Die zehn dreckigsten Geheimnisse der klassischen Musik

  • Hier ist der Link zur Diskussion. Ich finde das ein Paradebeispiel für einen kultivierten Dialog zweier Disputanten unterschiedlicher Meinung.


    Ich habe dieses Video mit Genuss gesehen und ich bin wahrlich kein Kenner oder auch nur Freund von Operntexten ...

    Ich auch, damals offenbar Deinem Link folgend, was ich allerdings schon wieder vergessen hatte - oh je.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich hatte mir die Diskussion, die anlässlich Richard Strauss-Woche in Garmisch Partenkirchen gehalten wurde, gestern Abend angeschaut. Mit Genuss bin ich dem geistreichen Gespräch gefolgt, das schon mit der Kommentar MRR zum Nichtfunktionieren der Lautsprecheranlage vulminant beginnt. Everding in der Mitte leitet das Gespräch, moderiert im besten Sinne und die beiden Kritiker äussern sich zum Thema der Libretti und deren Verhältnis zur Musik. Kaiser bestens vorbereitet sitzt vor seinen Papieren, während MRR kein Blatt vor sich liegen hat. Fachkundig sind die Äusserungen der Gesprächsteilnehmer zum Thema. Positionen werden vertreten.


    Zwei Stunden fünfzehn Minuten dauert die Sendung. Heute findet man kein Format dieser zeitlichen Dimension und Qualität in der heutigen Medienlandschaft. Tempi passati.

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hier ging es um Hurwitz und seine zum Teil pauschal verurteilende Haltung, die natürlich oberflächlich sein muss. Man kann sehen, dass (und diese Diskussion zeigt das ja nur zu deutlich!) das eben Interesse an den Werken hervorruft. Hier wird ein Publikum für klassische Musik begeistert. Mich persönlich verblüfft es, wieviele Aversionen das hervorrufen kann in unseren Kreisen. Wir sollten uns freuen, dass Hurwitz erfolgreiche Vermittlung klassischer Musik praktiziert.

    Dass unsere Diskussion zeigen würde, dass wir jetzt mehr Liszt hören würden, weil Hurwitz gesagt hat "Liszt is trash", kommt mir jetzt doch etwas gewagt vor ...

    Die zehn "Wahrheiten" ärgern mich, weil es lauter Übertreibungen ohnehin allen bekannter Tendenzen sind, also z.B. Liszt wurde vor ein paar Jahrzehnten höher geschätzt als heute, Schumann instrumentierte nicht "glänzend", im 18. Jahrhundert wurde mehr Quantität erzeugt und hatte daher das Einzelwerk weniger individuelles Profil etc. - das wird aber alles so dümmlich wie möglich beschrieben mit dem Zweck, die Musik abzuwerten und die vermeintlich kritische Stimme des intelligenten Klassikliebhabers aufzuwerten, wenn sie eben die dümmlichsten Klischees wiederkäut. Der Komiker - äh Kritiker - kommt sich dabei pfiffig vor und sichert seine Marktanteile.

  • Mir ist auch nicht klar, was der Unsinn soll. Dass Hurwitz nicht allein dabei ist, die Länge Wagnerscher Opern schwer rezipierbar zu finden, wird schon stimmen. Nun will er die "freche Wahrheit" durchsetzen, dass die Opern "besser" wären, wenn man sie kürzt. Man kann ja nur hoffen, dass der Herr möglichst wenig Einfluss hat. Wollen wir, dass künftig von langen Werken nur mehr gekürzte Versionen eingespielt werden, weil Hurwitz und seine Chart-Brüder überfordert sind? Und von der Fanstastique nur mehr die "best-of"-Sätze? Das ist doch ein Plädoyer für die Verstümmelung klassischer Musik, um sie "breitentauglicher" zu machen, und die so angesprochene "breite Hörerschaft" soll dann auch noch glauben, es besser zu wissen als die Komponisten, Interpreten und Musikwissenschaftler und die seriösen Kritiker, zu denen Hurwitz offenbar nicht zählt. Er soll einfach diesen sexy Geigen-Gott, dessen Name mir angenehmerweise nicht einfällt, anhören, der liefert auch verpoppte Versionen, in denen z.B. Beethovens 5. auf das Hauptthema reduziert wird, das Seitenthema ist sicher "nicht so gut" als tatatataaa und kann daher weggelassen werden.

  • Von den Hurwitz-Verteidigern wüsste ich mal gerne, wie die "Wahrheiten" denn sinnvoll genutzt werden könnten, außer sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen, und das ist ja offenbar nicht bezweckt, denn sie werden ja als etwas mit Mut Vorgebrachtes, quasi von der Industrie Unterdrücktes von Hurwitz verkauft. Das Framing müsste ja genau andersherum sein, um gewinnbringend diese Sätze zu beleuchten, widerlegen und auf ihren Wahrheitsgehalt umzubauen.

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  • Ich habe jetzt auch ein bisschen auf seiner Seite herumgesurft, um mir ein Bild zu machen. Er versucht ja, locker und sympathisch rüberzukommen, das funktioniert einigermaßen. Im Video über Aufnahmen von Nielsen 5. Sinfonie besteht die Besprechung der Aufnahmen nur darin, sie als gut zu bezeichnen, mit verschiedenen Synonymen, keine analytischen Ansätze. Das ist OK, aber wozu dann ein 30-Minuten-Video? Da zeigt ein Liebhaber seine liebsten CDs. Ein Video gibt es, in dem er Renaissance-Musik dem Klassikliebhaber näherbringen will, voraussetzend, dass dieser keine Ahnung davon habe. Er erklärt dann, dass das Wissen über Cantus Firmus am Beispiel von L'homme armé die Lösung ist und spielt als erstes die Machaut-Messe, die ja weder etwas mit Cantus Firmus zu tun hat, noch unbedingt zur Renaissance gehört. Offenbar muss man von den Videos weg zu den Texten auf "classicstoday" oder so. Da mich Interpretationsvergleiche wenger interessieren, bin ich zu Empfehlungen von Werken gegangen. Dort empfiehlt er Glières Harfenkonzert als "contemporary". Herrlich. Ist Hitler ein zeitgenössischer Staatschef? OK, "zeitgenössische Musik" wird auch als Synonym für "moderne Musik" verwendet, das ist Glières Harfenkonzert aber auch nicht. Für moderne Musik hat er offenbar kundigere Schreibkräfte, die sogar in der Lage sind, Stockhausen-Aufnahmen lobend zu rezensieren. Gut, mit Lachenmann wird es nichts mehr dort, die drei Kritiken sind ungefähr so ertragreich wie eine, die Glière als überalteten Kitschproduzenten verunglimpfen würde, wie es wahrscheinlich auch genug von deutschen Kritikern gibt. Also Fazit: Nichts für mich. Mag andere Leute motivieren, klassische Musik zu hören, das Positivste scheint der lockere Auftritt zu sein.

  • Schon interessant welche Threads (dieser ist 18 Jahre alt !!!) die Taminos in Aktion halten können.

    Wobei "die Taminos" ja ein wenig übertrieben ist, denn das ganze erste Jahr nach Threaderstellung waren nur (ich ausgenommen) Mitglieder aktiv, die es heute hier nicht mehr gibt.Der Thread ist also "generationenübergreifend":baeh01:


    Überraschend für mch ist, daß das Genze ernst genommen wird.

    Ich denke, daß sich hier Hurwitz einerseits lustig macht und wie ein Troll agiert, der ja auch provokative Aussagen verbreitet um beispielsweise in einem Forum Streit zu entfachen. (was nicht immer negativ sein muß)


    IMO ist es hier jemandem gelungen, der nicht unbedingt eine Person ist, die auf den ersten Blick alles Interesse auf sich zieht, sich mit dem Nimbus der "Autorität" zu umgeben.An sich schon eine Glanzleistung. Dies durch eine Prise Humor gewürzt -und plötzlich ist ein Medienstar geboren

    Auch wenn das aus meinem Munde (ääh Feder ähhh Tastatur) spöttisch und verächtlichklingt, so sollte man doch nicht die große Leistung, die dahinter steckt übersehen. Etwas Bosheit, eine Prise Geist, Sachkenntnis und eine auf einen bestimmten Zuschauer- und Leserkreis zugeschnittene Präsentation - das macht noch lange keinen erfolgreichen Redakteur etc aus. Wenn dem sa wäre, würden die "Berühmtheiten" nur so aus dem Boden schiessen.

    Man sehe nur die zahlreichen "Influencer", die immer wieder die gleichen Phrasen dreschen

    "Schreibt mir in die Anmerkungen was Ihr dazu meint - das würde mich interessieren"

    Das hat man ihnen eingebläut - mehr ist da nicht zu erwarten

    Oder

    "Ich empfehle zwar Produkte - werde aber in keiner Hinsicht gesponsert"

    Wers glaubt wird selig (Da hab ich keine Chance)

    Zurück zu Hurwitz: Er hat sich da eine Spielwiese geschaffen, die noch dazu ganz einträglich sein dürfte

    Wer will ihm das verübeln....:hahahaha:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • IMO ist es hier jemandem gelungen, der nicht unbedingt eine Person ist, die auf den ersten Blick alles Interesse auf sich zieht, sich mit dem Nimbus der "Autorität" zu umgeben.An sich schon eine Glanzleistung. Dies durch eine Prise Humor gewürzt -und plötzlich ist ein Medienstar geboren

    Ich kenn mich bei Influencern nicht so aus und kannte Herrn Hurwitz auch nicht, im Forum wird sein Name aber über 300x genannt, davon nur 40x in diesem Thread, offenbar kennt "man" ihn hier. Es gibt einen englischen Wikipedia-Eintrag, der verrät, dass er Musikwissenschaft studiert hat, in Magazinen Kritiken veröffentlicht und auch wissenschaftliche Arbeiten verfasst hat. Das sieht man ihm auf seinen Videos jedenfalls nicht an und dem "lustigen" Text mit den "Wahrheiten" schon gar nicht.

  • Jedenfalls habe ich jetzt einen Erklärungsversuch: Er arbeitet als Influencer und macht Werbung für Produkte aus dem Bereich "klassische Musik" und es nervt ihn, dass die "Industrie" immer Lob haben will, Werbung eben, also wird ihm das auch irgendwie auf die Nerven gehen und so möchte er gerne auch ganz böse sein und ist das hiermit auch, wobei er aber in erster Linie Aufmerksamkeit erreichen will, sprich Werbung für sich selbst.

  • Ich denke, daß sich hier Hurwitz einerseits lustig macht und wie ein Troll agiert, der ja auch provokative Aussagen verbreitet um beispielsweise in einem Forum Streit zu entfachen. (was nicht immer negativ sein muß)

    Das ist der Kern der Sache!


    Dass unsere Diskussion zeigen würde, dass wir jetzt mehr Liszt hören würden, weil Hurwitz gesagt hat "Liszt is trash", kommt mir jetzt doch etwas gewagt vor ...

    unser werter Kollege moderato scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, eine These nach der anderen für sich zu bewerten. Das nenne ich mal Wirkung!


    Selbstverständlich basieren die Aussagen auf zugrundeliegenden Phänomenen. Es geht nicht darum, Wagneropern zu kürzen. Es geht darum, über die Länge zu diskutieren. Es könnte ja für einige etwas Neues herauskommen. Warum macht Wagner so offensichtliche "Star Wars" Tetralogien ;). Da findet sich vielleicht irgendwann ein neuer Wagner-Fan, der es nie geglaubt hätte.


    Ist Liszt Trash? Es ist doch schon interessant, ich habe mir vor kurzem die Gesamtausgabe seiner Klavierwerke geholt (100 CDs !!) Da passt das Gesamtwerk von Webern mehr als 10 x hinein. Was sind also die Unterschiede der Komponisten? Das finde ich schon eine bedenkenswerte Frage.


    Jede der provokanten Thesen führt beim Nachdenken vielleicht zu Erkenntnissen.



    Ich habe jetzt auch ein bisschen auf seiner Seite herumgesurft, um mir ein Bild zu machen. Er versucht ja, locker und sympathisch rüberzukommen, das funktioniert einigermaßen. Im Video über Aufnahmen von Nielsen 5. Sinfonie besteht die Besprechung der Aufnahmen nur darin, sie als gut zu bezeichnen, mit verschiedenen Synonymen, keine analytischen Ansätze. Das ist OK, aber wozu dann ein 30-Minuten-Video? Da zeigt ein Liebhaber seine liebsten CDs. Ein Video gibt es, in dem er Renaissance-Musik dem Klassikliebhaber näherbringen will, voraussetzend, dass dieser keine Ahnung davon habe. Er erklärt dann, dass das Wissen über Cantus Firmus am Beispiel von L'homme armé die Lösung ist und spielt als erstes die Machaut-Messe, die ja weder etwas mit Cantus Firmus zu tun hat, noch unbedingt zur Renaissance gehört. Offenbar muss man von den Videos weg zu den Texten auf "classicstoday" oder so. Da mich Interpretationsvergleiche wenger interessieren, bin ich zu Empfehlungen von Werken gegangen. Dort empfiehlt er Glières Harfenkonzert als "contemporary". Herrlich. Ist Hitler ein zeitgenössischer Staatschef? OK, "zeitgenössische Musik" wird auch als Synonym für "moderne Musik" verwendet, das ist Glières Harfenkonzert aber auch nicht. Für moderne Musik hat er offenbar kundigere Schreibkräfte, die sogar in der Lage sind, Stockhausen-Aufnahmen lobend zu rezensieren. Gut, mit Lachenmann wird es nichts mehr dort, die drei Kritiken sind ungefähr so ertragreich wie eine, die Glière als überalteten Kitschproduzenten verunglimpfen würde, wie es wahrscheinlich auch genug von deutschen Kritikern gibt. Also Fazit: Nichts für mich. Mag andere Leute motivieren, klassische Musik zu hören, das Positivste scheint der lockere Auftritt zu sein.


    Lieber kurzstueckmeister , ähnlich wie moderato fühlst Du Dich angegriffen. Eigentlich verstehe ich das nicht. (Aber offensichtlich versteht das Hurwitz!) Folgt man dem Link von Fiesco sieht man, dass er es schafft, klassische Musik (ober modern, avantgardistisch oder auch nur klassisch ;)) zum Thema zu machen. Was kann dieser Musik Besseres in diesen Zeiten passieren?

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  • Ist Liszt Trash? Es ist doch schon interessant, ich habe mir vor kurzem die Gesamtausgabe seiner Klavierwerke geholt (100 CDs !!) Da passt das Gesamtwerk von Webern mehr als 10 x hinein. Was sind also die Unterschiede der Komponisten? Das finde ich schon eine bedenkenswerte Frage.

    Das mit der Menge ist aber bei der "Wahrheit" zu Bach das Thema nicht bei Liszt.

    Ich glaube, man sollte dem Herrn doch nicht den Gefallen tun, wegen seines Selbstvermarktungsschmähs ernsthaft über den Unsinn zu diskutieren.