Lieber Matthias,
stimmt, ein Adorno-Thread sollte einmal sein.
Was ich meinte, war, daß Adornos Argumentation innerhalb eines Essays stimmt. Daß er mitunter nicht seinem Gedankengebäude entsprechend argumentiert, stimmt - zeigt für mich aber nur, daß er Ausnahmen kennt, wenn er sie auch nicht als solche bezeichnet. Auch für mich wird er dadurch eigentlich nur noch interessanter.
Was die Lyrik betrifft: Adorno ist sicherlich von den "Nüssebwisperern" (wie sie Benn nannte) ausgegangen. Allerdings waren die schon vor Hitlers Mordregime nicht mehr sehr aktuell. Sie waren länsgt vom Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit abgelöst worden. Selbst wenn die Form beachtet wurde (Brecht war ein Meister des Sonetts!), war diese nur noch Reibefläche für die Inhalte.
Das bestärkt meine Meinung, daß Adorno Hitler nur als Vorwand benützte, um nun gegen eine bereits vor 1933/1938 abgelehnte Ästhetik zu argumentieren.
Daß Adornos Argumente sehr hilfreich für die Entwicklung waren, steht auf einem anderen Blatt. Ich bin der vollen Überzeugung, daß die Rigorosität des seriellen Denkens eine Notwendigkeit war, um die Musik aus der Sackgasse der Hindemith-Nachahmer herauszuführen. Auf lange Sicht hat sich nämlich das serielle Denken in Form der Materialdisziplin durchgesetzt - und zwar auch bei jenen Komponisten, die man a priori nicht als seriell einstufen würde.
Die Reduktion Adornos auf seine von einigen Apologeten des Dirigenten als falsch erachteten Beobachtungen zu Karajan und seine im Materialdenken begründete Ablehnung des Jazz dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß Adorno bis heute eine der prägenden Gestalten der Musikgeschichte bzw. zumindest der Musik-Rezeptionsgeschichte war.