Zum Kuckuck - Ist Lautmalerei eine Perversion der Musik oder legitimes Stilmittel

  • Zitat

    Original von Padre
    ch muss mich nun doch mal ein wenig wehren, und darauf aufmerksam machen, dass Rideamus der Themenstarter ist. Ich habe gefragt, was er damit meint. Seine Antwort war sehr moderat....( wäre nicht uninteressant). Damit ist das Thema für mich durch, da ich keinen vernüftigen Beitrag dazu leisten kann, was Rideamus in diesem Fall tatsächlich meint.


    Lieber Padre,


    Da steht zumindest bei mir im Display: "Zum Kuckuck - Ist Lautmalerei eine Perversion der Musik oder legitimes Stilmittel". Was gibt es denn daran zu deuteln?


    Zitat

    Ich habe bei dir oft den Eindruck, dass du die Themen zu stark an dich reißt. Natürlich kann ich oft deinen Einlassungen nicht folgen, dazu fehlt mir halt in vielen Dingen der Sachverstand


    Ich pflege in der Hauotsache zu Themen zu schreiben, von denen ich etwas verstehe - oder zu denen ich mir dann auch noch die Sachkenntnis aneigene. Ich sitze im Moment vor einer Leseliste zu Verdis "Don Carlos", damit ich dort mitreden kann. Wenn ich mitrede, so pflege ich das Thema nicht an mich zu reißen, sondern mit der mir möglichen Sorgfalt zu antworten. Du wirst bei mir feststellen, dass ich mich nur in einem kleinen Prozentsatz der Themen zu Wort melde. Da bewundere ich Deine Weitläufigkeit.


    Zitat

    Wenn du allerdings glaubst, es wäre notwendig, bei dir ein Seminar belegen, um zu erfahren was man unter Lautmalerei versteht, dann irrst du dich!!


    Dann lies einfach mal in Ruhe, was ich geschrieben habe. Zum Begriff der Lautmalerei brauchst Du, wenn überhaupt, denn der Begriff ist sprechend, nur ein Lexikon. Wenn Du aber erfahren willst, wie und wo und warum Lautmalerei in der Dichtung angewandt wurde, solltest Du mein Angebot nicht so abschätzig ansehen. Ich habe mich ein Studium lang mit Ästhetik und in diesem Rahmen auch ausführlich mit Poetik beschäftigt.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Warum gibt es denn immer noch keinen Gähn-Smilie? (meine häufigste Reaktion auf Lautmalerei und eine der harmloseren)


    Lieber Johannes,


    Gefühle der Müdigkeit am Freitagnachmittag kann ich gut mitempfinden. Deine Bedenken, was die Lautmalerei in der Sinfonik angeht auch. Aber im Musiktheater begegnest Du ihr auf Schritt und Tritt. Hoffentlich hält Dich das nicht ab, Opern von Monteverdi bis Henze zu goutieren.


    LG Peter

  • Da streiche ich dann lieber die Segel, zumüllen ist nicht Sinn der Sache. Wer aber meine Ansatz aufmerksam liest, kann feststellen, dass ich auf etwas Bestimmtes hinaus wollte ( franz. Lautensuite). Aber ich liege hier gewiss falsch.
    Um es noch mal zu betonen lieber Peter, du verfügst über ein für mich zu großes Wissen. :rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:
    Padre

  • Zitat

    Original von pbrixius



    Es ging mir auch nicht um die rhetorischen Figuren, sondern um die konkreten Lautmalereien etwa in Bibers Battaglia, die ich anführte. Oder nimm mal Couperins "Les Moissonneurs" (2ème livre de Pièces de clavecin, sixième ordre), wo Du Vogelzwitschern hören kannst. Rhetorische Figuren können durchaus Lautmalereien enthalten, die Onomatopöie ist eine rhetorische Figur.


    Werft Ihr da nicht Affektenlehre und Klangrede ein bisschen durcheinander?
    Wobei die Klangrede durchaus auch Affekte und/oder Lautmalereien enthalten kann.
    Aber eigentlich sind das drei verschiedene Dinge.

  • Zitat

    Zitat KSM: Dementsprechend frage ich hier nur:
    Welche Beispiele nach R Strauss gibt es? Wurde die Lautmalerei seit größerer Verbreitung von Schellack- und sonstigen Platten nicht zunehmend uninteressant?


    Mir fällt ein Beispiel ein, das ich aber in eine Frage kleiden muss, da ich eigentlich die Oper (noch) nicht als Ganzes gehört habe, sondern nur ein paar Schnipsel kenne:


    In Brittens "Albert Herring" gibt es den Monolog des betrunkenen Albert, in dem immer wieder eine (in meinen Ohren) "romantisierende" Folge dreier Töne ( in C-Dur wären es, glaube ich c - a - f ?) die Deklamation unterbricht. Es klingt in dieser Tonfolge wie der Ruf eines (Jagd)horns und wird von Albert in einer Vokalise auf "u" imitiert.
    Ist dies eine Persiflage und ein Beispiel, das hier passen würde?


    :hello: Petra

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  • Zitat

    Original von petra
    Mir fällt ein Beispiel ein, das ich aber in eine Frage kleiden muss, da ich eigentlich die Oper (noch) nicht als Ganzes gehört habe, sondern nur ein paar Schnipsel kenne:


    In Brittens "Albert Herring" gibt es den Monolog des betrunkenen Albert, in dem immer wieder eine (in meinen Ohren) "romantisierende" Folge dreier Töne ( in C-Dur wären es, glaube ich c - a - f ?) die Deklamation unterbricht. Es klingt in dieser Tonfolge wie der Ruf eines (Jagd)horns und wird von Albert in einer Vokalise auf "u" imitiert.
    Ist dies eine Persiflage und ein Beispiel, das hier passen würde?


    Liebe Petra,


    das ist eine interessante Frage, die mir auch ähnlich im Kopf herumgeht, seit ich bei diesem Thread mitschreibe. Bei mir stellte sie sich erst mal ganz einfach: Ich habe ein Musikstück "La chasse" oder "Die Jagd" oder auch ohne Namen. Hier erklingen Jagdhörner (oder eben Jagdhornklänge auf einem anderen Instrument). Ist das eine Lautmalerei? Es ist ja ein Musikinstrument, was da spielt oder imitiert wird, kein Naturlaut. Es ist so ähnlich bei der Militärmusik - indem ich das Instrumentarium einsetze (oder imitiere) habe ich sofort die musikalische Situation vor Augen, kann dann auch narrative Musik schreiben, je nachdem wie ich mit der Militärmusik umgehe.


    Ich habe erst einmal für mich diese Beispiele ausgeschlossen, aber es ist nicht falsch, darüber nachzudenken. Und bejaht man es im Falle meiner Beispiele, dann sicher auch bei Dir. Es sind ja Signale, d.h. Tonfolgen (oder Geräusche) mit Bedeutung.


    Noch ein anderes Beispiel: In der ersten Szene des Orfeo hat Gluck als Instrumente Zinken eingesetzt. Für die Zeitgenossen bedeutete dies eine Begräbnismusik, weil man bei Begräbnissen auf den Zinken spielte. Hier wäre es eben auch dieser (Grenz-)Fall der Lautmalerei, oder? ...


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Werft Ihr da nicht Affektenlehre und Klangrede ein bisschen durcheinander?
    Wobei die Klangrede durchaus auch Affekte und/oder Lautmalereien enthalten kann.
    Aber eigentlich sind das drei verschiedene Dinge.


    Lieber Hildebrandt,


    zerrst Du mir mal die Begrifflichkeiten einleuchtend auseinander, denn bei mir kommen da auch unterschiedliche Quellen zusammen. Klangrede ist ja kein Begriff des Barocks, sondern eine (zumindestens teilweise) Neuschöpfung von Harnoncourt, wenn ich das richtig verstanden habe. Rhetorik ist für mich erst einmal das Gesamtgebäude einer Kunst, bei der untersucht wird, wie ich eine gewünschte Wirkung beim Zuhörer erreichen kann. Innerhalb der Rhetorik gibt es eine Reihe von Einzeldisziplinen und -bereichen. Als Wissenschaft umfasst die Rhetorik ja das ganze Leben. Rhetorische Figuren sind nun Bestandteile der Rede, um eine Wirkung zu erzielen. Sie können die Rede differenzieren, interessanter machen, verzieren, gliedern usw. Im Barock hat man ganze Sammlungen mit rhetorischen Figuren angelegt, bei denen sich jeder bedienen konnte. Diese rhetorischen Figuren werden nun eingesetzt um eine Wirkung herzustellen, in diesem Fall ein Affekt bei dem Hörer. Ich hoffe, das habe ich alles noch so richtig aus dem Gedächtnis abgerufen. Die Klangrede müsste nun das Produkt der rhetorischen Tätigkeit sein, die konkrete Konstellation der rhetorischen Mittel, wozu eben auch die rhetorischrn Figuren gehören.


    So, jetzt kannst Du erst einmal nachfassen ...


    LG Peter

  • Zitat

    Zitat von Peter: Es ist ja ein Musikinstrument, was da spielt oder imitiert wird, kein Naturlaut. Es ist so ähnlich bei der Militärmusik - indem ich das Instrumentarium einsetze (oder imitiere) habe ich sofort die musikalische Situation vor Augen, kann dann auch narrative Musik schreiben, je nachdem wie ich mit der Militärmusik umgehe.


    Lieber Peter,
    auch deshalb von mir das Fragezeichen: Ein enger Begriff der Lautmalerei würde Fälle, in denen das Imitierte bereits ein Symbol ist, wohl ausschließen; es wäre zugegebenermaßen eine sehr weite Fassung des Begriffs, die aber sicherlich interessante Beispiele enthalten würde (auf die Bedeutung der Zinken im Orfeo wäre ich ohne deine Erklärung nie gekommen).


    LG, Petra

  • Zitat

    Original von petraEin enger Begriff der Lautmalerei würde Fälle, in denen das Imitierte bereits ein Symbol ist, wohl ausschließen; es wäre zugegebenermaßen eine sehr weite Fassung des Begriffs, die aber sicherlich interessante Beispiele enthalten würde (auf die Bedeutung der Zinken im Orfeo wäre ich ohne deine Erklärung nie gekommen).


    Liebe Petra,


    das ist da eben das Problem: ein Symbol kann seine Bedeutung zeitbedingt verlieren - und dann ist der Bezug nicht mehr verständlich.


    LG Peter

  • Ob Lautmalerei akzeptiert wird oder nicht, das hängt in der Regel auch von der Epoche ab in der sie entstanden ist. Im siebzewhnten und achzehnten Jahrhundert konnte man die Menschen in helles Entzücken versetzen, wenn man eine Naturstimmung mittels Musikinstrumenten darstellen konnte - es war eben in Mode. Ein Beispiel - mich wundert, daß es noch niemand erwähnt hat - sind Vivaldis "4 Jahreszeiten", aber auch jene von Haydn.


    Daß uns hier manches etwas "naiv vorkommt" liegt IMO zum einen daran, daß Haydn selbst kein Freund der Lautmalerei war (es gibt eine Anmerkung von ihm vor, wo er auf Notenpapier beim "Quaken der Frösche "in etwa geschrieben hat:" Diese Geschmacklosigkeit hat man mir aufgezwungen"
    zum andern daran, daß derlei für uns eben keine Senation mehr darstellt, für die Menschen vergangener Jahrhunderte hingegen schon.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ob Lautmalerei akzeptiert wird oder nicht, das hängt in der Regel auch von der Epoche ab in der sie entstanden ist.


    D'accord


    Zitat

    Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert konnte man die Menschen in helles Entzücken versetzen, wenn man eine Naturstimmung mittels Musikinstrumenten darstellen konnte - es war eben in Mode. Ein Beispiel - mich wundert, daß es noch niemand erwähnt hat - sind Vivaldis "4 Jahreszeiten", aber auch jene von Haydn.


    Die vier Jahreszeiten sind ja fast schon Programmmusik, wenn man die Sonette berücksichtigt, die dem Werk beigegeben sind. Und sie haben ja auch bis heute ihr Publikum!


    Zitat

    Daß uns hier manches etwas "naiv vorkommt" liegt IMO zum einen daran, daß Haydn selbst kein Freund der Lautmalerei war (es gibt eine Anmerkung von ihm vor, wo er auf Notenpapier beim "Quaken der Frösche "in etwa geschrieben hat:" Diese Geschmacklosigkeit hat man mir aufgezwungen"
    zum andern daran, daß derlei für uns eben keine Senation mehr darstellt, für die Menschen vergangener Jahrhunderte hingegen schon.


    Hin und wieder darf man auch den Kindern trauen. Meine beiden waren begeistert - von Vivaldi, als ich ihnen die "4 Jahreszeiten" in eine Erzählung umsetzte - und von Haydns Sinfonien im Rahmen eines Kinderkonzertes in der Kölner Philharmonie - ein "Haydn-Spaß". Da gab es u.a. eben auch die "Uhr" - und sehr effektiv die "Abschiedssinfonie" (immer noch ist der Scherchen meine Lieblingsinterpretation)!


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius


    So, jetzt kannst Du erst einmal nachfassen ...


    Danke. Hier kommt man ja ans Arbeiten, wenn man nicht die Klappe hält . :D


    Nur ganz kurz:
    Stimmt, „Klangrede“ ist mittlerweile missverständlich.
    Wenn wir mit der Rhetorik als Grundgebäude anfangen, denn sie ist ja als Disziplin des Triviums auch Grundlage der quadrivialen Musik, können wir vielleicht diesen Teil als eigentliche Klangrede bezeichnen. Ob das Harnoncourt auch so gemeint hat, weiß ich nicht mehr – er sollte aber. :D


    Diese Sicht der Grundlagen musikalischer Komposition macht sich der späte Bach ja wieder vermehrt zu eigen. Man sollte dem stärker nachgehen – aber nicht hier.
    Schöne Studienobjekte wären die Klavierduette und die zweistimmigen Kontrapunkte aus der Kunst der Fuge.


    Dann haben wir noch die rhetorischen Figuren, die als Floskeln vorkommen. Die Wiederentdeckung dieser Elemente als Bestandteile der Komposition führte unter anderem zu den etwas holperigen Ergebnissen besonders in der Artikulation barocker Musik, wie wir sie aus den frühen Aufnahmen eben Harnoncourts kennen. Es gibt noch konsequentere (und schlimmere) Beispiele, die sich anhören, als hätte man im Barock grundsätzlich Stotterer mit gleichzeitiger Atemnot vertont. Mittlerweile haben wir allerdings wieder fast das Gegenteil erreicht und können bald zwischen verschiedenen HiP-Karajans (Pardon) auswählen. (das wird ja immer mehr OT... :untertauch: )


    Der Affektkatalog besteht aber parallel zu den rhetorischen Figuren und wird in der rein musikalischen Bedeutung verwendet. Eine chromatische Abwärtsskala als Zeichen des Schmerzes ist also etwas anders als eine musikalische Litotes z.B.


    Aber da sind wir von der Lautmalerei immer noch ganz schön weit weg.

  • Hallo miteinander,


    wenn wir unter Lautmalerei in erster Linie die Nachahmung von Naturlauten verstehen, so schwirrt mir eine Frage im Kopf herum, zu deren Beantwortung mir die Musikexperten sicherlich einiges sagen können:


    Inwieweit spiegelt sich das unterschiedliche Verhältnis zur Natur und zum Natürlichen, das in den einzelnen Epochen zum Ausdruck kommt, in der Musik wider?


    Im Barock mit seiner Betonung des Religiösen und damit des Geistigen herrschte sicherlich ein anderes Verhältnis zu Naturlauten in der Musik als zur Zeit der Aufklärung, die ja auch die Naturwissenschaften stark in den Vordergrund stellte. Im Rokkoko war der Umgang mit der Natur in der Kunst ja sehr spielerisch-anakreontisch; die Empfindsamkeit betonte wiederum das „Echte“ in der Natur, während die Romantiker in der Natur ja eher in Zeichensystem sahen und das „Als-Ob“ in den Vordergrund stellten. Der Naturalismus setzte wieder auf „Natur pur“, der Expressionismus betonte eher die Künstlichkeit usw. - bis hin zur Umweltbewegung in den 70ern und 80ern und der Ästhetisierung in den 90er Jahren des 20. Jh.

    Wenn ja auch in der Kunst die Natur immer stilisiert wird, so war es doch ein stetiges Auf und Ab in der Darstellung und Bewertung des Natürlichen – inwieweit kommen die unterschiedlichen Auffassungen in dem musikalischen Kunstmittel der Lautmalerei zum Ausdruck?


    :hello: Petra

  • Zitat

    Original von petra
    Inwieweit spiegelt sich das unterschiedliche Verhältnis zur Natur und zum Natürlichen, das in den einzelnen Epochen zum Ausdruck kommt, in der Musik wider?


    Liebe Petra,


    ein nicht einfach zu beantwortende Frage. Die Musik muss ja erst narrativ werden, etwas erzählen wollen, bevor man auch unterschiedliche Intentionen vermuten kann. Ich konstruiere einfach mal ein Beispiel aus dem Mittelalter. Von Walther von der Vogelweide gibt es das bekannte Gedicht "Unter der linden". Es ist aus Topoi der mittellateinischen Dichtung zusammengesetzt, die wir als solche nicht erkennen, wenn uns die mlat. Dichtung nicht vertraut ist. Wir können uns also eine Naturidylle konstruieren. Die im Gedicht erzählte Natur hatte aber für den ma. Menschen eine andere Bedeutung, sie war außerhalb der Gemeinschaft. Und eben da befand sich auch das Liebespaar. Natur war, soweit sie nicht unterworfen war, die Quelle von vielfältigen Gefahren. Wenn es in der Literatur schon nur dem Literaturhistoriker gelingt, die Konnotationen von zitierter Natur offenzulegen, so ist es in der Musik da gleiche. Das unterschiedliche Verhältnis zur Natur spiegelt sich nicht offensichtlich, einsichtbar für jeden, wider, es bedarf der Kenntnis der Zeit, um diese Zeichen einzuordnen.


    Insofern meine ich, dass man die Änderungen des Naturbewusstseins nur sehr vermittelt in der Musik findet (das Murmeln des Baches bei Keiser unterscheidet sich nicht von dem bei C.P.E. Bach), die Unterschiede aber sich eher in den (Kon-)Texten finden.


    Zitat

    Im Barock mit seiner Betonung des Religiösen und damit des Geistigen herrschte sicherlich ein anderes Verhältnis zu Naturlauten in der Musik als zur Zeit der Aufklärung, die ja auch die Naturwissenschaften stark in den Vordergrund stellte.


    Ich kann leider nicht einen grundsätzlichen Unterschied in der Vertonung eines Textes von Brockes (bei dem die Natur eine neue Rolle gewinnt) durch einen Komponisten des Barocks oder der Empfindsamkeit in Sachen der Darstellung der Natur hören. Allenfalls hat sich die Art zu Komponieren deutlich entwickelt, da die Sprache der Musik aber doch nicht eine analytische ist wie bei der gesprochenen Sprache, eher eine analoge, finden die Deutungen außerhalb der Musik statt. Aber mit der Entscheidung, dass Musik spricht, werden Naturlaute, ob als Kulisse oder als Charakterisierung von Personen, häufiger - und erst einmal mehr in Musik, die mit Sprache verbunden ist als in der Instrumentalmusik.


    Zitat

    Im Rokkoko war der Umgang mit der Natur in der Kunst ja sehr spielerisch-anakreontisch; die Empfindsamkeit betonte wiederum das „Echte“ in der Natur, während die Romantiker in der Natur ja eher in Zeichensystem sahen und das „Als-Ob“ in den Vordergrund stellten.


    Und das Murmeln des Baches durch eine Flöte darzustellen, war bei Keiser wie bei Smetana (Vltava) das musikalische Mittel ...


    Zitat

    inwieweit kommen die unterschiedlichen Auffassungen in dem musikalischen Kunstmittel der Lautmalerei zum Ausdruck?


    Ein weites Feld - das ich jetzt nur erst einmal angedacht habe. Aber vielleicht gibt es da Ergänzung oder Widerspruch ...


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Nun würde mich interessieren, wie Ihr darüber denkt und ob Ihr weitere Beispiele für einen derartigen Gebrauch von Musik kennt und bewerten möchtet, den die einen für ein legitimes Stilmittel halten und andere am liebsten in den Thread über Missbrauch der Musik


    Lieber Rideamus,


    Wie schon erwähnt, ist Lautmalerei sehr alt.
    Von Händel ist ein Orgelkonzert bekannt "Der Kuckuck und die Nachtigall". Da werden die Laute gut nachgeahmt.
    Sir Henry Bishop. der das berühmte "Home, sweet home" komponierte, hat eine Bravourarie für Sopran geschrieben: Lo! here the gentle lark.
    Die Sängerin "trillert" und hat bei ihren Koloraturen eine Flöte als Gegenstimme. Wirklich wunderbar.


    LG, Paul

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  • Lieber Peter,


    Zitat

    Zitat pbrixius:Und das Murmeln des Baches durch eine Flöte darzustellen, war bei Keiser wie bei Smetana (Vltava) das musikalische Mittel ...


    auch ich sehe die Unterschiede in der Bewertung des Natürlichen eher in den Kontexten als in den musikalischen Mitteln, die verwendet wurden.


    Meine Überlegungen gingen eher in Richtung Quantität: Wurde Lautmalerei in einigen Epochen und Strömungen häufiger eingesetzt als in anderen, und hängt der häufigere Gebrauch mit einer unterschiedlichen Bewertung der Natur und des Natürlichen zusammen?


    Ich war durch einige Beiträge auf diesen Ansatz gekommen:


    Zitat

    Zitat Rideamus: Auch umgekehrt wird ein Schuh draus: warum konnten die Klassiker so unbefangen mit dem lautmalerischen Naturzitat umgehen (wobei die meisten Tiernamen der Haydn-Symphonien ja nicht auf ihn sekbst zurück gehen, er sich diese womöglich sogar verbeten hätte) und zugleich so wenig Interesse daran haben, dieses Stilmittel anders als spielrisch zu nutzen?

    Hat es vielleicht etwas damit zu tun, dass im Barock nur die künstlich verfeinerte Wiedergabe natürlicher Vorkommnisse und Emotionen etwas galt?


    Zitat

    Zitat pbrixius: Bei Gluck ist - wie Du richtig einwendest - gegenüber dem Artifiziellen des Barocks das Natürliche des Menschenbilds der Aufklärung angestrebt.


    Zitat

    Zitat Alfred Schmidt: Ob Lautmalerei akzeptiert wird oder nicht, das hängt in der Regel auch von der Epoche ab in der sie entstanden ist. Im siebzewhnten und achzehnten Jahrhundert konnte man die Menschen in helles Entzücken versetzen, wenn man eine Naturstimmung mittels Musikinstrumenten darstellen konnte - es war eben in Mode.


    Liebe Grüße,
    Petra

  • Zitat

    Original von petra


    auch ich sehe die Unterschiede in der Bewertung des Natürlichen eher in den Kontexten als in den musikalischen Mitteln, die verwendet wurden.


    Meine Überlegungen gingen eher in Richtung Quantität: Wurde Lautmalerei in einigen Epochen und Strömungen häufiger eingesetzt als in anderen, und hängt der häufigere Gebrauch mit einer unterschiedlichen Bewertung der Natur und des Natürlichen zusammen?


    Liebe Petra,


    wenn ich einen deutlichen Trennungsstrich zeichnen darf, würde ich ihn zwischen der Musik vor der Romantik und seit der Romantik ziehen. Vorher hat das Naturzitat entweder illustrativen Charakter (so auch die Beispiele von Paul) oder verwiesen auf Eigenschaften des Menschen (wenn jemand etwa singt, dass er sich wie ein vom Käfig befreites Vögelchen vorkommt, Mozart aber in der Orchesterbegleitung deutlich macht, dass dieses Vögelchen sich nicht frei in den Lüften erhebt, sondern auf dem Boden herumhüpft; La finta giardiniera, Nr. 2, Arie des Ramiro "Se l'augellin sen fugge")


    Seit der Romantik kommt die Natur als eigener Akteur auch in der Musik zur Geltung, ob bedrohlich wie im Freischütz oder mit eigenem Leben erfüllt wie in Debussys La Mer. Wenn die Grenze so akzeptiert wird, könnte man da mal ein wenig genauer hinsehen.


    LG Peter

  • Lieber Peter,


    die Sache mit der Romantik als „Demarkationslinie“ ist eine spannende Geschichte, denn ich finde gerade in dieser Epoche immer Züge, die schon auf die Moderne hinweisen, und die sie von früheren Epochen abheben: die Betonung der Zerrissenheit des Menschen, das Zulassen auch der dunklen Seiten, das Fragmentarische, eben nicht abgerundet Harmonische ...
    Dass die Natur gerade in dieser Zeit in der Musik eine eigene Stimme bekommt, ist dann sicherlich kein Zufall.


    LG Petra

  • Um mal kurz von der sehr triftigen Diskussion hier abzulenken und auf konkrete Werke zurück zu kommen: leider erst soeben habe ich entdeckt, dass es einen weiteren Thread gibt, der als Beispielsammlung stark hier herein spielt:


    Sturm und Musik . Auch dieser hier "BEHOLD! THE SEA ITSELF!!" - Das Meer in der Musik gehört mit dazu.


    In allen noch nicht genannt wurde m. E. die Gewittermusik von Paisiellos IL BARBIERE DI SIVIGLIA. Harmlos, aber ziemlich illustrativ.


    :hello: Rideamus

  • Kein stürmisches Meer, sondern nur ein kleines "Bächlein" ist
    das Gewässer aus Schuberts "Die schöne Müllerin", aber eins mit für den Müllersburschen schwerwiegenden Folgen.


    Wenn der Müller erzählt: "Ich hört ein Bächlein rauschen ...", so wird vom Klavierpart das Rauschen des Baches imitiert; die Lautmalerei hat also hier illustrativen Charakter (ähnlich wie in Schuberts "Forelle", wo ebenfalls ein munter rauschender Bach assoziiert wird).


    In einigen Liedern der "Schönen Müllerin" wird dieser Bach jedoch personifiziert und erscheint entweder als Dialogpartner ( "Danksagung an den Bach"; "Der Neugierige"; "Der Müller und der Bach") oder aber als im gesamten Lied sprechende Instanz ("Des Baches Wiegenlied").


    Interessant finde ich hier die Tatsache, dass in den letztgenannten Liedern, in der das Wasser eine eigene Stimme erhält, meines Erachtens keine Lautmalerei zu finden ist, wir hören hier kein Murmeln oder Rauschen. Vielmehr erhält der Klavierpart hier eine Stimme, die sich meiner Meinung nach eher als sprechender "Partner" der Singstimme begreifen lässt (jedenfalls in meinen Ohren, aber vielleicht interpretiere nur ich das so ?).


    :hello: Petra

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