Janáčeks zehnte Oper - Tagebuch eines Verschollenen

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    Caruso41

    Mir gebührt kein Heiligenschein, nur etwas Recherche ist nötig, aber da fehlt es vielen dran hier im Forum, nach dem Motto "diese niederen Arbeiten lassen wie mal die anderen machen" ich bin zu was besserem berufen! ;):pfeif:


    Mal ganz ehrlich, das kommt mir oft in den Sinn, im anderen Thread hatte ich das HEUTE genauso! Sorry für den OT.


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Vielleicht wird ja über den Liederzyklus von Janáček hier im Forum so wenig geschrieben, weil es einfach unheimlich schwer ist zu verbalisieren, was man da gehört, erlebt und durchlitten hat.

    Nein, lieber Caruso, das ist nicht der Grund. Das würde ja zum Beispiel auch für Schuberts "Winterreise" gelten. Der wirkliche Grund - jedenfalls für mich - ist:


    Man versteht die Sprache nicht. Und das macht urteilende Aussage über diese Liedmusik, die über im Grunde nichtssagende allgemeine Feststellungen, den subjektiven Höreindruck betreffend, hinausgeht, schlicht unmöglich.


    Grundlage für ein substanziell relevantes Urteil über Liedmusik ist der - mehr oder weniger ins Detail gehende - analytische Blick in ihre Struktur unter der Frage, wie, auf welche Weise, mit welchen Mitteln in welchem Umfang und in welcher Tiefe sie die lyrische Aussage reflektiert und interpretiert. Und das betrifft ja nicht nur die Semantik, es umfasst auch die spezifische Struktur des lyrischen Textes in seiner Anlage und seiner Sprache bis hin zur Ebene der Phonetik.

    Übersetzungen helfen da nicht. Ein lyrisches Gedicht ist nicht übersetzbar. Wenn ich im Begleitheft meiner alten Schubertlied-Schallplatten-Kassette lese: "Über allen Gipfeln / Ist Ruh" = "Over all hill tops is peace", schüttelt mich´s vor Lachen. Schubert legt auf die Worte "ist Ruh" einen deklamatorischen Sekundschritt, der dem Hilfsverb "ist", das hier bei Goethe über seinen Hilfsverb-Charakter hinausgeht (wie Heidegger mal auf beeindruckende Weise aufgezeigt hat) das entsprechende Gewicht verleiht, und er zeigt damit, was für ein großartiger Liedkomponist er ist.


    Zu einem solchen Urteil kann ich nur kommen, wenn ich Goethes Gedicht in seiner prosodischen Anlage, seiner lyrischen Sprache im Besonderen und seiner poetischen Aussage voll und ganz verstehe. Ist das nicht der Fall, kann ich die Liedmusik zwar hören und mich ihrer erfreuen, darüber urteilen - und das in sachlich fundierter Weise - könnte ich nicht.

    So geht mir´s mit Janáčeks Liederzyklus. Ich kenne ihn - das Wort "natürlich" vermeide ich - , weiß durch entsprechende Übersetzungen um den Inhalt der Lieder, kenne auch die deutschsprachige Version auf der Grundlage der Brod-Übersetzung, aber all das reichte für mich allenfalls für das Bekenntnis, wie tief mich die Musik da und dort ergreift.


    Aber bitte, - wen interessiert mein persönliches Ergriffen-Sein?

    Das von mir zu geben, darin sehe ich nicht meine Aufgabe hier im Forum, das Kunstlied betreffend. Ich möchte die spezifische Eigenart einer Liedmusik deskriptiv erfassen und ein Urteil darüber abgeben, worin ihre spezifische Aussage, und damit auch ihre die Hörer ansprechende - und möglicherweise schöne - Klanglichkeit besteht und gründet.

    Verstehe ich aber den zugrunde liegenden lyrischen Text nicht, muss ich schweigen.

    So bei Janáček, so etwa auch bei den vielen schönen russischen Liedern, die es gibt und derer ich mich immer wieder erfreue. Selbst bei französisch-sprachigen Liedern habe ich Hemmungen, obwohl diese Sprache im Hauptfach an der Schule gelernt habe und mich als ihrer kundig glaube bekennen zu dürfen.


    Also sei mir nicht böse, lieber Caruso, wenn Du hier zu dem von Dir so sehr geliebten Liederzyklus außer diesem Beitrag von mir nichts weiter zu lesen finden wirst.

    Das tut mir leid, aber es ist nicht zu ändern.

  • Lieber Helmut Hofmann,

    Das würde ja zum Beispiel auch für Schuberts "Winterreise" gelten. Der wirkliche Grund - jedenfalls für mich - ist:


    Man versteht die Sprache nicht. Und das macht urteilende Aussage über diese Liedmusik, die über im Grunde nichtssagende allgemeine Feststellungen, den subjektiven Höreindruck betreffend, hinausgeht, schlicht unmöglich.

    das verstehe ich als die Erklärung, warum Du zu Janáčeks "Tagebuch eines Verschollen" nichts betragen kannst und willst. Und natürlich akzeptiere ich Deinen hohen Anspruch an Dich selbst. Es ist gut, wenn Menschen wissen, wozu sich äußern können und wann sie das besser nicht tun sollten - zumal wenn sie dafür genau ausformulierte Gründe haben.


    Als allgemeine Maxime aber mag ich mir nicht zu eigen machen, dass ich über Lieder nichts sagen kann, wenn ich die Sprache nicht beherrsche. Selbst ein Komponist, dessen Kompositionen so eng mit dem Duktus und Ausdrucksgestus der Sprache verbunden ist, wie das bei Janáček war, kann mir doch ungeheuer viel sagen, obgleich ich die Sprache nicht verstehe und schon gar nicht beherrsche.

    Und warum soll ich mir dann verweigern, davon zu reden?


    Ich habe Janáčeks "Tagebuch" schon Mitte der 50 Jahre kennen gelernt. Durch die Aufnahme von Beno Blachut, die ich im Haus der tschechischen Kultur erstanden hatte. Inzwischen habe ich auch viele andere Aufnahmen gehört und etliche Aufführungen erlebt. Dadurch sind mir die Gefühlswelten des jungen Burschen im Laufe der Jahre allein durch die Komposition (natürlich gestützt durch die deutsche Übersetzung des Textes) so nah gekommen, dass ich das Verständnis der Sprache gar nicht wirklich vermisse.


    Liebe Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • das verstehe ich als die Erklärung, warum Du zu Janáčeks "Tagebuch eines Verschollen" nichts betragen kannst und willst.

    So war´s gemeint, lieber Caruso. Ich leitete meinen Beitrag ja mit den Worten ein: "Der wirkliche Grund - jedenfalls für mich - ist:". Und ich kann verstehen, dass man, wie das bei Dir der Fall ist, durch eine lange und intensive Beschäftigung mit dem Liederzyklus über die Musik den "Gefühlswelten des jungen Burschen" so nahe kommt, dass man die Sprache nicht braucht.

    Bei mir ist das halt nicht der Fall. Aber ich habe mir, angeregt durch Deine vorangehenden Beiträge, inzwischen die Noten beschafft und will versuchen, der Liedmusik Janáčeks ein wenig näher zu kommen. Mal sehen, ob mir das gelingt.