Nach Orpheus und Intermezzo hat mir das Theater an der Wien in dieser Saison gestern den dritten sehr interessanten Opernabend geboten. Wohl starte ich dieses Thema - werd die Details aber den Pelleas-Kennern überlassen. Haben sich doch auch andere Taminos diesbezüglich angekündigt - also eher TaminAs - Melanie?! Severina?!
Nun also ohne fachgeistige Ergüsse hier meine ganz persönlichen Eindrücke:
Ich glaube vorerst einmal kaum, dass man es musikalisch besser machen kann. Superstars des Abends sicherlich wiederum das Rundfunk-Symphonieorchester diesmal unter Bertrand de Billy! Am 13. war ich leider nicht zu Hause, um die Radioübertragung aufzunehmen. Denn die zahllosen Details, die sich da im Orchester abgespielt haben, wären doch wert mittels der Aufnahme etwas genauer unter die Lupe oder besser gesagt unters "Ohr" zu nehmen: Zahllose farbige Musiknuancen von transzendent, verhaltenen Ziselierungen bis zur leidenschaftlichen Kraft in Golauds Eifersucht und dem kurzen, aber umso intensiveren Glücksrausch!
Grundsätzlich hab ich es schön und treffend gefunden, dass die Oper so sehr auch als "Theaterstück" herübergekommen ist. Ein Glücksgriff auch, dass die Darsteller nicht nur stimmlich, sondern auch vom Typ her ihren Rollen so sehr gerecht wurden. Natalie Dessay scheint mir die absolute Idealbesetzung. Stimmlich sowieso und durch ihre zarte Figur und ihre Bewegungen unterstreicht sie all das neptunisch-nymphische der Mélisande.
Auch Stéphane Degout nimmt man durch sein jungenhaftes Äußeres den Pelleas ebenso ab wie dank seines hellen lyrischen Baritons. Weiß nicht, wie er in größeren Häusern klingen würde, die Stimme scheint nicht sehr voluminös. Hier hat's jedoch meiner Ansicht nach gepaßt.
Laurent Naouri ist gut zwei Köpfe größer als die Dessay und den grobstofflichen Typen, der Mélisande in seiner Weise liebt aber zu ihrer Seele keine Verbindung aufbauen kann, bringt er sowohl physisch als auch stimmlich wunderbar auf die Bühne. Eine sehr schöne Rolle ist auch der König Arkel, durchaus ergreifend interpretiert vom mir bisher nicht bekannten Baß Philip Ens.
Ein "Theaterstück", das vom Thema her sehr betroffen macht. Seelen, die an der Umwelt zerbrechen gibt es ja mehr als man glaubt. Ebenso wie falsch verstandene Liebe und unsinnige Eifersucht. Die Regie verzichtet auf jegliche "märchenhafte" Nuance. Mélisande wandelt durch eine düstere von dunklen Holzbauten geprägte Welt, die durch und durch im Gegensatz zu Ihrer Seele steht. Auch Mélisandes angeblich übermäßig langes Haar, das von oben auf Pelleas herabfällt und sich in den Zweigen verfängt, wird in der berühmten Szene auf eine poetische Phantasie seitens Pelleas reduziert, was wiederum menschlich berührt.
Die Szenerie ist nicht schlecht gelöst. Die Drehbühne ermöglichet rasche Szenenwechsel und dient auch als dramatisches Element z.B. um die Eifersucht Golauds darzustellen. Allerdings ist oft einigermaßen zu viel an "Holzbauten" auf der Bühne - weniger und symbolischer wäre eher meine Idee gewesen.
Alles in allem eine fast konventionelle Inszenierung - auf jeden Fall recht konservativ in der Pesonenführung. Die Gesamtstimmung des dichten Waldes, der Landschaft, in der man den Himmel nicht sieht, ist jedoch gut getroffen.