Zukunftsvision oder Horrorszenario — Der Computer ersetzt den menschlichen Musiker

  • Zitat

    Ich persönlich habe keine besondere Vorliebe für Konserven- oder Blechdosenmusik.


    Hallo Micha,


    ich auch nicht - mir bleibt aber nichts anderes übrig. Ich höre u.a. MP3-Player und abends 'n Radiowecker. Ich bilde mir auch nicht ein, dass es irgendwie liveähnlich klingt, und Lautsprecher mit Keramik und Diamantchassis tun das auch nicht. Da regt sich niemand drüber auf.


    Wenn in der Kölner Philharmonie in der Infostunde vor einem Konzert Beispiele über die hauseigene Anlage gespielt werden, und es kommen z.B. Blechbläsereinsätze, fallen mir die Ohren ab X(und das sind Aufnahmen von Orchestern.


    Ich glaube nicht, dass das Digitale Orchester bis auf Demos für Aufführungen gedacht ist. Allein die Vorstellung ist albern.


    Wenn die Leute abends zur Geselligkeit in eine Kneipe gehen, setzen sie sich auch nicht in Reihen vor'n Cola-Automat und bewundern seine ausgeklügelte Technik. :D obwohl das machbar wäre (ich weiss, der Vergleich hinkt).


    Zitat

    (SPIEGEL)Doch ein Ziel der "Digital Orchester League" ist es, die Musik junger, unbekannter Komponisten aufzuführen. Damit verdient Smith heute schon sein Geld: Komponisten schicken ihm ihre Werke und bezahlen für eine Einspielung durch das digitale Orchester. Einer von ihnen, Matthew Fields, hat die Beispielrechnung aufgemacht: Für eine Einspielung mit 18 Musikern hat er 50.000 Dollar bezahlt. Eine sechsminütige Aufnahme von Smiths digitalem Orchester hat ihn hingegen nur 800 Dollar gekostet.


    Schaumama, was daraus wird - ich trag's mit Fassung. Letztendlich entscheidet ausschliesslich das Publikum.


    Das entscheidet sich allerdings leider immer für den grössten Mist, denn sonst hätten wir nicht das Fernsehprogramm was wir haben - und die immense Verbreitung von EmzehDonalds, Fruchtnektare mit 80% Wasser und Zucker und 'ner Portion "Gesundheit", oder'n Milch-Jeeper.


    Mit dem Klassik-Publikum lässt sich sowas mit Sicherheit nicht anstellen.


    L.G.


    Walter

  • Hallo walter es ehrt mich schon, wenn mir überhaupt jemand antwortet, die Themen hier sind ja auch viele.


    Zu mp3: gebe ich dir völlig recht: ich selbst kann sogar keinen Unterschied zwischen Normalformat und mp3 feststellen auf den heute doch preisgünstigen aber immerhin guten Player, die alles lesen können.


    Weiters: wenn man Künstlern die Chance gibt, auf digitalem Weg ihre Kompositionen bekannt zu machen, finde ich dies in Ordnung: dies soll ja kein Privileg für Super Reiche sein.


    Ehrlich gesagt, mache ich mir langsam Sorgen über Konzert- und Opernbesucher, die ohne tontechnische Besserung Werke hören, denn wir Menschen sind nun mal nicht perfekt und ein kleiner Patzer kommt wohl immer vor, und auch synchron in einem Orchester zu spielen, stelle ich mir nicht so einfach vor. Vielleicht werden wir durch die moderne Tontechnik auch verwöhnt.


    LG Micha :hello:

  • Merkwürdig ist, dass ihr gerade das für unsinnig oder zukunftsvisionär haltet, was bereits praktiziert wird:


    Im Wr. Konzerthaus hat ein Starpianist im großen Saal Strawinskys Sacre in einer Version für zwei Klaviere gespielt, wobei die eine Stimme von ihm zuvor in den Computer eingespielt wurde und während der Aufführung mittels des Bösendorfer-Flügels "zugespielt" wurde (also die Tasten wurden vom Computer gedrückt so, wie der Pianist es eingespielt hatte), während der Pianist auf demselben Flügel die andere Stimme live spielte.


    Laut Theophilus Zukunftsvision, mE eher wenig zukunft habende Spielerei der Gegenwart, die in benanntem Konzert wohl einen Höhepunkt erleben durfte.


    Konzerte mit aufgeklappten Laptops sind dermaßen Vorraussetzung dafür, dass sie als "zeitgemäß" eingestuft werden, dass diese Zwanghaftigkeit (ein Laptopkomponist muss am Programm stehen) auch schon wieder für eine abzuwartende Modeerscheinung spricht. Zu sehen ist tatsächlich nicht viel, der Komponist dreht halt an den (virtuellen) Reglern. Wie die Musik einzuschätzen ist, wage ich noch nicht zu beurteilen. Prominente Laptop-Komponisten: Merzbow, Ikeda, Schmickler, Essl. Sie sind bereits zwischen 40 und 50, also alles andere als wirklich jung, sind etabliert und haben mit dem Spiegel-Szenario überhaupt nichts zu tun (sie machen natürlich keine virtuelle Orchestermusik).

  • Das Hauptproblem des Spiegel-Szenarios ist das, dass die ästhetischen Entscheidungen nicht vom Dirigenten mit seinem Joystick getroffen werden können (auch nicht mittels Dirigierpullover oder ähnlichem Show-Schwachsinn), sondern im Vorfeld bei der Programmierung (so wie beim richtigen Orchester im Vorfeld beim Einstudieren).


    Ich gebe der Sache keine Chance, da es für einen angehenden Dirigenten viel uninteressanter sein wird, mühsam seine Klangvorstellungen mittels Programmierarbeit umzusetzen, wobei die resultierenden Einstellungen dann für die entsprechende Aufführung fix sind und keinerlei Spontanität zulassen (bis auf das bischen Joystick-Gefuchtle), während die Arbeit mit Musikern ganz andere Möglichkeiten bietet, die einen Dirigenten mindestens so sehr interessieren sollten, wie seine persönliche Sicht auf ein Werk.


    Für die Interpretation von traditioneller Orchestermusik wird die Erfindung sicher künftig überhaupt keine Rolle spielen. Im Kommerz (Filmmusik/Musical) ist das womöglich anders. Ob ein ernst zu nehmender Komponist das mal nutzen wird (eher im Sinne eines zweckentfremdenden Gebrauchs als im Sinne der Erfinder) kann man natürlich nicht voraussagen, das ist wohl eher Zufall, eine Frage des zeitlichen und finanziellen Aufwands. Software für Computermusik gibt es schließlich die Unterschiedlichste und ich nehme an, dass diese eine eher teuer sein wird (mit all den Samples).

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    ...
    Laut Theophilus Zukunftsvision, mE eher wenig zukunft habende Spielerei der Gegenwart, die in benanntem Konzert wohl einen Höhepunkt erleben durfte.
    ...


    Wie bitte? Ich schrieb doch, dass es gerade diese Möglichkeit schon lange gibt und die naheliegendste Anwendungsweise, Werke in einer manuell perfekten Ausführung zu hören, niemanden interessiert. Nur andere Einsatzmöglichkeiten, die etwas zuvor Unmögliches realisierbar machen, werden durchgespielt. So habe ich schon vor Jahren einen kurzen Fernsehbericht über einen Jazz-Musiker gesehen, der sich recht intensiv mit dem Bösendorfer beschäftigt (wenn ich mich recht erinnere, war es Chick Corea; der verwendete in dem damals gezeigten Beispiel allerdings zwei Klaviere.).


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Ulli
    Wenn man nun heute ein klassisches Stück komponierte und im Beisein des Komponisten [sofern der überhaupt noch erforderlich ist für die Komposition] mit einem solchen Computerorchester einspielen - hindert das andere Computer, es anders "einzuspielen"?


    Lieber Ulli,
    Du betreibst hier eine Art Computermythologisierung, die dem Science-Fiction abgeschaut ist. Außerdem scheinst Du die Bedeutung des Worts "Komponist" absichtlich mißzuverstehen - oder ich verstehe überhaupt nicht, was Dein Satz bedeuten soll.
    :hello:

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Wie bitte? Ich schrieb doch, dass es gerade diese Möglichkeit schon lange gibt und die naheliegendste Anwendungsweise, Werke in einer manuell perfekten Ausführung zu hören, niemanden interessiert.


    Pardon, dann habe ich was mißverstanden.
    :hello:

  • Ein nahezu erschreckendes Thema...


    Zitat

    Die Technik ist heute schon so weit, dass selbst Musikwissenschaftler beim ersten Hören keinen Unterschied feststellen [...]


    Der technische Stand der Dinge ist wirklich beeindruckend, ich muss schon sagen. Aber ich finde es auch ziemlich erschreckend, wenn ich ehrlich bin.


    Zitat

    Ein Konzertbesuch ohne menschliche Musiker? Die CD-Einspielung eines sinfonischen Werkes allein von einer Maschine dargeboten und interpretiert? Könnt (wollt) Ihr Euch das vorstellen?


    Ich kann und will es mir nicht vorstellen. Musik ist Emotionalität, Musik bedeutet Gefühle. Ich möchte mir keine Musik anhören, die von einer Maschine interpretiert wird, der die gefühlvolle Seite nur einprogrammiert wurde.


    Zitat

    Ist die ganze Geschichte nur eine technische Spielerei ohne Relevanz für das Leben in den Konzertsälen oder wird nun auch der Orchestermusiker langsam von der Technik verdrängt?


    Sollte das wirklich passieren, verdrängt die Zukunft die Vergangenheit, die wir so schätzen. Wir können nur hoffen, dass sich kein Freund der Klassik so etwas ansehen und diejenigen, die hinter solchen Projekten stecken damit bestätigen wird.

    Mozarts Musik ist so rein und schön, dass ich sie als die innere Schönheit des Universums selbst ansehe.


    - Einstein

  • Zitat

    Original von Vincent
    Sollte das wirklich passieren, verdrängt die Zukunft die Vergangenheit, die wir so schätzen.


    Ähm, das tut sie doch dauernd. Und ich höre meistens eine Maschine Musik machen (Stereoanlage) und gehe fast nie in Konzerte (welch Horrorvision!!)


    Ich bin aber altmodisch genug, auch traditionelle Instrumente selbst zu spielen.
    :baeh01:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Lieber Ulli,
    Du betreibst hier eine Art Computermythologisierung, die dem Science-Fiction abgeschaut ist. Außerdem scheinst Du die Bedeutung des Worts "Komponist" absichtlich mißzuverstehen - oder ich verstehe überhaupt nicht, was Dein Satz bedeuten soll.
    :hello:


    Salut,


    letzteres ist der Fall: ich nahm an, ein Komponist würde sein Werk selbst exakt so in den PC eingeben, wie er es haben wollte - quasi als Dogma. Und genau das würde ja andere nicht daran hindern, die Noten wiederum anders umzusetzen... Wenn ich doch schreibe: hindert das andere Computer, es anders "einzuspielen"? ist mit Computer natürlich der Mensch dahinter gemeint.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Theophilus


    Salut


    Den Vergleich verstehe ich nicht. Animationsfilme sind eine Form von künstlicher Visualisierung, die gerade aufgrund ihrer kunstfertigen Künstlichkeit (und was damit erzielt werden kann) geschätzt werden.


    Dann unterstelle ich mal, dass Animationsmusik [nennt man das dann so?] eine Form von künstlicher Audialisierung [das Wort gibt's anscheinend noch nicht] ist, die gerade aufgrund ihrer kunstfertigen Künstlichkeit (und was damit erzielt werden kann) geschätzt werden wird.


    Zitat

    Ich habe aber das "Computerorchester" so verstanden, dass es mehr oder weniger erfolgreich versuchen soll, ein reales Orchester zu imitieren. Das halte ich für wenig interessant, wie auch der Animationsfilm kaum jemals erfolgreich die Wirklichkeit kopieren wollte.


    Da bin ich einfach nicht sicher, ob nicht ein Animationsfilm aus diesem Hintergedanken entstanden ist. Man spart jedenfalls auch jede Menge Personal und Gagen - und kann die Figuren sich bewegen lassen, wie man will, ohne dass die Figuren sich wehren könnten. Ebensolches wäre ja auch die Musik projizierbar - ich habe ja schon erwähnt, dass dann auch eine Geige mal ein e spielen könnte...


    Zitat

    Etwas anders ist es mit Computer-Simulationen im Film. Diese sind so gut und so hilfreich, dass sie aus der modernen Filmproduktion kaum mehr wegzudenken sind.


    Ebensowenig, wie manche Filmmusik, in der kein echtes Orchester spielt - an Nachweisen mangelt es mir leider, weil dies nicht so mein Interessengebiet ist. Aber es gibt da sicher versierte Taminos...


    Zitat

    Der vollkommen simulierte Film existiert zwar auch schon, scheint aber vorerst keine Bedeutung zu erlangen. Sogar der Kinogeher will ein Mindestmaß an menschlicher Schauspielkunst sehen.


    Zum Animationsfilm gehört sicherlich auch der Zeichentrickfilm: Bei Asterix und Co. waren das Kassenschlager. Bei den moderneren Animationsfilmen mit 3D-Effekten kenne ich mich ebenfalls nicht so sehr aus, aber dieser hier hat mir ausgesprochen gut gefallen - nicht wegen der Musik.


    Zitat

    [...] kann mir aber nicht vorstellen, dass irgendjemand auf Dauer Interesse für ein simuliertes Orchester aufbringen wird.


    Das wiederum kann ich mir gerade in der Kino-/Film-Branche sehr gut vorstellen: Kostenersparnis und Sonderfeffekte wären mindestens zwei der Gründe.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Ebensowenig, wie manche Filmmusik, in der kein echtes Orchester spielt - an Nachweisen mangelt es mir leider, weil dies nicht so mein Interessengebiet ist. Aber es gibt da sicher versierte Taminos...


    Hallo Ulli,


    ich bin zwar auch nicht versierter, weiss aber dass z.B. bei der Titanic Filmmusik kein echtes Instrument im Spiel war.


    L.G.


    Walter

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Ähm, das tut sie doch dauernd. Und ich höre meistens eine Maschine Musik machen (Stereoanlage) und gehe fast nie in Konzerte (welch Horrorvision!!)


    In dem Fall spielt die Maschine aber nur die von Menschen gemachte und interpretierte Musik ab. Sie ist nicht selber für die Interpretation verantwortlich.


    Ich denke, darin bsteht ein Unterschied. ;)


    Und mit der Verdrängung meinte ich hauptsächlich, dass von Menschen gespielte Instrumente durch Notentexte interpretierende Maschinen ersetzt werden würden. Dass die Musik ihre Seele verliert, ob live gespielt oder als Aufnahme.

    Mozarts Musik ist so rein und schön, dass ich sie als die innere Schönheit des Universums selbst ansehe.


    - Einstein

  • Hallo zusammen,


    dass will ich mir über haupt nicht vorstellen.


    Das dies von der Technik her möglich ist, möchte ich ja gern glauben. Aber auch nur das.


    Ich überlege gerade, sitzt man dann in einem wunderschönen Konzertsaal um einen grauen viereckigem Etwas? :kotz:


    Soviel dazu!!!


    Viele Grüße Maggie

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • Es ist zwar echt erstaunlich, was man mit moderner Technik nicht alles erreicht kann. Aber auch diese Forscher werden bei einem ihrer Konzertbesuche draufkommen, dass hinter dem Stück der Mensch steht. Es geht also nicht nur um sauber intoniert Töne, Dynamik und Interpretation, sondern auch um die Menschen, die ja eigentlich an ihren Instrumenten sitzen, stehen oder wie auch immer. Es wird sich sowieso nicht durchsetzen, dass der Computer den Musiker verdrängt. Solche Theorien und Ängste braucht man nur im Science Fiction Film zu kennen. :rolleyes:

  • Für mich persönlich würde ich diese Art von MUsik völlig ablehnen,


    aber


    ich fürchte, ich würde sie nicht immer erkennen :( .


    Ich möchte mich zumindest der Illusion hingeben, daß die von mir bevorzugte Musik original von Menschen (hand)gemacht wird.