Inspiration und Möglichkeiten.


    glaube ich ihm das, gleichzeitig stellen sich mir aber zwei Fragen:
    1. Wieso bekomme ich solche Aussagen fast ausschließlich von Streichern zu hören?
    2. Lasse ich das "alt" einmal weg, sollte der Satz im Sinne von "ein erstklassiges gegenüber einem minderwertigen" immer noch stimmen. Nur habe ich dann das Problem, an zahlreichen Instrumenten im Wandel der Zeit jeweils andere Ideale vorzufinden. Hätten die einen dann inspiriert gespielt und die anderen nicht? Oder umgekehrt? Was sind "mehr Möglichkeiten"?


    Immer bekommt man apodiktisch etwas um die Ohren gehauen, was sich der näheren Betrachtung verweigert. Da kann einer offenbar selbst auf einem Schuhkarton meisterlich brillieren, wohingegen er später ein erstklassiges und altes Instrument zur Inspiration benötigt. Das mag im Allgemeinen ja ein Licht werfen, im Einzelnen ist es eine nicht überprüfbare Aussage und hilft nicht weiter.


    Wenn es endlich einmal aufhören würde, das alte oder meinetwegen "authentische" Instrumente zu Gunsten moderner und eben auch umgebauter schlecht gemacht werden, würde mich das sehr freuen.


    Gewaltig stört mich aber, wenn ich als fixiert auf etwas bezeichnet werde, womit ja die nette Implikation des Starrsinns verbunden ist – kein besonders hübsches Manöver, besonders dann nicht, wenn mir nachher noch Desinteresse unterstellt wird, obwohl ich einen ganzen Sack Fragen gestellt hatte, die durchaus nicht nur rein rhetorischen Charakter hatten.

  • Zitat

    Original von Ulli



    Übrigens habe ich eben irgendwo im Netz gelesen, dass es sogar Seidensaiten gab - werden diese heute noch bespielt? Wo kann man das hören? Wie klingt das?


    Und es gab Trompeten aus Glas, Orgelpfeifen aus Porzellan und und und


    Hätten sie überzeugend gewirkt, wüssten wir mehr darüber.

  • Hallo Hildebrandt,


    Zuerst mal, mir gefällt sowohl der Klang eines historischen Instrumentes, wie auch der eines modernen INstrumentes, wenn es gut gespielt wird. Ich seh da jetzt keinen Konflikt für mich. Wenn Du allerdings etwas von "Selbsthypnose" schreibst, dann spitzt Du hier einen entweder-oder-Konflikt zu, der irgendwie unnötig ist. Auch kannst Du im Gespräch mit einem Musiker, der auf Stahlsaiten spielt, nicht erwarten dass er bei Deiner Bemerkung (Silbermannorgel mit Pressluft) darüber nicht etwas pickiert ist.


    Zitat

    Seriöser formuliert: Wenn sich ein Klangbild erst einmal als alleiniges etabliert hat, ist der Weg zum Schönheitsideal nicht mehr weit. Dass es dann für einen anderen Klang schwer ist, auf Wohlgefallen zu stoßen und ebenfalls als schön anerkannt zu werden, ist verständlich. Dabei ist es doch eher unwichtig, was früher oder später war.


    Das kann ja sein, nur hat sich dieses Klangideal ja auch nicht per Verordnung durchgesetzt, sondern einfach, weil es den Leuten besser gefallen hat. Dafür gibt es auch Gründe, genauso für HIP.


    Zitat

    Mich stört dabei aber, dass mit zum Teil seltsamen Argumenten eine quasi objektive Auf- oder Abwertung versucht wird. Es muss doch einleuchten, dass derart tiefgreifende Veränderungen, wie sie oben zur Sprache kamen, nicht viel von dem übrig lassen, was den ursprünglichen Klang ausgemacht hat. Folglich kann ich auch kaum mehr von einer Stradivari oder sonstwas sprechen, geschweige denn eine spielen oder hören.


    Trotzdem klingen auch umgebaute Stradivaris ausgezeichnet. Ob sich der Kern des Originalklangs bewahrt hat, kann ich nicht beurteilen- es sollte aber zu Denken geben, dass diese Instrumente sowohl zu Lebzeiten, wie auch Heute geschätzt werden.
    Ich bin wie schon erwähnt, selber kein Streicher, spiele aber mit vielen zusammen. Einer meiner Kammermusikpartner hat eine Zeit lang nach, nach einer neuen Geige gesucht, kam also fast zu jeder Probe mit einem anderen. Da waren sowohl alte Instrumente, wie auch neue dabei. Schlussendlich hat mein Kollege sich dann für einen alten Italiener für 230000 DM entschieden. Diese Entscheidung war für mich absolut nachvollziehbar und wir standen nicht unter Hypnose.


    Zitat

    Und wenn Michael schreibt Zitat: Ein erstklassiges altes Instrument gibt dem Spieler wesentlich mehr Inspiration und Möglichkeiten. glaube ich ihm das, gleichzeitig stellen sich mir aber zwei Fragen: 1. Wieso bekomme ich solche Aussagen fast ausschließlich von Streichern zu hören? 2. Lasse ich das "alt" einmal weg, sollte der Satz im Sinne von "ein erstklassiges gegenüber einem minderwertigen" immer noch stimmen. Nur habe ich dann das Problem, an zahlreichen Instrumenten im Wandel der Zeit jeweils andere Ideale vorzufinden. Hätten die einen dann inspiriert gespielt und die anderen nicht? Oder umgekehrt? Was sind "mehr Möglichkeiten"?


    1.Die Aussage wirst Du ohne das alt, auch von Nichstreichern hören, z.B. von mir. Bei den Streichern gibt es diese alten Instrumente, bei vielen anderen Instrumenten ist dies aufgrund des Materials oder einer völlig veränderten Bauweise anders.
    2. Ein erstklassiges Instrument erweitert das Spektrum jedes Musikers so zu spielen, wie dieser sich das vorstellt. Bzgl der Ideale im Wandel der Zeit: Wenn die Instrumentalideale anders waren, dann bedeutet das auch das die Spielweise eine andere war, also hatte auch "inspiriertes Spiel" im Kern die gleiche Bedeutung, aber möglicherweise ein anderes Ergebnis- das ist ja eine wesentliche Idee der historischen Aufführungspraxis. "Mehr Möglichkeiten" bedeutet das Gefühl besser seine Vorstellungen umsetzen zu können, z.B. im Bereich der Klangfarben, der Dynamik, der Technik etc.
    Grundsätzlich bekommt auch das Publikum eines Konzert mindestens unterschwellig mit ob sich ein Instrumentalist auf seinem Instrument wohlfühlt.


    Zitat

    Da kann einer offenbar selbst auf einem Schuhkarton meisterlich brillieren, wohingegen er später ein erstklassiges und altes Instrument zur Inspiration benötigt. Das mag im Allgemeinen ja ein Licht werfen, im Einzelnen ist es eine nicht überprüfbare Aussage und hilft nicht weiter.


    Die technischen und geistig/emotionalen Anforderungen an einen Musiker sind so hoch, dass man das beste Material benötigt, um zu bestehen, gerade in der Entwicklungsphase.


    Und was die unüberprüfbare Aussage betrifft. Glaubst Du nicht, dass man Menschen, die ihr ganzes Leben mit dem Instrument verbringen das einfach glauben kann. Man könnte Dir das auch einfach vorführen, aber das geht über das Internet leider nicht.


    Schöne Grüsse aus der Schweiz :hello:


    Syrinx

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  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Und es gab Trompeten aus Glas, .....


    Ich habe mal ein Konzert mit einem Trompeter mit einem Glasinstrument gespielt. Entscheidend ist der Klang, und diese Glastrompete klang irgendwie hart, sehr klar, aber im Ton relativ unflexibel, sehr eigenartig - es ist sehr schwer, so etwas zu beschreiben. Von der Fragilität mal abgesehen, und der Sperrigkeit - es gab nur gerade Modelle, die zwei Meter und mehr Länge hatten .....


    Ob jemand Darm- oder Metallsaiten lieber mag, ist sicher Geschmack- und Gewohnheitssache. Ich mag Darmsaiten auch lieber, aber muß auch konstatieren, dass fast alle "metallischen" Streicher auch das Dauervibrato praktizieren, was mir den Geigenton weitaus mehr verleidet als das Metall ..... Es hängt auch wesentlich davon ab, wer spielt - Anner Bylsma hat sein ganzes Leben hindurch nur Darmsaiten gespielt, da höre ich kein Kratzen - genauso habe ich Aufnahmen mit Metallsaiten und lieblichem Ton. Da spielen - wie immer - sehr viele Faktoren eine Rolle.
    Auch bezüglich der Amatis und Stradivaris stimme ich zu, dass es da wohl keine mehr im Originalzustand gibt, auch keine, die zurückgebaut wurde. Da ein HIP-Geiger alte Mensur will, bleibt ihm oder ihr gar nichts anderes übrig, als auf neu nach alten Maßen gebaute Instrumente zurückzugreifen - aber ein Rowland Ross, dessen Geigen z.B. Monica Huggett spielt, hat ewig lange Lieferzeiten. Sie deswegen nicht als Spitzengeigerin zu bezeichnen, fände ich eher überheblich. Die Mehrheit der der Liebhaber, Kritiker und auch Musiker scheint sowieso mit der HIP ziemlich herablassend umzugehen, was ich ehrlich gesagt widerlich finde - da werden anscheinend zu viele liebe Gewohnheiten angekratzt. Wir können doch froh sein, daß wir auf diese Vielfalt zurückgreifen können! Mit jeder Entwicklung wird etwas gewonnen, geht aber auch etwas verloren. Meiner Empfindung nach wurde durch die HIP einiges wiedergewonnen - das Fahrgefühl eines alten Opel Diplomat kann ich ja auch nicht in einem neuen Astra bekommen! Sowohl als auch, nicht entweder oder.


    Mir fällt in diesem Zusammenhang eine Bemerkung von Skip Sempé ein, er hätte Quellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert gelesen, aus denen hervorging, dass die Cembalisten 10 bis 20 Jahre alte Instrumente neuen vorgezogen hätten. Hört man sein 30 Jahre altes Skowronek-Cembalo und -Virginal auf der CD, kann man ihm nur recht geben. Wie und wie gut ein Instrument altert, hängt von vielen Faktoren ab. Apfelbäume werden ja auch nicht so alt wie Buchen.


    Bei alten Klavieren kommt hinzu, dass der Bau im Laufe der Jahrzehnte immer aufwendiger wurde; die ersten Modell inzwischen untergegangener Marken um 1900 liessen sich nur mit immensem technischen Aufwand nachbauen und wäre unbezahlbar.

  • Zitat

    Original von Syrinx


    Das kann ja sein, nur hat sich dieses Klangideal ja auch nicht per Verordnung durchgesetzt, sondern einfach, weil es den Leuten besser gefallen hat. Dafür gibt es auch Gründe, genauso für HIP.


    Die "Verordnung" war ja zum Teil die zur Tugend gemachte Not, da durch die beiden Weltkriege die beiden Hauptlieferländer für Darmsaiten, Deutschland und Italien, ausfielen. Eine ganze Generation hatte den Klang von Darmsaiten einfach nie gehört! Dazu die Entwicklung zu immer größeren Sälen, größerer Lautstärke ... ich wünsche mit oft den Weg zurück zu kleineren Sälen, kleineren Besetzungen und leiseren, dafür aber klangschöneren Instrumenten (und würde dafür auch höheren Eintritt bezahlen).

    Einmal editiert, zuletzt von miguel54 ()

  • Zitat

    Original von Syrinx
    Zuerst mal, mir gefällt sowohl der Klang eines historischen Instrumentes, wie auch der eines modernen INstrumentes, wenn es gut gespielt wird. Ich seh da jetzt keinen Konflikt für mich.


    Ich für mich schon, vor allem, wenn man mir fortwährend erklären will, dass das angeblich Moderne das Bessere ist.


    Zitat

    Wenn Du allerdings etwas von "Selbsthypnose" schreibst, dann spitzt Du hier einen entweder-oder-Konflikt zu, der irgendwie unnötig ist. Auch kannst Du im Gespräch mit einem Musiker, der auf Stahlsaiten spielt, nicht erwarten dass er bei Deiner Bemerkung (Silbermannorgel mit Pressluft) darüber nicht etwas pickiert ist.


    Das ist nichts anderes als Notwehr gegenüber der immer noch herrschenden Diskriminierungspraxis, nach der man z. B. aus einem Stuhlbein eher Töne hervorlocken könnte als aus einem Barockfagott. :D


    Zitat

    Das kann ja sein, nur hat sich dieses Klangideal ja auch nicht per Verordnung durchgesetzt, sondern einfach, weil es den Leuten besser gefallen hat. Dafür gibt es auch Gründe, genauso für HIP.


    Die Gründe lagen aber nicht lediglich im Gefallen, sondern in der gewünschten Lautstärke und im Mangel an genügend geeigneten Instrumenten begründet. Das Gefallen kam erst hinterher als die berühmte normative Kraft des Faktischen.


    Zitat

    Trotzdem klingen auch umgebaute Stradivaris ausgezeichnet.


    Finde ich nicht. Für mich klingen viele ganz schrecklich, und mir tut das vergewaltigte Instrument meistens sehr leid.


    Zitat

    Ob sich der Kern des Originalklangs bewahrt hat, kann ich nicht beurteilen- es sollte aber zu Denken geben, dass diese Instrumente sowohl zu Lebzeiten, wie auch Heute geschätzt werden.


    Von mir nicht. Und ich glaube auch nicht, dass ich da allein auf weiter Flur stehe – aber selbst wenn...


    Zitat

    Ich bin wie schon erwähnt, selber kein Streicher, spiele aber mit vielen zusammen. Einer meiner Kammermusikpartner hat eine Zeit lang nach, nach einer neuen Geige gesucht, kam also fast zu jeder Probe mit einem anderen. Da waren sowohl alte Instrumente, wie auch neue dabei. Schlussendlich hat mein Kollege sich dann für einen alten Italiener für 230000 DM entschieden. Diese Entscheidung war für mich absolut nachvollziehbar und wir standen nicht unter Hypnose.


    Eine ähnliche Geschichte habe ich auch erlebt, nur war es eine alte Tirolerin. Die wurde sofort nach dem Kauf zurückgebaut. Erst dann war der Geiger glücklich.


    Zitat

    1.Die Aussage wirst Du ohne das alt, auch von Nichstreichern hören, z.B. von mir. Bei den Streichern gibt es diese alten Instrumente, bei vielen anderen Instrumenten ist dies aufgrund des Materials oder einer völlig veränderten Bauweise anders.


    Nur sehr eingeschränkt ja. Denn sonst müssten wir am Ende wirklich allen Instrumentalisten der Vergangenheit, die sich mit falsch gebohrten Blockflöten, zentnerschweren Bastardlauten und zirpenden Cembalopanzern abgemüht haben, die Inspiration und demzufolge auch die Qualität ihrer Leistung aberkennen.


    Zitat

    2. Ein erstklassiges Instrument erweitert das Spektrum jedes Musikers so zu spielen, wie dieser sich das vorstellt. Bzgl der Ideale im Wandel der Zeit: Wenn die Instrumentalideale anders waren, dann bedeutet das auch das die Spielweise eine andere war, also hatte auch "inspiriertes Spiel" im Kern die gleiche Bedeutung, aber möglicherweise ein anderes Ergebnis- das ist ja eine wesentliche Idee der historischen Aufführungspraxis. "Mehr Möglichkeiten" bedeutet das Gefühl besser seine Vorstellungen umsetzen zu können, z.B. im Bereich der Klangfarben, der Dynamik, der Technik etc.
    Grundsätzlich bekommt auch das Publikum eines Konzert mindestens unterschwellig mit ob sich ein Instrumentalist auf seinem Instrument wohlfühlt.


    Das will ich doch hoffen!
    Aber gab es für Rastencembali etc. jemals eine ideale Spielweise?


    Zitat

    Die technischen und geistig/emotionalen Anforderungen an einen Musiker sind so hoch, dass man das beste Material benötigt, um zu bestehen, gerade in der Entwicklungsphase.


    Das gilt nicht nur für Musiker, nicht nur bei hohen Anforderungen und nicht nur in der Entwicklungsphase. :untertauch:


    Zitat

    Und was die unüberprüfbare Aussage betrifft. Glaubst Du nicht, dass man Menschen, die ihr ganzes Leben mit dem Instrument verbringen das einfach glauben kann. Man könnte Dir das auch einfach vorführen, aber das geht über das Internet leider nicht.


    Hab ich nicht gesagt, dass ich ihm das glaube? Trotzdem bleibe ich dabei, dass die Inspiration, die von einer umgebauten Geige ausgeht, mit Selbstbetrug zu tun hat. Aber das ist kein Problem, Placebos helfen ja auch – ohne bösen Hintersinn.
    Und vorzuführen brauchst Du mir da wirklich nichts.


    Nix für ungut und schöne Grüße
    Hildebrandt


    _____________________________________
    [SIZE=7]Hier stehe ich, ich kann auch anders.[/SIZE]

  • Hallo alle zusammen!
    Als Geigenbauer (ich glaub ich bin der erste hier) interessieren mich natürlich angesprochene Themen wie Dieses, oder auch "Mythos Stradivari" in einem anderem Thread. Viele Streicher wie auch Instrumentenbauer sind natürlich interessiert was den an den "Alten" so besonders ist, bzw. die große Frage nach dem oder den Geheimnissen, und ob sie optisch wie akustisch in neuen Instrumenten reproduzierbar sind.


    Bevor ich jetzt einen ellenlangen Text verfasse, denke ich daß ich größtenteils auf eure Fragen und Kommentare warte, bzw meine stelle.


    Zuerst: Was versteht ihr alle unter einem "Klangschmelz"?
    Das gewisse Etwas, der Fingerschnalz? Oder ganz einfach nur eine subjektive Fetishvorstellung, was halt in unserem Gehirn als besonders angenehm erscheint.
    Jedenfalls erscheint dieser Ausdruck bei einer subjektiven Beurteilung eines Streichinstrumentes nicht. Da sind vor allem Klangfarbe, Klangvolumen, Dynamik, Ansprache, Ausgeglichenheit, Stimmung und Spielbarkeit von Bedeutung. Ist der Klangschmelz in einem idealen Zusammenspiel der obigen Kriterien zu finden, bzw. durch den Musiker herauszuholen?

    Michael

  • Hallo Koebi,


    Zitat

    Viele Streicher wie auch Instrumentenbauer sind natürlich interessiert was den an den "Alten" so besonders ist, bzw. die große Frage nach dem oder den Geheimnissen, und ob sie optisch wie akustisch in neuen Instrumenten reproduzierbar sind. Bevor ich jetzt einen ellenlangen Text verfasse, denke ich daß ich größtenteils auf eure Fragen und Kommentare warte, bzw meine stelle.


    Ja das wär ja eigentlich meine Frage schon. Bist Du der Meinung, dass die grossen Geigenbauer überschätzt werden bzw, dass sich der Klang eines grossen Instrumentes reproduzieren lässt ?


    Gruss


    Syrinx

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  • Die Fragestellung find ich gut! Es kommt nicht gleich "alt" "italienisch" und "Stradivari" vor.


    Kann überhaupt ein spezieller Klang einer Violine gleich ob alt oder neu, sowie gut oder schlecht reproduziert werden? Ich denke man kann den akustischen Charakter eines Streichinstrumentes nachbauen, aber ihn niemals Klonen. Wobei der gleiche Klangcharkter schon wieder nicht derselbe Ton ist. Eher ist ein guter Spieler in der Lage einen gewissen Ton zu erzeugen wenn das Instrument dementsprechende Anlagen aufweist.


    Werden die großen Geigenbauer überschätzt?


    Man möge mir verzeihen. Tonlich ja! (Im Verhältnis zum Preis jedenfalls)
    Als Kunstgegenstand und Antikquität nein.


    Viele Musiker wählen ihr Streichinstrument natürlich nach dem Ton aus der ihnen am besten und schönsten zusagt, und relativ leicht aus dem Instrument herauszuholen ist.
    Machen sich allerdings mit einem Vorurteil auf die Suche "alt + teuer = gut", wobei die meisten wissen das sie eigentlich den Preis für ein altes Instrument nicht für den Ton bezahlen müssen, sondern für den antiquarischen Wert. Ein renomierter schweizer Geigenhändler weist sogar ganz ehrlich auf seiner Webseite darauf hin.
    Der Satz: "Ein Erbauer ist nicht an einem Klang zu identifizieren" trifft es auf den Punkt.


    Auch das Alter eines verwendeten Holzes ist nicht erhörbar, wobei das Alter der Geige nicht gleich das Alter des Holzes ist, sowie eine neue Geige gebaut aus altem Holz keine alte Geige ist. Das Alter eines für den Geigenbau verwendete Holz ist kein Qualitätsmerkmal!
    "Die Schallgeschwindigkeit der Longitudinalwellen längs zur Faser bei Fichtenholz liegt zwischen 4800...6200 m/s. Die Dichte zwischen 320...420 kg/m^3. Der Quotient beider Größen bildet ein Qualtitätsmaß
    für ein Tonholz, und nicht das Alter. Selbstverständlich sollte ein gutes Holz abgelagert sein. Aber für die Verwendung sehr alten Holzes (100 Jahre und noch mehr) gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis das dies von Vorteil wäre. Vielmehr die Frage ob sich beim Altern des Instrumentes die Qualität des Holzes, und auch des Geigentones verändert, und zwar zum Positiven mit allen physikalischen Einflüssen. Sei es durch den Spieler oder der ausgesetzten Umwelt.

    Michael

  • Bei meinem Telefonat mit Alfred Schmidt kam kurz ein Interessanter Vergleich zur Sprache. Es gibt einen hörbaren Unterschied ob man eine alte Türe zuhaut, oder eine neue. Dem gebe ich recht. Allerdings wenn ich das Schloss auswechsle, das Holz mit diversen Firnissen tränke, lackiere (von mir aus mit Geigenlack :D) wird er den Klang nicht wiedererkennen. Demgegenüber könnten wir eine neue massive Türe aus dem Baumarkt solange mit diversen Werkzeugen bearbeiten bis sie nicht nur optisch alt aussieht, sondern sich auch so anhört.

    Michael

  • Hallo Koebi,

    Zitat

    Ist der Klangschmelz in einem idealen Zusammenspiel der obigen Kriterien zu finden, bzw. durch den Musiker herauszuholen?


    Von meiner Seite aus kommt diese Beschreibung hin.


    Zitat

    Machen sich allerdings mit einem Vorurteil auf die Suche "alt + teuer = gut",


    Ich habe jahrelang ein modernes Instrument von Thomas Schiegnitz gespielt- ein gutes Instrument übrigens- , und habe bei der Suche nach meinem jetzigen Instrument keinerlei Vorurteile gehabt.
    Allerdings gab es dann letzlich kein modernes Instrument, welches mir so gut gefiel wie das ältere Instrument, welches ich dann kaufte.


    Zitat

    Man möge mir verzeihen. Tonlich ja!


    Ich kann nur immer wiederholen, daß ich diese Instrumente ja nun als Instrumentalist vergleiche, und da habe ich leider bisher andere Erfahrungen machen müssen.
    Allerdings kenne ich keine Instrumente von Dir und natürlich wäre ich sehr gespannt, eines Deiner Instrumente einmal auszuprobieren.
    Denn ich stelle nicht in Abrede, daß es ganz hervorragende neue Instrumente gibt, die allerhöchsten klanglichen Kriterien genügen.


    Aber solche Instrumente sind auch nicht leicht zu finden und bisher ist mir ein solches halt noch nicht über den Weg gelaufen.


    Allerdings finde ich es eigenartig, immer wieder zu lesen, daß "Musiker" einer "Selbsthypnose", einem "Vorurteil "oder ähnlichem erliegen sollen.
    Eigenartig, nicht?
    Dabei kann es so simpel sein:


    Ganz simpel:
    Ich habe das Teil unter meinen Fingern-modern oder alt, italienisch, französisch, deutsch, chinesisch, hindu, gehupft wie gesprungen, mit Darm-, Wolfram-, Stahl-, Kunststoff- Saiten- mit Stahlkern oder als Seilsaite mit flexiblem Kern, oder als Chromsaite oder was auch immer.
    :faint: :stumm::pfeif:
    Entweder, es genügt meinen Klangvorstellungen sowie meinem Preis-Leistungs-Verständnis, das natürlich sehr angespannt ist........


    Oder nicht.


    Ich spiele ja auch "nur" einen Franzosen, aber einen sehr schönen.
    Alte Italiener kann ich mir nicht leisten.


    Man biete mir bitte ein anderes, weniger teures Instrument, welches genausogut klingt und so reagiert oder besser wie mein Gustave Bernardel von 1896( ein französisches Manufaktur-Instrument von wirklich nicht großem Wert-höchstens 100.000,-), und ich bin der erste, der sein altes Instrument gewinnbringend verkauft und wieder auf ein modernes zurückkommt.


    So einfach ist das.

  • Es war nicht von einer alten odr neuen Türe die Rede - sondern von einer frisch lackierten.
    Der frisch aufgetragene Lack ist noch nicht durchetrocknet, die Türe ist darch ihn wie in einer zähen Folie gefangen. schlägt man eine frisch gestrichene Tür zu, dann ergibt das ein dumpfes, weil schwingungsgedämpftwes Geräusch.


    Ist der Lack durchgetrochnet, dann wird er härter und spröder, die Türe wird durch den Lack nicht mehr gedämpft.....


    Heuteige Kunstharzlacke, trochnen in wenigen Wochen, Monaten durch, ein Ölbild - mit Leinöl gemalt, mit Dammar gefirnisst, jedoch braucht dazu etwa 70 Jahre (!!!)


    Wie lange Geigenlack (wie war dereinst seine Rezeptur - Wie ist sie heute ???) dazu braucht, das weiß ich nicht - aber es ist ein wichtiges Kriterium.


    Ein weiterer Faktor ist, wie dich bzw dünn der Firniß , der aufgetragen wurd ist: Dünner Firniß dringt tief in die Poren des Holzes ein, und durchdringt es quasi. Er ist kaum mehr zu entfernen. Dicker Firniß liegt an der Oberflöäche des Holzes - er ist leicht zu entfernen und zu ersetzen - eine "Tiefenwirkung" findet de facto nicht statt.


    Ein mir einst bekannter Geiger, Thomas Kakuska, behauptete in einem (für mich sehr lehrsamen) Gespräch, eine Geige würde nach jeder Reparatur ihren Klangcharakter geringfügig ändern......


    Fragen über Fragen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    eine Geige würde nach jeder Reparatur ihren Klangcharakter geringfügig ändern......


    Hallo Alfred,
    das stimmt absolut, kann aber auch damit zusammenhängen, daß sich die Spannungsverhälltnisse des Instrumentes nach der Leimung eines Risses oder einer offener Decke o.ä. verändern.
    Das liegt dann aber m.e. wirklich nicht am Leim.
    Ich habe es selber nach fast jeder Riss- oder offener Zargen und/ oder Einlagen- Reparatur erlebt, daß das Instrument sich verändert und einige Zeit braucht, bis es wieder richtig funktioniert.


    Oft, aber natürlich nicht immer, ist es auch nötig, nach einem solchen Eingriff den Stimmstock und den Steg neu zu positionieren, da das Instrument nun einem andern Spannungsverhältniss ausgesetzt ist.
    Das kann bis zum Wechsel der vorher noch funktionierenden Besaitung gehen.


    Im Sommer war es bei mir leider wieder soweit:


    Einige offene Stellen: Nach der Reparatur klang das Instrument schlechter als vorher, auch die Ansprache der Saiten war dahin.


    Die G-Saite wurde dann gegen ein anderes Format (in diesem Falle eine "Larsen Soloist soft" gegen eine normale "Larsen soft" ) umgetauscht.
    Das Spannungverhältniss der Saiten untereinander muß halt auch 100% stimmen:
    Eine nicht passende G-Saite z.B. hat nicht nur Auswirkungen auf sich selber, sondern auf alle anderen Saiten im selben Maße.
    Es geht eigentlich immer von unten nach oben:
    Eine abgespielte oder nicht passende C-Saite verschlechtert den Klang der nachfolgenden Saiten G-D-A- erheblich mehr als eine abgespielte A-Saite


    Als das noch nicht 100% hinhaute wurde ein neuer , schlankerer Stimmstock eingebaut.
    Es ist nicht so, das ein schlankerer Stimmstock in jedem Fallem besser wäre, aber hier war es plötzlich unabdingbar.


    Aber das war auch noch nicht 100% zufriedenstellend:
    Die Position der Saitenhalteraufhängung wurde neu ermittelt und der Sitz des Steges im Verhältniss zum neuen Stimmstock und vice versa.
    Das dauert und man braucht erstens einen Geigenbauer mit sehr viel Können und zweitens einen Musiker, der sich darauf einläßt.
    Schlußendlich wurde auch noch der vorher wunderbar funktionierende Steg an bestimmten Stellen ein kleines wenig nachgearbeitet, d.h., es wurden kleinste Mengen an Holzmaterial an bestimmten, nur dem Geigenbauer erkennbaren Stellen, abgeschliffen.


    Jetzt klingt die Winsel wieder wunderbar, spricht super an und hat einen absolut ausgeglichenen Klang bei Saitenübergängen, genau wie vorher.


    Auch, und das möchte ich hiermit einmal betonen, hat mein Cello nicht den berüchtigten Stahlsaitensound, den ich im übrigen auch nicht besonders leiden kann.


    Es ist alles eine Frage des Kompromisses, den man eingehen möchte:
    Darmsaiten sind sehr empfindlich, sind schwerer (beim Cello) zu stimmen(es gibt keine Feinstimmer), reißen sehr schnell und halten die Stimmung schlechter als Stahlsaiten.
    Darmsaiten sind im Klang modulationsfähiger- das ist wirklich toll und man sollte als Streicher diesen Unterschied wirklich kennen und erlebt haben- ,tendieren aber im Sound mehr in die Breite, übrigens bei durchaus gleicher Lautstärke!
    Stahlsaiten fokussieren dagegen mehr.


    Ein Dogma daraus zu machen wäre m.e. völlig falsch:
    Alle hier, oder zumindest fast alle hier werden wahrscheinlich Jaqueline du Pre's Aufnahme des Elgar-Konzertes unter Barbirolli kennen:
    Für JDP war es in den 60er Jahren ganz normal, auf C-und G-Saite Darmsaiten zu verwenden und D-und A-Saite mit Stahlsaiten zu bespannen, das war in England sehr üblich bis in die 80er Jahre hinein.
    Ludwig Hölscher hat C-G-und D-Saite mit Darmsaiten gespielt und auf der A-Saite eine Stahlsaite verwendet.
    Aber was für Stahlsaiten waren das?
    Aus heutiger Sicht waren das wirklich krächzende Ungetüme, wer eine Aufnahme mit Ludwig Hölscher besitzt, wird einen deutlichen Umbruch zur A-Saite feststellen können.
    Steven Isserlis spielt immer noch Darmsaiten auf der C--und G-Saite-mindestens- ,zu Recht übrigens, denn man sollte immer auf dem spielen, was einem am meisten liegt.


    Heutzutage gibt es allerdings auch einen großen Bereich an hervorragenden Stahlsaiten, welche fast jedem Klangideal entsprechen.


    Fast jedenfalls!
    Ich persönlich muß jedem Klangideal von 1600 bis heute irgendwie gerecht werden als Berufsmusiker.
    Dazu gehört mittlerweile ein Barockbogen aber auch ein Umdenken in dem Klangideal, das noch in den 70er Jahren üblich war.
    Der agressive stählerne Klang war meine Sache sowieso noch nie, eher der runde sonore Klang.


    Also gut:
    Mit Darmsaiten lassen sich viele der barocken Werke mit Sicherheit noch einen Tick überzeugender spielen, aber wenn ich am nächsten Tag dann Mahlers 9te zu spielen habe, dann erfreue ich persönlich mich an einem Instrument, welches mir ermöglicht, alle diese Stile adäquat umsetzen zu können.


    Ein Kompromiss, keine Frage!
    Aber ohne Kompromisse kommt man nicht mehr herum, warum auch?
    In Zeiten der völligen Darmbesaitung gab es halt andere Kompromisse.


    Letzthin war ich in Japan, und da gab es auf einmal 30 Grad im Schatten und über 80% Luftfeuchtigkeit.
    Und das hat mein Schätzchen einfach so weggesteckt, das hat mich schon sehr beruhigt und gewundert.


    Mit Darmsaiten wäre das schwerlich möglich gewesen.


    Und mit Vibrato und nonvibrato, das ist auch so eine Sache.
    Aber das ist irgendwann ermüdend.
    Es möge doch bitte jeder Dirigent sagen, ob er etwas mit oder ohne Vibrato gespielt haben möchte, je nach Laune oder persönlichem besonderen Verständnis.


    Ich bin kaufbar und für Geld mache ich alles.


    :hello:
    Michael

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    Aber solche Instrumente sind auch nicht leicht zu finden und bisher ist mir ein solches halt noch nicht über den Weg gelaufen.


    Berufsmusiker die einen bestimmten Klangcharakter eines Geigenbauers und dessen Instrumente akzeptieren sind noch weniger zufinden, selbst auf den Hinblick das ein Streichinstrument "objektiv" alle Erfordernissen (tonlich wie handwerklich und stilkritisch) entspricht. Aber der Musiker sich auf seiner subjektiven Meinung beharrt, und ihm der Ton einfach nur nicht gefällt.


    Zitat

    Allerdings finde ich es eigenartig, immer wieder zu lesen, daß "Musiker" einer "Selbsthypnose", einem "Vorurteil "oder ähnlichem erliegen sollen.


    Siehe den Dokumentarfilm von 2004 (lief einige Male bei ARTE) "Stradivari - Liebe auf den ersten Ton".
    Da stellte es mir die Nackenhaare quer!


    Zitat

    Entweder, es genügt meinen Klangvorstellungen sowie meinem Preis-Leistungs-Verständnis, das natürlich sehr angespannt ist........


    Richtig!


    Zitat

    Wie lange Geigenlack (wie war dereinst seine Rezeptur - Wie ist sie heute ???) dazu braucht, das weiß ich nicht - aber es ist ein wichtiges Kriterium


    Die Qualität der verwendenten Substanzen in einem Lack sind entscheident, nicht wie lange er zum Trocknen braucht.


    Wenn ein Lack lange druckempfindlich bleibt, bzw. durch Wärme wieder erweicht beteutet nicht das der Lack noch nicht trocken ist, sondern das sehr weiche Harze und Öle verwendet wurden. Allerdings brauchen Lacke aus fetten Ölen sehr lange wenn sie nicht dem UV-Licht ausgestzt werden. Sie härten durch "Polymerisation" (Kennt man vom Zahnarzt mit der UV-Lampe). Lacke mit Lösungsmitteln wie Alkohol härten durch abdunsten, bzw. gleichzeitigen Aufnahme von Sauerstoff. Das geschieht immer von Innen nach Außen nicht umgekehrt.

    Michael

  • Hallo Koebi,

    Zitat

    Berufsmusiker die einen bestimmten Klangcharakter eines Geigenbauers und dessen Instrumente akzeptieren sind noch weniger zufinden, selbst auf den Hinblick das ein Streichinstrument "objektiv" alle Erfordernissen (tonlich wie handwerklich und stilkritisch) entspricht. Aber der Musiker sich auf seiner subjektiven Meinung beharrt, und ihm der Ton einfach nur nicht gefällt.


    Ich versuche jetzt schon eine ganze Weile, Deine Antwort zu verstehen, aber ehrlich gesagt gelingt es mir nicht.
    Natürlich beharrt der Musiker auf seiner subjektiven Meinung, wenn ihm der Ton nicht gefällt.
    Oder was meinst Du?


    Zitat

    Siehe den Dokumentarfilm von 2004 (lief einige Male bei ARTE) "Stradivari - Liebe auf den ersten Ton".


    Ich kenne diesen Film leider nicht, natürlich gibt es auf diesem Gebiet furchtbare Auswüchse, aber meine Meinung kommt rein aus der Spielpraxis.

  • Hallo Michael,


    da hab ich mich nicht richtig ausgedrückt. Ich meinte eher wenn du ein neu gebautes Instrument probierst, hast du einen gewissen Eindruck. Der kann gleich positiv oder negativ ausfallen. Wie du weißt braucht aber ein neues Instrument eine Entwicklungszeit die sich vorallem tonlich zeigt. Da haben viele natürlich Angst das sich ein Instrument nicht in die gewünschte Richtung entwickelt, und das Ganze mit einem Risiko behaftet ist. Obwohl ein neues Instrument handwerklich, und objektiv akustisch richtig gebaut wurde, ist die Möglichkeit groß das der subjektive Eindruck (Geschmacksrichtung) in Negative fällt.


    Zitat

    Ich kenne diesen Film leider nicht, natürlich gibt es auf diesem Gebiet furchtbare Auswüchse, aber meine Meinung kommt rein aus der Spielpraxis.



    Es ging um ein junges Talent auf der Suche nach "der" Stradivari. Dabei ist deutlich zu sehen, das dem jungen eingeredet wird, das eine Solokarriere nur mit der "richtigen" Stradivari möglich ist, bzw. mit seiner weiteren Entwicklung. Zusammen mit seinem Lehrer beginnt die weltweite Suche. Ein renomierter Geigenhändler besorgt nicht nur die "Stradivaris", sondern stellt den Jungen gleich mal zahlungkräftigen Sponsoren vor. Der Junge probiert weltweit, aber keine auf den Markt zu habene Stradivari sagt tonlich zu. :no: Zu dann bittet ein texanischer Geigenbauer den jungen zu einem Blindtest. Vor einem 100 köpfigen Publikum und hinter einem Vohang spielt er eine Stradivari zum Vergleich eine neue Geige. Über 2 Drittel (wenn ich mich erinnern konnte) befanden die neue Geige als schöner und besser! Seinem Lehrer fiel deutlich der Kinnladen runter. Mit der abfälligen Bemerkung, das ein neues Instrument aber auf gar keinen Fall eine Alternative ist. Muß auch nicht, denn zwischen heute und der klassischen Epoche liegen 300 Jahre in denen hochlassige Kunstwerke handwerklich wie tonlich geschaffen wurden.

    Michael

  • Hallo Koebi,

    Zitat

    braucht aber ein neues Instrument eine Entwicklungszeit die sich vorallem tonlich zeigt.


    Genau das ist mir auch schon passiert:
    Ich kaufte ein zuerst hervorragendes modernes Instrument, welches sich nach und nach aber immer mehr zum Problemfall entwickelte.
    Nach 5 Jahren und ziemlich vielen Stegen und Stimmstöcken habe ich dann aufgegeben, da es für meinen Berufsweg ausgesprochen wichtig ist und war, ein wirklich hervorragend funktionierendes Instrument zu spielen.

    Zitat

    Da haben viele natürlich Angst das sich ein Instrument nicht in die gewünschte Richtung entwickelt, und das Ganze mit einem Risiko behaftet ist.


    Richtig.


    Zitat

    das dem jungen eingeredet wird, das eine Solokarriere nur mit der "richtigen" Stradivari möglich ist


    So etwas ist natürlich Unsinn, wer weiß, wieviel der Lehrer und der Händler an "Vermittlungsgebühr" kassiert, wenn er eine Stradivari empfiehlt.
    Der Instrumentenhandel ist oft ein sehr schmutziges Geschäft.

  • Hallo Michael,


    Zitat

    Ich kaufte ein zuerst hervorragendes modernes Instrument, welches sich nach und nach aber immer mehr zum Problemfall entwickelte.



    Ouch!!! War das Instrument ganz neu, oder hatte es schon einige Jahre?
    Wenn ein (neues) Instrument sich nach und nach verschlechtert gibt es meist einen objektiven Grund dafür.
    (Und natürlich Verständnis, das man "entnervt" zum Alten greift")

    Michael

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  • Hallo Koebi,
    das Instrument war ganz neu.
    Das passiert ja auch nicht bei jedem Instrument.
    Vor vielen Jahren war ich dabei, wie mein Geigenbauerfreund(er ist nicht der Erbauer des Problemcellos) sein letztes Cello baute.
    Es ist ein sehr gutes Instrument geworden, welches ich bereits in unlackiertem Zustand ausgiebig ausprobierte.
    Heute wird es vom Solocellisten des Philharmonischen Orchesters Toulouse gespielt.
    Obwohl dieses Cello ganz hervorragend ist, hat mir dieser Cellist einen sehr hohen Betrag angeboten, wenn ich ihm mein Cello verkaufe.


    Es gibt halt wohl immer noch einige Unterschiede, und natürlich verkaufe ich mein Cello nicht.

  • Zitat

    Es gibt halt wohl immer noch einige Unterschiede


    Hat es schon jemanden gegeben der den Ton deines jetzigen Cellos nicht so gut gefiehl, bzw. deine Weise wie du ihn hervorrbringst?


    "Als Heifetz sein Konzert beendete kam ein Zuhörer hinter die Bühne zu ihm, und schwärmte vom überragenden Klang seiner Guarnerie del Gesù. Darauf öffnete Heifetz nochmals das Etui, hielt die Geige an sein Ohr und sagte: "Tut mir leid ich höre nichts"".


    "Every good Violinist can make a Cigarbox sounds great"

    Michael

  • Hallo,

    Zitat

    Hat es schon jemanden gegeben der den Ton deines jetzigen Cellos nicht so gut gefiehl


    Nein, und der besagte Cellist hat mich auch gar nicht spielen hören, sondern mein Instrument ausprobiert, als es beim Geigenbauer zum Lackausbessern stand.

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  • Hallo Michael,


    ja ich bin ganz im Süden ca. 40 min. vor Österreich. Ich bau ungefähr 3 - 4 Cellis im Jahr, die aber meist von amerikanischen Händlern in Auftrag gegeben werden. Da kann ich die Instrumente oft gar nicht selber hören, denn die werden auf deren Wunsch nicht spielfertig versand. Das heißt, Steg, Stimme, Saitenwahl geschieht vor Ort zusammen mit dem Kunden. Du kennst ja das Spiel. Aber es ist schön wenn man ein positives Feetback vom "Endveraucher" auch nach Jahren noch bekommt. Bei einem Besuch in meiner Werkstatt wärest du sicher sehr überrascht. Keine fertigen Instrumente zu sehen oder zu probieren. Wenn eines fertiggestellt ist wird es verpackt und verschickt. Das ist sicher sehr ungewöhnlich wenn man andere Werkstätten kennt, bzw. das Berufsbild eines Geigenbauers aus den Medien.

    Michael

  • Hallo Koebi,
    vorsicht Stilblüte:

    Zitat

    wenn man ein positives Feetback vom "Endveraucher"


    sorry :O :untertauch:
    Spaß beiseite: Du hast recht, ich finde das schon sehr ungewöhnlich.
    Dadurch entgeht Dir ja der Spaß, zusammen mit dem Musiker/Käufer den klanglichen "Feinschliff" zu erleben und durchzuführen.
    Du bist ja dann auch sehr abhängig davon, daß in Amerika ein Könner mit dem Steg, der Stimme usw. beauftragt ist und keinen Mist anstellt.


    Na, ich denke, daß dies der Fall sein wird, sonst würde es ja nicht funktionieren und Du hättest keine positiven Rückmeldungen.



    Schade, daß Du die meisten Deiner Arbeiten nie hören kannst, das ist doch sicher schwer zu akzeptieren gewesen?
    Aber Du hast doch auch deutsche Kunden, die Celli in Auftrag geben, hoffe ich?
    Ich fände es furchtbar, wenn ich etwas so schönes wie ein gutes oder hochklassiges Cello bauen könnte, und dann wäre es einfach weg und aus den Augen, bevor ich es hören würde.


    Der Erbauer meines "Problemcellos" hätte mir sicherlich geholfen, das muß ich klarstellen.
    Furchtbarerweise hat er aber bei einem Unfall in Berlin kurz nach meinem Kauf seines Cellos den größten Teil seiner Familie (zwei seiner Kinder) und seine eigene Gesundheit verloren.
    Insofern konnte mir der eigentlich wichtigste Ansprechpartner bezüglich der Probleme nicht mehr helfen, was im Vergleich zu seinem furchtbaren Schicksal auch nicht mehr wichtig war.


    Das bereits von mir beschriebene andere neue Cello meines Freundes-den ich Jahre danach kennenlernte- entstand aus dessen dringendem Bedürfniss, seine sehr großen Erfahrungen im klanglichen Einstellen von Instrumenten in einen erneuten Neubau einfließen zu lassen.
    Lange vorher hat er natürlich in Mittenwald seinen Meister gemacht und war dann in Lyon und Chicago bei den einschlägig bekanntesten Geigenbauern unter Vertrag.


    Und natürlich war er sehr gespannt, ob seine Vorstellungen am Ende funktioniert haben.
    Natürlich war der Lack noch die am meisten zu vernachlässigende Komponente.
    Mein Freund kann leider wie die meisten Geigenbauer nicht vom Neubau leben, sonst hätte er noch wesentlich mehr Instrumente gebaut, aber eine klangliche Einstellung seines Werkes hätte er sich nie entgehen lassen.


    Seine Vorstellungen haben übrigens funktioniert, und in 50-100 Jahren sollte dieses Cello garantiert im Klang noch einmal zugelegt haben.


    Aber das kriegt er natürlich nicht mehr mit, trotzdem weiß er, daß dieses Instrument funktioniert.


    Hätte ich zum Zeitpunkt dieses Neubaus das Bernardel nicht schon gehabt, ich hätte dieses Cello gekauft.


    Übrigens hat er auch mein "Problemcello" gerettet, nun spielt es eine junge Cellistin in Nimes, und sie ist sehr glücklich mit diesem Instrument.
    Ich würde dies gerne dem Erbauer mitteilen, aber ich fürchte mich zu sehr, dadurch u.U. schlimme ältere, andere, und nicht überwindbare Erinnerungen aufzureißen.



    LG,
    Michael

  • Zitat

    "Endveraucher"


    :hahahaha: :O Oje! Natürlich "Endverbraucher"


    Nein, die stellen keinen Mist an, sind alle echte Profis.


    Zitat

    Schade, daß Du die meisten Deiner Arbeiten nie hören kannst, das ist doch sicher schwer zu akzeptieren gewesen?


    Da hab ich ganz ehrlich kein Problem damit. Das ist mir lieber so, als wenn zahlreiche selbstgebaute Instrumente meine Werkstatt zieren, und ich auf Kunden "hoffen" muß, bzw. Brot und Butter vom reparieren kommt. Auch vor einem Geigenbauer machen betriebwirtschaftliche Gesetzte nicht halt. Aber die Rückmeldungen sind immer wieder interessant. Sie reichen von einfachen e-mails, normaler Post, CD `s,
    DVD von Konzerten, Zeitungsberichten usw. bis zu 15 minütigen Solostücken am Telefon.

    Michael

  • Ich hab gerade das durchgelesen im Archiv der Berliner Morgenpost mit dem Unfall. Ich habs nicht mal zuendegelesen - schrecklich!

    Michael

  • Im Manze-Thread hab ich das Interview mit dem englischen Geiger schon erwähnt, und den ex-English-Concert-Chef schleppe ich hier an, damit ich einen Kronzeugen habe (oder wenigstens nicht allein als Bekloppter dastehe :D ).



    "the mad scientist" Andrew Manze


    Manze spricht ausführlich über alles mögliche, mit besonderem Enthusiasmus aber von seiner 1990 ersteigerten Violine, einer Gagliano (von welchem G. genau, sagt er nicht), die er zurückbauen ließ.
    Er behauptet, er hätte bis jetzt noch kein Instrument gehört, das nach der „Operation“ (dem Rückbau) schlechter geklungen hätte als vorher. Beim Rückbau würde man die Spannung abbauen, „und manchmal kann man dann förmlich merken, wie die Violine erleichtert ist, wie sie sich entspannt, wie sie frei ist, dass die Resonanz, die möglich ist, sehr viel freier ist, nicht unbedingt lauter – darauf kommt es aber auch gar nicht an. Es ist diese Freiheit, die neu aufgebaut wird. Das Instrument fühlt sich entspannt, und das passt natürlich zu dieser Musik, die wir auf diesen Instrumenten spielen.“


    Weiter plaudert er über die heutige Unerwschwinglichkeit alter Instrumente, aber dann verweist er auf moderne: „Es gibt auch sehr gute Kopien, die heute gebaut werden – ganz fantastische Instrumente, die heute entstehen. Und sie klingen auch ganz hervorragend. Das wird zur Normalität, dass wir exzellente Instrumente haben, die nagelneu sind und sehr gut klingen.“
    Am Schluss dieser Sequenz erwähnt er Christian Tetzlaff, der mit einem „sehr jungen Instrument“ Furore gemacht hätte.


    Ziehe ich jetzt wieder ein paar Enthusiasmus-Prozente ab, bleibt für mich immer noch genügend Überzeugungskraft in Manzes Worten, die wenigstens den Unterschied zwischen alt, Rückbau und Kopie ganz eindrücklich beleuchten.

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